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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 3 StR 425/15
  5. vom
  6. 28. Januar 2016
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen versuchten Mordes u.a.
  10. ECLI:DE:BGH:2016:280116U3STR425.15.0
  11. -2-
  12. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar
  13. 2016, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  15. Becker,
  16. die Richter am Bundesgerichtshof
  17. Hubert,
  18. Dr. Schäfer,
  19. Mayer,
  20. Richterin am Bundesgerichtshof
  21. Dr. Spaniol
  22. als beisitzende Richter,
  23. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  24. - in der Verhandlung -,
  25. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  26. - bei der Verkündung -
  27. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  28. Rechtsanwalt
  29. ,
  30. Rechtsanwalt
  31. als Verteidiger,
  32. Rechtsanwalt
  33. als Vertreter des Nebenklägers
  34. K.
  35. ,
  36. Rechtsanwältin
  37. als Vertreterin der Nebenkläger A.
  38. und E.
  39. S.
  40. ,
  41. -3-
  42. Rechtsanwalt
  43. als Vertreter der Nebenklägerin T.
  44. S.
  45. ,
  46. Justizobersekretärin
  47. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  48. für Recht erkannt:
  49. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
  50. Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2015 wird verworfen.
  51. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten
  52. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die
  53. Staatskasse.
  54. Von Rechts wegen
  55. Gründe:
  56. 1
  57. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in vier tateinheitlichen Fällen, weiter in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt
  58. die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das
  59. Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
  60. -4-
  61. I.
  62. 2
  63. 1. Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten vor, er habe am 9. Dezember 2014 gegen 03.30 Uhr im Wohnhaus der Nebenkläger durch eine fehlende
  64. Glasscheibe an der Haustür eine dahinter als Windschutz aufgehängte Jacke
  65. angezündet, um die, wie er gewusst habe, in dem Gebäude schlafenden Nebenkläger mittels Feuer oder Rauch zu töten. Die Flammen hätten unter anderem die hölzerne Haustür erfasst, die schließlich selbständig gebrannt habe.
  66. Den erwachenden Nebenklägern, die Rauchvergiftungen erlitten hätten, sei es
  67. aber gelungen, den Brand zu löschen.
  68. 3
  69. 2. Das Landgericht hat das objektive Brandgeschehen wie in der Anklageschrift angenommen festgestellt, sich aber von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
  70. 4
  71. a) Zwar seien mögliche Motive des Angeklagten für die Brandlegung
  72. nicht zu verkennen. Die Nebenklägerin T.
  73. S.
  74. habe im September
  75. 2014 eine persönliche Beziehung zum Angeklagten beendet und ihre Anstellung in dessen Betrieb gekündigt. Mangels weiteren Einkommens habe sie
  76. gleichzeitig die Mietzahlungen für das von ihr angemietete spätere Brandobjekt
  77. eingestellt, so dass der Vermieter den Mietvertrag am 12. November 2014 fristlos gekündigt habe. Dies habe zu zusätzlichem Streit geführt, denn der Angeklagte habe sich dem ihm bekannten Vermieter gegenüber für die Zahlungen
  78. verantwortlich gefühlt; dieser habe sich zur Vermietung nur aufgrund seiner Bestätigung bereit gefunden, die Nebenklägerin könne mit dem bei ihm erzielten
  79. Arbeitseinkommen die Miete bezahlen. In der Folge habe der Angeklagte deshalb die Nebenklägerin und ihren Lebensgefährten, den Nebenkläger K.
  80. ,
  81. -5-
  82. mehrfach aufgefordert, das Anwesen zu räumen. Die noch nicht ersetzte Glasscheibe an der Haustür habe er am 30. Oktober 2014 gegen 23.30 Uhr selbst
  83. eingeschlagen, um in das Haus einzudringen und die Genannten wegen der
  84. Mietrückstände zur Rede zu stellen.
  85. 5
  86. b) Diese Motivlage sei jedoch nicht ausreichend, um den bestreitenden
  87. Angeklagten der Brandlegung zu überführen; weitere für seine Täterschaft
  88. sprechende Indizien hätten sich nicht ergeben.
  89. 6
  90. Zwar sei der im Nachbarhaus wohnende Angeklagte nach dem Löschen
  91. des Brandes am Tatort erschienen, jedoch könne ihm seine Einlassung nicht
  92. widerlegt werden, er sei nur zufällig beim - von einer Zeugin auch an anderen
  93. Tagen beobachteten - nächtlichen Ausführen seines Hundes vorbeigekommen.
  94. Soweit er anschließend in einem weiteren Streitgespräch mit der Nebenklägerin
  95. T.
  96. S.
  97. sinngemäß geäußert habe, die Nebenkläger das nächste Mal
  98. "richtig abfackeln" zu wollen, habe er nach dem Gesprächszusammenhang
  99. lediglich provozieren wollen.
  100. 7
  101. Ebenso wenig führe ein von der Staatsanwaltschaft vorgelegtes Foto der
  102. Bildschirmanzeige eines Internet-Chats weiter, in dem sich einer der beiden
  103. Teilnehmer offenbar zur Tat bekenne. Der Wortlaut lasse keine Rückschlüsse
  104. auf die Identität der Chatteilnehmer zu. Zwar sei den Beiträgen des Bekenners
  105. jeweils ein "Miniatur-Lichtbild" zugeordnet. Es sei aber nicht zu erkennen, ob es
  106. sich bei der abgebildeten Person um den Angeklagten oder um einen der in der
  107. Hauptverhandlung vernommenen Zeugen handele.
  108. -6-
  109. II.
  110. 8
  111. 1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht
  112. dadurch verletzt, dass es zur Ermittlung der Partner des abgelichteten InternetChats nicht (nochmals) die Nebenkläger K.
  113. und T.
  114. S.
  115. als Zeugen
  116. vernommen habe, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig. Zwar hätte es sich in Anbetracht der Schwere des Tatvorwurfs - auch bereits der Staatsanwaltschaft - aufgedrängt, die Identität der
  117. Chat-Teilnehmer durch Lokalisierung des Chatraums, entsprechende Ermittlungen beim Anbieter und gegebenenfalls Auswertung beim Angeklagten vorhandener elektronischer Speichermedien zu klären. Eine dahingehende Aufklärungsrüge ist jedoch nicht erhoben.
  118. 9
  119. 2. Soweit die Revision Verstöße des Landgerichts gegen § 261 StPO
  120. rügt, wendet sie sich in der Sache gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
  121. Diese weist indes keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
  122. 10
  123. a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters,
  124. dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil
  125. über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters
  126. mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August
  127. 2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise
  128. -7-
  129. insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter
  130. alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen
  131. und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris
  132. Rn. 3). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die tatrichterliche Würdigung
  133. auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen
  134. wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 - 3 StR
  135. 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
  136. 11
  137. b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts
  138. revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Näherer Erörterung bedarf - im Einklang mit der Antragsschrift des Generalbundesanwalts - nur Folgendes:
  139. 12
  140. c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die Umstände, die aus seiner Sicht geeignet waren, die Entscheidung zu Ungunsten
  141. des Angeklagten zu beeinflussen, nicht nur jeweils isoliert für sich gewertet,
  142. sondern auch in eine hinreichende Gesamtwürdigung einbezogen. Es hat dargelegt, dass die der beendeten Beziehung zur Nebenklägerin und der Sorge
  143. um die Mietzahlungen entspringende Motivlage des Angeklagten mangels weiterer für die Täterschaft des Angeklagten sprechender Beweisanzeichen nicht
  144. ausreiche. Dabei nochmals näher auf das Erscheinen des Angeklagten am
  145. Tatort und die gegenüber der Nebenklägerin ausgesprochene Drohung einzugehen, als dies auf UA S. 12 und 16 unter Hinweis auf die übrige Beweislage
  146. geschehen ist, war das Landgericht nicht gehalten, denn diesen Umständen hat
  147. es wegen ihrer weitgehenden Ambivalenz rechtsfehlerfrei eine wesentliche
  148. Indizwirkung zu Lasten des Angeklagten abgesprochen.
  149. -8-
  150. 13
  151. d) Unbegründet ist auch die weitere materiellrechtliche Beanstandung
  152. der Beschwerdeführerin, das Urteil enthalte weder eine den Anforderungen des
  153. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügende Verweisung auf das Bildschirmfoto noch
  154. eine zureichende Beschreibung der darauf erkennbaren "Miniatur-Lichtbilder"
  155. und erlaube deshalb keine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der Tatrichter
  156. diese rechtsfehlerfrei als für die Identifizierung des Chat-Teilnehmers unergiebig angesehen habe.
  157. 14
  158. aa) Das Urteil verweist in zulässiger Weise auf die zu den Akten genommene, die "Miniatur-Lichtbilder" enthaltende Ablichtung. Mit dem Klammerzusatz "Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015" ist der Inhalt der Verweisung eindeutig bestimmt. Auch die Art und Weise genügt den Anforderungen
  159. von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
  160. 15
  161. Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von
  162. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen (BGH,
  163. Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382). Dem
  164. hieraus von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der strafrechtlichen Literatur gezogenen Schluss, eine bloße Mitteilung der Fundstelle in den
  165. Akten genüge dafür nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267
  166. Rn. 8 mwN), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Verweisung nicht vor. So wird teilweise auch die Notwendigkeit verneint, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder mitzuteilen, die Verweisung geschehe "wegen der Einzelheiten" (hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember
  167. 1997 - 1 Ss (OWi) 96B/97, NStZ-RR 1998, 240 mwN). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil
  168. -9-
  169. der Urteilsgründe machen (OLG Brandenburg aaO), ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden. Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der
  170. Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen.
  171. 16
  172. Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht dadurch, dass es bei der
  173. Nennung und der nachfolgenden inhaltlichen Erörterung der Ablichtung einen
  174. Klammerzusatz mit dessen genauer Fundstelle angebracht hat, deutlich und
  175. zweifelsfrei erklärt, es wolle die Ablichtung zum Gegenstand der Urteilsgründe
  176. machen. Schon nach allgemeiner Lebensanschauung enthält ein unter solchen
  177. Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten,
  178. nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern
  179. sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu
  180. verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe
  181. verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem
  182. Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe.
  183. 17
  184. bb) Das Landgericht hat sich auch hinreichend mit der Ergiebigkeit der
  185. "Miniatur-Lichtbilder" auseinandergesetzt. Nachvollziehbar hat es den Lichtbildern nach deren Inhalt und Qualität nicht von vornherein die Eignung als
  186. Grundlage für eine Identifizierung der abgebildeten Person abgesprochen.
  187. Vielmehr hat es unter Berücksichtigung der darauf erkennbaren individuellen
  188. Merkmale lediglich nicht ausschließen können, dass es sich bei dieser Person
  189. statt um den Angeklagten um einen in der Hauptverhandlung vernommenen
  190. Zeugen handelt. Dagegen ist nichts zu erinnern. Nähere Darlegungen zu den
  191. Merkmalen, welche die Ähnlichkeit der abgebildeten Person auch zu dem un-
  192. - 10 -
  193. mittelbar vor der Strafkammer aufgetretenen Zeugen begründen, sind bei dieser Sachlage von Rechts wegen nicht zu verlangen (vgl. zum umgekehrten Fall
  194. der Identifizierung des Abgebildeten BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995
  195. - 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382 ff.; s. auch BGH, Beschluss vom 7. Juni
  196. 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 21 ff.).
  197. Becker
  198. Hubert
  199. Mayer
  200. Schäfer
  201. Spaniol