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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 348/12
  4. vom
  5. 18. September 2012
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. 3.
  11. 4.
  12. 5.
  13. wegen zu 1. bis 4.: erpresserischen Menschenraubes u.a.
  14. zu 5.: Geiselnahme u.a.
  15. -2-
  16. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
  17. 18. September 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1a StPO einstimmig beschlossen:
  18. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten T.
  19. K.
  20. und K.
  21. K.
  22. , S.
  23. , Ö.
  24. wird das Urteil des Landgerichts
  25. Mönchengladbach vom 18. November 2011
  26. a) im diese Angeklagten betreffenden Schuldspruch dahin neu
  27. gefasst, dass sie des erpresserischen Menschenraubs in
  28. Tateinheit mit besonders schwerem Raub und gefährlicher
  29. Körperverletzung schuldig sind;
  30. b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Nebenklägers
  31. wird abgesehen.
  32. 2. Die weitergehenden Revisionen und die Revision des Angeklagten A.
  33. werden verworfen.
  34. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
  35. und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das
  36. Adhäsionsverfahren
  37. entstandenen
  38. gerichtlichen
  39. Auslagen
  40. werden der Staatskasse auferlegt. Die dem Nebenkläger insoweit entstandenen Auslagen haben die Beschwerdeführer
  41. T.
  42. gen.
  43. , S.
  44. , Ö.
  45. K.
  46. und K.
  47. K.
  48. zu tra-
  49. -3-
  50. Gründe:
  51. 1
  52. Das Landgericht hat die Angeklagten T.
  53. und K.
  54. K.
  55. , S.
  56. , Ö.
  57. K.
  58. des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwe-
  59. rem Raub und gefährlicher Körperverletzung sowie den Angeklagten A.
  60. der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagten T.
  61. Angeklagten Ö.
  62. K.
  63. und A.
  64. und K.
  65. zu Freiheitsstrafen, die
  66. K.
  67. unter Einbeziehung eines
  68. früheren Urteils zu Einheitsjugendstrafen sowie den Angeklagten S.
  69. einer Jugendstrafe verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten T.
  70. Ö.
  71. K.
  72. und K.
  73. K.
  74. , S.
  75. zu
  76. ,
  77. im Adhäsionsausspruch dazu verurteilt, an
  78. den Nebenkläger als Gesamtschuldner 10.000 € nebst Zinsen zu zahlen.
  79. 2
  80. Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten T.
  81. K.
  82. , S.
  83. , Ö.
  84. K.
  85. und K.
  86. erheben überdies Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel dieser Angeklagten
  87. sind lediglich im Hinblick auf den Adhäsionsausspruch erfolgreich und führen
  88. zudem zu einer Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen sind ihre Revisionen ebenso wie diejenige des Angeklagten A.
  89. 3
  90. unbegründet.
  91. 1. Der Schuldspruch war neu zu fassen, damit auch in der Urteilsformel
  92. zum Ausdruck kommt, dass die Angeklagten T.
  93. K.
  94. und K.
  95. K.
  96. , S.
  97. , Ö.
  98. den - vom Landgericht zutreffend angenommenen -
  99. besonderen Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB
  100. verwirklichten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a mwN).
  101. 4
  102. 2. Der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand, da er nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Die Kammer hat dazu lediglich ausgeführt, sie halte "es für
  103. angemessen, aber auch ausreichend, dem Nebenkläger ein Schmerzensgeld in
  104. Höhe von 10.000 € zuzubilligen". Eine solche floskelhafte Begründung ist hier
  105. -4-
  106. keine tragfähige Grundlage für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe (vgl.
  107. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom
  108. 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, NStZ 1993, 145). Es wird nicht deutlich, in
  109. welchem Zusammenhang die konkrete Tat zu dem ausgeurteilten Betrag steht
  110. und welche Gesichtspunkte die Kammer bei der Bemessung berücksichtigt hat.
  111. Der Erlass eines Grundurteils (dazu BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998
  112. - 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202) oder die Zurückverweisung allein zur erneuten
  113. Entscheidung über den Adhäsionsantrag kommt hier nicht in Betracht (vgl.
  114. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 406a Rn. 5).
  115. 5
  116. 3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
  117. Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
  118. 6
  119. a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der gegen den Angeklagten
  120. A.
  121. verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten einen
  122. minder schweren Fall nach § 239a Abs. 2, § 239b Abs. 2 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nach einer - nicht
  123. näher ausgeführten - Gesamtwürdigung nicht "unangemessen hart" sei. Sodann hat es den Strafrahmen des § 239b Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49
  124. Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht zunächst
  125. hätte prüfen müssen, ob die allgemeinen Milderungsgründe gegebenenfalls
  126. unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes zur Annahme eines minder schweren Falles führen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011
  127. - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272 mwN). Der Senat kann hier nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer solchen Prüfung einen minder
  128. schweren Fall angenommen hätte, so dass der Strafrahmen ein Jahr bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe statt zwei Jahre bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe betragen hätte. Indes ist die Freiheitsstrafe von drei Jahren und
  129. -5-
  130. sechs Monaten angemessen (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Dabei hat der Senat
  131. zugunsten des Angeklagten A.
  132. insbesondere sein Geständnis, seine bis-
  133. herige Straflosigkeit und seine außergerichtliche Einigung mit dem Nebenkläger
  134. über die Zahlung eines Schmerzensgeldes bedacht. Dem stehen aber vor allem die Dauer und die Intensität des Geschehens sowie die daraus resultierenden Schäden des Nebenklägers gegenüber.
  135. 7
  136. b) Soweit die Angeklagten Ö.
  137. K.
  138. und K.
  139. K.
  140. mit ihren
  141. Revisionen eine unzulässige Beschränkung ihrer Verteidigung rügen (§ 338
  142. Nr. 8 StPO), ist die Rüge jedenfalls unbegründet.
  143. 8
  144. Der Rüge liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde: Der Vorsitzende
  145. der Strafkammer lehnte es ab, dass die Verteidiger an Stelle der mündlichen
  146. Einlassungen der Angeklagten schriftlich vorformulierte Erklärungen für diese
  147. abgaben. Diese Anordnung bestätigte die Kammer später durch Beschluss
  148. (§ 238 Abs. 2 StPO). Der Verteidiger des Angeklagten Ö.
  149. K.
  150. wollte
  151. dem Vorsitzenden eine schriftlich vorbereitete Stellungnahme des Angeklagten
  152. übergeben, deren Annahme der Vorsitzende jedoch verweigerte. Der Verteidiger beantragte die Verlesung der Erklärung und reichte den auf deren Rückseite niedergeschriebenen Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss. Die
  153. Kammer wies den - auf einem separaten Blatt erneut eingereichten - Antrag,
  154. dem sich der Verteidiger des Angeklagten K.
  155. K.
  156. für diesen entspre-
  157. chend anschloss, zurück und begründete dies damit, dass sie diesen als Antrag
  158. auf Verlesung einer Urkunde verstehe und der Antrag keine Beweistatsache
  159. enthalte.
  160. 9
  161. Die Revisionen der betroffenen Angeklagten beanstanden im Wesentlichen, dass der Antrag auf Verlesung ohne jegliche Prüfung des Erklärungsinhalts abgelehnt worden sei, dass auch ein schriftliches Geständnis unter dem
  162. -6-
  163. Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zum Gegenstand des Urteils gemacht
  164. werden müsse und dass der Anspruch auf rechtliches Gehör zumindest erfordert hätte, die Stellungnahme zum Aktenbestandteil zu machen oder inhaltlich
  165. zur Kenntnis nehmen.
  166. 10
  167. Es trifft zu, dass das Gericht verpflichtet ist, eine schriftliche Stellungnahme des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom
  168. 27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 178). Insofern war die Verfahrensweise, eine Entgegennahme der Erklärung abzulehnen und diese gar zu
  169. zerreißen, fehlerhaft. Jedoch führt dies nicht zur Begründetheit der Rügen, da
  170. die Verteidigung nicht in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt (§ 338
  171. Nr. 8 StPO) beschränkt ist. Denn eine kausale Beziehung zwischen der fehlerhaft unterbliebenen Kenntnisnahme und dem Urteil ergibt sich bei der konkreten Sachlage nicht (s. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR
  172. 299/03, BGHSt 49, 317, 327 f.; Urteil vom 24. November 1999 - 3 StR 390/99,
  173. BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 6). Aus den mit den Revisionen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der Angeklagten Ö.
  174. K.
  175. K.
  176. K.
  177. und
  178. drängen sich keine Beweistatsachen oder Beweismittel auf, de-
  179. nen die Kammer hätte nachgehen müssen. Auch die Revisionen machen solche nicht geltend. Im Übrigen gebot die Pflicht zur Amtsaufklärung auch nicht,
  180. die Schreiben der beiden Angeklagten, die sich später selbst noch in der
  181. Hauptverhandlung eingelassen haben, zu verlesen (vgl. BGH, Beschluss vom
  182. 27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 180 f.).
  183. 11
  184. c) Die vom Angeklagten S.
  185. habe ihn sowie den Angeklagten A.
  186. erhobene Verfahrensrüge, die Kammer
  187. durch Täuschung und unzulässigen
  188. Zwang (§ 136a Abs. 1 StPO) zu Einlassungen veranlasst, hat im Ergebnis
  189. ebenfalls keinen Erfolg.
  190. -7-
  191. 12
  192. Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass aus sich heraus nicht ohne
  193. Weiteres die Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Vorsitzende nach einer
  194. Einlassung des Angeklagten A.
  195. alle vier anderen zu diesem Zeitpunkt von
  196. ihrem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten während einer Sitzungsunterbrechung in Gewahrsam nehmen ließ. Eine allein in Betracht kommende Ingewahrsamnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO setzt voraus, dass
  197. Anhaltspunkte dafür bestehen, der Angeklagte werde sich aus der Verhandlung
  198. entfernen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2003 - 3 Ws 498/03,
  199. NStZ-RR 2003, 329, 330; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 231 Rn. 3;
  200. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 231 Rn. 2, 4). Es erscheint zweifelhaft, ob allein
  201. die geständige Einlassung des Angeklagten A.
  202. eine entsprechende Prog-
  203. nose begründen konnte, nachdem die in Freiheit befindlichen Angeklagten zu
  204. den vorangegangenen Hauptverhandlungsterminen erschienen waren und der
  205. Nebenkläger die Tatvorwürfe in seiner Zeugenaussage bereits bestätigt hatte.
  206. Jedoch lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass der Gewahrsam gezielt zur
  207. Herbeiführung einer Einlassung angeordnet wurde und diese damit unverwertbar war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 - 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933,
  208. 2936 mwN). Zudem liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gewahrsam und der Einlassung des Angeklagten S.
  209. deshalb nicht nahe, weil
  210. dieser erst sechs Tage nach dem - knapp eine Stunde dauernden - Gewahrsam Angaben machte.
  211. 13
  212. d) Der Senat sieht Anlass zu der Bemerkung, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung
  213. wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Mai 1997
  214. - 3 StR 193/97, NStZ-RR 1997, 270).
  215. -8-
  216. 14
  217. 4. Soweit die Rechtsmittel Erfolg haben, ist es angesichts dessen Geringfügigkeit nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und
  218. Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4, § 472 Abs. 1 StPO). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 472a Abs. 2 StPO.
  219. Becker
  220. RiBGH Hubert befindet sich
  221. sich im Urlaub und ist daher
  222. gehindert zu unterschreiben.
  223. Becker
  224. Gericke
  225. Schäfer
  226. Spaniol