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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 3 StR 302/03
  5. vom
  6. 16. Oktober 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
  12. -2-
  13. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Oktober
  14. 2003, an der teilgenommen haben:
  15. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  16. Prof. Dr. Tolksdorf,
  17. die Richter am Bundesgerichtshof
  18. Dr. Miebach,
  19. Winkler,
  20. Becker,
  21. Hubert
  22. als beisitzende Richter
  23. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  24. Leitender Oberstaatsanwalt
  25. bei der Verkündung
  26. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  27. Rechtsanwalt
  28. aus Wilhelmshaven
  29. als Verteidiger des Angeklagten B.
  30. ,
  31. Justizamtsinspektorin
  32. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  33. für Recht erkannt:
  34. in der Verhandlung,
  35. -3-
  36. I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
  37. Landgerichts Oldenburg vom 13. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben,
  38. 1. soweit es die Angeklagte Anna L.
  39. betrifft in vollem
  40. Umfang,
  41. 2. soweit es den Angeklagten B.
  42. betrifft
  43. a) im Strafausspruch und
  44. b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer
  45. Entziehungsanstalt unterblieben ist.
  46. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  47. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  48. II. Die Revision des Angeklagten B.
  49. Urteil wird verworfen.
  50. gegen das vorgenannte
  51. -4-
  52. III. Der Angeklagte B.
  53. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
  54. tragen.
  55. Von Rechts wegen
  56. Gründe:
  57. Das Landgericht hat die Angeklagte Anna L.
  58. unter Freisprechung
  59. im übrigen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
  60. Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten
  61. verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat
  62. es gegen die Angeklagte eine Maßregel nach § 69, § 69 a StGB angeordnet.
  63. Den Angeklagten B.
  64. hat es wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
  65. geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
  66. geringer Menge in zwei Fällen unter Einbeziehung "des Urteils des Amtsgerichts Leer vom 24.10.2001" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
  67. sechs Monaten sowie wegen eines weiteren Falles der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer gesonderten Freiheitsstrafe
  68. von einem Jahr verurteilt. Schließlich hat das Landgericht die Einziehung von
  69. sichergestelltem Haschisch angeordnet.
  70. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft
  71. und des Angeklagten B.
  72. . Die Staatsanwaltschaft hat ihre zuungunsten der
  73. beiden Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision
  74. -5-
  75. auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Angeklagte B.
  76. rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen Rechts und erstrebt mit der
  77. Sachbeschwerde geringere Strafen sowie Strafaussetzung zur Bewährung.
  78. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg; die Revision des Angeklagten B.
  79. ist unbegründet.
  80. Das Landgericht hat festgestellt: Nachdem der Angeklagte B.
  81. im Mai
  82. 2001 bei der Einfuhr von rund 750 Gramm Haschisch, 50 Gramm Marihuana
  83. und 6 Hanfsamen auf frischer Tat betroffen worden war - hierwegen wurde er
  84. zu der einbezogenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt -, kam er spätestens im August 2001 mit dem Nichtrevidenten Gilbert
  85. L.
  86. - dem Sohn der Angeklagten Anna L.
  87. - überein, sich in Gronin-
  88. gen größere Mengen Haschisch zu besorgen. Weil die Angeklagte verhindern
  89. wollte, daß ihr Sohn die Beschaffungsfahrten durchführt, erklärte sie sich bereit, als Kurierin tätig zu werden. Demgemäß fuhr sie im Auftrag des Angeklagten B.
  90. und ihres Sohnes zwischen August 2001 und Anfang November
  91. 2001 mit ihrem Pkw drei Mal nach Groningen und wirkte unentgeltlich bei der
  92. Einfuhr von jeweils rund 1.500 Gramm Haschisch in die Bundesrepublik
  93. Deutschland mit. Da sich das Landgericht nicht davon überzeugen vermochte,
  94. daß die Angeklagte bereits bei der ersten Fahrt von dem Transport von Haschisch wußte, wurde sie insoweit freigesprochen.
  95. I. Angeklagte L.
  96. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils,
  97. soweit die Angeklagte L.
  98. verurteilt worden ist.
  99. -6-
  100. 1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch
  101. ist unwirksam, weil es an der Tragfähigkeit des Schuldspruches wegen Beihilfe
  102. zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen fehlt (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 9 f.). Denn die Ausführungen
  103. des Urteils zum Gehilfenvorsatz der Angeklagten sind widersprüchlich. Das
  104. Landgericht hat hierzu festgestellt, der Angeklagten sei jeweils bewußt gewesen, daß die eingeführte Haschischmenge "nicht nur zum Eigenverbrauch bestimmt war, sondern großenteils weiterverkauft werden sollte" (UA S. 9). Im
  105. Rahmen der Strafzumessung ist die Strafkammer hingegen davon ausgegangen, daß "die Angeklagte glaubte, das Haschisch sei allein für den Angeklagten B.
  106. bestimmt und dieser benötige es wegen seiner Schmerzen" (UA S.
  107. 12). Wäre dies richtig, hätte sie aber mangels der erforderlichen Vorstellung
  108. von der Haupttat keine Beihilfe zum Handeltreiben geleistet.
  109. 2. Diese zur Unwirksamkeit der Revisionsbeschränkung führenden widersprüchlichen Feststellungen bedingen die Aufhebung der Verurteilung der
  110. Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
  111. geringer Menge in zwei Fällen. Die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen kann
  112. ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil diese Gesetzesverletzungen jeweils im
  113. Konkurrenzverhältnis der Tateinheit zu der rechtsfehlerhaft angenommenen
  114. Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stehen.
  115. Die Aufhebung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des gesamten
  116. Rechtsfolgenausspruchs zur Folge.
  117. -7-
  118. II. Angeklagter B.
  119. 1. Revision der Staatsanwaltschaft
  120. Die - soweit sie den Angeklagten B.
  121. betrifft - wirksam auf den Rechts-
  122. folgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen und soweit das Landgericht die Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen
  123. hat.
  124. a) Die Begründung des Landgerichts für die Annahme, daß für alle Einzeltaten des Angeklagten jeweils minder schwere Fälle (§ 29 a Abs. 2, § 30
  125. Abs. 2 BtMG) vorliegen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie
  126. ist einseitig nur auf die Angabe von Milderungsgesichtspunkten begrenzt (vgl.
  127. BGHR vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, unvollständige 6). Das
  128. Landgericht hat in diesem Zusammenhang nicht erörtert, daß der Angeklagte
  129. - obwohl bei einer Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im
  130. Mai 2001 auf frischer Tat betroffen - schon kurze Zeit danach die beiden ersten
  131. abgeurteilten einschlägigen Taten begangen hat und sich von der dritten Tat
  132. auch nicht dadurch abhalten ließ, daß er wenige Tage zuvor wegen der Einfuhrtat vom Mai 2001 zu einer erheblichen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden war.
  133. b) Die Anwendung des § 21 StGB, die das Landgericht zu einer gesonderten weiteren Milderung nach § 49 StGB herangezogen hat (UA S. 13), hält
  134. rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand, weil eine erhebliche Verminderung
  135. -8-
  136. der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anhand der Urteilsgründe nicht
  137. nachvollziehbar ist. Nach den Feststellungen ist das Landgericht "davon ausgegangen, daß der Angeklagte infolge einer krankhaften seelischen Störung
  138. (schizophrene Psychose und langjähriger schädlicher Gebrauch von Cannabis)
  139. in seiner Fähigkeit, einsichtsgemäß zu handeln, erheblich vermindert war". Dabei ist die Strafkammer - ohne eigene Erwägungen hierzu - "insoweit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. T.
  140. gefolgt". Das Urteil
  141. teilt indes weder die entsprechenden Ausführungen noch die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen mit, an die die Schlußfolgerungen der Sachverständigen anknüpfen.
  142. c) Im Rechtsfolgenausspruch kann das Urteil auch insoweit keinen Bestand haben, als das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung
  143. des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat. Die
  144. Prüfung, ob diese Maßregel anzuordnen ist, drängte sich angesichts der Urteilsfeststellungen auf. Danach probierte der Angeklagte 1986 erstmals Haschisch und konsumierte dieses Betäubungsmittel ständig, nachdem er die Erfahrung gemacht hatte, daß er dadurch seine Schmerzen deutlich lindern
  145. konnte (UA S. 7). Nach den Feststellungen hat er täglich bis zu sechs Gramm
  146. Haschisch konsumiert (UA S. 10) und die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Straftaten auch zur Deckung seines Eigenbedarfs begangen. Den
  147. Urteilsgründen läßt sich nicht entnehmen, daß bei dem Angeklagten keine
  148. konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1).
  149. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht mit Hilfe eines Sachverständigen
  150. (§ 246 a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für
  151. eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
  152. -9-
  153. 2. Revision des Angeklagten B.
  154. a) Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und
  155. daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
  156. b) Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen
  157. durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
  158. Zwar begegnen die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Milderung nach § 31 Nr. 1 BtMG abgelehnt hat, rechtlichen Bedenken (vgl. Weber,
  159. BtMG 2. Aufl. § 31 Rdn. 122). Der Senat kann aber ausschließen, daß dieser
  160. Rechtsfehler das Urteil zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt hat. Denn der
  161. vom Landgericht gemäß § 21, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und Nr. 3 StGB auf einen Monat (Schreibversehen: ein Jahr) bis drei Jahre und neun Monaten Freiheitsstrafe gemilderte Strafrahmen des minder schweren Falles der Einfuhr von
  162. und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a
  163. Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG) konnte sich durch eine Milderung nach § 31, § 49
  164. Abs. 2 StGB weder im Höchstmaß noch im Mindestmaß ermäßigen.
  165. c) Auch die Einziehung des sichergestellten Haschisch (§ 33 Abs. 2
  166. Satz 1 BtMG) hat Bestand.
  167. 3. Die Urteilsformel gibt Anlaß zu folgendem Hinweis:
  168. Bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB ist die Urteilsformel so zu fassen, daß - anders als im Jugendstrafrecht, in dem das
  169. Prinzip der einheitlichen Rechtsfolgenverhängung zur Anwendung kommt (§ 31
  170. - 10 -
  171. JGG) - die frühere Strafe und nicht das Urteil einbezogen wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 2).
  172. Tolksdorf
  173. Miebach
  174. Becker
  175. Winkler
  176. Hubert