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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 3 StR 269/04
  5. vom
  6. 9. Juni 2005
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Beihilfe zum Mord u. a.
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  12. 12. Mai 2005 in der Sitzung am 9. Juni 2005, an denen teilgenommen haben:
  13. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  14. Prof. Dr. Tolksdorf,
  15. die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Dr. Miebach,
  17. Pfister,
  18. Becker,
  19. Hubert
  20. als beisitzende Richter,
  21. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  22. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  23. Rechtsanwältin
  24. ,
  25. Rechtsanwalt
  26. als Verteidiger des Angeklagten,
  27. Rechtsanwalt
  28. ,
  29. Rechtsanwalt
  30. ,
  31. Rechtsanwalt
  32. als Nebenklägervertreter,
  33. Justizangestellte
  34. - in der Verhandlung vom 12. Mai 2005 -,
  35. Justizamtsinspektor
  36. - in der Sitzung vom 9. Juni 2005 als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
  37. für Recht erkannt:
  38. -4-
  39. Die Revisionen des Generalbundesanwalts sowie der
  40. Nebenkläger C.
  41. , He.
  42. Y.
  43. , H.
  44. , Ca.
  45. , L.
  46. , D.
  47. , P.
  48. , R.
  49. , F.
  50. , S.
  51. , G.
  52. und
  53. gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlan-
  54. desgerichts Hamburg vom 5. Februar 2004 werden
  55. verworfen.
  56. Die Kosten des Rechtsmittels des Generalbundesanwalts sowie die dem Angeklagten im Revisionsverfahren
  57. entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Die revisionsführenden Nebenkläger
  58. haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
  59. Von Rechts wegen
  60. Gründe:
  61. Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der vom Oberlandesgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit
  62. Beihilfe zum Mord an mindestens 3.066 Menschen zur Last gelegt. Dem lag im
  63. einzelnen der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe sich im Frühsommer
  64. 1999 in Hamburg mit den bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den
  65. Vereinigten Staaten von Amerika ums Leben gekommenen Mohammed Atta,
  66. Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah sowie den anderweitig verfolgten
  67. Bi.
  68. -5-
  69. ,
  70. B.
  71. ,
  72. E.
  73. und
  74. M.
  75. zusam-
  76. mengeschlossen, um den von ihnen propagierten "Heiligen Krieg (Dschihad)"
  77. der Muslime durch die Begehung von Terrorakten in Ländern des westlichen
  78. Kulturkreises, insbesondere in den USA, umzusetzen. Sie hätten den konkreten Entschluß gefaßt, den USA durch Anschläge mittels entführter Flugzeuge
  79. einen schweren Schlag zu versetzen und Tausende von Menschen zu töten. In
  80. Kenntnis und zur Unterstützung dieser Pläne habe der Angeklagte den späteren Attentätern Atta und Alshehhi absprachegemäß erlaubt, seine Adresse in
  81. Hamburg Dritten gegenüber zu verwenden. Außerdem habe er die finanziellen
  82. Angelegenheiten E.
  83. s geregelt, als dieser sich von Anfang 2000 bis Mitte
  84. August 2000 für die terroristische Vereinigung in Afghanistan aufgehalten habe. Er habe E.
  85. schließlich auch Geld zur Verfügung gestellt, das dieser
  86. für seine im Zusammenhang mit den Anschlägen geplante Reise in die USA
  87. benötigt habe. Letztlich habe der Angeklagte den konspirativen Aufenthalt Alshehhis und Bi.
  88. s bis zu deren geplanter Abreise in die USA mitorgani-
  89. siert, indem er ihnen ein Zimmer in einem Studentenwohnheim für die zeitweilige Unterkunft vermittelt habe.
  90. Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten von diesem Vorwurf aus
  91. tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat sich zunächst nicht davon zu
  92. überzeugen vermocht, daß der Angeklagte und die genannten weiteren Personen bereits im Jahre 1999 in Hamburg Anschläge der am 11. September 2001
  93. ausgeführten Art selbständig planten oder hierfür schon zu diesem Zeitpunkt
  94. von der Organisation Al Qaida angeworben worden waren. Auch das Bestehen
  95. sonstiger Pläne der Gruppierung, allgemein zur Verwirklichung des Dschihad
  96. terroristische Attentate zu begehen, hat das Oberlandesgericht nicht für erwiesen erachtet. Es hat nicht ausschließen können, daß die Anschläge vom
  97. 11. September 2001 bereits zuvor innerhalb der Al Qaida geplant worden wa-
  98. -6-
  99. ren und Atta, Alshehhi, Jarrah, Bi.
  100. sowie E.
  101. für deren Durchfüh-
  102. rung erst rekrutiert wurden, als sie sich ab Ende 1999 nach Afghanistan in ein
  103. Ausbildungslager der Al Qaida begeben hatten. Ob die Genannten nach ihrer
  104. Rückkehr nach Hamburg dort bis zu ihrer Abreise in die USA zur Vorbereitung
  105. der Anschläge (Pilotenausbildung) bzw. bis zu ihrem Untertauchen eine terroristische Vereinigung bildeten, hat das Oberlandesgericht offen gelassen; denn
  106. da dem Angeklagten nicht nachzuweisen sei, daß er während seines eigenen
  107. Aufenthalts in Afghanistan oder in Hamburg von den Anschlagsplänen erfahren
  108. habe, komme seine Verurteilung als Mitglied oder Unterstützer einer derartigen
  109. Vereinigung nicht in Betracht. Ebenso scheide aus diesem Grunde ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord aus.
  110. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen des Generalbundesanwalts und mehrerer der Nebenkläger. Sämtliche Rechtsmittel rügen die
  111. Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Sie bleiben ohne Erfolg.
  112. A. Die Revision des Generalbundesanwalts
  113. I. Die Verfahrensrüge
  114. Der Generalbundesanwalt beanstandet, das Oberlandesgericht habe
  115. drei Beweisanträge unter Verstoß gegen § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zurückgewiesen.
  116. 1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
  117. In der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht ist die Videoaufzeichnung einer Reportage des Fernsehsenders Al Jazeera in Augenschein
  118. genommen und darüber hinaus der Inhalt dieser Reportage im Wege des Urkundenbeweises eingeführt worden. Hieraus ergab sich, daß ein Journalist die-
  119. -7-
  120. ses Senders,
  121. Fo.
  122. , nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ein
  123. Gespräch mit den anderweitig Verfolgten
  124. Mo.
  125. angeblichen Mitorganisator der Anschläge - und
  126. Bi.
  127. te.
  128. Fo.
  129. - einem
  130. geführt hat-
  131. ist außerdem einer der Verfasser des Buches "Masterminds of
  132. Terror", das sich ebenfalls mit diesen Anschlägen und dem genannten Gespräch befaßt.
  133. Im Hauptverhandlungstermin vom 18. Dezember 2003 stellte der Generalbundesanwalt drei Beweisanträge auf Vernehmung des
  134. Fo.
  135. , zu la-
  136. den über das Londoner Büro von Al Jazeera. Der Zeuge werde bekunden,
  137. - daß
  138. Mo.
  139. Bi.
  140. sich im Jahr 1999 einige Male in Hamburg mit
  141. und Mohammed Atta getroffen habe;
  142. - daß ihm anläßlich eines Interviews von
  143. und dem Al Qaida-Mitglied
  144. Bi.
  145. Ba.
  146. Bi.
  147. ,
  148. Mo.
  149. mitgeteilt worden sei, Atta und
  150. seien schon einmal im Jahr 1998 gemeinsam nach Afghanistan ge-
  151. reist und hätten sich in einem Lager der Al Qaida in Kandahar aufgehalten;
  152. - daß ihm
  153. Bi.
  154. einen kleinen Koffer gezeigt habe, in dem sich
  155. mehrere zur Vorbereitung der Anschläge verwendete Gegenstände wie Flugpläne, eine Karte des Luftraums über der amerikanischen Ostküste, ein Flugsimulator-Programm auf CD etc. befunden hätten; der Koffer habe aus der
  156. Wohnung in der M.
  157. mit Atta, Alshehhi, B.
  158. straße (in Hamburg) gestammt, in der Bi.
  159. und E.
  160. gelebt habe.
  161. Das Oberlandesgericht hat die Beweisanträge nach § 244 Abs. 5 Satz 2
  162. StPO zurückgewiesen. Die Ladung des Zeugen Fo.
  163. sei zur Erforschung
  164. der Wahrheit nach pflichtgemäßem Ermessen nicht erforderlich. Die Beweisbehauptungen des Generalbundesanwalts beruhten allein auf dem Buch "Ma-
  165. -8-
  166. sterminds of Terror". Eine Analyse der zugrunde liegenden Passagen dieses
  167. Buches zeige jedoch, daß es sich hierbei um Spekulationen und Mutmaßungen
  168. handele, die der Zeuge Fo.
  169. im Rahmen seiner redaktionellen Freiheit und
  170. zur Erhöhung des Spannungsbogens in sein Buch aufgenommen habe und die
  171. nicht auf Angaben Bi.
  172. s oder
  173. Mo.
  174. s zurückgingen. Dies
  175. werde bezüglich der zweiten und dritten Beweisbehauptung auch durch die
  176. Erklärungen des Zeugen Fo.
  177. bestätigt, die auf dem in Augenschein ge-
  178. nommenen Videoband enthalten seien. Die dritte Beweisbehauptung sei im
  179. übrigen auch aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, denn es werde nicht
  180. vorgebracht, daß Bi.
  181. dem Zeugen Fo.
  182. erklärt habe, er habe den In-
  183. halt des Koffers in Hamburg anderen Personen, insbesondere dem Angeklagten, gezeigt.
  184. 2. Es bestehen bereits erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der
  185. Rüge, da sie weder den Inhalt des Buches "Masterminds of Terror" noch den
  186. Wortlaut der Mitschrift des Videobandes mitteilt, auf die sich sowohl die Beweisanträge als auch der Ablehnungsbeschluß des Oberlandesgerichts stützen. Indessen kann offen bleiben, ob damit die revisionsrechtlichen Anforderungen an den Vortrag einer Beanstandung des Verfahrens (§ 344 Abs. 2
  187. Satz 2 StPO) verfehlt sind; denn die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
  188. a) Gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken
  189. wäre, abgelehnt werden, wenn seine Vernehmung nach dem pflichtgemäßen
  190. Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.
  191. Maßgebendes Kriterium hierfür ist, ob die Erhebung des beantragten Beweises
  192. von der Aufklärungspflicht gefordert wird (BGHSt 40, 60, 62; BGH NJW 2001,
  193. 695, 696; 2002, 2403, 2404; NStZ 2004, 99, 100); denn durch die Einführung
  194. -9-
  195. des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO wurde die Möglichkeit der Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen nur um den schmalen Bereich erweitert, in dem die Ablehnungsgründe des bis dahin allein anwendbaren § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO es nicht zuließen, einen derartigen Beweisantrag
  196. zurückzuweisen, obwohl die Beweiserhebung von der Aufklärungspflicht nicht
  197. geboten war (vgl. BGH NJW 2002, 2403, 2404). Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines benannten Auslandszeugen gebietet, sind grundsätzlich das Gewicht der Strafsache, die Bedeutung und der Beweiswert des
  198. weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses, der zeitliche und organisatorische Aufwand der etwaigen Beweisaufnahme
  199. und die damit verbundenen Nachteile durch die Verzögerung des Verfahrens
  200. unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen (BGH NJW 2001, 695, 696; 2002, 2403, 2404). In diesem Rahmen ist
  201. der Tatrichter von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit.
  202. Er darf daher bei seiner Entscheidung prognostisch berücksichtigen, welche
  203. Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie
  204. diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des
  205. Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen
  206. Beweisaufnahme - unter Einschluß etwaiger Erkenntnisse aus freibeweislichen
  207. Erhebungen zum Beweiswert des Zeugen (vgl. BGH NJW 2002, 2403, 2404;
  208. BGH NStZ 2004, 99, 100; BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 5) angefallenen Erkenntnisse mit tragfähiger Begründung zu dem Ergebnis, daß
  209. der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können oder daß ein
  210. Einfluß auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn
  211. der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die
  212. Ablehnung des Beweisantrages in aller Regel nicht zu beanstanden (BGHSt
  213. 40, 60, 62). Denn das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, die Ermessens-
  214. - 10 -
  215. entscheidung des Tatrichters auf Rechtsfehler zu überprüfen, und kann daher
  216. nicht etwa dessen rechtlich nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung
  217. durch seine gegebenenfalls abweichende Einschätzung ersetzen (vgl. BGH
  218. NJW 1998, 3363, 3364).
  219. b) Nach diesen Maßstäben hält die Zurückweisung der Beweisanträge
  220. revisionsrechtlicher Prüfung stand.
  221. Es ist zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht seine Ermessensentscheidung nach dem Wortlaut des Ablehnungsbeschlusses allein auf die im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung gewonnene Prognose gestützt hat, einer Vernehmung des Zeugen Fo.
  222. werde
  223. ein relevanter Beweiswert nicht zukommen. Mit der außergewöhnlichen Bedeutung, die dieser Strafsache wegen des gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwurfs zukommt, mußte es sich nicht ausdrücklich befassen. Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 244 Abs. 5
  224. Satz 2 StPO Gewicht vor allem bei der Abwägung zu, ob es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten angemessen ist, sich um die Ladung schwer erreichbarer oder weit entfernt wohnender Zeugen auch auf die Gefahr hin zu
  225. bemühen, daß das Verfahren erheblich verzögert wird oder sogar ausgesetzt
  226. werden muß (vgl. BGH NJW 2001, 695, 696). Darum geht es hier indessen
  227. nicht. Auf eine mögliche Verfahrensverzögerung durch Ladung des Zeugen
  228. Fo.
  229. hebt das Oberlandesgericht in seinem Zurückweisungsbeschluß nicht
  230. ab. Im übrigen fehlt jeder Anhalt dafür, daß es sich der besonderen Bedeutung
  231. dieses Strafverfahrens nicht bewußt gewesen wäre oder sie bei Ablehnung der
  232. Beweisanträge nicht bedacht hätte.
  233. Im Ansatz zutreffend weist der Generalbundesanwalt allerdings darauf
  234. hin, daß der Aussage des Zeugen Fo.
  235. potentiell ein besonderes Gewicht
  236. - 11 -
  237. deswegen hätte zukommen können, weil dieser - neben dem in die Hauptverhandlung eingeführten "Behördenzeugnis" des Bundeskriminalamts vom
  238. 10. Dezember 2003 - das einzige Beweismittel war, aus dem sich Erkenntnisse
  239. zu Äußerungen der anderweitig verfolgten
  240. Mo.
  241. Bi.
  242. und
  243. über die Planungen, Vorbereitungen und Beteiligten an den An-
  244. schlägen vom 11. September 2001 hätten gewinnen lassen können, nachdem
  245. die USA jegliche Rechtshilfe für eine Vernehmung dieser beiden, zwischenzeitlich in ihrem Gewahrsam befindlichen Personen, bzw. die Herausgabe von Vernehmungsunterlagen an deutsche Gerichte verweigert hatten und auch die den
  246. deutschen Sicherheitsbehörden von den USA überlassenen Vernehmungsprotokolle sämtlich mit Sperrerklärungen nach § 96 StPO belegt worden waren.
  247. Die besondere potentielle Bedeutung des Beweismittels hatte indessen
  248. nicht zur Folge, daß das dem Oberlandesgericht durch § 244 Abs. 5 Satz 2
  249. StPO eingeräumte Ermessen bei der Beurteilung der hier in Rede stehenden
  250. Beweisanträge von vornherein auf Null reduziert gewesen wäre und es den
  251. benannten Zeugen notwendig zu vernehmen hatte. Vielmehr durfte es auch die
  252. Anträge auf Vernehmung des Zeugen Fo.
  253. mit ihren eng umrissenen und für
  254. den Schuldvorwurf gegen den Angeklagten nur entfernt indiziellen Beweisbehauptungen der Prüfung nach den weiteren für die Anwendung des § 244
  255. Abs. 5 Satz 2 StPO maßgeblichen Beurteilungskriterien unterziehen, wenn
  256. auch unter Beachtung der potentiellen Bedeutung der Aussage und des Gewichts des Tatvorwurfs. Für diese Prüfung war hier eine besonders tragfähige
  257. Grundlage vorhanden. Denn durch die im Strengbeweis (Inaugenscheinnahme
  258. des Videobandes nebst Urkundsbeweis zu dessen Inhalt) und im Freibeweis
  259. (Lektüre des Buches "Masterminds of Terror") gewonnenen Erkenntnisse über
  260. die Verlautbarungen des Zeugen Fo.
  261. , auf deren Inhalt sich die Beweisan-
  262. träge
  263. ausschließlich
  264. des
  265. Generalbundesanwalts
  266. stützten,
  267. war
  268. das
  269. Oberlandesgericht in umfassender Weise in die Lage versetzt, den Beweiswert
  270. - 12 -
  271. richt in umfassender Weise in die Lage versetzt, den Beweiswert des Zeugen
  272. Fo.
  273. in bezug auf die in sein Wissen gestellten Beweisbehauptungen pro-
  274. gnostisch vorab zu bewerten (vgl. BGH NJW 1998, 3363, 3364 sowie BGHR
  275. StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 4 für Fälle, in denen Angaben des
  276. Aus-
  277. landszeugen bereits anderweitig in die Hauptverhandlung eingeführt worden
  278. waren).
  279. Die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht seine Einschätzung
  280. über die Zweifelhaftigkeit der Behauptungen des Zeugen Fo.
  281. und teilweise
  282. - hinsichtlich der dritten Beweisbehauptung - auch deren fehlende Relevanz für
  283. die Überzeugungsbildung des Gerichts begründet, sind auf der Grundlage der
  284. in den Beweisanträgen und dem Ablehnungsbeschluß mitgeteilten Passagen
  285. des Buches "Masterminds of Terror" und des Videobandes für sich gesehen
  286. tragfähig und nachvollziehbar. Zwingend müssen sie nicht sein; ebensowenig
  287. ist revisionsrechtlich von Bedeutung, ob eine gegenteilige Einschätzung ebensogut möglich gewesen wäre oder gegebenenfalls sogar näher gelegen hätte.
  288. Die Revisionsbegründung teilt keine Inhalte des Buches oder des Videobandes
  289. mit, die der Bewertung des Oberlandesgerichts den Boden entziehen würden.
  290. Vielmehr erschöpft sie sich im wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, die rechtsfehlerfreien Erwägungen des Oberlandesgerichts
  291. durch ihre eigene Würdigung zu ersetzen.
  292. Soweit der Generalbundesanwalt darüber hinaus geltend macht, das
  293. Oberlandesgericht habe die Grenzen der im Rahmen des § 244 Abs. 5 Satz 2
  294. StPO zulässigen Beweisantizipation überschritten, weil es die Zuverlässigkeit
  295. der Angaben des Zeugen Fo.
  296. nicht durch dessen persönliche Vernehmung
  297. - 13 -
  298. abgeklärt, sondern sich auf eine formale Analyse der einschlägigen Textpassagen des Buches beschränkt habe, stellt er im Kern die Befugnis des Tatrichters in Frage, die Beweisanträge auf Vernehmung des Zeugen Fo.
  299. über-
  300. haupt einer antizipierten Beweiswürdigung bei der Ablehnungsprüfung nach
  301. § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zu unterziehen, und wendet sich damit in der Sache
  302. gegen die gesetzliche Regelung.
  303. II. Die Sachrüge
  304. Mit der Sachrüge erhebt der Generalbundesanwalt zahlreiche Einzelbeanstandungen gegen die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts. Diese
  305. bleiben ohne Erfolg.
  306. Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts und ihre Darstellung in
  307. den Urteilsgründen entspricht in allen wesentlichen und entscheidungserheblichen Punkten den Anforderungen, die an die Begründung eines Freispruchs zu
  308. stellen sind, der darauf beruht, daß sich das Tatgericht nach dem Ergebnis der
  309. Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit von der Schuld des
  310. Angeklagten zu überzeugen vermag. Das Oberlandesgericht hat die Umstände
  311. nicht verkannt, die dafür sprechen können, daß der Angeklagte in die Planung
  312. und Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 eingebunden war
  313. oder zumindest Kenntnis von ihnen hatte und in dieser Kenntnis die Attentäter
  314. unterstützte. Es hat sich mit diesen umfassend auseinandergesetzt und im einzelnen dargelegt, warum es auf der Grundlage der vorhandenen Indizien, denen insoweit eine eindeutige Beweisrichtung nicht zukommt, wegen des Fehlens weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen sowie des Vorhandenseins
  315. einiger eher entlastender Umstände keine Überzeugung von einem strafbaren
  316. Verhalten des Angeklagten zu gewinnen vermochte. Die Ausführungen des
  317. - 14 -
  318. Oberlandesgerichts ermöglichen die umfassende revisionsrechtliche Prüfung
  319. seiner Beweiswürdigung. Diese hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Zu den Einzelbeanstandungen der Revision bemerkt der Senat:
  320. 1. Zutreffend macht der Generalbundesanwalt allerdings geltend, daß
  321. das Oberlandesgericht bei der Würdigung eines Entlastungsindizes den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft angewendet hat.
  322. a) Es hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen
  323. vermocht, daß Atta, Alshehhi, Bi.
  324. und Jarrah vor ihrer Reise nach Af-
  325. ghanistan kurzzeitig den Plan gefaßt hatten, sich in Tschetschenien am Kampf
  326. gegen Rußland zu beteiligen. Ausgehend von der Unwiderlegbarkeit dieser
  327. Indiztatsache hat es gemeint, diese zugunsten des Angeklagten als erwiesen in
  328. die Beweiswürdigung einstellen zu müssen, und sie daher in verschiedenen
  329. Beweiszusammenhängen als feststehend behandelt.
  330. Damit hat das Oberlandesgericht Funktion und Bedeutung des Zweifelssatzes verkannt. Dieser ist eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann
  331. zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die
  332. volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag.
  333. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden. Er gilt jedenfalls nicht für entlastende Indiztatsachen, aus denen lediglich ein Schluß auf eine unmittelbar entscheidungsrelevante Tatsache gezogen
  334. werden kann. Kommt das Gericht bezüglich einer derartigen Indiztatsache zu
  335. einem non liquet, hat dies daher nicht zur Folge, daß sie zugunsten des Angeklagten als bewiesen anzusehen wäre. Vielmehr ist sie mit der ihr zukommenden Ungewißheit in die Gesamtwürdigung des für die unmittelbar entschei-
  336. - 15 -
  337. dungserhebliche Tatsache gewonnenen Beweisergebnisses einzustellen (BGH
  338. NStZ 2001, 609 m. w. N.).
  339. Das Oberlandesgericht hätte demgemäß bei seiner Beweiswürdigung
  340. lediglich die Möglichkeit in Betracht ziehen dürfen, daß Atta, Alshehhi, Bi.
  341. und Jarrah vor ihrer Afghanistanreise kurzzeitig eine Beteiligung am
  342. Tschetschenienkrieg geplant hatten. Dagegen war es rechtsfehlerhaft, diesen
  343. Plan bei der Bewertung des Gesamtbeweisergebnisses als positiv festgestellt
  344. zu berücksichtigen.
  345. b) Auf diesem Rechtsmangel beruht das Urteil indessen nicht (§ 337
  346. Abs. 1 StPO); denn soweit der "Tschetschenienplan" im Rahmen der Beweiswürdigung thematisiert wurde, war er für die Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts ohne ausschlaggebende Bedeutung. Insoweit gilt:
  347. aa) Der "Tschetschenienplan" war zunächst von Belang für die Überzeugung des Oberlandesgerichts, daß die Pläne für die Anschläge vom
  348. 11. September 2001 nicht im Jahr 1999 in Hamburg entwickelt worden waren.
  349. Hierbei hat es den belastenden Indiztatsachen (zweifelhafte Bekundungen der
  350. Zeugin Du.
  351. ; unbestimmte Äußerungen
  352. M.
  353. s) neben dem
  354. "Tschetschenienplan" als entlastend gegenübergestellt: das Studienverhalten
  355. der
  356. späteren
  357. Attentäter;
  358. das
  359. Fehlen
  360. objektivierbarer
  361. Hinweise
  362. auf
  363. Anschlagsvorbereitungen im Jahr 1999 im Gegensatz zu deutlichen derartigen
  364. Anhaltspunkten für einen späteren Zeitraum; die fehlenden (finanziellen und
  365. personellen) Möglichkeiten, einen derartigen Anschlag aus eigener Kraft
  366. durchzuführen; die gewichtigen Hinweise für eine vorherige Planung der
  367. Anschläge in Afghanistan. Seine Schlußfolgerung hat das Oberlandesgericht
  368. insbesondere durch die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz
  369. (Zeuge Fr.
  370. ) bestätigt gesehen.
  371. - 16 -
  372. Stellt man vor diesem Hintergrund in Rechnung, daß das Oberlandesgericht den "Tschetschenienplan" nicht völlig unberücksichtigt lassen mußte, sondern als möglich in seine Würdigung einzubeziehen hatte, ist auszuschließen,
  373. daß es bei richtiger Behandlung dieses Indizes insoweit zu einer anderen
  374. Überzeugung gelangt wäre.
  375. bb) Der "Tschetschenienplan" wird vom Oberlandesgericht darüber hinaus als erwiesen berücksichtigt bei der Behandlung der Frage, ob die "Gruppe
  376. um Atta" schon in Hamburg - vor den Afghanistan-Fahrten - von der Al Qaida
  377. für die Anschläge vom 11. September 2001 rekrutiert worden sein könnte. Hierfür hat die Beweisaufnahme nach Überzeugung des Oberlandesgerichts keinen
  378. Nachweis erbracht, so daß es bei der ernsthaften Möglichkeit der Rekrutierung
  379. erst in Afghanistan verblieb. Auch hier ist der "Tschetschenienplan" eines von
  380. mehreren Argumenten gegen eine Anwerbung der "Gruppe um Atta" bereits in
  381. Hamburg. Es ist auch hier angesichts des Gewichts der weiteren Argumente
  382. auszuschließen, daß das Oberlandesgericht zu einer abweichenden Überzeugung gelangt wäre, wenn es den "Tschetschenienplan" nicht als feststehend,
  383. sondern als möglich gewürdigt hätte; denn es handelt sich lediglich um die
  384. Minderung der Beweisbedeutung eines Entlastungsindizes.
  385. cc) Erwähnung findet der "Tschetschenienplan" weiterhin bei der Erörterung der Motive für die Afghanistanreisen. Insoweit ist zunächst festzuhalten,
  386. daß das Oberlandesgericht - entgegen der Revisionsbegründung - mit dem
  387. Hinweis auf das "Tschetschenienvorhaben" nicht belegen will, in Afghanistan
  388. sei nur eine klassisch-militärische und keine terroristische Ausbildung erfolgt.
  389. Vielmehr vermag das Oberlandesgericht lediglich nicht auszuschließen, daß
  390. die "Hamburger Gruppenmitglieder" sich zunächst allein mit der Absicht nach
  391. Afghanistan begaben, dort eine militärische Ausbildung zu erhalten. Insoweit
  392. - 17 -
  393. werden als mögliche Motive für das Durchlaufen einer derartigen Ausbildung
  394. die Beteiligung am Bürgerkrieg in Tschetschenien oder auch nur eine "Solidarisierungsaktion" für denkbar gehalten. Damit ist schon fraglich, ob das Oberlandesgericht das Entlastungsindiz in diesem Zusammenhang nicht doch rechtlich zutreffend nur als möglich in seine Würdigung einbezogen hat. Selbst
  395. wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ist das Tschetschenienargument
  396. an dieser Stelle so untergeordnet, daß ein ausschlaggebender Einfluß auf die
  397. Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts auszuschließen ist.
  398. dd) Gleiches gilt für die in demselben Zusammenhang angestellte Erwägung des Oberlandesgerichts, daß unter anderem das "Tschetschenienvorhaben" eine Erklärung für die Kündigung des Mietvertrages über die Wohnung
  399. W.
  400. straße 30 sowie der Krankenversicherung Bi.
  401. s liefern könnte.
  402. 2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts erweist sich die
  403. Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts auch nicht deswegen als rechtsfehlerhaft, weil es nicht geprüft hat, wie das "Tschetschenienvorhaben" in Übereinstimmung mit der Feststellung zu bringen ist, die Gruppe in Hamburg habe
  404. sich bis zu den Afghanistanaufenthalten der Gruppenmitglieder lediglich mit
  405. radikalem Gerede befaßt und geistig radikalisiert, und weil es nicht erörtert hat,
  406. wie später die Aufgabe dieses Vorhabens gegenüber den in die Pläne für die
  407. Anschläge in den USA nicht eingeweihten Angehörigen der Gruppe,
  408. namentlich dem Angeklagten, hätte gerechtfertigt werden können. Da das
  409. Oberlandesgericht den "Tschetschenienplan" nicht für erwiesen, sondern nur
  410. für möglich hielt, durfte es die vom Generalbundesanwalt vermißten
  411. Überlegungen nicht anstellen; denn es hätte ihn in diesem Zusammenhang als
  412. belastendes Indiz verwertet. Auf nicht zweifelsfrei festgestellte belastende
  413. Indizien darf - auch in der Summe (BGH bei Dallinger MDR 1969, 194) - ein
  414. Urteil indes nicht gestützt, sie dürfen zu dessen Begründung nicht einmal
  415. - 18 -
  416. stützt, sie dürfen zu dessen Begründung nicht einmal ergänzend herangezogen
  417. werden (BGH JR 1954, 468; s. umfassend Schlüchter in SK-StPO 13. Lfg. 1995 - § 261 Rdn. 75 m. w. N.). Danach ist es dem Tatrichter aber auch verwehrt zu erörtern, wie sich das zweifelhaft gebliebene Belastungsindiz in das
  418. sonstige Beweisergebnis einfügt, oder gar zu prüfen, ob der zweifelhaft gebliebene indizielle Sachverhalt für sich - im Rahmen der angeklagten Tat (§ 264
  419. Abs. 1 StPO) - auf von der Anklage abweichender tatsächlicher Grundlage eine
  420. Verurteilung tragen könnte.
  421. 3. Der Generalbundesanwalt zeigt auch keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf, soweit er die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu der Frage als lückenhaft beanstandet, ob der Angeklagte nach der Rückkehr Attas,
  422. Alshehhis, Jarrahs und Bi.
  423. s aus Afghanistan in deren konkretes terrori-
  424. stisches Vorhaben eingeweiht wurde oder zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, daß sie nunmehr einen Anschlag nach Art und Ausmaß der
  425. am 11. September 2001 verwirklichten Attentate beabsichtigten bzw. jedenfalls
  426. allgemein terroristische Ziele verfolgten.
  427. a) In diesem Zusammenhang begründet es zunächst keinen Mangel in
  428. der Darstellung des Urteils (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO), daß das Oberlandesgericht den Angeklagten aus subjektiven Gründen vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (und auch vom Vorwurf deren Unterstützung; § 264 Abs. 1 StPO) freigesprochen, dabei jedoch offen gelassen hat,
  429. ob Atta, Alshehhi, Jarrah und Bi.
  430. nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan in
  431. Hamburg eine terroristische Vereinigung bildeten.
  432. Zwar hat der Tatrichter im allgemeinen das äußere Tatgeschehen soweit
  433. wie möglich aufzuklären und in einer geschlossenen Darstellung diejenigen
  434. objektiven Tatsachen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der
  435. - 19 -
  436. Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen er die für einen Schuldspruch
  437. erforderlichen zusätzlichen Feststellungen zur objektiven oder zur subjektiven
  438. Tatseite nicht zu treffen vermag (vgl. BGH NJW 1980, 2423; 1991, 2094;
  439. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 7, 9, 10). Diese Anforderungen dürfen jedoch nicht schematisch in dem Sinne verstanden werden, daß Ausnahmen hiervon nicht möglich wären (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12).
  440. Maßgeblich ist stets, ob die Urteilsgründe ihrer Aufgabe gerecht werden, dem
  441. Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu
  442. ermöglichen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2 und 3). Insbesondere
  443. bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen ist es nicht in allen Fällen erforderlich, den äußeren Tatbestand umfassend aufzuklären und festzustellen,
  444. sofern nur die Urteilsgründe die tatsächlichen oder rechtlichen Überlegungen
  445. soweit verdeutlichen, daß sie umfassender revisionsgerichtlicher Prüfung offen
  446. stehen (vgl. BGH GA 1974, 61; BGH NJW 1980, 2423).
  447. So liegt es hier. Das Oberlandesgericht hat - soweit ihm dies nach dem
  448. Ergebnis der Beweisaufnahme möglich war - die terroristischen Pläne sowie
  449. das Verhalten Attas, Alshehhis, Jarrahs, Bi.
  450. s und auch E.
  451. s nach
  452. deren Rückkehr aus Afghanistan im einzelnen festgestellt und dargelegt. Es
  453. hat lediglich offen gelassen, ob die Genannten nach den rechtlichen Erfordernissen des § 129 a Abs. 1 StGB aF eine inländische terroristische Vereinigung
  454. im Sinne dieser Vorschrift bildeten. Dies war auf der Grundlage der sonstigen
  455. Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts für seine freisprechende Entscheidung indessen ohne Belang. Denn da es sich nicht davon überzeugen konnte,
  456. daß der Angeklagte um terroristische Absichten der Genannten und den von
  457. ihnen konkret geplanten terroristischen Anschlag wußte, hing sein Freispruch
  458. nicht davon ab, ob die Gruppierung rechtlich als inländische terroristische Vereinigung zu werten war. Das versteht sich für den Vorwurf der Beihilfe zum
  459. - 20 -
  460. Mord von selbst, gilt gleichermaßen aber auch für den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung. Denn ob
  461. die späteren Attentäter sowie Bi.
  462. und E.
  463. rechtlich als Vereinigung
  464. im Sinne des § 129 a Abs. 1 StGB aF einzustufen waren oder nicht, ist kein
  465. Umstand, der Rückschlüsse auf den Wissensstand bzw. die Vorstellungen des
  466. Angeklagten und damit auf die subjektive Tatseite zuläßt. Nur soweit dies der
  467. Fall ist, muß eine umfassende Aufklärung des objektiven Sachverhalts vorgenommen werden. Das Oberlandesgericht war daher nicht gehalten, sich mit der
  468. genannten Rechtsfrage in den Urteilsgründen zu befassen.
  469. b) Die Beweiswürdigung ist auch nicht deswegen lückenhaft, weil nicht
  470. erörtert wurde, ob der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten bedingt vorsätzlich begangen haben könnte.
  471. Beihilfe (zum Mord) ist mit bedingtem Vorsatz möglich (vgl. BGHSt 2,
  472. 279, 281; 42, 135, 137 m. w. N.); ebenso kann § 129 a StGB - jedenfalls
  473. rechtstheoretisch - in allen seinen Tatvarianten bedingt vorsätzlich verwirklicht
  474. werden (s. BGHSt 29, 99, 101 f.; von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 129 a Rdn. 19
  475. sowie § 129 Rdn. 69 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund weist der Generalbundesanwalt zwar im Grundsatz zutreffend darauf hin, daß das Oberlandesgericht
  476. eine rechtlich mögliche Variante der angeklagten Tat (§ 264 Abs. 1 StPO) in
  477. den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erwogen hat. Dazu war das Oberlandesgericht hier indessen nicht gehalten.
  478. aa) Das Oberlandesgericht hat im einzelnen dargelegt, warum es sich
  479. nicht davon zu überzeugen vermochte, daß der Angeklagte nach der Rückkehr
  480. Attas, Alshehhis, Jarrahs und Bi.
  481. s aus Afghanistan in deren konkrete
  482. Planungen für die Anschläge vom 11. September 2001 eingeweiht wurde. Die-
  483. - 21 -
  484. se Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Weder die dort
  485. erörterten Umstände noch die sonstigen vom Oberlandesgericht festgestellten
  486. Tatsachen, insbesondere zu den Geschehnissen zwischen der Rückkehr der
  487. Genannten aus und dem Aufbruch des Angeklagten nach Afghanistan, boten
  488. greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte - ohne positiv
  489. eingeweiht worden zu sein - zu der Überlegung hätte veranlaßt sein können,
  490. Atta und die anderen seien in Afghanistan möglicherweise für Anschläge der
  491. am 11. September 2001 ausgeführten Art angeworben worden. Die Möglichkeit
  492. bedingt vorsätzlicher Beihilfe zum Mord an 3.066 Menschen mußte daher in
  493. den Urteilsgründen nicht erwogen werden.
  494. bb) Aber auch eine bedingt vorsätzliche Verwirklichung des § 129 a
  495. Abs. 1 oder Abs. 3 StGB aF in der Weise, daß der Angeklagte zwar nicht mit
  496. dem konkreten Plan der aus Afghanistan Zurückgekehrten, jedoch mit sonstigen terroristischen Vorhaben der Gruppierung rechnete und - diese billigend in
  497. Kauf nehmend - Hilfs- oder Unterstützungsleistungen erbrachte, kam nicht
  498. ernsthaft in Betracht. Auch insoweit läßt das Beweisergebnis keine greifbaren
  499. Umstände erkennen, die dem nicht eingeweihten Angeklagten die Überlegung
  500. nahegelegt hätten, die aus Afghanistan Zurückgekehrten könnten sich in Umsetzung eines dort entgegengenommenen Auftrags in Deutschland als terroristische Vereinigung betätigen mit der Folge, daß sich jede ihnen hier geleistete
  501. Unterstützung - selbst durch für sich alltägliche Gefälligkeiten oder unter Studenten übliche Hilfsleistungen - als strafbar erweise.
  502. 4. Auch mit den übrigen Beanstandungen gegen die Würdigung einzelner Indiztatsachen durch das Oberlandesgericht vermag der Generalbundesanwalt nicht durchzudringen.
  503. - 22 -
  504. Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen
  505. (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der
  506. Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten
  507. zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt,
  508. ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa
  509. weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung
  510. von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche
  511. Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre. Nach diesen Grundsätzen ist es
  512. auch Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen beoder entlastenden Indizien in einer Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses
  513. zu bewerten. Ist diese Bewertung vertretbar, kann das Revisionsgericht nicht
  514. auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs
  515. des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche
  516. Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu
  517. rechtfertigen.
  518. Nach diesen Maßstäben zeigt die Revision des Generalbundesanwalts
  519. mit ihren Rügen zu der Behandlung einzelner Indiztatsachen durch das Oberlandesgericht keinen Rechtsfehler im dargelegten Sinne auf. Denn soweit sie
  520. das Fehlen der Erörterung des einen oder anderen belastenden Indizes in verschiedenen Sachzusammenhängen als lückenhaft beanstandet, beruht dies
  521. - unausgesprochen - auf einer eigenen Gewichtung von deren Beweisbedeu-
  522. - 23 -
  523. tung. Dadurch wird die vom Oberlandesgericht vorgenommene abweichende
  524. Bewertung rechtlich nicht unvertretbar; zwingend muß sie nicht sein. Durch die
  525. fehlende Erwähnung einer Indiztatsache in einem bestimmten Beweiszusammenhang wäre nur dann eine Lücke der Beweiswürdigung begründet, wenn sie
  526. nach der ihr vom Oberlandesgericht zugemessenen Beweisbedeutung in diesem Zusammenhang zwingend ausdrücklich zu erörtern war. Eine derartige
  527. Lücke ist nicht erkennbar.
  528. Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt beanstandeten Gesamtwürdigungen. Das Oberlandesgericht hat sowohl am Ende seiner Beweiswürdigung als auch am Ende der Würdigung einzelner Beweiskomplexe ausdrücklich dargelegt, daß es sich der Möglichkeit bewußt war, eine Überzeugung von
  529. der Schuld des Angeklagten aufgrund einer Gesamtschau der belastenden Indizien auch dann zu gewinnen, wenn diese je für sich nicht für einen Tatnachweis hinreichen. Es hat nicht nur, wie die Revision meint, einzelne Indiztatsachen aufgezählt, sondern in hinreichender Weise das Beweisergebnis in seiner
  530. Gesamtheit gewürdigt und näher dargestellt, warum es sich auch auf der
  531. Grundlage einer Gesamtschau der vorhandenen Indizien nicht mit ausreichender Sicherheit von der Berechtigung des Tatvorwurfs hat überzeugen können.
  532. Damit ist den Anforderungen an die revisionsrechtliche Nachprüfbarkeit der
  533. Beweiswürdigung genügt. Das Oberlandesgericht mußte im Rahmen der Gesamtwürdigungen nicht nochmals alle jeweils in Betracht kommenden Indizien
  534. erörtern; insbesondere war es nicht gehalten, auch solche Beweisanzeichen
  535. erneut ausdrücklich in seine Erwägungen mit einzubeziehen, denen es rechtsfehlerfrei, wenn auch im Gegensatz zur Bewertung des Generalbundesanwalts,
  536. nur eine geringe belastende Bedeutung zumaß.
  537. B. Die Nebenklägerrevisionen
  538. - 24 -
  539. I. Revisionen der Nebenkläger Ca.
  540. , D.
  541. , He.
  542. , L.
  543. und
  544. P.
  545. 1. Die Revisionen erheben in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Aufklärungsrüge. Sie beanstanden als rechtsfehlerhaft, daß das Oberlandesgericht
  546. den am 4. Februar 2004 erneut gestellten Antrag zurückgewiesen hat, die USA
  547. nochmals um Rechtshilfe zu ersuchen mit dem Ziel, Aussagen Bi.
  548. s in
  549. das Verfahren einführen zu können.
  550. Die Rüge ist unzulässig. Ob das Oberlandesgericht erneut den Versuch
  551. unternehmen mußte, Rechtshilfe durch die USA zu erlangen, ist eine Frage der
  552. gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Demgemäß muß die für
  553. rechtsfehlerhaft gehaltene Ablehnung eines entsprechenden Antrags mit der
  554. Aufklärungsrüge beanstandet werden. Den an diese gemäß § 344 Abs. 2
  555. Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen genügt das Revisionsvorbringen
  556. nicht; denn es teilt nicht mit, welches konkrete Beweisergebnis durch ein etwa
  557. positiv beschiedenes Rechtshilfeersuchen und die daran anschließende Beweisaufnahme erzielt worden wäre. Die nicht näher substantiierte Behauptung,
  558. Bi.
  559. hätte den Angeklagten belastet, entbehrt jedes durch die Beweiser-
  560. hebung aufklärbaren Sachverhaltselements, das den Tatvorwurf unmittelbar
  561. ausfüllen oder auch nur indiziell bestätigen würde.
  562. 2. Die Sachrüge ist nicht näher ausgeführt. Sie ist unbegründet, da die
  563. Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts, wie bereits im einzelnen dargestellt,
  564. aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.
  565. II. Revisionen der Nebenkläger C.
  566. S.
  567. und Y.
  568. , F.
  569. , G.
  570. , H.
  571. , R.
  572. ,
  573. - 25 -
  574. 1. Die Revisionen beanstanden als verfahrensrechtlichen Fehler eine
  575. Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 397 Abs. 1 Satz 2, § 385 Abs. 3
  576. StPO, weil es dem Nebenklägervertreter nicht gestattet wurde, die Akten des
  577. Verfahrens gegen den Zeugen
  578. A.
  579. vor dem Oberlandesgericht Düs-
  580. seldorf (etwa 100 Leitzordner) in vollem Umfang einzuscannen.
  581. Die Rüge scheitert bereits daran, daß sie keinen Verfahrensverstoß des
  582. Oberlandesgerichts Hamburg in dieser Strafsache geltend macht. Nach dem
  583. Revisionsvortrag waren die Akten des Düsseldorfer Verfahrens nicht beigezogen. Das Einsichtsrecht der Nebenkläger richtete sich daher nicht nach § 397
  584. Abs. 1 Satz 2, § 385 Abs. 3, sondern nach § 475 StPO. Die Entscheidung des
  585. zuständigen Richters des Oberlandesgerichts Düsseldorf über Art und Umfang
  586. der gewährten Akteneinsicht war unanfechtbar (§ 478 Abs. 3 Satz 2 StPO).
  587. 2. Die Sachrüge ist ebenfalls nicht ausgeführt. Das zur Revision des
  588. Generalbundesanwalts Gesagte gilt auch hier entsprechend.
  589. Tolksdorf
  590. Miebach
  591. Becker
  592. Pfister
  593. Hubert