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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. 3 StR 247/01
  3. BESCHLUSS
  4. vom
  5. 18. Oktober 2001
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren Menschenhandels u.a.
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und mit Zustimmung der Nebenklägerin F.
  11. und des General-
  12. bundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Oktober 2001 gemäß
  13. § 154 a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
  14. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 15. September 2000 wird
  15. a) das Verfahren, soweit es den Angeklagten betrifft, im Fall
  16. II.4. der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Vergewaltigung
  17. beschränkt;
  18. b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei und gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern (Fall II.1. der Urteilsgründe) und wegen
  19. Vergewaltigung (Fall II.4. der Urteilsgründe) verurteilt wird.
  20. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  21. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
  22. die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  23. Gründe:
  24. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei und
  25. gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen von Ausländern, davon in einem
  26. -3-
  27. Fall (II.4. der Urteilsgründe) in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer
  28. Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz sowie den erweiterten Verfall angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge.
  29. Die Verfahrensrügen bleiben schon aus den Gründen der Antragsschrift
  30. des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Im übrigen hat das Landgericht u.a.
  31. die Ladung der Zeuginnen P.
  32. , L.
  33. und D.
  34. zu Recht we-
  35. gen Unerreichbarkeit abgelehnt. Die sachlichrechtliche Überprüfung und die
  36. Verfahrensbeschränkung führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
  37. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten S.
  38. vereinbart, Frauen unter Ausnutzung der allgemein
  39. schlechten Lebensbedingungen in der Ukraine zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und zur Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte zu bewegen. Dabei täuschte S.
  40. den Frauen zum Teil vor, daß sie in
  41. Deutschland eine Tätigkeit als Tänzerin ausüben könnten. Mit unrichtigen Angaben verschaffte er den Frauen Visa. In Kenntnis dieser Umstände übernahm
  42. der Angeklagte die Frauen in Deutschland an vorher festgelegten Orten und
  43. brachte sie zu den einzelnen Bordellen. Nachdem die Frauen von ihm oder den
  44. Bordellbetreibern darüber unterrichtet waren, welche Summen sie abzuführen
  45. hatten, sammelte der Angeklagte die Gelder bei den Frauen in regelmäßigen
  46. Abständen ein und leitete sie unter Abzug seines Anteils - von dem er auch
  47. seinen Lebensunterhalt bestritt - an S.
  48. weiter.
  49. 1. Im Fall II.1. der Urteilsgründe hat der Angeklagte die Nebenklägerin
  50. A.
  51. , der von S.
  52. eine Stellung als Tänzerin versprochen worden
  53. war, nach dem Grenzübertritt übernommen und in das Bordell der Mitange-
  54. -4-
  55. klagten Pa.
  56. gebracht. Die Nebenklägerin fügte sich dort der für sie über-
  57. raschenden Anordnung, sich zu prostituieren, weil sie nicht wußte, wo sie sich
  58. befand, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig war und Angst vor der
  59. Polizei hatte. Sie mußte die Hälfte ihres Dirnenlohns und eine Tagesmiete von
  60. 15 DM an die Mitangeklagten abliefern, für das Verbringen nach Deutschland
  61. mußte sie 2.000 DM und pro Woche weitere 500 DM an den Angeklagten zahlen. Innerhalb von 30 Tagen hat die Nebenklägerin diese Zahlung fast vollständig an den Angeklagten geleistet.
  62. a) Ob sich der Angeklagte - wie das Landgericht meint - des gemeinschaftlich begangenen schweren Menschenhandels in der Form des listigen
  63. Bestimmens zur Prostitution (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht hat
  64. oder ob dies ausscheidet, weil das Opfer hier der Prostitution bloß tatsächlich
  65. zugeführt wurde (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
  66. § 181 Rdn. 5; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 181 Rdn. 3), kann offenbleiben, denn
  67. die Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Menschenhandels in der Form der listigen Anwerbung zu sexuellen Handlungen (§ 181
  68. Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StGB) sowie der gewerbsmäßigen Anwerbung zur Prostitution (§ 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist rechtsfehlerfrei. Der Schuldspruch wird durch
  69. die zusätzliche Bejahung des § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht berührt. Die Verwirklichung aller drei Tatvarianten ist nicht strafschärfend berücksichtigt worden.
  70. b) Auch die Verurteilung wegen Zuhälterei hat Bestand, wenngleich es
  71. für die neben der rechtsfehlerfrei festgestellten ausbeuterischen Zuhälterei
  72. (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) angenommene dirigierende Zuhälterei (§ 181 a
  73. Abs. 1 Nr. 2 StGB) an den erforderlichen Feststellungen fehlt.
  74. -5-
  75. c) Teilweise unzutreffend hat das Landgericht den Verstoß gegen die
  76. Vorschriften des Ausländergesetzes beurteilt. Als Bezugsnorm für das nach
  77. § 92 a Abs. 1 AuslG strafbare Einschleusen von Ausländern hat es ersichtlich
  78. § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG angenommen. Für einen schuldhaften Verstoß
  79. der Nebenklägerin gegen § 92 Abs. 1 Nr. 2 AuslG geben die Feststellungen
  80. indes keinen Anhaltspunkt. Einer Strafbarkeit der Nebenklägerin nach § 92
  81. Abs. 1 Nr. 1 AuslG dadurch, daß sie in der Absicht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, mit einem Touristenvisum eingereist ist, stehen die rechtlichen Bedenken entgegen, die der Senat in seinem Urteil vom 11. Februar 2000 (BGHR
  82. AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 2 = NStZ 2000, 657) dargelegt hat. Nach
  83. den Feststellungen hat der Angeklagte aber durch seine kontinuierliche Zusammenarbeit mit S.
  84. und die Übernahme der Frauen diesen auch
  85. beim Erschleichen des Visums für die Nebenklägerin nach § 92 Abs. 2 Nr. 2
  86. AuslG unterstützt (vgl. BGH NStZ 2000, 657, 659), so daß die Voraussetzungen einer in § 92 a Abs. 1 AuslG genannten Bezugsnorm gegeben sind. § 265
  87. StPO steht dem Anknüpfen an eine andere Norm nicht entgegen. Der Senat
  88. schließt aus, daß sich der insoweit geständige Angeklagte anders als gesch ehen hätte verteidigen können.
  89. Zutreffend hat das Landgericht § 92 a Abs. 1 Nr. 1 AuslG als verwirklichte Tatbestandsalternative angenommen, da der Angeklagte für seine Hilfeleistung auch einen Vermögensvorteil erhielt (vgl. BGHR AuslG § 92 a Vermögensvorteil 1). Ein wiederholtes Handeln i.S.v. § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG ist
  90. indes nicht festgestellt (vgl. BGHR AuslG § 92 a Einschleusen 1).
  91. Zutreffend hat das Landgericht auch gewerbsmäßiges Handeln (§ 92 a
  92. Abs. 2 Nr. 1 AuslG) angenommen, da bereits die erste Tat - frühere Taten sind
  93. nicht konkret festgestellt - gewerbsmäßig sein kann. Für die Annahme ban-
  94. -6-
  95. denmäßiger und damit auch "gewerbs- und bandenmäßiger" Begehung (§ 92 a
  96. Abs. 2 Nr. 2, § 92 b Abs. 1 AuslG) fehlt hingegen jede Feststellung. Es ist auch
  97. nicht zu erwarten, daß Feststellungen, die den Anforderungen der neuen
  98. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bande (Beschl. vom 22. März
  99. 2001 - GSSt 1/00 = NStZ 2001, 421) entsprechen, getroffen werden können.
  100. 2. Hinsichtlich der Tat zu II.4. der Urteilsgründe hat der Senat die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts und der Nebenklägerin
  101. gemäß § 154 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Vergewaltigung beschränkt. In diesem Umfang hat die Überprüfung
  102. keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
  103. 3. Der Senat hat für beide Taten jeweils den Schuldspruch geändert. Bei
  104. der ersten Tat entfällt der Schuldspruch nach § 92 b Abs. 1 AuslG. Bei der
  105. zweiten Tat verbleibt nur der Schuldspruch nach § 177 Abs. 1, 2 Satz 2 Nr. 1
  106. StGB. Der Strafausspruch wird dadurch nicht berührt. Dies gilt sowohl für die
  107. Einzelstrafe von zwei Jahren für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin
  108. A.
  109. als auch für die Einsatzstrafe von fünf Jahren für die Tat zum Nach-
  110. teil der Nebenklägerin F.
  111. . Das Landgericht hat diese Strafe dem
  112. Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen und auf die große Brutalität,
  113. d.h. auf die besondere Schmerzhaftigkeit und Nachhaltigkeit der abgenötigten
  114. sexuellen Handlung abgestellt. Auf die Verwirklichung anderer Tatbestände hat
  115. das Landgericht nicht strafschärfend zurückgegriffen. Der Senat schließt daher
  116. aus, daß das Landgericht bei Zugrundelegung des nach der Verfahrensbeschränkung verbliebenen Schuldspruchs geringere Einzelstrafen und eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
  117. Auch die Anordnung des erweiterten Verfalls hält rechtlicher Überprüfung stand. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere
  118. -7-
  119. dem Inhalt der vom Angeklagten geführten Karteikarten über die Zahlungen der
  120. einzelnen Opfer, ist die Überzeugung der Kammer zu entnehmen, daß das
  121. Geld aus rechtswidrigen Taten des Angeklagten erlangt war.
  122. 4. In der Änderung des Schuldspruchs liegt kein solcher Erfolg des
  123. Rechtsmittels, der es unbillig machen würde, den Angeklagten mit den gesamten Gebühren und Auslagen zu belasten.
  124. 5. Das angefochtene Urteil gibt schließlich Anlaß zu dem Hinweis, daß
  125. es in Fällen wie dem vorliegenden angezeigt sein kann, den Prozeßstoff auf
  126. die wesentlichen Straftatbestände zu beschränken.
  127. Tolksdorf
  128. Rissing-van Saan
  129. Pfister
  130. Winkler
  131. Becker