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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 92/15
  5. vom
  6. 30. März 2016
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
  10. ECLI:DE:BGH:2016:300316U2STR92.15.0
  11. -2-
  12. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Hauptverhandlung vom
  13. 30. März 2016, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  15. Prof. Dr. Fischer,
  16. die Richter am Bundesgerichtshof
  17. Prof. Dr. Krehl,
  18. Dr. Eschelbach,
  19. die Richterinnen am Bundesgerichtshof
  20. Dr. Ott,
  21. Dr. Bartel,
  22. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  23. Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  24. bei der Verkündung
  25. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  26. Rechtsanwalt
  27. ,
  28. Rechtsanwalt
  29. als Verteidiger des Angeklagten,
  30. Justizangestellte
  31. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  32. für Recht erkannt:
  33. in der Verhandlung,
  34. -3-
  35. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
  36. Köln vom 19. September 2014, soweit der Angeklagte verurteilt
  37. wurde, mit den Feststellungen aufgehoben.
  38. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  39. und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels und
  40. die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Gründe:
  43. 1
  44. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
  45. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in
  46. zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und in einem
  47. Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern, zu einer
  48. Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; darüber
  49. hinaus hat es eine Kompensationsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet
  50. sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und auf die
  51. Sachrüge gestützten Revision.
  52. 2
  53. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
  54. -4-
  55. I.
  56. 3
  57. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
  58. 4
  59. Der Angeklagte nahm zu nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten
  60. zwischen 2001 und 2006 in einer Vielzahl von Fällen sexuelle Handlungen an
  61. der am 26. Januar 1990 geborenen C.
  62. bensgefährtin M.
  63. M.
  64. M.
  65. , der Tochter seiner Le-
  66. , vor, für die er die Rolle des Stiefvaters über-
  67. nommen hatte. Die Strafkammer, die den zu den Tatvorwürfen schweigenden
  68. Angeklagten aufgrund der Angaben der Nebenklägerin als überführt ansah,
  69. hielt die sechs nachfolgend aufgeführten Taten für hinreichend konkretisiert und
  70. sprach den Angeklagten von weiteren 13, dem Angeklagten mit Anklageschrift
  71. der Staatsanwaltschaft Köln vom 28. Februar 2012 zur Last gelegten Tatvorwürfen frei.
  72. 5
  73. 1. Fall 2 der Anklage
  74. 6
  75. Zu einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum von 2001 bis Anfang 2003 begann der Angeklagte die auf dem Sofa im Wohnzimmer der Wohnung A.
  76. straße 52 liegende, bekleidete Nebenklägerin über der Kleidung am
  77. ganzen Körper einschließlich des Genitalbereichs zu streicheln. Im Verlaufe des
  78. weiteren Geschehens kam es zu einer Entkleidung der Nebenklägerin, ohne
  79. dass festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte die Nebenklägerin auszog
  80. oder ob sie dies selbst tat. Der Angeklagte setzte sich sodann vor die Nebenklägerin, manipulierte mit der Zunge an ihrer Scheide und gleichzeitig mit der
  81. Hand an seinem entblößten Penis, er ließ schließlich von der Zeugin ab und
  82. suchte das Badezimmer auf.
  83. -5-
  84. 7
  85. 2. Fall 11 der Anklage
  86. 8
  87. Zu einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum von 2001 bis Anfang 2003 - kurz nach der Tat 1 - stellte sich der mit Unterhose und T-Shirt bekleidete Angeklagte vor die auf dem Sofa im Wohnzimmer der Wohnung A.
  88. straße 52 liegende Nebenklägerin, entblößte seinen Penis und rieb ihn an ihrem
  89. Gesicht. Anschließend drückte er seinen Penis gegen ihren Mund und veranlasste die Nebenklägerin, den Oralverkehr an ihm auszuführen.
  90. 9
  91. 3. Fall 5 der Anklage
  92. 10
  93. An einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum von 2001 bis Anfang des Jahres 2003 trat der Angeklagte an die mit einem Nachthemd bekleidete, auf dem Bett im Elternschlafzimmer liegende Geschädigte heran, kniete
  94. sich vor sie auf das Bett, entblößte seinen Penis, winkelte die Beine der Geschädigten an und drückte seinen Penis gegen ihre Scheide. Nachdem diese
  95. ihren Widerwillen zum Ausdruck gebracht hatte, antwortete der Angeklagte,
  96. dass er es „ganz vorsichtig machen“ werde, er wolle „nur in die Garage einfahren“. Die Nebenklägerin blieb jedoch bei ihrer ablehnenden Haltung und drohte
  97. dem Angeklagten, dass sie sich ihrer Mutter offenbaren werde, wenn er nicht
  98. aufhöre. Daraufhin beließ es der Angeklagte dabei, seinen Penis an der Scheide der Nebenklägerin zu reiben.
  99. 11
  100. 4. Fall 18 der Anklage
  101. 12
  102. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt an einem Samstag zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 25. Januar 2006 - nach dem Umzug der Familie in das in K.
  103. gelegene Haus des Angeklagten - legte sich der Angeklagte
  104. hinter die mit Unterwäsche bekleidete, zu diesem Zeitpunkt fünfzehn Jahre alte
  105. Nebenklägerin auf das Bett im Elternschlafzimmer und bat sie, ihm etwas vor-
  106. -6-
  107. zulesen. Er entblößte seinen Penis, schob die Unterhose der Nebenklägerin zur
  108. Seite und bewegte sein Glied zwischen den Beinen der Nebenklägerin bis zum
  109. Samenerguss. Dass der Angeklagte - wie in der Anklage aufgeführt - seinen
  110. Penis bis zum Hymen in die Scheide eingeführt hatte, konnte nicht festgestellt
  111. werden.
  112. 13
  113. 5. + 6. Fälle 15 und 16 der Anklage
  114. 14
  115. Zu zwei nicht näher feststellbaren Gelegenheiten im Zeitraum vom 1. Juli
  116. 2005 bis zum 25. Januar 2006 rief der Angeklagte die Nebenklägerin an einem
  117. Tag am Wochenende in das Elternschlafzimmer, in dem er - neben der schlafenden Mutter der Nebenklägerin - im Bett lag. Die Nebenklägerin kam der Aufforderung des Angeklagten nach, legte sich auf die von ihrer Mutter abgewandte Seite neben den Angeklagten, der seinen Penis in beiden Fällen von hinten
  118. zwischen ihren Oberschenkel rieb und dabei im Fall 6 zum Samenerguss kam.
  119. II.
  120. 15
  121. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg. Die
  122. Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  123. 16
  124. 1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, das
  125. Ergebnis
  126. der
  127. Hauptverhandlung
  128. festzustellen
  129. und
  130. zu
  131. würdigen.
  132. Der
  133. revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler
  134. unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich,
  135. unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte
  136. Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2014
  137. - 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52, 53).
  138. -7-
  139. 17
  140. Beruht die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des
  141. Angeklagten - wie hier - allein auf der Aussage einer Belastungszeugin, ohne
  142. dass weitere, außerhalb dieser Aussage liegende belastende Indizien vorliegen,
  143. so sind an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu
  144. stellen. Die Urteilsgründe müssen in Fallkonstellationen der genannten Art
  145. erkennen
  146. lassen,
  147. dass
  148. der
  149. Tatrichter
  150. alle
  151. Umstände,
  152. welche
  153. seine
  154. Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen
  155. einbezogen hat (BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153,
  156. 159). Insbesondere die Aussage der Zeugin selbst ist einer sorgfältigen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGH, aaO, S. 158). Macht die einzige
  157. Belastungszeugin in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von
  158. früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter
  159. mit diesem Umstand auseinander setzen und regelmäßig darlegen, dass und
  160. aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen
  161. haben (BGH, Urteil vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256,
  162. 257). Darüber hinaus ist es in Fallkonstellationen, in denen die Angaben der
  163. einzigen Belastungszeugin in der Hauptverhandlung in wesentlichen Teilen von
  164. ihren früheren Angaben abweichen, geboten, jedenfalls die entscheidenden
  165. Teile
  166. der
  167. Aussage
  168. in
  169. den
  170. Urteilsgründen
  171. wiederzugeben,
  172. weil
  173. dem
  174. Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten
  175. die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben
  176. aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011
  177. - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111; Beschluss vom 24. April 2014 - 5 StR
  178. 113/14, NStZ-RR 2014, 219). Gleiches gilt in Fallkonstellationen, in denen konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Falschbelastungsmotivs bestehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 308/15, juris
  179. Rn. 7 ff., 12).
  180. -8-
  181. 18
  182. 2. Diesen besonderen Darlegungsanforderungen wird das angegriffene
  183. Urteil nicht in vollem Umfange gerecht.
  184. 19
  185. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des zu den
  186. Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten auf die Angaben der zum Zeitpunkt
  187. der abgeurteilten Taten zwischen elf und fünfzehn Jahre alten, inzwischen erwachsenen Nebenklägerin gestützt. Es ist auf der Grundlage der Ausführungen
  188. der zur Frage der Aussagetüchtigkeit der Zeugin hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Zeugin
  189. ungeachtet bestehender Persönlichkeitsakzentuierungen aussagetüchtig ist.
  190. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass die Angaben der Nebenklägerin aufgrund ihrer problematischen Persönlichkeit mit „borderline-Anteilen“ und ihres
  191. bis in das Jahr 2010 hinein problematischen Beziehungs- und Sexualverhaltens
  192. besonders sorgfältiger und kritischer Prüfung bedurften. Es hat auch gesehen,
  193. dass ihre Angaben im Verlaufe des Verfahrens erheblichen, auch das Kerngeschehen betreffenden Veränderungen unterlagen und die Zeugin in Randbereichen gelegentlich die Unwahrheit sagte. Die Beweiserwägungen der Kammer,
  194. die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung ungeachtet der problematischen Persönlichkeit der Nebenklägerin eigene Sachkunde in Anspruch nimmt, erweisen sich
  195. jedoch als lückenhaft.
  196. 20
  197. a) Es fehlt bereits an der vorliegend gebotenen umfassenden, aus sich
  198. heraus verständlichen, zusammenhängenden Darstellung der Aussage der
  199. Zeugin in der Hauptverhandlung, ohne die hier die Annahme einer hohen Aussagequalität und Aussagekonstanz trotz festgestellter Abweichungen der Angaben der Zeugin auch im Kerngeschehen revisionsgerichtlich nicht überprüft
  200. werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 308/15). Ob
  201. die vom Landgericht vorgenommene Bewertung der unterschiedlichen Angaben
  202. der Zeugin mit der Annahme von Aussagekonstanz vereinbar ist, kann in
  203. -9-
  204. Ermangelung einer Wiedergabe ihres wesentlichen Inhalts in der Hauptverhandlung ebenso wenig überprüft werden wie die weitere Bewertung, dass ihre
  205. Angaben von hoher Qualität, detailreich und kontextuell stimmig seien. Die Bewertung der Kammer, dass ihre Angaben „insgesamt ein anschauliches und
  206. atmosphärisch dichtes Gesamtbild der Taten“ vermittelten, ist vor dem Hintergrund der nur bruchstückhaft wiedergegebenen Angaben der Zeugin nicht
  207. nachvollziehbar.
  208. 21
  209. b) Darüber hinaus fehlt es an einer Strukturanalyse der Angaben der
  210. Zeugin, die - soweit der Senat dies den mitgeteilten Beweiserwägungen zu entnehmen vermag - die durch den Angeklagten, ihren Stiefvater, erlittenen Misshandlungen und Demütigungen plastisch zu schildern vermochte, während ihr
  211. dies - jedenfalls anfänglich - hinsichtlich der behaupteten sexuellen Übergriffe
  212. nicht in gleichem Maße gelungen ist.
  213. 22
  214. c) Schließlich fehlt es an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für
  215. und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden
  216. Umstände.
  217. 23
  218. aa) Das Landgericht hat zwar die Aussageentstehung in den Blick genommen und nicht übersehen, dass die Angaben der Nebenklägerin in ihrer
  219. ersten polizeilichen Vernehmung am 15. April 2010 ungeordnet und „assoziativ“
  220. erfolgten, es ihr schwer fiel, „Handlungsverläufe einzelnen, konkretisierbaren
  221. Tatsituationen zuzuordnen“ (UA S. 23) und sie die Frage, ob ihre Mutter jemals
  222. zu Hause gewesen sei, wenn ein sexueller Übergriff erfolgte, verneinte, während sie bei der Exploration durch die von der Staatsanwaltschaft beauftragte
  223. aussagepsychologische Sachverständige im August 2011 angab, dass es auch
  224. zu Übergriffen des Angeklagten im Ehebett gekommen sei, wenn ihre Mutter
  225. „schlafend danebengelegen habe“ (UA S. 31). Diese das Kerngeschehen be-
  226. - 10 -
  227. treffende erhebliche Abweichung hat das Landgericht unter Hinweis darauf,
  228. dass die Zeugin durch die unzutreffenden früheren Angaben ihre Mutter habe
  229. schonen wollen und ihre Angaben zu den beiden Taten qualitativ hochwertig
  230. seien, für unbedenklich erachtet. Dabei hat es nicht erkennbar geprüft, ob die
  231. Tatschilderungen der Zeugin überhaupt plausibel erscheinen. Dies versteht sich
  232. in Ansehung der Gesamtumstände und des Alters der Zeugin zum Tatzeitpunkt
  233. nicht von selbst.
  234. 24
  235. bb) Zwar hat das Landgericht sich im Rahmen der Motivationsanalyse in
  236. Ansehung der von der Zeugin geschilderten hoch belasteten Beziehung zum
  237. Angeklagten und ihrer Persönlichkeitsauffälligkeiten ausführlich mit der Frage
  238. eines Falschbelastungsmotivs auseinandergesetzt und dabei nicht übersehen,
  239. dass die Nebenklägerin im Verlaufe des Verfahrens mehrfach den Wunsch
  240. nach einer „harten Bestrafung“ des Angeklagten äußerte und bekundete, sie
  241. wolle, dass der Angeklagte leide. In den Blick genommen hat das Landgericht
  242. auch, dass die Zeugin aufgrund des rigiden Erziehungsstils des sie demütigenden und körperlich misshandelnden Angeklagten ein Motiv haben konnte, ihre
  243. Mutter durch die Erhebung von Missbrauchsvorwürfen zu einer Trennung zu
  244. veranlassen. Übersehen wurde schließlich auch nicht, dass neben dem Ausschluss einer Falschbelastung aus Rache an dem Angeklagten auch eine
  245. Falschbelastung aus finanziellen Gründen ausgeschlossen werden musste,
  246. nachdem die Nebenklägerin den Angeklagten zwei Wochen nach Anzeigeerstattung im Jahr 2010 zur Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 16.000 EUR
  247. als „Wiedergutmachungsleistung“ aufgefordert und für den Fall der Zahlung in
  248. Aussicht gestellt hatte, der Polizei „nicht alles zu erzählen und das Urteil milder
  249. [zu] machen“. Das Landgericht hat sämtliche Falschbelastungsmotive ausgeschlossen und dabei unter anderem auch auf den Umstand abgestellt, dass
  250. sich die Zeugin Dritten - etwa ihrem früheren Lebensgefährten D.
  251. – offenbart
  252. habe, ohne dass dabei der Wunsch, eine Trennung ihrer Mutter von dem Ange-
  253. - 11 -
  254. klagten herbeizuführen oder finanzielle Interessen eine Rolle gespielt hätten.
  255. Dies greift jedenfalls hinsichtlich des möglichen Motivs, eine Trennung ihrer
  256. Mutter von dem Angeklagten herbeizuführen, zu kurz. Die Offenbarung gegenüber dem Zeugen D.
  257. erfolgte erst zu einem Zeitpunkt, als die Zeugin sich ih-
  258. rer Mutter offenbart und diese sich vom Angeklagten getrennt hatte; sie ist daher nicht geeignet, das Falschbelastungsmotiv der Herbeiführung einer Trennung der Mutter von dem Stiefvater auszuschließen.
  259. 25
  260. cc) Darüber hinaus fehlt es auch an einer Erörterung der Angaben der
  261. Mutter der Zeugin, der gegenüber sie die verfahrensgegenständlichen Missbrauchshandlungen erstmals offenbart hatte. Auch wenn sich die Kammer zu
  262. einem Abbruch der Befragung der Zeugin veranlasst sah, weil ihre Angaben zu
  263. den Tatvorwürfen chaotisch und widersprüchlich anmuteten, wäre das Landgericht in Ansehung der Beweisbedeutung ihrer Angaben verpflichtet gewesen,
  264. ihre Bekundungen in der Hauptverhandlung in den Urteilsgründen wiederzugeben. Darüber hinaus hätte sich die Kammer zu einer Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob das nach Sachlage auffällige Verhalten der Mutter
  265. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin wecken konnte.
  266. Die insoweit allein in den Blick genommene und rechtsfehlerfrei abgelehnte
  267. Möglichkeit eines Komplotts greift insoweit zu kurz.
  268. 26
  269. dd) Die Kammer hätte im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung
  270. aller Umstände schließlich kritisch in den Blick nehmen müssen, dass die der
  271. Objektivierung zugänglichen Behauptungen der Zeugin, etwa der von ihr behauptete Umstand, der Angeklagte habe kinderpornographische Aufnahmen
  272. und Filme besessen und habe „die Taten“ bei einem Gespräch im Beisein ihrer
  273. Mutter im April 2010 gestanden, keine Bestätigung gefunden haben.
  274. - 12 -
  275. 27
  276. 3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu prüfen haben, ob
  277. er sich zur Glaubhaftigkeitsprüfung der Hilfe eines versierten Sachverständigen
  278. bedient.
  279. Fischer
  280. Krehl
  281. Ott
  282. Eschelbach
  283. Bartel