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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 543/11
  4. vom
  5. 28. Dezember 2011
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schwerer räuberischer Erpressung
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Dezember 2011 gemäß
  11. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 8. Juli 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
  13. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere, allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  14. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  15. Gründe:
  16. 1
  17. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
  18. sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
  19. sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  20. -3-
  21. 2
  22. 1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Nichtanordnung
  23. der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet hingegen durchgreifenden sachlich rechtlichen Bedenken.
  24. 3
  25. a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte nach einem
  26. Bandscheibenvorfall und später hinzutretenden Rücken- und Hüftproblemen
  27. - unterbrochen von einer einjährigen Methadonbehandlung - seit 2002 täglich
  28. 0,5 bis ein Gramm Heroin, um damit seine Schmerzen zu bekämpfen
  29. (UA S. 5 f.). Der Angeklagte, der seit 2010 erwerbsunfähig war, konnte diesen
  30. Konsum zunehmend schwieriger finanzieren. In schließlich auswegloser Situation verübte er aus Angst, vor dem Auftreten von Schmerzen nicht frühzeitig
  31. genug an neues Heroin zu gelangen, die zwei verfahrensgegenständlichen
  32. Überfälle auf eine Tankstelle und einen Drogeriemarkt, wobei er jeweils mehrere hundert Euro erbeutete, die er zum Ankauf neuen Heroins verwandte (UA
  33. S. 8 ff.).
  34. 4
  35. b) Die Strafkammer hat von der Unterbringung des Angeklagten in einer
  36. Entziehungsanstalt abgesehen, da bei dem Angeklagten kein Hang im Sinne
  37. des § 64 StGB bestehe. Der Angeklagte habe keine treibende bzw. beherrschende Neigung, Heroin im Übermaß zu konsumieren, sondern wolle nur seine Schmerzen bekämpfen (UA S. 22). Er habe trotz zehnjährigen Konsums
  38. seine Dosis nicht gesteigert, sondern das Heroin verteilt über den Tag in ca.
  39. 10-12 Portionen "nur" geraucht. Dieses Konsumverhalten habe keinen Rausch
  40. erzeugen, sondern lediglich eine Schmerzlinderung herbeiführen können. Auch
  41. habe der Angeklagte nur geringe Entzugserscheinungen gezeigt. Ein Verfall der
  42. Persönlichkeit, was bei einer Abhängigkeitserkrankung zu erwarten wäre, sei
  43. nicht festzustellen (UA S. 21 f.).
  44. -4-
  45. 5
  46. c) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht die
  47. Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Erforderlich ist insoweit keine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit. Es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder berauschende Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome (BGH NStZ-RR 2010, 216; Fischer, StGB 59. Aufl. § 64 Rn 9
  48. mwN) sowie ein gleich bleibendes Konsumverhalten dem nicht entgegenstehen. Auch der Konsum des Heroins zum Zwecke der Schmerzmilderung
  49. schließt die Annahme eines Hanges zum übermäßigen Rauschmittelkonsum
  50. nicht aus. Bei Heroin handelt es sich um ein berauschendes Mittel im Sinne des
  51. § 64 StGB (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 7); es kommt nicht darauf an, ob das
  52. konsumierte Mittel bei dem konkreten Täter geeignet oder von ihm dazu bestimmt ist, einen "Rausch" zu erzeugen (Fischer, aaO § 64 Rn. 6).
  53. 6
  54. Das Landgericht hätte sich bei der Frage des Vorliegens eines Hanges
  55. zudem mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass sich der Angeklagte
  56. nach Einschätzung des Sachverständigen, dem sich die Kammer angeschlossen hat, vor den Taten zunächst mehr und mehr von der Umwelt isoliert hatte
  57. und sich zur Tatzeit letztlich nur noch auf die Beobachtung seiner Schmerzen
  58. und darauf konzentrierte, ob und wann er zur Begegnung auftretender Schmerzen erneut Heroin konsumieren musste (UA S. 16).
  59. 7
  60. 2. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher neuer Verhandlung
  61. und Entscheidung, denn nach den Feststellungen liegt es nahe, dass es sich
  62. bei den abgeurteilten Taten auch um Symptomtaten handelte. Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass eine stationäre Therapie keine
  63. hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 S. 2 StGB).
  64. -5-
  65. 8
  66. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass
  67. der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen
  68. oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
  69. 9
  70. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
  71. der Unterbringungsanordnung gemäß § 358 Abs. 2 StPO nicht. Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von
  72. seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
  73. Fischer
  74. Appl
  75. Eschelbach
  76. Schmitt
  77. Ott