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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 1 StR 86/05
  5. vom
  6. 20. September 2005
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. wegen Geiselnahme u.a.
  12. -2-
  13. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September 2005, an der teilgenommen haben:
  14. Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Wahl
  16. als Vorsitzender
  17. und die Richter am Bundesgerichtshof
  18. Schluckebier,
  19. Dr. Kolz,
  20. Hebenstreit,
  21. Dr. Graf,
  22. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  23. Bundesanwalt
  24. - bei der Verkündung -
  25. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  26. Rechtsanwalt
  27. als Verteidiger des Angeklagten G.
  28. Justizangestellte
  29. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  30. für Recht erkannt:
  31. ,
  32. -3-
  33. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15. Oktober 2004 werden mit der Maßgabe
  34. verworfen, dass
  35. 1. a) der Angeklagte G.
  36. im Fall II. 4. der Freiheitsberaubung
  37. in Tateinheit mit Nötigung sowie im Fall II. 5. der tateinheitlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;
  38. b) der Angeklagte K.
  39. der Freiheitsberaubung in Tateinheit
  40. mit Nötigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist;
  41. 2. der Maßregelausspruch hinsichtlich des Angeklagten G.
  42. aufgehoben wird und der Ausspruch entfällt.
  43. Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
  44. Von Rechts wegen
  45. Gründe:
  46. Das Landgericht hat den Angeklagten G.
  47. wegen Geiselnahme in
  48. zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie
  49. wegen Nötigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
  50. in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihm
  51. die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte K.
  52. ist wegen Geiselnahme in
  53. -4-
  54. Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei
  55. Jahren verurteilt worden. Die Angeklagten wenden sich mit der Sachrüge gegen dieses Urteil, der Angeklagte G.
  56. allerdings nur insoweit, als er in den
  57. Fällen II. 4. und 5. auch wegen Geiselnahme verurteilt wurde.
  58. Die Rechtsmittel der Angeklagten führen zu einer Änderung des Schuldspruchs. Von einer Aufhebung des Strafausspruchs hat der Strafsenat abgesehen. Jedoch entfällt der Maßregelausspruch, welcher nach der Entscheidung
  59. des Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) nicht
  60. mehr den hierdurch festgelegten Voraussetzungen genügt.
  61. I.
  62. Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgende Feststellungen
  63. zugrunde gelegt:
  64. 1. Im April verkaufte der Angeklagte G.
  65. dem Zeugen S.
  66. ein-
  67. mal drei Gramm Haschisch zum Preis von 20 Euro (Tat II. 1.) und ein weiteres
  68. Mal an S.
  69. und
  70. Y.
  71. zuvor von ihm selbst für 50 Euro erworbene
  72. 15 Gramm Haschisch zu einem Preis von 65 Euro (Tat II. 2.). Zugleich bot er
  73. diesen vier Kokainplomben zum Kauf an. Für die erste Tat hat die Strafkammer
  74. eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu fünf Euro, für die Tat II. 2. eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt.
  75. 2. In der Folge wurde der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen
  76. Person bedrängt, ihr Drogen zu verkaufen. Weil er davon ausging, dass diese
  77. ihr Wissen von S.
  78. vermittelt erhalten habe, wollte er S.
  79. einen Denk-
  80. zettel verpassen. Er verbrachte darauf mit seinem Pkw den Zeugen S.
  81. an
  82. einen einsam gelegenen Ort, bedrohte ihn und zwang ihn dazu, bis auf Schuhe
  83. und Boxershorts alle Kleidungsstücke auszuziehen; sodann fuhr er weg, so
  84. -5-
  85. dass S.
  86. unbekleidet zum nächsten Ort laufen musste, wo er erst bei Dun-
  87. kelheit ankam. Hierfür hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr
  88. ausgesprochen (Tat II. 3.).
  89. 3. (Fall II. 4.): Der Angeklagte G.
  90. S.
  91. hatte erfahren, dass der Zeuge
  92. anderen Personen von der vorgenannten Tat II. 3. erzählt hatte. Da der
  93. Geschädigte nach seiner Meinung offenbar seine damit verbundene "erste
  94. Warnung" nicht verstanden hatte, beschloss er, ihn nochmals in ein entlegenes
  95. Waldstück zu verbringen und dieses Mal seine Drohungen nachhaltig zu verstärken. Zu diesem Zweck sprach er den Zeugen S.
  96. an und bat ihn
  97. freundlich und unter Verdeckung seiner wahren Absichten, in sein Fahrzeug
  98. einzusteigen, um mit ihm nochmals über den vergangenen Vorfall zu reden.
  99. S.
  100. ließ sich täuschen, stieg in das Fahrzeug ein, worauf G.
  101. losfuhr, sodass S.
  102. G.
  103. sofort
  104. das fahrende Fahrzeug nicht mehr verlassen konnte.
  105. fuhr sodann in ein abgelegenes Waldgebiet, welches nur über Forst-
  106. wege erreicht werden kann. Dort angekommen ließ er S.
  107. zog eine Schreckschusspistole, welche auf den Zeugen S.
  108. aussteigen und
  109. den Eindruck
  110. einer scharfen Waffe machte. Er wies sein Opfer darauf hin, dass er "keinen
  111. Spaß mache" und S.
  112. offenbar immer noch nicht gelernt habe, "das Maul
  113. zu halten". Um ihn künftig zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern,
  114. richtete G.
  115. in der Folge mehrfach die Waffe gegen S.
  116. und drohte,
  117. ihn zu erschießen. Um seine Drohungen durchzusetzen und damit S.
  118. ihn
  119. in Zukunft weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen" werde, schoss G.
  120. neben S.
  121. in den Boden, sodass das durch die Druck-
  122. welle aufgewirbelte Laub den Eindruck einer scharfen Waffe verstärkte und
  123. S.
  124. nunmehr ernsthaft davon ausging, dass der Angeklagte ihn töten wol-
  125. le, um ihn zum Schweigen zu bringen. In der Folge schoss der Angeklagte
  126. auch an der weisungsgemäß ausgestreckten Hand und am Oberschenkel von
  127. -6-
  128. S.
  129. nur knapp vorbei. Er forderte schließlich den am ganzen Leib zittern-
  130. den Zeugen S.
  131. auf, ihm seine Jacke auszuhändigen - dem kam S.
  132. nach - und außerdem in Zukunft den Mund zu halten, da er sonst ernst machen
  133. und ihn töten werde. Danach ließ er S.
  134. allein im Waldstück, vier Kilometer
  135. von der nächsten Verkehrsstraße entfernt, zurück.
  136. 4. (Fall II. 5.): Einige Wochen später erhielt G.
  137. eine polizeiliche La-
  138. dung zu einer Beschuldigtenvernehmung, weshalb er davon ausging, dass
  139. S.
  140. nunmehr Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht ha-
  141. be. Daraufhin beschlossen G.
  142. und der Mitangeklagte K.
  143. , S.
  144. ge-
  145. meinsam abzustrafen. Sie waren sich dabei einig, dass einfache Drohungen
  146. nicht mehr ausreichen würden und man S.
  147. notfalls dauerhaft verletzen
  148. müsse, damit dieser endlich lerne, dass man andere Menschen nicht verrät.
  149. Sie verabredeten, ihn beim nächsten Aufeinandertreffen freundlich anzusprechen und ihn zum Einsteigen in den Pkw zu bewegen; danach wollte man ihn in
  150. ein einsames Waldstück verbringen, ihn dort gemeinsam zusammenschlagen
  151. und zuletzt das Wort "Verräter" mit einem Messer quer über die Brust einschneiden. Gleichzeitig sollte er aufgefordert werden, seine bei der Polizei gemachten Angaben zurückzuziehen und zukünftig den Mund zu halten. Diesem
  152. Plan entsprechend überredeten sie S.
  153. ter trafen, in den Pkw des G.
  154. , als sie ihn dann wenige Tage spä-
  155. einzusteigen, angeblich um mit ihm zu reden.
  156. Da sie zu zweit und zudem ihm körperlich überlegen waren, kam dieser ihrem
  157. freundlich geäußerten Verlangen nach. Als sie zu seiner Überraschung dann
  158. losfuhren, wollte er zwar aussteigen, was ihm aber nicht mehr möglich war. Im
  159. Wald angekommen, musste S.
  160. schrieen K.
  161. und G.
  162. hen sollte, worauf S.
  163. habe. Daraufhin schlug G.
  164. seine Oberbekleidung ausziehen. Danach
  165. ihn mehrfach an, dass er seinen Verrat eingestejedoch nur antwortete, dass er niemanden verraten
  166. mit den Fäusten auf S.
  167. ein, wobei K.
  168. -7-
  169. ihn anfeuerte. Gleichzeitig heizte K.
  170. dass er sagte, S.
  171. versetzte S.
  172. die Atmosphäre dadurch weiter auf,
  173. sei ein Verräter und müsse bestraft werden. G.
  174. zunächst einen Faustschlag ins Gesicht und, nachdem er zu
  175. Boden gegangen war, mehrere Tritte in den Bauch, die Wade und gegen den
  176. Kopf. Nach einem weiteren Schlag des G.
  177. ergriff K.
  178. beiden Armen und hielt ihn fest. Daraufhin schnitt G.
  179. den S.
  180. an
  181. mit einem Klapp-
  182. messer mit einer Klingenlänge von 10 cm den Buchstaben "V" mit einer Schenkellänge von etwa 10 cm etwa 5 mm tief in die Brust des Opfers. Als sich zu
  183. diesem Zeitpunkt unerwartet ein von einem Forstarbeiter gesteuerter Radlager
  184. näherte und die Angeklagten fürchteten, entdeckt zu werden, forderten sie
  185. S.
  186. nochmals auf, in Zukunft seinen Mund zu halten. Sie nahmen ihn dar-
  187. aufhin im Pkw eine Strecke mit und ließen ihn an einem Ortsrand frei, wobei sie
  188. nochmals von ihm verlangten, er solle seine Angaben bei der Polizei zurückziehen. Der Zeuge S.
  189. wurde in der Folge aufgrund der Schwere der Ver-
  190. letzungen ins Krankenhaus gebracht, wobei die ihm zugefügte Schnittwunde
  191. mit über 30 Stichen genäht werden musste und auch einige Monate später
  192. noch eine deutlich erkennbare ca. 10 cm große V-förmige Narbe mit ca. 1 cm
  193. hohen dunkelrot gefärbten Narbenwulsten zu sehen war. Ob die Narbe operativ
  194. entfernt werden kann, steht noch nicht fest.
  195. Das Landgericht hat in beiden Tatkomplexen das jeweilige Verbringen in
  196. den Wald mit den dortigen Handlungen als Geiselnahme, im zweiten Tatkomplex in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet.
  197. Der Angeklagte G.
  198. verfolgt mit seiner Revision den Wegfall der
  199. Verurteilung wegen zweier Fälle der Geiselnahme und ist der Auffassung, es
  200. handele sich im Fall II. 4. nur um einen Fall der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung sowie im Fall II. 5. um einen Fall der Freiheitsbe-
  201. -8-
  202. raubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.
  203. II.
  204. Die vom Landgericht zu den Fällen II. 4. und 5. getroffenen Feststellungen reichen nicht hin, jeweils darauf eine Verurteilung wegen eines Verbrechens der Geiselnahme nach § 239b StGB zu stützen.
  205. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es erforderlich,
  206. dass zwischen der Entführung eines Opfers und einer beabsichtigten Nötigung
  207. ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart besteht, dass der Täter
  208. das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will (vgl. BGHSt 40, 350,
  209. 355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGHR StGB § 239b Entführen 4). Denn der
  210. Zweck dieser Strafvorschrift, die schon wegen ihrer hohen Mindeststrafe der
  211. einschränkenden
  212. Auslegung
  213. bedarf,
  214. besteht
  215. gerade
  216. darin, das Sich-
  217. Bemächtigen oder die Entführung des Opfers deshalb besonders unter Strafe
  218. zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage
  219. jederzeit realisieren kann (BGH, Beschluß vom 14. Mai 1996 - 4 StR 174/96).
  220. Allerdings liegt eine vollendete Nötigung bereits dann vor, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, aber nur eine davon realisiert wird
  221. (BGH bei Dallinger MDR 1972, 386 f.), wobei auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, für eine Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ausreichend sein kann.
  222. Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Nötigungserfolg im Sinne des § 239b StGB darstellen (BGH, Beschl. vom 2. Okto-
  223. -9-
  224. ber 1996 - 3 StR 378/96). Jedenfalls solche Handlungen des Opfers, die eine
  225. nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellen, führen zur Vollendung der mit der qualifizierten
  226. Drohung erstrebten Nötigung (BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1).
  227. 2. Im Fall II. 4. wollte der Angeklagte G.
  228. den Zeugen S.
  229. ein-
  230. schüchtern und ihn dadurch künftig zum Schweigen bringen, insbesondere
  231. sollte er ihn weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen".
  232. Damit waren seine Ziele auf ein Unterlassen in der Zukunft gerichtet, auf einen
  233. Zeitraum, zu dem der Zeuge aus der Gewalt des Angeklagten entlassen war.
  234. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der Angeklagte davon ausgegangen ist, dass er bereits während der Bemächtigungssituation, insbesondere durch seinen Waffeneinsatz, erreichen wollte und konnte,
  235. dass der Zeuge S.
  236. sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zu einem Schwei-
  237. gen verpflichtet und noch vor seiner Zurücklassung im Wald eine derartige Erklärung abgegeben hat. Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten nur die
  238. Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick auf die erzwungene Herausgabe der Jacke vollendeten) Nötigung.
  239. 3. Auch im Fall II. 5. ergibt sich aus den Feststellungen der Strafkammer
  240. nicht, dass der Zeuge S.
  241. geklagten G.
  242. und K.
  243. auf die Drohungen und Aufforderungen der An, "seinen Mund zu halten" und seine angeblichen
  244. Angaben bei der Polizei zurück zu ziehen, eine entsprechende zusagende oder
  245. sonst zustimmende Erklärung noch während der andauernden Bemächtigungslage abgegeben hat; daher fehlt es am erforderlichen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Sich-Bemächtigen einerseits und der beabsichtigten Nötigung durch qualifizierte Drohung andererseits (vgl. hierzu BGHR StGB § 239b
  246. Nötigungserfolg 1).
  247. - 10 -
  248. Darauf, dass das Landgerichts nicht feststellen konnte, dass die dem
  249. Zeugen S.
  250. zugefügte schwere Entstellung infolge der V-förmigen roten
  251. und wülstigen Narbe eine dauerhafte Entstellung (§ 239b Abs. 1 iVm. § 226
  252. Abs. 1 Nr. 3 StGB) sei, kommt es daher nicht an.
  253. Das Verhalten der beiden Angeklagten stellt danach keine Geiselnahme
  254. dar, sondern erfüllt die Tatbestände der tateinheitlich und gemeinschaftlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung.
  255. 4. Da weitere Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 239b StGB
  256. nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die Schuldsprüche in entsprechender
  257. Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
  258. III.
  259. Die von der Strafkammer gegen den Angeklagten G.
  260. verhängte
  261. Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren kann bestehen bleiben, ebenso die gegen den Angeklagten K.
  262. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren. Einer
  263. Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, weil die verhängte Rechtsfolge - auch nach Änderung des Schuldspruchs - im Sinne des § 354 Abs. 1a
  264. Satz 1 StPO angemessen ist (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3
  265. StR 273/04; Beschl. vom 8. Dezember 2004 - 1 StR 483/04). Ebenso war es
  266. entgegen des hilfsweise gestellten Antrags des Generalbundesanwalts nicht
  267. angemessen, die gegen den Angeklagten in den Fällen II. 4. und 5. festgesetzten Einzelstrafen und die von der Strafkammer gebildete Gesamtfreiheitsstrafe
  268. herabzusetzen.
  269. Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO
  270. angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Fest-
  271. - 11 -
  272. Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04). Dies war vorliegend auch möglich, weil alle für
  273. eine Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht getroffen
  274. worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedurfte.
  275. 1. Angeklagter G.
  276. : Die Strafkammer hat für die Tat II. 4. eine Ein-
  277. zelstrafe von drei Jahren und für die Tat II. 5. eine Einzelstrafe von vier Jahren
  278. Freiheitsstrafe verhängt und daraus zusammen mit den Einzelstrafen der Taten
  279. II. 1. - 3. (30 Tagessätze, sechs Monate, ein Jahr) die Gesamtfreiheitsstrafe
  280. von fünf Jahren gebildet. Als Folge der vom Senat vorgenommenen Schuldspruchänderung entfällt bei den Taten II. 4. und 5. jeweils der Tatbestand der
  281. Geiselnahme, an dessen Stelle der Angeklagte der Freiheitsberaubung und
  282. Nötigung, zusätzlich im Fall II. 5. auch der gefährlichen Körperverletzung
  283. schuldig ist. Der Senat hat die Gesamtfreiheitsstrafe in Anwendung von § 354
  284. Abs. 1a StPO bestehen lassen.
  285. Hier erweist sich die vom Landgericht festgesetzte Einsatzstrafe von vier
  286. Jahren für die Tat II. 5. als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Als
  287. Sanktion für eine schwerwiegende Tat, eine die wahren Absichten der Angeklagten verdeckende Vorgehensweise mit erheblichen körperlichen Folgen für
  288. das hilflose Opfer mit Schlägen, Tritten und dem gefährlichen Messereinsatz,
  289. zumal mit Blick auf die Intensität der Beteiligung des Angeklagten G.
  290. und
  291. seine in den Taten II. 3. bis 5. sich jeweils steigernde gewalttätige Einwirkung
  292. auf das Opfer, erscheint die festgesetzte Strafe, auch unter Berücksichtigung
  293. sämtlicher zu seinen Gunsten zu bedenkenden und vom Landgericht tatsächlich bedachten Umstände, uneingeschränkt als im Sinne des § 354 Abs. 1a
  294. - 12 -
  295. StPO
  296. schuldangemessen
  297. (vgl.
  298. BGH,
  299. Urt.
  300. vom
  301. 2.
  302. Dezember
  303. 2004
  304. - 3 StR 273/04) und keinesfalls als zu hoch. Die von der Strafkammer zugrunde
  305. gelegten Maßstäbe lassen sich auf den geänderten Schuldspruch ohne weiteres übertragen, zumal der vom Landgericht nach § 239b Abs. 2 iVm. § 239a
  306. Abs. 4 StGB gemilderte Strafrahmen des § 239b StGB etwa dem Strafrahmen
  307. des § 224 StGB entspricht, wobei die Mindeststrafe des § 224 StGB mit sechs
  308. Monaten höher ist.
  309. Die von der Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren für
  310. die Tat II. 4. erscheint trotz der Schuldspruchänderung gleichfalls angemessen,
  311. weil der Angeklagte ohne einen tatsächlich gegebenen Anlass und mit gespielter Freundlichkeit das ahnungslose und unterlegene Opfer in eine für dieses
  312. schutzlose Lage verbrachte und mit den von diesem für echt gehaltenen
  313. Schüssen aus der Schreckschusspistole, wie von ihm beabsichtigt, in Todesangst versetzte und den am ganzen Leib zitternden Zeugen, nachdem er ihm
  314. auch noch die Jacke weggenommen hatte, vier Kilometer von der nächsten
  315. Verkehrsstraße entfernt allein im Waldstück zurückließ.
  316. Nach alledem ist auch die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe mit dem besonders straffen Strafzusammenzug angemessen. Hierbei ist zu sehen, dass
  317. der Angeklagte bei seinen Taten gegenüber S.
  318. allein davon getrieben
  319. war, dass er ungestört seinen Betäubungsmittelgeschäften nachgehen konnte.
  320. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass - unabhängig von
  321. möglichen verbleibenden Entstellungen - durch das Einstechen des V-förmigen
  322. Mals die Wunde umfassend ärztlich versorgt und mit 30 Stichen genäht werden
  323. musste.
  324. 2. Angeklagter K.
  325. K.
  326. : Auch die vom Landgericht gegen den Angeklagten
  327. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren hat der Senat gemäß § 354
  328. - 13 -
  329. Abs. 1a StPO bestehen lassen. Insoweit ist entscheidend, dass der Angeklagte
  330. K.
  331. überhaupt keinen Anlass hatte, gegen den Zeugen S.
  332. vorzugehen.
  333. Er hat sich von Anfang an bei der Tatausführung beteiligt und letztlich den Mitangeklagten G.
  334. sogar aufgefordert, mit dem Messer die Buchstaben in
  335. den Oberkörper des Opfers einzustechen.
  336. IV.
  337. Zugunsten des Angeklagten G.
  338. war der Maßregelausspruch aufzu-
  339. heben; denn nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen
  340. vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) setzt die strafgerichtliche Entziehung der
  341. Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des
  342. Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Den
  343. Feststellungen des Landgerichts ist derartiges nicht zu entnehmen; insbesondere gab es offensichtlich nicht die Gefahr, dass der Zeuge S.
  344. Freiheitsberaubung während der Fahrt in dem Pkw des G.
  345. sich seiner
  346. körperlich wi-
  347. dersetzt, wodurch bei einem möglichen Gerangel dann zumindest eine Gefahr
  348. für die Sicherheit des Straßenverkehrs hätte entstehen können.
  349. - 14 -
  350. Im Übrigen haben sich keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
  351. ergeben.
  352. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
  353. Wahl
  354. Schluckebier
  355. Hebenstreit
  356. Kolz
  357. Graf