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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 242/14
  4. vom
  5. 18. Dezember 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Vergewaltigung u.a.
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2014 gemäß
  11. § 154 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Dezember 2013 wird
  13. a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen
  14. Verleumdung (B.III. der Urteilsgründe) verurteilt ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und
  15. die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
  16. b) das vorbezeichnete Urteil im Schuld- und Strafausspruch
  17. dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung, Körperverletzung und
  18. versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt ist;
  19. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  20. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des
  21. Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  22. Gründe:
  23. 1
  24. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung
  25. (Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren) sowie wegen Verleumdung zu einer Ge-
  26. -3-
  27. samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Ferner hat es
  28. angeordnet, dass drei Monate der Gesamtstrafe als vollstreckt gelten. Gegen
  29. dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die
  30. Sachrüge und eine verfahrensrechtliche Beanstandung stützt. Das Rechtmittel
  31. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  32. 2
  33. 1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren
  34. nach § 154 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 1 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen
  35. Verleumdung (B.III. der Urteilsgründe: Tatgeschehen vom 19. März 2012) verurteilt worden ist. Dies hat den Wegfall der für den eingestellten Sachverhalt
  36. festgesetzten Geldstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
  37. 3
  38. 2. Die weitergehende Revision bleibt erfolglos.
  39. 4
  40. a) Der Schuld- und Strafausspruch im Übrigen zeigt auf die sachlichrechtliche Überprüfung keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
  41. 5
  42. b) Auch die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m.
  43. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO geltend macht, hat keinen Erfolg.
  44. 6
  45. aa) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
  46. 7
  47. Der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung zum Vorwurf der Vergewaltigung eine bestreitende Einlassung ab. Nachdem die Hauptbelastungszeugin an mehreren Tagen nicht erschienen war, bat der Vorsitzende der Strafkammer den Verteidiger, die Staatsanwältin und die Nebenklägervertreterin in
  48. das Beratungszimmer. Nachdem erörtert worden war, dass die Nebenklägerin
  49. -4-
  50. bisher nicht vernommen werden konnte, fragte der Vorsitzende, ob die Möglichkeit einer Verständigung bestehe, wobei ein Geständnis des Angeklagten
  51. hierfür Voraussetzung sei. Der Verteidiger erklärte, dass dies vor der Vernehmung der Nebenklägerin nicht in Betracht komme. Er kam sodann mit dem
  52. Vorsitzenden überein, zunächst die Nebenklägerin zu hören, ein Geständnis
  53. „müsse“ nicht heute erfolgen.
  54. 8
  55. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung gab der Vorsitzende folgende Erklärung ab, die er auch protokollieren ließ:
  56. „Der Vorsitzende gab bekannt, dass auf Initiative der
  57. Kammer ein Rechtsgespräch mit den Mitgliedern der
  58. Kammer, dem Verteidiger, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Nebenklagevertreterin stattgefunden
  59. hat. Seitens des Gerichts wurde die Möglichkeit einer Verständigung angesprochen. Dies wurde vom Verteidiger
  60. abgelehnt. Man kam überein, zunächst die Geschädigte
  61. zu vernehmen.“
  62. 9
  63. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung – auch nach Vernehmung der
  64. Nebenklägerin – kam keiner der Verfahrensbeteiligten auf das Verständigungsgespräch zurück.
  65. 10
  66. Die Revision trägt darüber hinaus vor, der Vorsitzende habe bei dem
  67. Verständigungsgespräch zudem erklärt, dass „die Sache aus Sicht der Kammer
  68. bei Ablegung eines Geständnisses mit einer Bewährungsstrafe ausreichend
  69. sanktioniert sein könnte.“
  70. -5-
  71. 11
  72. bb) Die Rüge erweist sich ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit schon
  73. deswegen als unbegründet, weil der behauptete Verfahrensverstoß – die
  74. Nichtmitteilung einer im Rahmen von Verständigungsgesprächen außerhalb der
  75. Hauptverhandlung konkret geäußerten Strafvorstellung des Gerichts – nicht
  76. erwiesen ist. So belegen die dienstlichen Stellungnahmen der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, des Vorsitzenden und des Beisitzers, dass von Seiten des Gerichts ein für den Fall des Geständnisses für angemessen erachteter
  77. konkreter Strafrahmen, gar in Form einer noch die Aussetzung zur Bewährung
  78. eröffnenden Strafhöhe, nicht genannt worden ist. Zwar sei durch den Vorsitzenden zu Beginn erklärt worden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf das
  79. Strafmaß habe und man sich abhängig vom Strafmaß gegebenenfalls Gedanken über eine Strafaussetzung machen könne. Übereinstimmend ergibt sich
  80. aus den dienstlichen Stellungnahmen jedoch, dass zur Abgabe von konkreten
  81. Strafrahmenvorstellungen nach „kategorischer“ Ablehnung eines Geständnisses durch den Verteidiger kein Raum mehr gesehen wurde.
  82. 12
  83. Dem Inhalt der dienstlichen Erklärungen ist die Revision nicht entgegengetreten, vielmehr hat sie sich diese zu eigen gemacht, soweit sie nunmehr allein noch behauptet, dass von „einer möglichen Bewährungsstrafe gesprochen
  84. wurde“. Da daher der Sachverhalt aufgeklärt ist (vgl. zu einer anderen Konstellation BVerfG, Beschluss vom 5. März 2012 – 2 BvR 1464/11, NJW 2012,
  85. 1136), sieht der Senat kein Erfordernis zur Einholung von dienstlichen Erklärungen der ebenfalls an dem Gespräch teilnehmenden Schöffen.
  86. 13
  87. cc) Der danach der revisionsgerichtlichen Prüfung zugrunde zu legende
  88. Verfahrensablauf deckt keinen Rechtsfehler auf. Zwar verlangt die nach § 243
  89. Abs. 4 Satz 2 StPO bestehende Informationspflicht, dass der Vorsitzende über
  90. Erörterungen mit Verfahrensbeteiligten (§§ 202a, 212 StPO), die nach Beginn
  91. -6-
  92. der Hauptverhandlung, aber außerhalb von dieser stattgefunden haben und
  93. deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der
  94. Hauptverhandlung Mitteilung zu machen. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur
  95. Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW
  96. 2013, 1058, 1065; BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ
  97. 2014, 418, 419). Mitzuteilen ist dabei nicht nur der Umstand, dass es solche
  98. Erörterungen gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist, jedenfalls
  99. der Verständigungsvorschlag und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der
  100. übrigen Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2013
  101. – 5 StR 411/13, NStZ 2013, 722 und vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13, NStZ
  102. 2014, 416).
  103. 14
  104. Die hier vom Vorsitzenden erfolgte Unterrichtung genügte diesen Anforderungen. Denn sie umfasste sowohl den Aspekt, auf wessen Initiative es zu
  105. dem Verständigungsgespräch gekommen war, als auch dass der Verteidiger
  106. eine Verständigung abgelehnt hatte und man zunächst die Nebenklägerin vernehmen wolle, mithin den wesentlichen Inhalt. Da ein konkreter Verständigungsvorschlag nach dem bewiesenen Verfahrensablauf von keinem geäußert
  107. wurde, bestand auch nicht das Erfordernis einer darauf gerichteten Mitteilung.
  108. Allein der Hinweis des Vorsitzenden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf
  109. das Strafmaß habe und es vom Strafmaß abhängig sei, ob man sich Gedanken
  110. über eine Strafaussetzung machen könne, stellt noch keinen Verständigungsvorschlag dar. Hierin liegt weder die Zusage, dass das Gericht sich für den Fall
  111. des Zustandekommens der Verständigung daran gebunden sehen wollte, eine
  112. -7-
  113. bewährungsfähige Strafe zu verhängen, noch beinhaltet es die Information,
  114. dass das Gericht eine bewährungsfähige Strafe im konkreten Fall für angemessen erachten würde. Gerade diese Frage ist offen gelassen worden, so dass
  115. bei dem Angeklagten kein Informationsdefizit bestand.
  116. 15
  117. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Änderung des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich nicht die Entscheidung
  118. über die Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil
  119. vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom
  120. 25. September 2012 – 1 StR 212/12, wistra 2013, 35).
  121. Raum
  122. Graf
  123. Cirener
  124. Jäger
  125. Mosbacher