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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 278/06
Verkündet am:
8. Mai 2007
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
_____________________
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 398
ZPO §§ 253, 829, 835
Der Streitgegenstand ändert sich nicht, wenn der Kläger seine Aktivlegitimation zunächst aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und
später aus einer Abtretung der Klageforderung herleitet (im Anschluss an
BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066).
BGH, Urteil vom 8. Mai 2007 - XI ZR 278/06 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter
Dr. Grüneberg
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
13. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der durch die Nebenintervention
verursachten Kosten, die die Streithelferin der Beklagten trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem und ge-
1
pfändetem Recht als Prozessbürgin in Anspruch.
Die I.
2
GmbH (im Folgenden: I.
- inzwischen
E.
rechtskräftiges -
Vorbehaltsurteil
des
) wurde durch
Landgerichts
vom 23. Dezember 1998 verurteilt, 90.943 DM nebst Zinsen
-3-
an die IM.
GmbH (im Folgenden: IM.
zu zahlen. Der I.
)
wurde nachgelassen, die Vollstreckung aus dem für
vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 105.000 DM abzuwenden. Nach dem Beschluss des Landgerichts
E.
vom 28. Januar 1999 konnte die Sicherheitsleistung auch
durch eine Bankbürgschaft erbracht werden.
Am 29. Juli 1999 verbürgte sich die Beklagte gegenüber der IM.
3
für die von der I.
Die IM.
zu leistende Sicherheit in Höhe von 52.600,95 DM.
trat der Klägerin am 10. September 1999 ihre Forderungen
aus dem Rechtsstreit gegen die I.
und aus der Bürgschaft siche-
rungshalber ab. Am selben Tag erklärte sie in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis, der Klägerin 260.000 DM zu schulden, und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die IM.
im Jahre
2002 im Handelsregister gelöscht. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 wurden die Forderungen der
IM.
gegen die I.
und gegen die Beklagte gepfändet und der Kläge-
rin zur Einziehung überwiesen.
4
Die Klage auf Zahlung von 26.894,44 € (= 52.600,95 DM) nebst
Zinsen hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Klägerin sei aufgrund der Abtretung vom 10. September 1999
aktivlegitimiert. Außerdem habe sie, auch wenn sie als Zessionarin bereits materielle Rechtsinhaberin gewesen sei, die Forderung der IM.
pfänden können, um Inhaberin der formell titulierten Rechtsposition zu
werden. Die Pfändungen seien nicht aus formellen Gründen nichtig. Die
gepfändete Forderung sei in dem Beschluss vom 11. Februar 2003 ausreichend genau bezeichnet. Dass die IM.
als Vollstreckungsschuldne-
rin bereits seit dem Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht gewesen
sei, stehe der Wirksamkeit der Pfändung nicht entgegen.
8
Die Klageforderung sei nicht verjährt. Ein Anspruch aus einer Prozessbürgschaft verjähre wie die titulierte Hauptforderung in 30 Jahren.
Aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebe sich eine Gleichwertigkeit von
Bürgschaft und Hinterlegung. Der Anspruch auf Herausgabe hinterlegter
Gegenstände erlösche gemäß § 21 Abs. 1 HinterlO grundsätzlich nach
30 Jahren.
-5-
Auch bei Zugrundelegung einer nur dreijährigen Verjährungsfrist
9
sei keine Verjährung eingetreten. Die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
EGBGB bis zum 31. Dezember 2004 laufende Verjährungsfrist sei durch
die Zustellung der Klage am 15. Dezember 2004 gehemmt worden. Dies
gelte nicht nur, wenn die Klägerin die Bürgschaftsforderung durch die
Pfändung erworben habe, auf die die Klage von Anfang an gestützt worden sei, sondern auch bei einem Erwerb durch die Abtretung, auf die die
Klägerin sich erstmals im Schriftsatz vom 1. Juni 2005 bezogen habe.
Streitgegenstand sei immer die Bürgschaftsforderung gewesen, die die
Klägerin aus fremdem Recht geltend gemacht habe. Ob die Klägerin
durch Abtretung oder durch Pfändung Rechtsinhaberin geworden sei,
habe auf den Streitgegenstand der Bürgschaftsklage keinen Einfluss.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis
10
stand.
11
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision
unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom
10. September 1999 Inhaberin der Forderung gemäß § 765 Abs. 1 BGB
gegen die Beklagte in Höhe der Klagesumme geworden ist. Deshalb
braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin auch aufgrund der
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003
aktivlegitimiert ist, d.h. ob die Klägerin die Forderung, deren Inhaberin
sie bereits durch die Abtretung geworden war, noch wirksam pfänden
und sich zur Einziehung überweisen lassen konnte (bejahend: OLG Köln
-6-
WM 1978, 383, 385; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl. § 829 Rdn. 21,
67; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl. § 829 Rdn. 8; Thomas/Putzo, ZPO
27. Aufl. § 829 Rdn. 11; HK-ZPO/Kemper, § 829 Rdn. 9; vgl. auch
RGZ 86, 135, 137; verneinend: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 54 S. 636; Schuschke/Walker, Vollstreckung
und vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 829 Rdn. 18).
12
2. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klageforderung
sei nicht verjährt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
13
a) Dies gilt auch dann, wenn für den Anspruch aus der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 die kürzeste in Betracht kommende, nämlich die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB,
Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt, die nach der rechtsfehlerfreien
und von der Revision unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts am 31. Dezember 2004 endete. Deshalb kann dahinstehen, ob
aufgrund einer längeren Verjährungsfrist, eines späteren Fristbeginns,
etwa erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen, oder einer Ablaufhemmung, z.B. bis zur Verjährung der Hauptschuld (vgl. Palandt/Sprau, BGB
66. Aufl. § 765 Rdn. 26 m.w.Nachw.), von einem späteren Ende der Verjährungsfrist auszugehen ist.
14
b) Die Verjährungsfrist ist durch die Zustellung der Klageschrift am
15. Dezember 2004 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Aktivlegitimation in der
Klageschrift nur mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom
11. und 17. Februar 2003 begründet und erst nach Ablauf der Verjäh-
-7-
rungsfrist in einem Schriftsatz vom 1. Juni 2005 auf die Abtretung vom
10. September 1999 gestützt worden ist.
15
Die Erhebung der Klage hemmt die Verjährung nur für Ansprüche
in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht
werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch
(BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005
m.w.Nachw.). Hingegen erstreckt sich die Verjährungshemmung nicht
auf
Ansprüche,
die
nicht
Gegenstand
der
Klageerhebung
waren
(vgl. BGHZ 104, 268, 271 ff.; BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR
101/98, WM 1999, 1065, 1066). Der auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der auf die Abtretung gestützte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision derselbe prozessuale Anspruch.
16
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird
mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend
gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige
prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in
dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger
die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinn geht der Klagegrund
über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur
Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur
Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat
-8-
(BGHZ 117, 1, 5 f.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98,
NJW 1999, 3126, 3127 m.w.Nachw.).
17
Nach diesen Grundsätzen liegt im Übergang von einem Anspruch
aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht wegen
der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts grundsätzlich
ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung gemäß § 263 ZPO (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04,
NJW 2005, 2004, 2005). Hingegen ändert sich der Streitgegenstand
nicht, wenn bei einer stillen Sicherungszession der Zedent die abgetretene Forderung zunächst aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung geltend macht und später aufgrund einer Rückabtretung
des Sicherungsnehmers weiterverfolgt. Dasselbe gilt für eine Umstellung
des Klageantrages auf Zahlung an den Sicherungsnehmer nach Offenlegung der Sicherungsabtretung. Bei einer stillen Zession macht der Zedent nämlich aufgrund der Einziehungsermächtigung, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die an den Sicherungsnehmer abgetretene Forderung geltend (BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR
101/98, WM 1999, 1065, 1066).
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bb) Gemessen hieran hat sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Anspruch
gegen die Beklagte gemäß § 765 Abs. 1 BGB aufgrund der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 zunächst auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 und später auf die Abtretung vom 10. September 1999 gestützt hat. Die Klägerin hat, wie das
Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unabhängig von der Begründung ihrer Aktivlegitimation, immer die in der Person der IM.
entstan-
-9-
dene Bürgschaftsforderung gegen die Beklagte geltend gemacht. Die
Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, die Klägerin sei aufgrund der
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aus fremdem Recht, aufgrund
der Abtretung hingegen aus eigenem Recht vorgegangen. Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung bewirkt zwar keinen Forderungsübergang (BGHZ 114, 138, 141) und steht deshalb einer Forderungsabtretung nicht gleich (Stöber, Forderungspfändung 14. Aufl. Rdn. 589).
Sie verschafft dem Vollstreckungsgläubiger aber ein eigenes Einziehungsrecht und ermächtigt ihn, die Forderung in eigenem Namen einzuziehen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1981 - VII ZR 319/80, WM 1981,
1338). Deshalb tritt - ebenso wie bei Geltendmachung einer abgetretenen Forderung aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Einziehungsermächtigung und später aufgrund einer Rückabtretung (BGH, Urteil vom
23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066) - keine Änderung
des Streitgegenstandes ein, wenn - wie hier - eine Forderung zunächst
aufgrund des durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangten Einziehungsrechts und später aufgrund einer Abtretung geltend
gemacht wird. Der zeitliche Abstand zwischen der Abtretung und dem
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist entgegen der Auffassung der
Revision für die Bestimmung des Streitgegenstandes unerheblich (vgl.
BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065).
- 10 -
III.
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Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe
Müller
Mayen
Joeres
Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 26.10.2005 - 21 O 530/04 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2006 - 13 U 226/05 -