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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 101/02
vom
19. Dezember 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 543 Abs. 2
a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund für
die Zulassung einer Revision.
b) Die Revision ist nicht schon deshalb zuzulassen, weil das Berufungsgericht die
Anforderungen an die Darlegungslast im Einzelfall überspannt hat. Eine Zulassung
der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt in diesem
Fall in Betracht, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires,
willkürfreies Verfahren vorliegt. Das ist in aller Regel erst dann anzunehmen, wenn
die Auffassung des Gerichts unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar
ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht.
-2c) Die Revision ist nur dann zuzulassen, wenn die für die Zulassungsgründe
relevante Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Das ist mit der Beschwerde
darzulegen.
d) Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit einer
Rechtsfrage, wenn sich diese aus einem Sachverhalt ergibt, der dem
Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist.
BGH, Beschluß vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
-3-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Braunschweig vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach
einem Gegenstandswert von 84.011,72
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt Architektenhonorar. Die Beklagten wenden sich
gegen den Honoraranspruch und machen Schadensersatzansprüche geltend,
weil die Baukosten erheblich überschritten worden seien. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen, weil den Beklagten in Höhe der Honorarforderung
Schadensersatzansprüche zustünden. Auf die Berufung des Klägers sind die
Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an ihn 42.005,86

Zinsen zu zahlen. Die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche
hat das Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die
Beschwerde der Beklagten.
-4-
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, welche Anforderungen
an
einen
mit
der
Mitwirkung
bei
der
Vergabe
und
der
Objektüberwachung betrauten Architekten - im Interesse der Beschränkung der
anfallenden Kosten auf das Nötige - bezüglich der Anleitung und Überwachung
eines mit Sanierungs- und Renovierungsarbeiten in einem Altbau beauftragten
Handwerkers (hier: Malers) und welche Anforderungen im Rechtsstreit
bezüglich der Darlegung der Pflichtverletzung und des Schadens an den
Bauherren und an den Architekten zu stellen seien, sind nicht von
grundsätzlicher Bedeutung.
a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat
eine Sache,
die eine
entscheidungserhebliche,
klärungsbedürftige
und
klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl
von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, NJW
2002, 3029). Rechtsfehler, die einen über den Einzelfall hinaus wirkenden
Rechtsverstoß nicht erkennen lassen, begründen kein öffentliches Interesse an
einer Revisionsentscheidung unter einem der gesetzlichen Zulassungsgründe
(BGH, Beschluß vom 25. Juli 2002 – V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181).
b) Welche Anforderungen an die Darlegung einer Pflichtverletzung im
Zuge der Bauüberwachung und an die Darlegung eines infolge fehlerhafter
Vergabe entstandenen Schadens zu stellen sind, richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalles. Selbst wenn das Berufungsgericht, wie die
Beschwerde meint, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft
nicht angewandt haben sollte, rechtfertigt das die Zulassung der Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Die Beschwerde hat nicht dargelegt,
-5-
daß der konkrete Fall Anlaß gibt, die Grundsätze der Darlegungslast in einer
über den Einzelfall hinausgehenden Weise zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluß
vom 4. Juli 2002 – V ZR 75/02, BGH NJW 2002, 2957). Ihr Hinweis darauf,
nach der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung könnten Bauherren
wohl niemals Schadensersatzansprüche gegen Architekten wegen schuldhafter
Verteuerung von Baumaßnahmen durchsetzen, ist so nicht richtig. Eine über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung ist damit nicht
hinreichend dargelegt.
2. Der Beschwerde kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden,
die Revision sei deshalb zuzulassen, weil das Berufungsurteil offensichtlich
unrichtig sei.
a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein
kein
hinreichender Grund, die Revision zuzulassen. Die Revision ist zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung dann zuzulassen, wenn vermieden werden
soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen
oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die
angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese
Voraussetzungen sind nach der Gesetzesbegründung nicht schon dann
gegeben, wenn ein Gericht in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen
hat, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Eine Zulassung der
Revision kommt in Betracht, wenn materielle oder formelle Fehler bei der
Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus
allgemeine Interessen nachhaltig berühren. Hierher gehören vor allem die Fälle,
in denen Verfahrensgrundrechte, namentlich die Grundrechte auf Gewährung
des rechtlichen Gehörs und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren, verletzt sind
und
deswegen
Gegenvorstellung
erhoben
und
Verfassungsbeschwerde
eingelegt werden könnte (vgl. amtl. Begr. zum ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722,
-6-
S. 104; BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, aaO S. 3030; Beschluß
vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, aaO). Die abweichende Auffassung des XI.
Zivilsenats,
dies
sei
keine
Frage
der
Sicherung
einer
einheitlichen
Rechtsprechung, sondern eine Frage der grundsätzlichen Bedeutung (Beschluß
vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, ZIP 2002. 2148, 2150), teilt der VII.
Zivilsenat nicht.
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor
aa) Das Berufungsgericht geht, wie die Beschwerde nicht verkennt, von
der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die
Prüffähigkeit einer Honorarschlußrechnung aus. Danach kommt es auf den
Einzelfall an, inwieweit die Rechnung den Informations- und Kontrollinteressen
des Auftraggebers genügt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 – VII ZR 99/99,
BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102). Aus dem Umstand, daß ein Auftraggeber
eine Prüfung vorgenommen hat, kann im Einzelfall der Schluß gezogen werden,
daß die Rechnung prüffähig ist (BGH, Urteil vom 22. November 2001 – VII ZR
168/00, BauR 2002, 468 = NZBau 2002, 90 = ZfBR 2002, 248). Unrichtig ist die
Auffassung der Beschwerde, die Anforderungen an die Prüffähigkeit seien
verschärft,
wenn
der
Auftraggeber
Einwendungen
gegen
bestimmte
Rechnungsansätze erhebe.
bb) Die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß § 10
Abs. 3 a HOAI eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten
der vorhandenen Bausubstanz verlange, ist schon deshalb unbeachtlich, weil
die Beschwerde nicht darlegt, daß im konkreten Fall ein möglicher Verstoß
gegen § 10 Abs. 3 a HOAI in Betracht kommt. Die Revision zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung ist nur dann zuzulassen, wenn es auf die
aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt.
-7-
Insoweit gilt nichts anderes als für die Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Zulassung der Revision setzt
allgemein voraus, daß die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall
entscheidungserheblich ist. Das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung
des Rechtsstreits nicht ankommt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 4).
Die Entscheidungserheblichkeit ist mit der Beschwerde vorzutragen.
Ergibt sie sich nicht ohne weiteres aus dem Berufungsurteil, ist in der
Beschwerde darzulegen, aus welchem Parteivortrag sie sich ergibt und warum
dieser gemäß § 559 ZPO in der Revision zu berücksichtigen wäre. Ist die
Entscheidungserheblichkeit nur bei einem Sachverhalt zu bejahen, den das
Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde verfahrensfehlerhaft nicht
festgestellt hat, ist eine Verfahrensrüge gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 b) ZPO
notwendig. Ob die Revision zuzulassen ist, kann nicht ohne Einbeziehung der
Verfahrensrüge in die nach § 543 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Beurteilung
entschieden werden, wobei sich die Frage stellen kann, ob sich aus dem
Verfahrensfehler bereits - etwa im Hinblick auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten - ein Zulassungsgrund ergeben muß. Allein der Hinweis
darauf, daß das Berufungsgericht zu einer Sachverhaltsvariante, für die es auf
die Rechtsfrage ankäme, keine Feststellungen getroffen hat, reicht nicht. Die
Beschwerde hat sich auf diesen Hinweis beschränkt. Sie hat schon nicht
dargelegt, warum davon auszugehen wäre, daß eine schriftliche Vereinbarung
über die anrechenbaren Kosten vorhandener Bausubstanz nicht getroffen
worden ist. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich dazu nichts.
cc) Gleiches gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht
berücksichtigt, daß der Kläger nach der Senatsrechtsprechung nach Treu und
Glauben gehindert sei, ein höheres als das unter Verstoß gegen die HOAI
vereinbarte Honorar zu verlangen. Dazu habe es keine Feststellungen
-8-
getroffen. Die Beschwerde führt nicht an, daß das Berufungsgericht überhaupt
Anlaß hatte, diese Frage zu prüfen.
dd) Ob das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast
des Auftraggebers zur Pflichtverletzung des Architekten oder zum daraus
entstandenen Schaden überspannt hat, kann dahin stehen. Ein derartiger, auf
den Einzelfall bezogener Fehler gäbe keine Veranlassung, die Revision
zuzulassen.
Die Zurückweisung von Vorbringen als unschlüssig oder unsubstantiiert
kann einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte darstellen, wenn dadurch
das rechtliche Gehör versagt wird oder ein Verstoß gegen den Grundsatz des
willkürfreien Verfahrens vorliegt. Eine Revision ist in der Regel zuzulassen,
wenn nach den Darlegungen der Beschwerde der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002
– V ZB 16/02, aaO S. 3030). Das ist hier nicht der Fall.
Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör kommt nicht in
Betracht. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, daß ein
Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder
materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt (BVerfGE 60, 1, 5;
69, 141, 143; 85, 386, 404). Es stellt deshalb keinen Verstoß gegen Art. 103
Abs. 1 GG dar, wenn ein Gericht das Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt,
jedoch als unschlüssig wertet.
In Betracht kommt allenfalls ein Verstoß gegen das Grundrecht der
betroffenen Partei auf ein faires, willkürfreies Verfahren. Ein derartiger Verstoß
kann unter den sonstigen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision führen,
wenn ein Gericht die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires
-9-
Verfahren verkannt hat, rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr
gewahrt sind oder das Willkürverbot verletzt ist (vgl. BVerfGE 85, 386, 404;
BVerfGE 87, 273, 278). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein belegt keine
Willkürlichkeit einer Gerichtsentscheidung. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn
eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer
Norm in krasser Weise mißdeutet wird (vgl. BVerfGE 62, 189, 192; 83, 82, 85;
86, 59, 62). Danach ist auch die Zurückweisung eines Vortrags als unschlüssig
oder unsubstantiiert in aller Regel erst dann ein Verstoß gegen das Grundrecht
auf ein faires, willkürfreies Verfahren, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt
rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl.
BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3031).
Das Berufungsgericht hat sich von der Erwägung leiten lassen, daß die
Vergabe zum Stundenlohn nur dann zu einem Schaden führt, wenn die
Vergabe zu Einheitspreisen günstiger gewesen wäre. Auf dieser nicht
sachfremden Grundlage ist es konsequent, den Schaden in der Differenz des
Stundenlohns zum Werklohn nach einem Einheitspreisvertrag zu sehen. Zu
dieser Differenz haben die Beklagten nicht vorgetragen. Ein offen zu Tage
tretender Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte liegt in der Zurückweisung
ihrer andersartigen Schadensberechnung als unsubstantiiert nicht.
- 10 -
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dressler
Hausmann
Kniffka
Kuffer
Bauner