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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 38/13
vom
17. November 2015
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2015
durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin
Diederichsen, den Richter Stöhr und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des
14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. September
2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 14.331,50 €
Gründe:
I.
1
Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 17. Mai
2013 zugestellt worden. Am 1. Juli 2013 hat ihr Prozessbevollmächtigter per
Telefax Berufung eingelegt, sie sogleich begründet und Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.
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Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe, was dieser anwaltlich versichert hat, am 8. Juni 2013, einem Samstag,
die Berufungsschrift, die das Datum 8. Juni 2013 trägt, gefertigt und am selben
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Tag mit ausreichend frankiertem Brief in den Postkasten am Marktplatz in S.
eingeworfen. Am Montag, dem 24. Juni 2013, habe er durch ein Telefonat mit
einer Sachbearbeiterin des Berufungsgerichts erfahren, dass die Berufungsschrift dort nicht eingegangen sei.
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Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen
und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil nicht hinreichend
glaubhaft gemacht sei, dass die Fristversäumung nicht auf einem Verschulden
ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dagegen wendet sich die Klägerin mit
der Rechtsbeschwerde.
II.
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1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht
der Klägerin zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht
der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG
iVm dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
verletzt. Es hat zudem die nachstehend wiedergegebene Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht beachtet.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe, nachdem sie auf Bedenken gegen
die Richtigkeit des vorgetragenen Geschehensablaufes hingewiesen worden
sei, keine weiteren erläuternden Umstände zu dem nur in äußerster Knappheit
in zwei Sätzen geschilderten Geschehensablauf vorgetragen. Obwohl die Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen hätten, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich der Eintragung im Fristenkalender am Tag vor der
vermeintlichen Fertigung der Berufungsschrift Urlaub gehabt habe, habe er
nicht erläutert, weshalb er am nächsten Tag, einem Samstag, im Büro gewesen
sei. Weshalb der Rechtsmittelschriftsatz noch am Samstag erledigt worden sei,
obwohl die Berufungsfrist erst über eine Woche später abgelaufen wäre, sei
ebenfalls wenig nachvollziehbar. Keinesfalls erscheine es plausibel, dass der
Prozessbevollmächtigte persönlich - ohne jeden Zeitdruck - zugleich auch das
Fertigen der Abschriften und das Kuvertieren, Frankieren und Einliefern der
Postsendung in einen ausweislich eines gängigen Routenplaners mehr als 500
Meter von seiner Kanzlei entfernten Postkasten ebenfalls selbst übernommen
habe. Üblicherweise würden derartige Arbeiten im Geschäftsablauf einer
Rechtsanwaltskanzlei den Fachangestellten überlassen. Es hätte mehr als nahegelegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - wenn er schon den
Schriftsatz selbst im Computer erstellt und nicht diktiert hatte - jedenfalls die
Ausfertigung der erforderlichen Abschriften und die Aufgabe zur Post am folgenden Montag von seinen Angestellten hätte erledigen lassen, wenn wie hier
noch mehr als eine Woche Zeit dafür zur Verfügung gestanden habe. Eine inhaltliche Begründung für seine ungewöhnliche Verfahrensweise habe er trotz
ausdrücklichen Bestreitens der Beklagten und entsprechenden Hinweises des
Berufungssenats nicht gegeben.
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b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht
durfte der Klägerin aufgrund der bisherigen Feststellungen Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht versagen.
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aa) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass
die Umstände, die die Klägerin vorgetragen hat, eine unverschuldete Fristversäumnis rechtfertigen würden. Denn wenn ein mit vollständiger und richtiger
Anschrift versehenes, ausreichend frankiertes Schriftstück am 8. Juni 2013 in
einen Postkasten eingeworfen wird, darf der Absender darauf vertrauen, dass
es bis zum 17. Juni 2013 beim Berufungsgericht eingeht, ohne dass er dessen
Eingang bei Gericht überwachen müsste (vgl. BVerfG, NJW 1992, 38; BGH,
Beschlüsse vom 12. September 2013 - V ZB 187/12, juris Rn. 9; vom 6. Mai
2015 - VII ZB 19/14, NJW 2015, 2266 Rn. 14, jeweils mwN).
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bb) Soweit das Berufungsgericht der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine hinreichende Glaubhaftmachung für
die Absendung der Berufungsschrift am 8. Juni 2013 entnommen hat, hält dies
den Angriffen der Rechtsbeschwerde hingegen nicht stand. Denn wenn das
Berufungsgericht einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben schenkt, muss es den Antragsteller darauf hinweisen
und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 - XII ZB 129/09, FamRZ 2010, 726
Rn. 10 und vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 8). Das
Berufungsgericht hätte auch prüfen müssen, ob nicht bereits in der Vorlage der
anwaltlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot auf Vernehmung des
Prozessbevollmächtigten als Zeugen zu den darin genannten Tatsachen gelegen hat, weil in diesem Fall die Ablehnung der Wiedereinsetzung ohne vorherige Vernehmung des Zeugen auf eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung hinausgelaufen wäre (BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010
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- XII ZB 129/09, FamRZ 2010, 726 Rn. 11 und vom 17. Januar 2012 - VIII ZB
42/11, WuM 2012, 157 Rn. 8).
Galke
Wellner
Stöhr
Diederichsen
von Pentz
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 08.05.2013 - 5 O 338/11 OLG Celle, Entscheidung vom 02.09.2013 - 14 U 101/13 -