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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 88/98
Verkündet am:
6. Juli 2000
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
ja
nein
------------------------------------
BNotO § 19 Abs. 1
BNotO § 24 Abs. 1
Zur notariellen Betreuung der Vorwegnahme einer Erbfolge.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 - IX ZR 88/98 - OLG Jena
LG Erfurt
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör,
Dr. Ganter und Prof. Dr. Wagenitz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 10. Februar 1998
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom beklagten Notar Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen.
Am 1. März 1992 kamen die Mutter des Klägers und deren sieben Kinder in Gegenwart des Beklagten überein, das Vermögen der Mutter, bestehend
aus zwei bebauten Grundstücken, Ackerland und Bargeld, zur Vorwegnahme
der Erbfolge den Kindern zu gleichen Teilen zu übertragen; zumindest die bei-
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den Kinder, die die bebauten Grundstücke erwarben, sollten Ausgleichszahlungen erbringen.
Am 15. April 1992 beurkundete der Beklagte eine "Vollmacht" der Mutter
des Klägers, die u.a. lautet:
"Ich erteile hiermit für mich und meine Erben meinem Sohn Christian
Peter ...
Vollmacht
den nachstehenden Grundbesitz ...
zu erwerben, zu verkaufen und aufzulassen sowie alle Erklärungen vor
Notar, Gericht und Behörden abzugeben, die zur Umschreibung des
Kaufgegenstandes auf den Erwerber erforderlich sind, insbesondere
auch an Dritte, Geschwister und sonstige Personen zu übertragen.
Der Bevollmächtigte ist berechtigt, Untervollmacht zu erteilen.
Zur schenkungsweisen Veräußerung berechtigt die Vollmacht nicht.
Der Bevollmächtigte wird von den einschränkenden Bestimmungen aus
§ 181 BGB befreit."
Am 13. August 1992 beurkundete der Beklagte einen "Schenkungsvertrag", in dem die Mutter des Klägers, vertreten durch dessen Bruder, aufgrund
der Vollmacht vom 15. April 1992 dem Kläger - ebenfalls vertreten durch diesen Bruder - ihr Ackerland schenkweise zu Eigentum übertrug. In diesem Vertrag heißt es u.a.:
"Der Notar wird beauftragt, alle zu diesem Vertrag erforderlichen Genehmigungen einzuholen und diese Urkunde durchzuführen."
-4-
Der Kläger genehmigte diesen Vertrag am 19. Oktober 1992.
Die Mutter des Klägers (fortan auch: Erblasserin oder Witwe) verstarb
am 23. Januar 1993. Sie wurde durch ihre sieben Kinder zu gleichen Teilen
beerbt.
Die Genehmigung des Vertrages vom 13. August 1992 nach der Grundstücksverkehrsordnung wurde am 28. Juli 1994 erteilt. Im August 1994 teilte
das Grundbuchamt dem Beklagten mit, der Grundbucheintragung des Klägers
gemäß diesem Vertrage stehe entgegen, daß die von der Erblasserin erteilte
Vollmacht nicht zur schenkweisen Veräußerung berechtige. Davon unterrichtete der Beklagte mit Schreiben vom 2. September 1994 den Bruder des Klägers, der diesen bei Vertragsschluß vertreten hatte. Zwei Miterben verweigerten die Genehmigung des Vertrages.
Die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 67.510 DM nebst Zinsen
hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger
seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§§ 564, 565 Abs. 1
Satz 1 ZPO); von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird Gebrauch
gemacht.
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Der Amtshaftungsanspruch gegen den beklagten Notar ist entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts nicht gemäß § 839 BGB, sondern nach § 18
Abs. 1 VONot i.V.m. § 19 BNotO zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Januar
1998 - IX ZR 4/97, WM 1998, 783, 784).
I.
1. Das Berufungsgericht hat eine Amtspflichtverletzung des beklagten
Notars unterstellt, die sich nach dem Zusammenhang des Berufungsurteils auf
- vom Kläger in den Vorinstanzen geltend gemachte - Fehler des Beklagten
anläßlich der Beurkundung des Schenkungsvertrages vom 13. August 1992
bezieht. Nach dem Klagevortrag, von dem im Revisionsverfahren mangels
tatrichterlicher Feststellungen auszugehen ist, hat der Beklagte eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht fahrlässig verletzt (§ 19 Abs. 1
Satz 1 BNotO). Der Beklagte hat die Vollmacht der Mutter des Klägers vom
15. April 1992 mit der Einschränkung beurkundet, daß sie nicht zur schenkweisen Veräußerung von Grundeigentum berechtigt, obwohl nach der Behauptung
des Klägers am 1. März 1992 auf Anregung des Beklagten die unentgeltliche
Übertragung des Ackerlandes an den Kläger vereinbart worden war (§ 17 BeurkG). Außerdem hat der Beklagte den Schenkungsvertrag vom 13. August
1992 nicht durch die Mutter des Klägers genehmigen lassen, obwohl der Beklagte das nach dem - durch die Urkunde gestützten - Klagevortrag übernommen hatte.
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2. Die Revision rügt mit Erfolg die Annahme des Berufungsgerichts, es
fehle an der haftungsausfüllenden Kausalität, denn der Kläger habe "einen
eventuellen Anspruch dem Grunde nach, auf jeden Fall der Höhe nach nicht
schlüssig dargetan". Da der Kläger Miterbe zu 1/7-Anteil geworden sei, habe er
für einen Schaden den Umfang des gesamten Nachlasses darlegen müssen;
dies habe er versäumt. Eine Vereinbarung der Miterben über die Auseinandersetzung des Nachlasses habe den Kausalverlauf unterbrochen.
Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen einer
Amtspflichtverletzung des Beklagten und dem geltend gemachten Schaden ist
festzustellen, was geschehen wäre, wenn der Beklagte sich pflichtgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage des Klägers dann wäre; dies hat der
Kläger für seinen Schadensersatzanspruch darzulegen und gemäß § 287 ZPO
zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 1995 - IX ZR 104/94, WM 1996, 30,
31; v. 21. November 1996 - IX ZR 220/95, WM 1997, 325, 326).
a) Gemäß den Regeln des Beweises des ersten Anscheins (vgl. dazu
BGH, Urt. v. 27. Mai 1993 - IX ZR 66/92, WM 1993, 1513, 1516) ist nach der
Lebenserfahrung davon auszugehen, daß - die Richtigkeit des Klagevortrags
unterstellt - die Erblasserin zur Verwirklichung ihrer Absicht, im Einvernehmen
mit ihren Kindern dem Kläger die beiden Grundstücke ohne Ausgleichszahlung
zu übertragen, nach entsprechender Belehrung durch den Beklagten die Vollmachtsurkunde auch auf eine Schenkung erstreckt und den Schenkungsvertrag auf Anfrage des Beklagten genehmigt hätte. Dann wäre der Kläger als Eigentümer der Grundstücke im Grundbuch eingetragen worden, nachdem dieser
dem Vertrag am 19. Oktober 1992 zugestimmt hatte und die Genehmigung
nach der Grundstücksverkehrsordnung erteilt worden war. Die Miterben hätten
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den Vertrag nach dem Tode der Erblasserin erfüllen müssen (§§ 1967,
2058 BGB).
b) Der Kläger hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schlüssig
dargelegt, daß er infolge der geltend gemachten Amtspflichtverletzungen des
Beklagten im Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag einen erstattungsfähigen Schaden erlitten hat.
Ein Geschädigter soll im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen
können; der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er
keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein ersatzfähiger Nachteil (BGHZ 124,
86, 95 m.w.N.).
aa) Der Wirksamkeit lebzeitiger Verfügungen der Erblasserin über ihr
Vermögen stand das gemeinschaftliche Testament der Erblasserin und ihres
- am 8. April 1980 verstorbenen - Ehemannes vom 28. November 1974 nicht
entgegen.
Das Berufungsgericht hat das Testament ohne Begründung dahin gewertet, daß die Erblasserin Vorerbin und ihre Kinder Nacherben sein sollten.
Die fehlende Auslegung kann der Senat nachholen. Das gemeinschaftliche
Testament ist dahin auszulegen, daß der Überlebende Erbe des Verstorbenen
und die gemeinsamen Kinder Schlußerben mit gleichen Anteilen werden sollten. Die Eheleute haben in ihrer letztwilligen Verfügung das beiderseitige Vermögen als Einheit angesehen; dieses sollte grundsätzlich mit dem Tode des
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Längerlebenden als Gesamtnachlaß auf die Kinder übergehen (vgl. RGZ 113,
234, 240; BGHZ 22, 364, 366; BayObLGZ 66, 49, 61 u. 408, 417).
Die testamentarische Wiederverheiratungsklausel ist gegenstandslos
geblieben und beeinträchtigte deswegen die Rechtsstellung der Witwe nicht
(vgl. BGHZ 96, 198, 204). Je nachdem, ob das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches oder das des am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuches (ZGB) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzuwenden
ist (vgl. § 2 Abs. 2, § 8 EGZGB; Art. 235 §§ 1, 2 EGBGB; BGHZ 124, 270,
271 ff; 128, 302, 303; 131, 22, 26; Palandt/Edenhofer, BGB 59. Aufl. Einl. 5 vor
§ 1922; Art. 235 §§ 1, 2 EGBGB jeweils Rdnr. 1 ff; Leipold, in: MünchKommBGB, 3. Aufl. Bd. 9 Erbrecht Einleitung Rdnr. 227 ff; 262 ff; Bd. 11 Art. 235
Rdnr. 13 ff), war die Witwe in unterschiedlicher Weise an die wechselbezüglichen Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1, 2 BGB nach dem Tode ihres
Ehemannes gebunden. Nach § 390 Abs. 2 ZGB konnte sie über den Nachlaß
durch Rechtsgeschäft unter Lebenden frei verfügen. Bei Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuches stand ihr - wie einem durch Erbvertrag gebundenen
Erblasser (§ 2286 BGB) - grundsätzlich ebenfalls ein freies Verfügungsrecht
unter Lebenden zu, doch konnte bei einem Mißbrauch dieses Verfügungsrechts ein betroffener Schlußerbe einen Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des § 2287 BGB erlangen (BGHZ 82, 274, 276 ff.; vgl. BGH, Urt. v.
12. Oktober 1988 - IVa ZR 166/87, FamRZ 1989, 175; v. 21. Juni 1989
- IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389, 2390 f; Schubert JR 1982, 155; Kuchinke
JuS 1988, 853; Musielak FamRZ 1989, 176). Da die Voraussetzungen eines
solchen Mißbrauchs im Streitfall nicht dargetan sind, kann die Frage, welches
Recht Anwendung findet, im gegenwärtigen Zeitpunkt auf sich beruhen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die sieben Kinder, die nicht gegen die
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Pflichtteilsstrafklausel des Testaments verstoßen haben, nach beiden Rechtsordnungen als Schlußerben das von ihrer Mutter hinterlassene Vermögen zu
gleichen Anteilen erwarben (§ 1922 BGB; § 363 Abs. 1 ZGB).
bb) Der Kläger ist nach seinem Vorbringen durch die behaupteten Beurkundungsfehler des Beklagten geschädigt worden. Die Grundstücke, die dem
Kläger schenkweise übereignet werden sollten, hatten nach seiner Behauptung
einen Wert von insgesamt 111.475 DM. Demgegenüber hat der Kläger nach
seinem Vortrag bei der Auseinandersetzung des Nachlasses nur einen Anteil
von 1/5 an diesen Grundstücken, der bei dem behaupteten Grundstückswert
22.295 DM entspricht, sowie 41.670 DM erhalten. Danach ergibt sich aus einem Beurkundungsfehler des Beklagten ein Vermögensverlust des Klägers in
Höhe von 47.510 DM.
Daran ändert nichts, daß die Vereinbarung der Witwe und ihrer Kinder
vom 1. März 1992 über eine Vorwegnahme der Erbfolge (vgl. dazu BGHZ 113,
310; BGH, Urt. v. 1. Februar 1995 - IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349, 1350; Palandt/Edenhofer, aaO Einleitung 7 zu § 1922) bei ihrer Wirksamkeit möglicherweise eine Ausgleichungspflicht unter den Miterben zur Folge gehabt hätte
(vgl. §§ 2050 Abs. 3, 2052 BGB; BGHZ 82, 274, 278). Denn die Vereinbarung
war unwirksam; sie hätte der notariellen Beurkundung bedurft, weil sie eine
Verpflichtung zur Übertragung und zum Erwerb von Grundstücken enthielt
(§§ 125, 313 BGB).
Der dargelegte Schaden kann entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung des Beklagten nicht behoben werden, indem der Kläger die Miterben,
die die Genehmigung des Schenkungsvertrages verweigert haben, auf Zu-
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stimmung verklagt. Die Revisionserwiderung meint, dieser Vertrag sei wirksam
gewesen, weil die Erblasserin entgegen der Vollmachtsurkunde den Vertreter
der Vertragspartner zur schenkweisen Übertragung des Ackerlandes an den
Kläger im Rahmen der Vereinbarung vom 1. März 1992 bevollmächtigt habe
und diese Vollmacht nach § 167 Abs. 2 BGB formfrei wirksam gewesen sei.
Aus der Absicht der Erblasserin, die Erbfolge vorwegzunehmen und dabei dem
Kläger nach dessen Behauptung das Ackerland zu schenken, kann nicht zwingend auf eine solche Vollmacht geschlossen werden, weil die Erblasserin am
15. April 1992 eine Vollmacht beurkunden ließ, die nicht zu einer schenkweisen Übertragung berechtigte. Dementsprechend hat der Beklagte vorgetragen,
die Erblasserin habe keine Vollmacht zur Schenkung von Grundstücken erteilen wollen (GA I 28, 119).
Der Schaden des Klägers entfällt nach seinem Vorbringen auch nicht
wegen eines Ausgleichsanspruchs gegen Miterben aus §§ 2050 Abs. 3, 2052
BGB. Der Kläger hat nicht behauptet, die Erblasserin habe bei der Zuwendung
der Hausgrundstücke an zwei Kinder eine rechtswirksame Ausgleichung angeordnet, die den Vermögensverlust wettmache (vgl. Dütz, in: MünchKomm-BGB,
aaO § 2050 Rdn. 31).
c) Die Zustimmung des Klägers zu der Auseinandersetzung des Nachlasses hat nach dem Klagevortrag den Ursachenzusammenhang zwischen den
behaupteten Amtspflichtverletzungen des Beklagten und dem geltend gemachten Schaden des Klägers entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht unterbrochen.
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Der Kläger hat behauptet, die Miterben hätten im Januar 1995 einen
Vertrag zur Auseinandersetzung des Nachlasses geschlossen, um allen Miterben möglichst gleiche Anteile zu verschaffen. Danach sei der Nachlaß auf die
Miterben mit Ausnahme der beiden Geschwister, die bebaute Grundstücke von
der Erblasserin erworben haben, so verteilt worden, daß die bedachten fünf
Miterben jeweils 1/5 der im Vertrag vom 13. August 1992 bezeichneten Grundstücke sowie bestimmte Geldbeträge erhalten hätten.
Da ein solcher Vertrag nichtig ist, weil er nicht gemäß § 313 Satz 1 BGB
beurkundet worden ist (§ 125 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 14. Dezember 1965 V ZR 116/64, MDR 1966, 227), hat der Kläger bei der Auseinandersetzung der
Miterben kein Recht aus seiner Erbenstellung aufgegeben, so daß schon aus
diesem Grunde der haftungsrechtliche Ursachenzusammenhang zwischen den
behaupteten Amtspflichtverletzungen und dem geltend gemachten Schaden
erhalten geblieben ist. Das ist jedoch auch dann der Fall, wenn der Vertrag
nach § 313 Satz 2 BGB geheilt oder auf sonstige Weise unumkehrbar vollzogen worden ist. Der Kläger hat der einvernehmlichen Auseinandersetzung des
Nachlasses zugestimmt, weil sie nach seiner Behauptung gemäß dem Testament der Eltern eine gleiche Beteiligung der Miterben an dem dargelegten Gesamtwert des Nachlasses angestrebt hat. Nach dem Vorbringen des Klägers
gehörten zum Nachlaß seiner Mutter der Wert des Ackerlandes in Höhe von
111.475 DM sowie "Barvermögen" von insgesamt 195.000 DM einschließlich
der Ausgleichszahlungen derjenigen Geschwister, die durch Verträge mit der
Erblasserin Grundstücke erworben hatten. Das einer Schwester des Klägers zu
Lebzeiten der Mutter übereignete Grundstück, das nach der Behauptung des
Klägers einen Wert zwischen 350.000 bis 500.000 DM haben soll, gehörte
nicht zum Nachlaß. Das Grundstück, das die Erblasserin an einen Bruder des
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Klägers übertragen hat und das ebenfalls einen solchen Wert haben soll, fiel
wirtschaftlich ebenfalls nicht mehr in den Nachlaß, weil die vertragliche Verpflichtung der Erblasserin durch die Miterben zu erfüllen war (§§ 1967, 2058
BGB).
Der Kläger durfte sich herausgefordert fühlen, zur Klärung einer verworrenen, nach seinem Vorbringen durch Amtspflichtverletzungen des Beklagten
hervorgerufenen Rechtslage eine Auseinandersetzung des Nachlasses, die
eine gleiche Beteiligung der Miterben am Nachlaß anstrebte, zuzustimmen.
Außerdem bestand dafür ein rechtfertigender Anlaß, weil eine einvernehmliche
Auseinandersetzung einem Erbteilungsrechtsstreit vorbeugte, so daß das Vorgehen des Klägers keine ungewöhnliche Reaktion auf die behaupteten Amtspflichtverletzungen des Beklagten war (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 - IX ZR
113/89, NJW 1990, 2882, 2883).
d) Der geltend gemachte Schaden ist - ausgehend vom Vorbringen des
Klägers - dem Beklagten haftungsrechtlich zuzurechnen. Es liegt nicht außerhalb aller Lebenserfahrung, daß eine Schenkung von Grundstücken, die infolge eines Beurkundungsfehlers des Notars unwirksam ist, nach dem Tode des
Schenkers von dessen Erben nicht genehmigt wird und deswegen dem Beschenkten die Zuwendung entgeht. Eine solche adäquate Schadensfolge fällt
bei wertender Betrachtung in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht, weil
diese auch auf die Durchführung des Schenkungsvertrages abzielte (vgl. BGH,
Urt. v. 8. Juli 1993 - IX ZR 222/92, WM 1993, 1992, 1996, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 123, 178; v. 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, WM 1996, 2074,
2077).
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II.
Das angefochtene Urteil ist nicht aus einem anderen Grund richtig
(§ 563 ZPO). Vielmehr sind tatrichterliche Feststellungen erforderlich.
1. Der Kläger hat die bisher geltend gemachten - fahrlässigen - Amtspflichtverletzungen des Beklagten im Zusammenhang mit der Beurkundung der
Vollmacht vom 15. April 1992 und des Schenkungsvertrages vom 13. August
1992 unter Beweisantritt schlüssig dargelegt, wie bereits ausgeführt worden ist.
Dem entsprechenden Klagevortrag ist der Beklagte in rechtserheblicher
Weise entgegengetreten. Eine schadensursächliche Amtspflichtverletzung des
Beklagten entfällt, wenn - gemäß seinem Vorbringen - die Erblasserin keine
Vollmacht zur Schenkung von Grundstücken erteilen wollte und den Vertrag
vom 13. August 1992 wegen inzwischen eingetretener Geschäftsunfähigkeit
nicht mehr genehmigen konnte (vgl. § 104 Nr. 2, §§ 105, 177 Abs. 1 BGB).
Der Kläger hat die Amtspflichtverletzung gemäß § 286 ZPO zu beweisen
(vgl. BGH, Urt. v. 11. März 1999 - IX ZR 260/97, WM 1999, 1324, 1326).
b) Sollte sich insoweit ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergeben, so
hat der Kläger keine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die demselben Tatsachenkreis entsprungen ist, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars ergibt, und begründete Aussicht auf Erfolg bietet (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO; vgl.
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BGH, Urt. v. 22. Juni 1995 - IX ZR 122/94, WM 1995, 1883, 1885; v.
19. Oktober 1995 - IX ZR 104/94, WM 1996, 30, 32).
Selbst wenn dem Kläger gegen seinen Bruder, der die Vertragspartner
beim Abschluß des Schenkungsvertrages vertreten hat, ein Anspruch aus
§ 179 BGB zustehen sollte, so wäre dieser keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im vorstehenden Sinne, weil der Vertreter in den Schutzbereich des § 19
Abs. 1 Satz 1 BNotO einbezogen war und bei einer Inanspruchnahme durch
den Kläger seinerseits einen Rückgriffsanspruch gegen den Beklagten hätte
(vgl. BGHZ 56, 26, 31 ff; Senatsbeschl. v. 10. Dezember 1998 - IX ZR 244/97,
BGHR BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2 - Subsidiarität 4).
Auch die Miterben haften dem Kläger nicht. Da die Vereinbarung vom
1. März 1992 unwirksam ist, waren die Miterben nicht verpflichtet, den Schenkungsvertrag zu genehmigen.
c) Ein solcher Amtshaftungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten
wäre auch nicht verjährt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 852 BGB).
Die dreijährige Verjährungsfrist für einen solchen Anspruch beginnt erst
dann, wenn der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (vgl. dazu BGHZ 102, 246, 248 f; BGH, Urt. v.
24. Juni 1993 - IX ZR 84/92, NJW 1993, 2741, 2743 f; v. 2. Juli 1996 - IX ZR
299/95, WM 1996, 2071, 2074).
aa) Der Kläger hat durch die geltend gemachten Amtspflichtverletzungen
im Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag einen Schaden erlitten, als
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seine Mutter am 23. Januar 1993 verstarb, so daß sie den vom Beklagten beurkundeten Schenkungsvertrag nicht mehr genehmigen konnte. Ein früherer
Schadenseintritt ist insoweit nicht anzunehmen wegen der - vom Kläger bestrittenen - Behauptung des Beklagten, die Erblasserin sei nach dem
13. August 1992 geschäftsunfähig gewesen; der Beklagte, der die Voraussetzungen der Verjährung darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BGH, Urt. v.
30. Januar 1980 - VIII ZR 237/78, WM 1980, 532, 534), hat keinen Beweis für
dieses Vorbringen angetreten.
An der Verschlechterung des Vermögens des Klägers infolge des Todes
der Erblasserin ändert nichts die rechtliche Möglichkeit, daß die Miterben den
Schenkungsvertrag hätten genehmigen können (§§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1,
1922, 2032, 2040 Abs. 1 BGB). Bis zur Verweigerung der Genehmigung durch
zwei Miterben war nur unsicher, ob der bei wertender Betrachtung bereits eingetretene Schaden bestehenblieb und damit endgültig wurde (vgl. BGH, Urt. v.
15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 650 f; v. 17. Juni 1999 IX ZR 100/98, WM 1999, 1642, 1643).
bb) Der Kläger hat unter Beweisantritt behauptet, er habe von den Beurkundungsfehlern erst durch seinen Bruder erfahren, nachdem dieser das
Schreiben des Beklagten vom 2. September 1994 erhalten gehabt habe. Davon
ist auszugehen, da der Beklagte nicht schlüssig dargelegt hat, daß der Kläger
zu einem früheren Zeitpunkt von dem Schaden und dessen Urheber erfahren
hat. Selbst wenn sich der Kläger, wie der Beklagte geltend gemacht hat, den
Kenntnisstand seines Bruders zurechnen lassen müßte, so hat auch dieser erst
mit dem Schreiben des Beklagten vom 2. September 1994 eine entsprechende
Kenntnis erlangt.
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cc) Danach ist die Verjährung mit Zustellung der Amtshaftungsklage am
30. Oktober 1996 rechtzeitig unterbrochen worden (§§ 209 Abs. 1, 211, 217
BGB, 253 Abs. 1 ZPO).
d) Sollte sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines
Beurkundungsfehlers dem Grunde nach ergeben, so wird das Berufungsgericht
gemäß § 287 ZPO festzustellen haben, ob der Kläger durch die geltend gemachten Amtspflichtverletzungen den dargelegten Schaden erlitten hat; auch
insoweit ist der Beklagte dem Klagevortrag entgegengetreten.
2. In erster Linie wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob nach
dem bisher unberücksichtigten Vortrag des Klägers dessen gesamter Schadensersatzanspruch gerechtfertigt ist.
a) Der Kläger hat unter Beweisantritt vorgebracht, der beklagte Notar
habe es übernommen, die von der Erblasserin und ihren Kindern am 1. März
1992 vereinbarte Vorwegnahme der Erbfolge in eine geeignete rechtliche Form
zu bringen sowie entsprechende Verträge vorzubereiten und für deren Vollzug
zu sorgen (GA I 44). Bei Richtigkeit dieses Vorbringens, dem der Beklagte bisher nicht widersprochen hat, hat dieser eine umfassende Rechtsbetreuung gemäß § 24 Abs. 1 BNotO übernommen. Seine Aufgabe hat dann darin bestanden, für eine auftragsgerechte und zuverlässige Rechtsgestaltung zu sorgen;
§ 17 BeurkG gilt sinngemäß (vgl. BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR
260/91, WM 1993, 260, 261 f).
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Die aus einer Betreuungstätigkeit folgenden Amtspflichten hat der Beklagte nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand fahrlässig verletzt. Er hat
die Beteiligten nicht darauf hingewiesen, daß ihre Vereinbarung vom 1. März
1992 der notariellen Beurkundung gemäß § 313 BGB bedurfte. Außerdem hat
er die Beteiligten nicht über die erbrechtliche Tragweite ihres Vorhabens, insbesondere über Art und Umfang einer Ausgleichspflicht unter den Miterben,
belehrt (§§ 2050 Abs. 3, 2052, 2056 BGB; vgl. BGHZ 82, 274, 278).
Da in den Vorinstanzen das Vorbringen des Klägers bisher nicht unter
diesem rechtlichen Gesichtspunkt erörtert worden ist, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.
b) Sollte danach der Klagevortrag in diesem Sinne zu verstehen sein
und sich als richtig herausstellen, so ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß die Beteiligten nach pflichtgemäßer Belehrung
durch den Beklagten ihre Vereinbarung vom 1. März 1992 hätten beurkunden
lassen sowie Art und Höhe der Ausgleichsleistungen unter den Miterben sachgerecht festgelegt hätten. Allein ein solches Verhalten wäre dem Zweck und
Inhalt ihrer Vereinbarung dienlich gewesen.
c) Der Kläger hat schlüssig dargelegt, daß ihm aus der Verletzung einer
Betreuungspflicht des Beklagten ein Schaden in Höhe seines Klageanspruchs
entstanden ist. Danach sollte er aufgrund der Vereinbarung vom 1. März 1992
das Ackerland im Wert von 111.475 DM und eine Zuzahlung von 20.000 DM
erhalten. Tatsächlich sind ihm nach seiner Behauptung ein anteiliger Grundstückswert von 22.295 DM sowie Bargeld von 41.670 DM - einschließlich der
- 18 -
zugesagten Zahlung von 20.000 DM - zugeflossen. Der Unterschiedsbetrag
entspricht der hauptsächlichen Klagesumme.
Der haftungsrechtliche Ursachenzusammenhang ist nicht durch die Zustimmung des Klägers zu der Auseinandersetzung des Nachlasses im Januar
1995 unterbrochen worden; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen
verwiesen.
d) Bei Verletzung einer Betreuungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 BNotO
haftet der Beklagte dem Kläger, der einer der Auftraggeber war, primär (§ 19
Abs. 1 Satz 2 BNotO).
e) Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Betreuungspflicht ist nicht verjährt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 852 BGB). Selbst
wenn der daraus folgende Schaden schon mit der Nichtbeurkundung der Vereinbarung vom 1. März 1992 eingetreten sein sollte, so hat der Kläger Kenntnis
von dem Schaden und dessen Urheber frühestens im September 1994 erlangt,
so daß die Verjährung durch die Klageerhebung im Oktober 1996 unterbrochen
wurde.
Kreft
Stodolkowitz
Ganter
Zugehör
Wagenitz