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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 213/11
vom
12. Juli 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 816 Abs. 2
Weist der Schuldner einen von ihm eingesetzten Treuhänder nach Verfahrenseröffnung an, von einem Treuhandkonto eine Überweisung an einen Dritten zu bewirken, kann der Verwalter nach Genehmigung der Zahlung von dem Dritten deren Erstattung verlangen.
InsO § 81 Abs. 1 Satz 1
Verfügungen eines Treuhänders sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Treugebers wirksam, auch wenn der Verfügungsgegenstand wirtschaftlich zur Masse gehört.
BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 213/11 - OLG München
LG München I
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 12. Juli 2012
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. November 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Streithelfers zu tragen.
Der Streitwert wird auf 38.347,92 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Dem Beklagten steht als letztverbliebenem Partner der Rechtsanwaltskanzlei R.
Rü.
Rechtsanwälte GbR (nachfolgend GbR) gegen Dr.
(nachfolgend: Schuldner) wegen der Wahrnehmung seiner Rechte in ei-
ner zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit der Bank A.
eine Honorarfor-
derung in Höhe von 48.347,92 € zu. Auf diese Forderung entrichtete der
Schuldner, nachdem die GbR gegen ihn am 9. Juni 2008 einen auf Zahlungsunfähigkeit gestützten Insolvenzantrag gestellt hatte, aufgrund einer Stundungsund Ratenzahlungsvereinbarung am 27. August 2008 einen Betrag in Höhe von
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10.000 €. Nach dieser Zahlung nahm die GbR den Insolvenzantrag durch
Schriftsatz vom 28. August 2008 zurück.
2
Auf den neuerlichen Antrag der GbR vom 6. Januar 2009 wurde am
4. Februar 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners
eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Streithelfer des
Klägers, ein Rechtsanwalt, führte bei der B.
AG für den Schuldner ein offenes Treuhandkonto. Auf eine von dem Schuldner
nach Verfahrenseröffnung erteilte Weisung entrichtete der Streithelfer in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung am 5. Februar 2009 zur Tilgung der Honorarrestforderung von dem Konto einen Betrag in Höhe von 38.347,92 € an die
GbR.
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Der Kläger verlangt mit vorliegender Klage von dem Beklagten Erstattung dieser Zahlung. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das
Oberlandesgericht hat angenommen, dass die Zahlung gemäß § 130 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterliege. Mit der Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
4
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht entscheidungserheblich, weil die Klage nach eindeutiger
Rechtslage ihre Grundlage in § 816 Abs. 2 BGB findet.
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1. Zutreffend macht die Beschwerde geltend, dass eine Anfechtung vorliegend ausscheidet, weil die maßgebliche Rechtshandlung entgegen dem
Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO nach Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde
und der Sondertatbestand des § 147 InsO nicht eingreift.
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a) Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung bildet nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO in Anlehnung an das frühere Konkursrecht
(§ 29 KO) eine vor Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung (BTDrucks. 12/2443, S. 157; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - IX ZR 63/98, BGHZ
141, 97, 107; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 35; MünchKomm-InsO/Kirchhof,
2. Aufl., § 129 Rn. 74; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 129
Rn. 23). Die Beschränkung der Anfechtung auf vor Verfahrenseröffnung verwirklichte Rechtshandlungen beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, dass
bei späteren Rechtshandlungen des Schuldners durch §§ 80 bis 82, 89, 91 sowie 96 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO ein hinreichender Schutz der Masse sichergestellt wird (Kirchhof aaO).
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b) Vorliegend ist unstreitig, dass schon der Auftrag des Schuldners an
den Streithelfer, die Überweisung an den Beklagten vorzunehmen, erst nach
Insolvenzeröffnung erging. Bei dieser Sachlage ist mangels einer zeitlich vor
Verfahrenseröffnung liegenden Rechtshandlung für eine Insolvenzanfechtung
von vornherein kein Raum.
8
2. Jedoch ist die Klageforderung gemäß § 816 Abs. 2 BGB begründet.
Nach dieser Vorschrift kann der Berechtigte von einem Nichtberechtigten Erstattung einer an diesen erbrachten Leistung verlangen, die dem Berechtigten
gegenüber wirksam ist. Der Streithelfer hat durch die am 5. Februar 2009 zugunsten des Beklagten vorgenommene Zahlung nach der in vorliegender Klage
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zu erkennenden Genehmigung (§ 185 Abs. 1 BGB) des Klägers eine diesem
als Berechtigtem gegenüber wirksame Leistung erbracht.
9
a) Die Wirksamkeit der von dem Streithelfer von dem Treuhandkonto an
den Beklagten vorgenommenen Überweisung scheitert nicht bereits an § 81
Abs. 1 Satz 1 InsO. Deshalb bedurfte nicht bereits die Überweisung zu ihrer
Gültigkeit einer Genehmigung seitens des Klägers.
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Zwischen dem Schuldner und dem Streithelfer bestand ein Treuhandverhältnis über das Konto, aus dessen Guthaben die Überweisung an den Beklagten herrührte. Dabei handelte es sich um eine Vollrechtstreuhand, weil der
Schuldner als Treugeber keine Verfügungsmacht innehatte, sondern der uneingeschränkt verfügungsbefugte Streithelfer als Treuhänder lediglich schuldrechtlich gebunden war, das übertragene Recht nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung mit dem Schuldner auszuüben. Das Treuhandverhältnis war uneigennützig in der Art einer Verwaltungstreuhand ausgestaltet, weil die Treuhand
den Interessen des Schuldners als Treugeber diente (vgl. im Einzelnen HKInsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 20). Der Treuhänder handelt im eigenen Namen
und ist deshalb nicht Vertreter des Schuldners. Seine Verfügungen unterliegen
auch dann nicht der Vorschrift des § 81 InsO, wenn der Verfügungsgegenstand
wirtschaftlich zur Masse gehört. Entscheidend ist dabei, dass der Treuhänder
die Rechte an dem Treugut als Vollrechtsinhaber ausübt (HK-InsO/Kayser,
aaO, § 81 Rn. 20; Jaeger/Windel, InsO, § 81 Rn. 13; HmbKomm-InsO/Kuleisa,
4. Aufl., § 81 Rn. 11; MünchKomm-Inso/Ott/Vuia, aaO § 81 Rn. 12; Uhlenbruck,
InsO, 13. Aufl., § 81 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2009, § 81 Rn. 9;
Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 81 Rn. 16). Bei dieser
Sachlage hat der Streithelfer rechtswirksam von dem seiner Verfügungsmacht
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unterliegenden Treuhandkonto die Überweisung in Höhe von 38.347,92 € an
den Beklagten erbracht.
11
b) Nach Verfahrenseröffnung hatte der Kläger gegen den Streithelfer einen Anspruch auf Auskehr des gesamten auf dem Treuhandkonto befindlichen
Guthabens.
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Im Fall der hier gegebenen echten Verwaltungstreuhand kann der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders das Treugut aussondern (BGH, Urteil
vom 10. Februar 2011 - IX ZR 49/10, WM 2011, 798 Rn. 13). Gerät hingegen
- wie vorliegend - der Treugeber in Insolvenz, erlischt der Treuhandvertrag gemäß §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung. Dann kann der Verwalter das
Treugut nicht aussondern, aber als wirtschaftlichen Bestandteil der Insolvenzmasse an sich ziehen (HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 22; MünchKommInsO/Ganter, aaO, § 47 Rn. 371; Homann in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO,
§ 47 InsO Rn. 63). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich um ein Treuhandkonto handelt. In der Insolvenz des Treugebers fällt das Treuhandguthaben wirtschaftlich in die Insolvenzmasse. Darum hatte der Kläger nach Verfahrenseröffnung gegen den Streithelfer als Treuhänder einen Anspruch auf Rückübertragung des Treuguts zur Insolvenzmasse (BGH, Urteil vom 25. April 1962
- VIII ZR 43/61, NJW 1962, 1200, 1201; vom 15. Dezember 2011 - IX ZR
118/11, ZIP 2012, 333 Rn. 16 f; Uhlenbruck/Brinkmann, aaO § 47 Rn. 34;
Homann
in
Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier,
FK-InsO/Imberger, 6. Aufl., § 47 Rn. 49).
aaO,
§ 47
InsO
Rn. 72;
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13
c) Den Anspruch des Klägers auf Auskehr des Kontoguthabens konnte
der Streithelfer nicht durch Zahlung an den Beklagten zum Erlöschen bringen.
Dieser war trotz der Weisung des Schuldners an den Streithelfer nicht berechtigt, die im Wege der Überweisung bewirkte Zahlung anstelle des Klägers entgegenzunehmen. Gleichwohl ist die Regelung des § 816 Abs. 2 anwendbar,
weil der Kläger die unberechtigte Leistung an den Beklagten genehmigt hat
(§ 185 Abs. 1 BGB).
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aa) Den Anspruch auf Auskehr des auf dem Treuhandkonto befindlichen
Guthabens hat der Streithelfer nicht durch die Zahlung an den Beklagten im
Verhältnis zu dem Kläger wirksam erfüllt. Zwar kann der Schuldner einen Dritten zum Empfang einer dem Schuldner zustehenden Leistung ermächtigen.
Wird eine solche Ermächtigung - wie im Streitfall - erst nach Verfahrenseröffnung erteilt, ist diese gemäß § 81 InsO unwirksam. Darum wird der Drittschuldner ungeachtet seiner Gutgläubigkeit nicht gemäß § 82 InsO von der Zahlungspflicht befreit (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR
210/11, zVb).
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bb) Jedoch hat der Kläger die Zahlung des Streithelfers an den Beklagten im vorliegenden Verfahren genehmigt.
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(1) Der Insolvenzverwalter ist befugt, eine unwirksame Leistung des
Drittschuldners an den Schuldner oder an einen von diesem Ermächtigten zu
genehmigen (HK-InsO/Kayser, aaO, § 82 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia,
aaO, § 82 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, aaO, § 82 Rn. 5; BK-InsO/v. Olshausen, 2011, § 82 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Kuleisa, aaO, § 82 Rn. 33). In der
Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an einen
Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt
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wird. Eine solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden Tatsachenvortrags enthält (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009
- IX ZR 237/07, WM 2009, 517 Rn. 8).
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(2) Diesen Anforderungen ist genügt. Der Kläger hat - wenn auch zu Unrecht - in der Klagebegründung geltend gemacht, bereits die Wirksamkeit der
Überweisung durch den Streithelfer an den Beklagten scheitere an § 81 InsO.
Bei zutreffender rechtlicher Würdigung erweist sich hingegen die von dem
Schuldner an den Streithelfer gerichtete Ermächtigung, das Guthaben an den
Beklagten auszukehren, nach Maßgabe des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO als unwirksam. Dessen ungeachtet konnte die Zahlung an den Beklagten auf der
Grundlage beider Rechtsauffassungen nur infolge einer Genehmigung des Klägers diesem gegenüber Wirksamkeit entfalten. Bei dieser Sachlage ist aus der
Klagebegründung eine Genehmigung der Zahlung des Streithelfers an den Be-
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klagten herzuleiten. Folglich ist die Klage nach Maßgabe des § 816 Abs. 2 BGB
begründet.
Kayser
Gehrlein
Fischer
Vill
Grupp
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.03.2011 - 20 O 57/10 OLG München, Entscheidung vom 08.11.2011 - 5 U 1316/11 -