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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZB 44/05
vom
28. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
_____________________
ZPO §§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2
Überlässt ein bundesweit tätiger Versicherer nach endgültiger Leistungsablehnung seine Akten einem Rechtsanwalt, der aufgrund ständiger Geschäftsbeziehungen derartige Verfahren weiter bearbeitet ("Hausanwalt"), hat der
unterliegende Prozessgegner diese Betriebsorganisation hinzunehmen und
etwaige fiktive Reisekosten des bevollmächtigten Hausanwalts als notwendige Kosten des Rechtsstreits zu tragen (Fortführung von Senatsbeschluss vom
21. Januar 2004 - IV ZB 32/03 - RuS 2005, 91).
BGH, Beschluss vom 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 28. Juni 2006
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2005 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom
9. September 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerde- und des
Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf
1.046,78 € festgesetzt.
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Gründe:
I. Der Rechtsbeschwerdeführer verlangt im Kostenfestsetzungsver-
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fahren Erstattung fiktiver Reisekosten seines Hauptprozessbevollmächtigten.
Im Ausgangsrechtsstreit stritt der Kläger vor dem Landgericht
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Stuttgart mit seinem bundesweit tätigen Krankenversicherer um die Erstattungsfähigkeit entstandener Arztkosten. Der Beklagte, der seinen
Sitz in L.
hat, beauftragte mit der Prozessvertretung einen in B.
ansässigen Rechtsanwalt, dem er alle seine Fälle, bei denen es nach
endgültiger Leistungsablehnung zum Rechtsstreit kommt, zur weiteren
weitgehend eigenständigen Bearbeitung überlässt. Die Parteien schlossen nach drei Verhandlungsterminen einen Vergleich, wonach der Kläger
4/5, der Beklagte 1/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Die
Verhandlungstermine hatten für den Beklagten Unterbevollmächtigte aus
T.
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wahrgenommen.
Deren Kosten in Höhe von 1.996,36 € setzte der Prozessbevoll-
mächtigte des Beklagten in seinem Kostenfestsetzungsantrag an, hilfsweise seine eigenen fiktiven Reisekosten von L.
nach Stuttgart in
Höhe von 1.308,48 €. Die Rechtspflegerin des Landgerichts erkannte nur
letztere als erstattungsfähig an. Auf die hiergegen vom Kläger eingelegte
sofortige Beschwerde hob das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss auf und setzte die zu erstattenden Kosten des Beklagten
unter Abzug (auch) dieser fiktiven Reisekosten fest. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte
die Kostenerstattung unter Berücksichtigung fiktiver Reisekosten weiter.
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II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO und auch im Übrigen
zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
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1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hätte der Beklagte einen
Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts bevollmächtigen müssen. Dieser hätte durch die qualifizierten Mitarbeiter des Beklagten schriftlich instruiert werden können, da der Ausgangsrechtsstreit - was unstreitig ist in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten geboten
habe. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sein Prozessbevollmächtigter besonders sachkundig gewesen sei, da es bei Wahrnehmung der rechtlichen Interessen weniger auf juristisches, als vielmehr auf medizinisches Wissen angekommen sei. Die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes zum so genannten "Outsourcing" (BGH, Beschlüsse vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - VersR 2004, 352; vom
2. Dezember 2004 - I ZB 4/04 - BB 2005, 294) sei nicht einschlägig, da
es nicht um rechtliche Schwierigkeiten des Prozesses gehe, sondern um
die Information und Instruktion eines Rechtsanwalts in einer Rechtsangelegenheit, die zum eigentlichen Unternehmensgegenstand des Beklagten
gehöre. Der Beklagte verlagere mithin typische Sachbearbeiteraufgaben
auf seinen Hausanwalt, um so Personal einzusparen. Allgemeiner Aufwand bei der Bearbeitung eines Prozesses begründe jedoch keinen Kostenerstattungsanspruch.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, Beschlüsse vom
9. September 2004 - I ZB 5/04 - VersR 2005, 1454 unter 2; vom 11. November 2003 aaO unter 2 a; vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW
2003, 898 unter B II 1). Um dem Bedarf an persönlichem Kontakt und
dem Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Anwalt Rechnung zu tragen, kann eine Partei grundsätzlich die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort nicht ansässig ist (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 6. Mai 2004 - I ZB 27/03 - NJW-RR 2004, 1500 unter II;
vom 18. Dezember 2003 - I ZB 18/03 - NJW-RR 2004, 856 unter II 1).
Die - dann ggf. zusätzlich entstehenden - Kosten eines Unterbevollmächtigten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aber nur notwendig - also erstattungsfähig -, soweit sie die
durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten, erstattungsfähigen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (Senatsbeschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 11/04 - VersR
2006, 136 unter 2 a aa; BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2004 aaO
unter II 2; vom 14. September 2004 - VI ZB 37/04 - NJW-RR 2005, 707
unter II 1; vom 16. Oktober 2002 aaO unter B II 2 a).
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Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Hauptbevollmächtigten wiederum ist § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2004 - IV ZB 32/03 - RuS 2005, 91 unter 1;
BGH, Beschluss vom 11. November 2003 aaO unter 2 b bb). Danach ist
die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten nicht erforderlich, wenn ein
am Ort des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen (BGH, Beschlüsse vom
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2. Dezember 2004 aaO unter II 2; vom 9. September 2004 aaO unter 2 a;
vom 13. Mai 2004 - I ZB 3/04 - NJW-RR 2004, 1212 unter 1). Dies ist
(u.a.) dann der Fall, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des
Hauptbevollmächtigten feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschlüsse vom 3. März 2005
- I ZB 24/04 - NJW-RR 2005, 922 unter II 2 c; vom 2. Dezember 2004
aaO unter II 3 b; vom 9. September 2004 aaO unter 3 b; vom 23. März
2004 - VIII ZB 145/03 - FamRZ 2004, 866 unter 2; vom 11. November
2003 aaO unter 2 b bb (b)), wie beispielsweise bei einem Unternehmen,
das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt
(Senatsbeschluss vom 21. Januar 2004 aaO unter 2 a; BGH, Beschlüsse
vom 13. Mai 2004 aaO unter 1; vom 6. Mai 2004 aaO unter II; vom
16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898 unter B II 2 b bb (2)).
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b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht gehalten, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen.
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aa) Unstreitig verfügt er zwar über qualifiziertes Personal, das
auch zur schriftlichen Instruktion auswärtiger Rechtsanwälte in der Lage
ist. Allerdings erforderte eine solche Bearbeitung der jährlich anfallenden
120-150 Gerichtsverfahren seinen Angaben zufolge die Einstellung weiterer Mitarbeiter. Aus diesem - vom Kläger bestrittenen - Grunde beauftragt der Beklagte in allen Fällen streitig werdender Leistungsablehnungen den auch hier mandatierten Hauptprozessbevollmächtigten, indem er
ihm regelmäßig ohne weitere Instruktionen lediglich die Mitgliedsakten
zur selbstständigen Bearbeitung nach den ihm bekannten Geschäftsgrundsätzen seines Auftragsgebers überlässt. Diese interne betriebliche
Organisation der Abwicklung derartiger Prozessfälle hat der Kläger hin-
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zunehmen, ohne dass es auf die vorgenannte Frage vorhandener Personalkapazität für schriftliche Instruktionen anstelle nicht erforderlicher
Mandantengespräche ankommt.
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bb) Der Beklagte muss sich nicht so behandeln lassen, als sei seine Betriebsorganisation auf nicht-mündliche Unterrichtungen wechselnder Rechtsanwälte am jeweiligen Gerichtssitz eingerichtet. Im Rahmen
der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, welche Organisation als
zweckmäßiger anzusehen sein könnte (st. Rspr. Senatsbeschlüsse vom
21. September 2005 - IV ZB 11/04 - VersR 2006, 136 unter 2 b aa; vom
21. Januar 2004 aaO unter 2 a mit zahlreichen w.N.). Der Prozessgegner
hat es hinzunehmen, dass er die erforderlichen Kosten eines als Hauptbevollmächtigten eingeschalteten Rechtsanwalts regelmäßig zu tragen
hat, während etwa die Kosten einer Rechtsabteilung bzw. besonders
qualifizierter Fachabteilungen nicht auf ihn abgewälzt werden könnten
(BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2004 aaO unter II 3 b bb m.w.N.;
vom 9. September 2004 aaO unter 3 a bb; vom 13. Mai 2004 aaO unter
2). Es besteht keine Obliegenheit oder gar Verpflichtung, durch eine unternehmerische Entscheidung, deren Kosten nicht absehbar sind und
hier zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen müsste, eine entsprechende interne Organisation vorzusehen bzw. vorzuhalten.
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cc) Die vom Beklagten gewählte Organisationsform wird von seinem berechtigten Interesse getragen, sich durch den Rechtsanwalt seines Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen; ein
solcher Bedarf ist ebenso gewichtig wie ein etwaiger Bedarf an persönlichem Kontakt zwischen Partei und Anwalt (vgl. BGH, Beschlüsse vom
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2. Dezember 2004 aaO unter II 3 a; vgl. auch Beschlüsse vom
14. September 2004 - VI ZB 37/04 - NJW-RR 2005, 707 unter II 2; vom
9. September 2004 aaO unter 3 a; vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03 NJW-RR 2004, 858 unter II 2 a). Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (BGH,
Urteil vom 4. April 2005 - AnwZ (B) 19/04 - NJW 2005, 1711 unter II zu
Fachanwaltsbezeichnungen) und war ein entscheidender Grund für die
Änderung des Lokalisationsprinzips und der Singularzulassung (vgl. BTDrucks. 12/4993, S. 43 und 53; BVerfGE 103, 1, 16; BGH, Beschlüsse
vom 11. März 2004 aaO; vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW
2003, 898 unter B II 2 b bb (1)). Dem muss auch im Rahmen der Kostenerstattung Rechnung getragen werden (BGH, Beschluss vom 11. März
2004 aaO).
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dd) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts lässt sich der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum so genannten "Outsourcing" (Beschluss vom 11. November 2003 aaO) nichts anderes entnehmen. Zu Recht weist die Beschwerde daraufhin, dass die vom Beschwerdegericht daraus abgeleitete Sonderbehandlung rechtlich minder
schwerer Fälle erhebliche Abgrenzungsprobleme mit sich brächte. Dies
wäre bereits mit der im Kostenrecht gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht zu vereinbaren (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember
2002 - I ZB 29/02 - VersR 2004, 666 unter 2 b aa; vom 2. Dezember
2004 aaO unter II 2; vom 9. September 2004 aaO unter 2 b; vgl. auch
Wolst in Musielak, ZPO 4. Aufl. § 91 Rdn. 27).
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c) Ob gegebenenfalls auch höhere Kosten infolge der Beauftragung eines - wie hier - an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevoll-
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mächtigten erstattungsfähig sein können, bedarf keiner Entscheidung
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. September 2004 aaO unter II 2 c; vom
11. März 2004 aaO unter II 2 b (2)). Der Beklagte begehrt lediglich die
Festsetzung der fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten vom
Unternehmenssitz zum Gerichtsort.
Terno
Dr. Schlichting
Felsch
Wendt
Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 09.09.2005 - 22 O 340/03 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.10.2005 - 8 W 479/05 -