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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 43/07
vom
21. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Juli 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Dr. Strohn, Dr. Reichart und Dr. Drescher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. November
2007 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 11.000,00 €
Gründe:
1
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß § 985 BGB auf Herausgabe
eines Kraftfahrzeugs, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. April
2007 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Mit
Schriftsatz vom 3. Juli 2007 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und hat
die Berufung begründet.
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Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin vorgetragen:
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Die Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist sei von den zuständigen
Kanzleimitarbeiterinnen entsprechend der in der Kanzlei bestehenden schriftlichen "Organisationsanweisung Fristenkontrolle" ordnungsgemäß sowohl im
schriftlichen Fristenkalender als auch im EDV-gestützten Fristenkalender notiert
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worden. Beide Fristen seien auf den jeweiligen Wochenfristzetteln eingetragen
gewesen, die auch die für die Bearbeitung der Sache zuständige Anwaltssekretärin D.
R.
erhalten habe. Entgegen der Organisationsanweisung
"Fristenkontrolle" habe die erfahrene, ansonsten überaus zuverlässige und bisher fehlerfrei arbeitende Kanzleiangestellte R.
die Einhaltung der Beru-
fungsbegründungsfrist nicht durch Einsichtnahme in die in Papierform geführten
Akten, sondern nur an Hand der in dieser Sache elektronisch gespeicherten
Schriftstücke überprüft. Da sie in dieser Sache ein am 5. Juni 2007 geschriebenes und als "Berufungsbegründung" bezeichnetes Dokument vorgefunden habe, sei sie irrtümlich davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung abgeschickt worden sei. Frau R.
habe deshalb sowohl die Vorfrist als auch
die Berufungsbegründungsfrist auf ihren Wochenfristzetteln als erledigt gekennzeichnet und habe dem in erster Instanz zuständigen Rechtsanwalt
Dr. L.
bei der Besprechung der in der Woche ab 18. Juni 2007 ablau-
fenden Fristen mitgeteilt, dass die Berufungsbegründungsfrist erledigt sei und
sie sich persönlich davon überzeugt habe. Der in der Kanzlei für das Berufungsverfahren zuständige Rechtsanwalt Dr. W.
habe die Akte am 28. Juni
2007 zufällig im Aktenschrank aufgefunden und bei der Überarbeitung des Entwurfs der Berufungsbegründung den Fristablauf bemerkt.
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II. 1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den
Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als
unzulässig verworfen.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Auch wenn die Klägerin glaubhaft gemacht habe, dass in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten Fristsachen grundsätzlich ordnungsgemäß bearbeitet würden und Fristen mehrfach durch die zuständigen Mitarbeiterinnen
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kontrolliert würden, könne ein - der Klägerin zuzurechnendes - Verschulden
ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ausgeschlossen werden. Der erstinstanzlich mit der
Sache befasste Rechtsanwalt Dr. L.
habe sich nicht auf die Mitteilung
der für ihn tätigen Anwaltssekretärin Frau R.
verlassen dürfen, dass die
Berufungsbegründungsfrist erledigt sei, sondern sich daran erinnern müssen,
dass er lediglich einen Entwurf einer Berufungsbegründung gefertigt habe.
Wenn ihm - was nicht auszuschließen sei, weil der Verbleib der Akte nach der
Fertigung des Entwurfs am 5. Juni 2007 bis zu ihrem Auffinden im Aktenschrank ungeklärt sei - der geschriebene Entwurf vorgelegt worden sei, habe er
eine eigene Frist zur Wiedervorlage verfügen und gegebenenfalls auf eine Änderung des Titels der Datei im Computer hinwirken müssen, um Missverständnissen bei der Fristenkontrolle vorzubeugen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
8
III. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu
verwerfen. Sie ist zwar statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4,
§ 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574
Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordert
weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Wahrung des
Rechtsstaatsprinzips eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
liegt nicht vor, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Einklang steht. Die Entscheidung
des Berufungsgerichts beruht auch nicht auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Klägerin, insbesondere des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
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Der Klägerin konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Sie muss sich
nach § 85 Abs. 2 ZPO das Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
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Ob durch die "Organisationsanweisung Fristenkontrolle" im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sichergestellt war, dass die Fristen einschließlich der Vorfristen ordnungsgemäß notiert und ihr Ablauf kontrolliert wurde, kann dahinstehen. Es fehlt jedoch - was das Berufungsgericht übersehen
hat - schon nach dem eigenen glaubhaft gemachten Vortrag der Klägerin an
einer effektiven Ausgangskontrolle, wie sie nach gefestigter Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes erforderlich ist (vgl. nur Sen.Beschl. v. 26. Juni 2006
- II ZB 26/05,
NJW-RR 2006,
1459 f.;
BGH,
Beschl.
v.
5. März
2008
- XII ZB 186/05, FamRZ 2008, 1165; v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03,
NJW 2004, 688 f.; v. 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957; v. 9. Juni
1992 - VI ZB 9/92, NJW-RR 1992, 1277). Die von ihren Prozessbevollmächtigten für die Bearbeitung von Fristsachen erteilten schriftlichen Anweisungen sind
unter diesem Gesichtspunkt völlig unzureichend. Durch sie wird in keiner Weise
gewährleistet, dass eine Frist im Kalender bzw. auf dem Wochenfristzettel erst
dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der fristgebundene Schriftsatz zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post
organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist. Ebenso wenig enthält die schriftliche
Organisationsanweisung die - zur Sicherstellung einer wirksamen Ausgangskontrolle erforderliche - Anordnung, dass die Erledigung der fristgebundenen
Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von
einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Sen.Beschl. v. 26. Juni 2006
- II ZB 26/05 aaO; BGH, Beschl. v. 9. November 2005 - XII ZB 270/04,
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FamRZ 2006, 192). In dem vorliegenden Fall hat sich gerade die Gefahr verwirklicht, der durch die genannten organisatorischen Vorkehrungen begegnet
werden soll, dass nämlich Mitarbeiter der Kanzlei Fristen löschen, obwohl die
zu erledigenden Aufgaben nicht erfüllt sind.
Goette
Kurzwelly
Reichart
Strohn
Drescher
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 30.03.2007 - 8 O 409/06 OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 08.11.2007 - 22 U 82/07 -