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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 231/97
Verkündet am:
15. Juni 2000
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
: nein
Schiedsstellenanrufung
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Eine Berufung gegen eine Verurteilung zur Zahlung ist hinreichend begründet,
wenn geltend gemacht wird, daß der Klageantrag wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung (hier: Durchführung des durch § 16 UrhWG vorgeschriebenen Schiedsstellenverfahrens) unzulässig ist.
UrhWG § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 16 Abs. 1 und 2
a) Erhebt eine Verwertungsgesellschaft eine auf Vertrag gestützte Zahlungsklage, bedarf es grundsätzlich keiner vorherigen Anrufung der Schiedsstelle
nach § 16 Abs. 1 UrhWG.
b) Dagegen ist die Erfüllung der Prozeßvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG
auch dann erforderlich, wenn eine Verwertungsgesellschaft Schadensersatz
nur in der Form fordert, daß die sich nach ihrem Tarif ergebende Vergütung
-2-
nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch die Schiedsstelle gezahlt
oder bei dem zuständigen Amtsgericht hinterlegt werden soll.
BGH, Urt. v. 15. Juni 2000 - I ZR 231/97 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
-3-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Dr. Büscher und
Raebel
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. August 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 als
unzulässig verworfen und ihn auf die Berufung der Klägerin nach
dem Klageantrag zu 2 verurteilt hat.
Hinsichtlich eines mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten
Betrages von 15.449,03 DM nebst Zinsen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der
7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 31. Januar 1997
unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin insoweit abgeändert, als der Beklagte nach dem Klageantrag zu 1 zur Zahlung
-4-
weiterer 11.980,72 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Umfang dieser Verurteilung wird der Klageantrag zu 1 als unzulässig
abgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin (GEMA) ist die einzige in der Bundesrepublik Deutschland
bestehende Verwertungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Der Beklagte betreibt die Gaststätte "E.
in T.
"
. Die Parteien schlossen am 15. September/9. Oktober 1991 einen
Vertrag über die Wiedergabe von Werken der Musik in dieser Gaststätte unter
Nutzung des Repertoires der Klägerin und des von der Klägerin wahrgenommenen Repertoires der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL) mit Hilfe von Tonträgern. Die Vergütung sollte sich nach dem
Tarif der Klägerin M-U/III/1c "Tonträgerwiedergabe in Diskotheken" richten.
Erstmalig mit Schreiben vom 15. Januar 1993 verlangte der Beklagte
von der Klägerin, in eine Vertragsänderung einzuwilligen, nach der statt des
Tarifs M-U/III/1c der Tarif M-U/III/1b ("Tonträgerwiedergabe mit Veranstaltungscharakter oder mit Tanz") anzuwenden sei. Seit dem 1. März 1993 zahlte der
Beklagte an die Klägerin keine Nutzungsentgelte mehr. Mit Schreiben vom
2. Juni 1994 kündigte der Beklagte den Vertrag vom 15. September/9. Oktober
1991.
-5-
Die Klägerin hat behauptet, daß die von dem Beklagten betriebene
Gaststätte eine Diskothek im Sinne ihres Tarifs M-U/III/1c sei. Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin 27.429,75 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
2. an die Klägerin weitere 23.762,28 DM unter Vorbehalt der
Nachprüfung durch die Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz zu zahlen oder bei dem zuständigen
Amtsgericht zu hinterlegen.
Als Klageantrag zu 3 hat die Klägerin einen Unterlassungsantrag gestellt.
Den Zahlungsantrag zu 1 hat die Klägerin in Höhe von 15.449,03 DM als
Vergütungsanspruch aus dem Vertrag vom 15. September/9. Oktober 1991 und
in Höhe von 11.980,72 DM - für die Zeit ab dem 1. September 1994 bis zum
31. August 1996 - auf der Grundlage des sogenannten Gaststättentarifs als
Schadensersatzforderung (unter Ansatz einer doppelten Tarifgebühr) berechnet, weil der Vertrag vom 15. September/9. Oktober 1991 durch die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung beendet worden sei. Mit dem Klageantrag
zu 2 hat die Klägerin als weiteren Schadensersatzanspruch die Differenz zwischen dem niedrigeren Gaststätten- und dem höheren Diskothekentarif für die
Zeit ab dem 1. September 1994 bis zum 31. August 1996 geltend gemacht. Sie
hat dazu vorgetragen, es gehe ihr insoweit nicht um eine endgültige Zahlung
-6-
an sich selbst, sondern um eine Sicherung ihrer Ansprüche in dem Umfang,
wie sie gegeben wäre, wenn ein Nutzer in der Lage des Beklagten rechtmäßig
- unter Ausnutzung der Möglichkeiten des § 11 Abs. 2 UrhWG - vorgegangen
wäre.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat dabei unter anderem vorgebracht, die Anwendung des für Diskotheken aufgestellten Tarifs sei
bei seiner Gaststätte verfehlt, weil er lediglich einmal wöchentlich Jugendtanz
und im übrigen auch Theatervorstellungen, Bunte Abende, Betriebsfeiern,
Tanzturniere usw. veranstalte.
Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem Klageantrag zu 1 (Zahlung von 27.429,75 DM) und dem Klageantrag zu 3 (Unterlassung) verurteilt.
Den Klageantrag zu 2 (Zahlung unter Vorbehalt oder Hinterlegung von
23.762,28 DM) hat es als unzulässig abgewiesen.
Dieses Urteil haben beide Parteien, soweit es sie beschwert, mit der Berufung angegriffen. Die Klägerin hat mit ihrem Berufungsantrag ihren Klageantrag zu 2 weiterverfolgt, der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung
der Klage.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin auch deren Klageantrag zu 2 stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat es als unzulässig
verworfen (OLG Naumburg ZUM 1997, 937).
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Beklagten hat der Senat
nicht angenommen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung
-7-
wendet; im übrigen verfolgt der Beklagte mit seiner Revision seinen Antrag auf
Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision insoweit zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat im Umfang ihrer Annahme Erfolg. Sie
führt hinsichtlich eines mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Betrages
von 15.449,03 DM zur Aufhebung und Zurückverweisung und im übrigen zur
Abweisung der Klage als unzulässig.
I. 1. Das Landgericht hat den Beklagten nach dem Klageantrag zu 1 zur
Zahlung von 27.429,75 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat
die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten als unzulässig angesehen. Es
hat dies damit begründet, daß weder der Schriftsatz vom 15. April 1997, mit
dem der Beklagte am 16. April 1997 Berufung eingelegt habe, noch der Schriftsatz vom 29. Mai 1997, den der Beklagte in der mündlichen Verhandlung als
unselbständige Anschlußberufung bezeichnet habe, eine ausreichende Berufungsbegründung enthalte.
2. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Der Beklagte hat die
Berufung gegen seine Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 im Schriftsatz
vom 15. April 1997 hinreichend begründet.
-8-
Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung
(Berufungsgründe) sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat.
Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz
ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für
unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Demnach muß die Berufungsbegründung jeweils auf
den Streitfall zugeschnitten sein und im einzelnen erkennen lassen, in welchen
Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr.; vgl. BGH,
Urt. v. 6.5.1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126; Urt. v. 24.6.1999
- I ZR 164/97, NJW 1999, 3269, 3270; Beschl. v. 25.11.1999 - III ZB 50/99,
Umdr. S. 4, jeweils m.w.N.). Die Berufung ist jedoch insgesamt zulässig, wenn
sie zu einem den gesamten Streitgegenstand betreffenden Punkt eine den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügende Begründung enthält (vgl.
BGH, Urt. v. 17.3.1994 - IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657; Urt. v.
11.5.1999 - IX ZR 298/97, NJW 1999, 2435, 2436, jeweils m.w.N.). So liegt der
Fall hier.
Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung seine Verurteilung
nach dem Klageantrag zu 1 auch mit dem Argument angegriffen, der Antrag sei
unzulässig, weil vor Klageerhebung nicht gemäß § 16 Abs. 1 UrhWG ein Verfahren vor der Schiedsstelle durchgeführt worden sei. Dieser Angriff auf die
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Zulässigkeit der Zahlungsklage war als Berufungsbegründung ausreichend,
weil er geeignet war, der angefochtenen Entscheidung über den Klageantrag
zu 1 insgesamt die Grundlage zu nehmen. Es war danach nicht mehr erforderlich, daß der Beklagte auch zu der ihm nachteiligen materiell-rechtlichen Begründung des angefochtenen Urteils Stellung nahm (vgl. MünchKomm/
Rimmelspacher, § 519 ZPO Rdn. 41; Musielak/Ball, ZPO, § 519 Rdn. 33).
3. Zur Entscheidung über die Begründetheit der danach zulässigen Berufung bedarf es einer Aufhebung und Zurückverweisung, soweit mit dem Klageantrag
zu
1
ein
vertraglicher
Vergütungsanspruch
(in
Höhe
von
15.449,03 DM) geltend gemacht wird. Soweit mit dem Klageantrag zu 1 ein
Schadensersatzanspruch (in Höhe von 11.980,72 DM) gefordert wird, vermag
der Senat selbst zu befinden, da sich der Antrag insoweit schon jetzt mangels
Erfüllung der Prozeßvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG als unzulässig erweist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
a) Über den auf den Vertrag vom 15. September/9. Oktober 1991 gestützten Zahlungsanspruch von 15.449,03 DM vermag der Senat beim gegenwärtigen
Sach- und Streitstand nicht abschließend zu entscheiden. Der Klageantrag zu 1
ist insoweit insbesondere nicht als unzulässig zu beurteilen, da die Prozeßvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG entgegen der Ansicht der Revision bei der
Geltendmachung vertraglicher Vergütungsansprüche grundsätzlich nicht eingreift.
Allerdings folgt dies nicht aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 UrhWG,
nach dem bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 UrhWG Ansprüche im Wege der
Klage erst geltend gemacht werden können, nachdem ein Verfahren vor der
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Schiedsstelle vorausgegangen ist. Zu den von dieser Regelung erfaßten Streitfällen gehören grundsätzlich alle Streitigkeiten zwischen einer Verwertungsgesellschaft und einem Einzelnutzer über die Nutzung urheberrechtlich geschützter
Werke oder Leistungen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG).
Diese weite gesetzliche Regelung, die ihrem Wortlaut nach sogar Unterlassungsansprüche erfassen würde, bedarf jedoch nach dem Sinn und Zweck
des Gesetzes, wie er sich insbesondere aus § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG ergibt,
einer Einschränkung. Nach dieser Ausnahmeregelung greift die Prozeßvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG nicht ein, wenn bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a UrhWG die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs
nicht bestritten sind. Dies kann nach dem Willen des Gesetzgebers und dem
Zweck der Regelung nur bedeuten, daß die Schiedsstelle vor Klageerhebung
nur dann einzuschalten ist, wenn es im konkreten Fall auf die Anwendbarkeit
oder die Angemessenheit des Tarifs auch tatsächlich ankommt. Das Verfahren
vor der Schiedsstelle dient in erster Linie dem Ziel, eine einheitliche und sachkundige Beurteilung der von den Verwertungsgesellschaften aufzustellenden
Tarife zu ermöglichen; den Gerichten, die sich nur mit Schwierigkeiten die für die
Beurteilung der Angemessenheit erforderlichen Vergleichsmaßstäbe erarbeiten
können, soll Hilfestellung gegeben werden (vgl. Begr. zum RegEntwurf in BTDrucks. 10/837 S. 12). Die Anwendbarkeit oder Angemessenheit des Tarifs muß
"im Streit" sein (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG), d.h. es muß auf sie ankommen.
Mit der zwingenden Vorschaltung der Schiedsstelle sollen deren Sachkunde in
möglichst großem Umfang nutzbar gemacht und die Gerichte entlastet werden
(Begr. zum RegEntwurf aaO S. 24). Aus der Verpflichtung der Schiedsstelle, auf
eine gütliche Beilegung des Streitfalls hinzuwirken (§ 14 Abs. 5 UrhWG) und
den Beteiligten einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten (§ 14a Abs. 2
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UrhWG), läßt sich kein selbständiger Grund für einen generellen Zwang zur
Anrufung der Schiedsstelle auch bei der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche herleiten.
Da der Gesetzgeber ersichtlich auf eine tarifbezogene Sachkunde der
Schiedsstelle abgestellt hat, ist ihre vorherige Einschaltung dann nicht geboten,
wenn die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des von der Verwertungsgesellschaft aufgestellten Tarifs nicht zur Überprüfung steht. Letzteres ist bei Zahlungsansprüchen in der Regel der Fall, wenn der geltend gemachte Anspruch
auf Vertrag gestützt ist (ebenso KG Report 1995, 84; vgl. auch Fromm/Nordemann, 8. Aufl., WahrnG § 16 Rdn. 4 Abs. 2 a.E., die ein Rechtsschutzbedürfnis
für die Überprüfung eines Tarifs durch die Schiedsstelle verneinen). Denn den
Vertragspartnern bleibt es grundsätzlich überlassen, den Inhalt eines Vertrages
frei zu bestimmen. Ist ein Vertrag als wirksam zu beurteilen, so sind die Parteien
daran bis zu seiner Beendigung gebunden. Aufgrund einer Stellungnahme der
Schiedsstelle könnte in einem solchen Fall, selbst wenn die Schiedsstelle einen
vereinbarten Tarif für nicht anwendbar und/oder unangemessen hält, nicht in
bestehende Vertragsverhältnisse eingegriffen werden. Unter diesen Umständen
würden - was der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann - die Verwertungsgesellschaften durch die mit der vorherigen Anrufung der Schiedsstelle zwangsläufig verbundene Verfahrensverzögerung in der Durchsetzung ihrer vertraglichen Vergütungsansprüche ohne hinreichenden Grund beeinträchtigt. Das vom
Beklagten selbst vorgelegte Weißbuch der Bundesvereinigung der Musikveranstalter e.V. macht deutlich, daß Schiedsstellenverfahren teils ungewöhnlich
lange dauern; dort wird angeführt, daß um die Jahreswende 1995/96 noch Verfahren aus den Jahren 1989 und 1990 anhängig gewesen seien, in denen sich
seit Jahren nichts mehr bewegt habe (Weißbuch S. 27, GA I 139).
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Wird die Wirksamkeit eines Vertrages in Zweifel gezogen, sei es aufgrund
von Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründen nach dem BGB oder aus AGBrechtlichen oder kartellrechtlichen Gründen, so handelt es sich um Fragen, deren Beurteilung zu den typischen und gängigen Aufgaben der Gerichte gehören.
Die besondere tarifbezogene Sachkunde der Schiedsstelle wird hier in der Regel nicht benötigt; es sei denn, die Frage der Angemessenheit des vereinbarten
Tarifs wirkt sich ausnahmsweise unmittelbar auf die Wirksamkeit des Vertrages
aus. Für den Regelfall ist allerdings davon auszugehen, daß eine gerichtliche
Überprüfung der Angemessenheit des von einer Verwertungsgesellschaft angewendeten Tarifs unzulässig ist, wenn sich Verwertungsgesellschaft und Verwerter vertraglich über die für die Nutzungsrechtseinräumung zu zahlende Vergütung geeinigt haben, bei dem Verwerter aber nachträglich Zweifel an der Angemessenheit auftreten (BGHZ 87, 281 ff. - Tarifüberprüfung I). Von diesem noch
zu § 11 UrhWG a.F. aufgestellten Grundsatz ist auch unter der Geltung der
durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 (BGBl. I S. 1137) erfolgten Neuregelung des Schiedsstellenverfahrens auszugehen. Den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß abweichend von der angeführten - zum Zeitpunkt der Novellierung bekannten - Senatsrechtsprechung künftig auch im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse der Weg für eine Angemessenheitsprüfung, sei es durch die Gerichte oder die Schiedsstelle, generell eröffnet werden
sollte.
Der Verwerter wird dadurch nicht unzumutbar benachteiligt. Der Senat hat
bereits in der Entscheidung "Tarifüberprüfung I" (BGHZ 87, 281, 285) darauf
verwiesen, daß das Gesetz in § 11 Abs. 2 UrhWG eine Regelung vorsieht, die
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den Interessen des Verwerters hinreichend gerecht wird. Hält er eine vertragliche Vergütungsregelung nicht mehr für angemessen, so gibt ihm das Gesetz die
Möglichkeit, die Nutzungsrechte schon vor der abschließenden gerichtlichen
Klärung, welche Bedingungen angemessen sind, zu verwerten, sofern er zuvor
den Vertrag kündigt und zugleich die weiterhin geforderte Vergütung zahlt oder
hinterlegt. Überdies hat der Verwerter die Möglichkeit, jederzeit gem. § 14 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a UrhWG selbst die Schiedsstelle anzurufen, wenn er sich z.B. vor
der Kündigung Klarheit über den Standpunkt der Schiedsstelle verschaffen
möchte. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll es für die Zuständigkeit der Schiedsstelle nach § 14 UrhWG unerheblich sein, ob es sich um
einen reinen Vergütungsanspruch oder um einen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch wegen unberechtigter Werknutzung handelt (BT-Drucks. 10/
837 S. 23). Dementsprechend hat die Schiedsstelle ihre Zuständigkeit nach § 14
UrhWG auch für die Angemessenheitsprüfung im Rahmen eines Einzelvertrages
bejaht (Schiedsstelle ZUM 1987, 187, 188); um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Prozeßvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG eingreift, ging
es dabei nicht.
Das Berufungsgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung des Urteils
des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 1995 - 16 O 58/94 -, durch das die
Klage des Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit des streitgegenständlichen
Vertrages rechtskräftig abgewiesen worden ist, zu prüfen haben, ob die vom
Beklagten gegen die Wirksamkeit des Vertrages weiter erhobenen Bedenken
durchgreifen. Sollte dies der Fall sein und die Klägerin anstelle des vertraglichen
Vergütungsanspruchs Schadensersatz verlangen, wird, da dann die Angemessenheit des Tarifs im Streit stünde, eine Aussetzung des Verfahrens nach § 16
Abs. 2 Satz 2 UrhWG in Betracht zu ziehen sein, damit zunächst die Schieds-
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stelle angerufen werden kann. Sollte sich der Vertrag als wirksam erweisen, wird
das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die mit Schreiben des Beklagten vom
2. Juni 1994 ausgesprochene Kündigung nicht erst - wie von der Klägerin angenommen - mit Ablauf des 31. August 1996, sondern - wie der Beklagte meint als fristlose Kündigung sofort wirksam geworden ist. Denn eine frühere Beendigung des Vertragsverhältnisses würde sich auf die Berechnung des vertraglichen Vergütungsanspruchs auswirken.
b) Soweit mit dem Klageantrag zu 1 ein Schadensersatz in Höhe von
11.980,72 DM verlangt wird, greift allerdings die Prozeßvoraussetzung des § 16
Abs. 1 UrhWG ein, so daß die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen ist.
Die Revisionserwiderung ist der Ansicht, daß der auf der Grundlage des
sogenannten Gaststättentarifs (M-U/III/1b) berechnete Schadensersatz als Sokkelbetrag auch dann zu zahlen sei, wenn der Ansicht des Beklagten gefolgt
werde, daß nur dieser Tarif und nicht der höhere Tarif für Tonträgerwiedergaben
in Diskotheken (M-U/III/1c) anzuwenden sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Es kann dahinstehen, ob einer Verwertungsgesellschaft ein Sockelbetrag
auch ohne vorherige Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens zugesprochen werden kann, wenn die Forderung insoweit nicht in Abrede gestellt wird.
Denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, weil der Beklagte den geltend gemachten Schadensersatzanspruch - worauf die Revision in der mündlichen Verhandlung noch einmal hingewiesen hat - dem Grund und der Höhe nach bestreitet.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG, um
den Parteien die Anrufung der Schiedsstelle zu ermöglichen, scheidet schon
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deshalb aus, weil sich insoweit nicht erst während des Rechtsstreits herausgestellt hat, daß die Anwendbarkeit oder Angemessenheit des Tarifs im Streit ist.
II. 1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach dem Klageantrag
zu 2 verurteilt, an die Klägerin weitere 23.762,23 DM unter Vorbehalt der
Nachprüfung durch die Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz zu zahlen oder bei dem zuständigen Amtsgericht zu hinterlegen. Dazu
hat es ausgeführt, der Klageanspruch ergebe sich nicht bereits aus § 11 Abs. 2
UrhWG. Diese Vorschrift sei keine Anspruchsgrundlage für die Verwertungsgesellschaft, sondern solle nur den Verwerter davor schützen, daß die Verwertungsgesellschaft bei der Vergabe von Nutzungsrechten ihre Monopolstellung dazu einsetze, auf ihn hinsichtlich der Höhe der Vergütung Druck auszuüben.
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch aber als Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der von ihr wahrgenommenen
urheberrechtlichen und leistungsschutzrechtlichen Befugnisse zu, weil der Beklagte die Nutzung des von der Klägerin wahrgenommenen Repertoires fortgesetzt habe, obwohl der Lizenzvertrag durch seine Kündigung zum 2. Juni 1994
beendet gewesen sei.
Der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin den dadurch entstandenen
Schaden zu ersetzen. Dieser bestehe darin, daß der Beklagte - anders als er
dies bei rechtmäßigem Vorgehen hätte tun müssen - die von der Klägerin geforderte Lizenzgebühr nicht gemäß § 11 Abs. 2 UrhWG unter Vorbehalt gezahlt
oder hinterlegt habe. Aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten
habe die Klägerin keine Sicherung dagegen erhalten, daß sie nach Durchfüh-
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rung des Schiedsstellenverfahrens ihre eventuell gerechtfertigte Lizenzgebührenforderung wegen Insolvenz des Beklagten nicht mehr vollstrecken könne. Im
Wege des Schadensausgleichs müsse der Beklagte die Klägerin so stellen,
wie sie stünde, wenn er sich rechtmäßig verhalten hätte.
Für den Klageantrag zu 2 sei die vorherige Durchführung des Schiedsstellenverfahrens nicht Prozeßvoraussetzung, weil er nicht auf die unmittelbare
Anwendung eines Tarifs der klagenden Verwertungsgesellschaft gestützt sei.
Vielmehr sei die Höhe des Schadensersatzbetrages gesetzlich festgelegt, da
nach § 249 BGB, § 11 Abs. 2 UrhWG die von der Klägerin geforderten Lizenzgebühren unter Vorbehalt zu zahlen oder zu hinterlegen seien.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
Prozeßvoraussetzung der vorgängigen Durchführung des Schiedsstellenverfahrens ist nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 1 UrhWG auch bei einer
Schadensersatzklage zu beachten (vgl. Nordemann aaO § 16 WahrnG Rdn. 6).
Dies gilt auch dann, wenn sie - wie der hier mit dem Klageantrag zu 2 geltend
gemachte Anspruch - nur auf Zahlung unter Vorbehalt der Nachprüfung durch
die Schiedsstelle oder auf Hinterlegung gerichtet ist (a.A. Schricker/Reinbothe,
Urheberrecht, 2. Aufl., § 11 WahrnG Rdn. 9, § 16 WahrnG Rdn. 3).
Bei Klageansprüchen dieser Art die Vorschrift des § 16 Abs. 1 UrhWG
nicht anzuwenden, widerspräche nicht nur dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, sondern auch ihrem Sinn und Zweck. Die vom
Gesetz
grundsätzlich
vorgeschriebene
vorgängige
Durchführung
eines
Schiedsstellenverfahrens soll in Streitfällen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a UrhWG die besondere Sachkunde der Schiedsstelle in möglichst
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großem Umfang nutzbar machen und die Gerichte soweit wie möglich entlasten. Diese Aufgabe kann die Schiedsstelle in weitem Umfang auch dann erfüllen, wenn eine Verwertungsgesellschaft ihren Klageantrag - wie hier den
Klageantrag zu 2 - so formuliert, daß es für die Entscheidung über den Antrag
nicht auf die Anwendbarkeit und Angemessenheit des Tarifs ankommen soll.
Würde die Prozeßvoraussetzung des Schiedsstellenverfahrens in einem solchen Fall nicht gelten, könnte eine Verwertungsgesellschaft zudem ihrem Prozeßgegner durch eine entsprechende Fassung des Klageantrags das ihm zustehende Recht zur sofortigen Anrufung der Schiedsstelle nehmen.
Die notwendige Einschaltung der Schiedsstelle in Streitfällen zwischen
einer Verwertungsgesellschaft, die für ihren Tätigkeitsbereich meist eine Monopolstellung besitzt, und den in Urheberrechtsfragen häufig unerfahrenen
Werknutzern dient nicht zuletzt auch dem Zweck, die Schiedsstelle frühzeitig
als besonders sachkundige und unabhängige Kontrollinstanz tätig werden zu
lassen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Verwertungsgesellschaft die
Schiedsstelle durch eine entsprechende Fassung ihres Klageantrags - zumindest zunächst - umgehen könnte.
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wäre der mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Schadensersatzanspruch im übrigen auch nicht
begründet. Eine Verwertungsgesellschaft hat bei einer Verletzung der von ihr
wahrgenommenen Rechte Anspruch auf Schadensersatz (§ 97 UrhG). Danach
kann sie Schadensausgleich für den Eingriff in die von ihr wahrgenommenen
Rechte verlangen, der auch in Form einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden kann (zu den Berechnungsarten vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1999
- I ZR 48/97, WRP 2000, 101, 102 - Planungsmappe, m.w.N.). Die Schadens-
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berechnung nach der angemessenen Lizenzgebühr führt regelmäßig dazu, daß
die Tarifvergütung zugrunde zu legen ist, die der Rechtsverletzer bei ordnungsgemäßer Einholung der Erlaubnis der Klägerin hätte entrichten müssen
(vgl. BGHZ 97, 37, 40 - Filmmusik; BGH, Urt. v. 1.6.1983 - I ZR 98/81, GRUR
1983, 565, 566 - Tarifüberprüfung II). Daraus folgt jedoch nicht, daß die Klägerin verlangen kann, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn der Verletzer
rechtmäßig gehandelt hätte und gemäß § 11 Abs. 2 UrhWG vor seinen Nutzungshandlungen die von der Verwertungsgesellschaft geforderte Lizenzgebühr unter Vorbehalt gezahlt oder hinterlegt hätte. Die Vorschrift des § 11
Abs. 2 UrhWG soll nicht eine Vermögensposition der Verwertungsgesellschaften begründen und sie - anders als andere Inhaber urheber- und leistungsschutzrechtlicher Befugnisse - gegen die Gefahr sichern, Ansprüche wegen
Rechtsverletzungen nach Erwirkung eines Schadensersatztitels nicht mehr
vollstrecken zu können. Zweck des § 11 Abs. 2 UrhWG ist vielmehr allein der
Schutz des Verwerters. Die Vorschrift soll verhindern, daß sich die Verwertungsgesellschaft, die meist für ihren Tätigkeitsbereich eine Monopolstellung
besitzt, durch Hinauszögern der Rechtseinräumung und unangemessen hohe
Vergütungsforderungen dem Abschlußzwang, dem sie nach § 11 Abs. 1
UrhWG unterliegt, tatsächlich entzieht (vgl. die Begründung zu § 11 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten
und verwandten Schutzrechten - Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, BTDrucks. IV/271 S. 17 = UFITA 46 [1966] S. 271; vgl. Schricker/Reinbothe aaO
§ 11 WahrnG Rdn. 9).
III. Auf die Revision des Beklagten war danach das Berufungsurteil im
Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als es die Berufung des Beklagten ge-
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gen seine Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 als unzulässig verworfen
und ihn auf die Berufung der Klägerin nach dem Klageantrag zu 2 verurteilt hat.
Hinsichtlich des mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Vergütungsanspruchs (15.449,03 DM) war die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im übrigen war auf die Berufung des Beklagten das
landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin insoweit
abzuändern, als der Beklagte nach dem Klageantrag zu 1 zur Zahlung von
Schadensersatz (11.980,72 DM) verurteilt worden ist. Insoweit war die Klage
mit dem Antrag zu 1 als unzulässig abzuweisen. Dieser Abänderung auf die
Revision des Beklagten steht das Verbot der reformatio in peius (§ 559 Abs. 1
ZPO) nicht entgegen (BGH, Urt. v. 22.1.1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713,
1716; Urt. v. 10.11.1999 - VIII ZR 78/98, Umdr. S. 10 - zur Veröffentlichung
vorgesehen; Musielak/Ball aaO § 536 Rdn. 8).
Erdmann
v. Ungern-Sternberg
Büscher
Starck
Raebel