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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 150/01
Verkündet am:
2. Oktober 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
ja
ja
Marktführerschaft
UWG § 3; ZPO §§ 291, 286 B
a) Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine bestimmte Werbung
verstehen, kann nicht i.S. von § 291 ZPO offenkundig sein, weil sich die Feststellung der Verkehrsauffassung auf Erfahrungswissen stützt, § 291 ZPO indessen nur Tatsachen und nicht Erfahrungssätze betrifft (Aufgabe von BGH,
Urt. v. 29.3.1990 – I ZR 74/88, GRUR 1990, 607 = WRP 1990, 699 – Meister-Kaffee).
b) Der Richter kann das Verkehrsverständnis ohne sachverständige Hilfe beurteilen, wenn er aufgrund seines Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt. Dies wird im allgemeinen der Fall sein, wenn er selbst
zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt, ist aber auch denkbar, wenn
er durch die fragliche Werbung nicht angesprochen wird (Klarstellung gegenüber BGH, Urt. v. 20.2.1992 – I ZR 32/90, GRUR 1992, 406 = WRP 1992, 469
– Beschädigte Verpackung I).
c) Zur Frage der Irreführung einer Werbung mit dem Begriff „Marktführerschaft“
für ein Nachrichtenmagazin, das die Konkurrenz in der Reichweite leicht über-
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trifft, die verkaufte Auflage des Konkurrenzblattes jedoch bei weitem nicht erreicht.
BGH, Urt. v. 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 – OLG Hamburg
LG Hamburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2003 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck,
Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 29. März 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin verlegt das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, die Beklagte
das konkurrierende Magazin „FOCUS“.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. Juli 1999 veröffentlichte die
Beklagte eine ganzseitige Anzeige, in der sie in der oberen Hälfte die Reichweiten
von FOCUS und SPIEGEL unter Angabe von Zahlen aus der Media-Analyse (MA)
1999/II in einem Säulendiagramm gegenüberstellte (für „FOCUS 9,1 % – 5,80 Mio“
und für den SPIEGEL „8,9 % – 5,64 Mio“). In der unteren Hälfte heißt es unter der
Schlagzeile „MA ’99 II bestätigt die Marktführerschaft von FOCUS“:
Im Lesermarkt der Nachrichtenmagazine behält FOCUS die führende Position und gewinnt 100.000 neue Leser. Das bestätigt die Media-Analyse ’99 Pressemedien II.
FOCUS erreicht Woche für Woche durchschnittlich 5,80 Mio. Leser. Für sie ist jeder
Montag FOCUS Tag. Bei allen Lesern, Werbungtreibenden und Agenturen, die jeden
Montag auf Fakten setzen, möchten wir uns herzlich bedanken.
Die Anzeige ist nachstehend verkleinert wiedergegeben.
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Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie
hat die Werbung als irreführend beanstandet. Die Behauptung einer Marktführerschaft sei unzutreffend; insbesondere habe sich keine Marktführerschaft „bestätigt“. Für die reklamierte Spitzenstellung als Marktführer sei in erster Linie die verkaufte Auflage maßgebend, während sich die tatsächliche Reichweite nur schwer
aussagekräftig ermitteln lasse. Bei den Verkaufszahlen sei der SPIEGEL dem
FOCUS deutlich überlegen. Die Zahlen aus der Media-Analyse (MA ’99 II) seien
zwar zutreffend wiedergegeben, der dabei festgestellte Vorsprung in der Reichweite sei aber weder dauerhaft noch deutlich. Eine andere, ebenfalls anerkannte
Analyse komme für denselben Zeitraum zu einem gegenteiligen Ergebnis. Außerdem sei die graphische Darstellung der Reichweiten im Säulendiagramm deutlich
zugunsten der Beklagten verzerrt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die beanstandeten Angaben als zutreffend verteidigt. Jedem werde anhand des Fließtextes klar, daß es
allein um die Darstellung der aktuellen „Media-Analyse“-Zahlen gehe, die nur etwas über die Reichweite aussagten und nichts mit der verkauften Auflage zu tun
hätten. Der ausgewiesene Vorsprung lasse eine klare Aussage zu, da die MediaAnalyse der allgemein anerkannte Maßstab für die Reichweite, also für den Lesermarkt, sei. In der Branche werde von Marktführerschaft bereits dann gesprochen, wenn ein Medium nach dem entsprechenden Kriterium die Wettbewerber in
dem fraglichen Zeitraum übertroffen habe. Die Anzeige werde daher vom Verkehr
zutreffend so verstanden, daß FOCUS gegenüber dem SPIEGEL im Lesermarkt einen Vorsprung aufweise und deswegen im Markt der Nachrichtenmagazine führend sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Hamburg ZUM-RD 2001, 557 =
OLG-Rep 2001, 435).
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Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsantrag der Klägerin aus
§ 3 UWG bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Senat sei in der Lage, die erforderlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung selbst zu treffen, weil sich die Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung an die breite Öffentlichkeit und damit auch an die Senatsmitglieder als
(potentielle) FOCUS-Leser richte. Die beanstandete Anzeige sei irreführend, weil
erhebliche Teile des angesprochenen Publikums ihr eine Aussage entnähmen, die
den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche. Die blickfangmäßig herausgestellte Schlagzeile „MA ’99 II bestätigt die Marktführerschaft von FOCUS“ bedeute
nach normalem Sprachverständnis, daß FOCUS bereits Marktführer gewesen sei
und die Ergebnisse der Media-Analyse 1999/II diese Stellung bestätigt hätten. Bezeichne sich ein Magazin als Marktführer, werde das naheliegend und sprachüblich so verstanden, daß dieses Magazin in den für eine Marktführung maßgeblichen Punkten die übrige Konkurrenz übertreffe. Der umfassende Begriff des
Marktführers signalisiere eine hervorgehobene, ganz besondere Marktstellung.
Hierzu zähle in erster Linie die Stellung des Magazins nach seinen Verkaufszahlen.
Der Leser der Anzeige habe keine Veranlassung, die behauptete Marktführerschaft von FOCUS allein auf die in der Media-Analyse 1999/II festgehaltenen Er-
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gebnisse zu beziehen. Selbst Leser, denen bekannt sei, daß sich die fraglichen
Zahlen der Media-Analyse nur auf Reichweiten, also darauf bezögen, wie viele
Leser eine Ausgabe des fraglichen Magazins durchschnittlich erreiche, verstünden
die Schlagzeile so, daß die Marktführerschaft von FOCUS auch durch die Reichweite bestätigt werde. Zwar sei dem Säulendiagramm sowie dem Fließtext zu entnehmen, daß die dort gemachten Angaben die Reichweite bzw. den Lesermarkt
beträfen. Dies schließe aber das Verständnis keineswegs aus, daß sich die
Marktführerschaft nicht nur auf die Verkaufszahlen, sondern auch auf die Reichweite beziehe. Insofern sei die beanstandete Anzeige unrichtig. FOCUS sei bei den
Verkaufszahlen nicht Marktführer, sondern liege – was unstreitig sei – deutlich
hinter dem SPIEGEL. Soweit die Klägerin auch das einen deutlichen Vorsprung signalisierende Säulendiagramm beanstande, sei ihr dagegen nicht zu folgen. Der
verständige und aufmerksame Betrachter erkenne unschwer, daß das Verhältnis
der beiden Säulen zugunsten von FOCUS übersteigert dargestellt sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine irreführende Werbung nach § 3
UWG zu Recht bejaht. Die Feststellung der Verkehrsauffassung, die Aufgabe des
Tatrichters ist und in der Revisionsinstanz daher nur eingeschränkt überprüft werden kann, läßt keinen Rechts- oder Verfahrensfehler zum Nachteil der Beklagten
erkennen.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend und von der Revision unbeanstandet auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und
verständigen Lesers abgestellt. Zwar handelt es sich bei der Reichweite einer Publikation – also bei der von der Zahl der Käufer zu unterscheidenden Zahl der Leser – um eine Information, die vor allem potentielle Inserenten interessiert. Auch
die als Blickfang eingesetzte, lediglich im Fließtext als Quelle etwas näher erläuterte Angabe „MA ’99/II“ mag zunächst den Eindruck erwecken, als richte sich die
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Anzeige vor allem an ein Fachpublikum, dem sich die Bedeutung dieser Abkürzung ohne weiteres erschließe. Die Plazierung der Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung macht jedoch deutlich, daß sie sich nicht lediglich an potentielle
Inserenten, sondern auch an die allgemeine Leserschaft richtet. Dies wird – worauf das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat – nicht zuletzt durch den Text
unterstrichen, in dem „Leser, Werbungtreibende und Agenturen“ ausdrücklich angesprochen werden.
Der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers ist indessen nicht
stets der gleiche, sondern hängt vom Gegenstand der Betrachtung ab. Maßgeblich ist daher das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2003 – I ZR 212/00, GRUR
2003, 626 = WRP 2003, 742 – Umgekehrte Versteigerung II; Urt. v. 24.10.2002
– I ZR 100/00, GRUR 2003, 361, 362 = WRP 2003, 1224 – Sparvorwahl, m.w.N.).
Bei einer Zeitungsanzeige, die die Leser im allgemeinen eher beiläufig zur Kenntnis nehmen, kann daher eine Irreführung auch dann anzunehmen sein, wenn nach
vollständiger Lektüre des gesamten – auch des kleiner gedruckten – Textes und
nach einigem Nachdenken eine Fehlvorstellung vermieden werden könnte (vgl.
BGH, Urt. v. 20.12.2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716 = WRP 2002, 977
– Scanner-Werbung).
2. Entgegen der Auffassung der Revision liegt kein Verfahrensfehler darin,
daß das Berufungsgericht aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat, wie die angesprochenen Leser die beanstandete Anzeige verstehen.
a) Die Revision bringt ohne Erfolg vor, es sei dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, ein die Irreführung begründendes Verkehrsverständnis als gerichtskundig zugrunde zu legen, nachdem die Beklagte ein abweichendes Verständnis unter Beweisantritt vorgetragen habe. Zwar bedürften gerichtskundige
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Tatsachen nach § 291 ZPO keines Beweises; der Gegenbeweis werde aber dadurch nicht ausgeschlossen.
Dem kann nicht beigetreten werden. Allerdings trifft es zu, daß offenkundige
Tatsachen dem Gegenbeweis zugänglich sind. Eine offenkundige Tatsache ist
nicht anders zu behandeln als eine Tatsache, für die bereits ein Beweis erbracht
ist und die daher keines (weiteren) Beweises bedarf; in dem einen wie in dem anderen Fall kann die Überzeugung, die sich aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme bzw. aufgrund der (vermeintlichen) Offenkundigkeit gebildet hat, durch einen Gegenbeweis erschüttert werden (vgl. Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl.,
§ 291 Rdn. 7; Prütting in MünchKomm.ZPO, 2. Aufl., § 291 Rdn. 19; Musielak/Huber, ZPO, 3. Aufl., § 291 Rdn. 3; Bornkamm, WRP 2000, 830, 833; a.A. Pantle,
MDR 1993, 1166 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 291 Rdn. 4).
Entgegen der Annahme der Revision kann jedoch die Verkehrsauffassung
nicht i.S. von § 291 ZPO offenkundig sein. Die Vorschrift des § 291 ZPO betrifft
nur Tatsachen, nicht dagegen Erfahrungssätze (vgl. Prütting in MünchKomm.ZPO
aaO § 291 Rdn. 3; Musielak/Huber aaO § 291 Rdn. 1; Lindacher, BB 1991, 1524).
Die Feststellung der Verkehrsauffassung stützt sich jedoch auf Erfahrungswissen,
das nicht durch Zeugenbeweis, sondern gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.1993 – IX ZR 198/92, NJW 1993,
1796, 1797), wobei sich der Sachverständige das erforderliche Fachwissen durch
eine Meinungsumfrage verschafft (vgl. Zöller/Greger aaO § 286 Rdn. 11). Ermittelt
der Richter das Verständnis des Verkehrs ohne sachverständige Hilfe, dann tut er
dies nicht, weil die Verkehrsauffassung offenkundig wäre und deswegen keines
Beweises bedürfte, sondern weil er davon ausgeht, aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen. Ob diese Beurteilung zutrifft, bestimmt sich grundsätzlich nach den Regeln, die auch sonst bei
Beantwortung der Frage gelten, ob ein Gericht auf die Einholung eines Sachver-
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ständigengutachtens verzichten und statt dessen aufgrund eigener Sachkunde
entscheiden kann (vgl. Lindacher, BB 1991, 1524; ders. in Großkomm.UWG, § 3
Rdn. 997; Bähr in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 32
Rdn. 13; Bornkamm, WRP 2000, 830, 834). Soweit den Senatsentscheidungen
„Meister-Kaffee“ (Urt. v. 29.3.1990 – I ZR 74/88, GRUR 1990, 607, 608 = WRP
1990, 699) und „Beschädigte Verpackung I“ (Urt. v. 20.2.1992 – I ZR 32/90,
GRUR 1992, 406, 407 = WRP 1992, 469; vgl. auch BGH, Urt. v. 1.4.1993
– I ZR 136/91, GRUR 1993, 677, 678 = WRP 1993, 480 – Bedingte Unterwerfung)
eine andere Auffassung entnommen werden kann, wird an ihr nicht festgehalten.
b) Hat das Berufungsgericht das Verständnis des Verkehrs ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe beurteilt, obwohl es selbst nicht hinreichend
sachkundig ist, oder hat es eine mögliche, aber keineswegs selbstverständliche
eigene Sachkunde nicht dargelegt, handelt es sich um einen Verfahrensfehler
nach § 286 ZPO, der im Revisionsverfahren uneingeschränkt gerügt werden kann
(vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2000 – VI ZR 158/99, NJW 2000, 1946, 1947; ferner BGH,
Urt. v. 19.1.1995 – I ZR 197/92, GRUR 1995, 354, 357 = WRP 1995, 398 – Rügenwalder Teewurst II, m.w.N.). Im Streitfall liegt ein solcher Verfahrensfehler
nicht vor.
Gehören die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu
ermitteln (vgl. BGHZ 53, 339, 341 – Euro-Spirituosen; Lindacher in Großkomm.UWG, § 3 Rdn. 988 ff. m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht
im konkreten Fall eine Irreführung aufgrund eigener Sachkunde bejahen oder verneinen möchte (BGH, Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 =
WRP 2002, 527 – Elternbriefe). Dagegen ist – unabhängig davon, ob ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO) – die Einho-
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lung eines Sachverständigengutachtens oder ein anderer Weg zur Ermittlung des
Verkehrsverständnisses (näher dazu BGH, Urt. v. 16.1.1997 – I ZR 225/94, GRUR
1997, 669, 670 = WRP 1997, 731 – Euromint) häufig dann geboten, wenn keiner
der erkennenden Richter durch die fragliche Werbung angesprochen wird (vgl.
BGH GRUR 1995, 354, 357 – Rügenwalder Teewurst II). Es läßt sich jedoch kein
Rechtssatz des Inhalts aufstellen, daß eine beantragte Beweiserhebung stets geboten ist, wenn die Richter von der in Rede stehenden Werbung selbst nicht angesprochen werden. Denn zuweilen läßt sich die Frage der Irreführung – beispielsweise der Irreführung über den geforderten Preis eines Konsumartikels –
auch von demjenigen beurteilen, der den in Rede stehenden Artikel im allgemeinen nicht nachfragt. In anderen Fällen ist nicht ersichtlich, daß die Fachkreise für
die Beurteilung einer Werbeangabe über besondere Kenntnisse und Erfahrungen
verfügen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 79 = WRP
2002, 85 – Rechenzentrum). Schließlich können sich Gerichte, die ständig mit
Wettbewerbssachen befaßt sind, aufgrund ihrer besonderen Erfahrung die erforderliche Sachkunde erworben haben, um eigenständig beurteilen zu können, wie
Fachkreise eine bestimmte Werbeaussage verstehen.
3. Auch in der Sache begegnet die Beurteilung der Verkehrsauffassung
durch das Berufungsgericht keinen rechtlichen Bedenken. Sie erweist sich insbesondere nicht als erfahrungswidrig.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Annahme des Berufungsgerichts
naheliegend, nicht nur der durchschnittliche Zeitungsleser, sondern auch der potentielle Inserent beziehe den in der beanstandeten Anzeige verwendeten Begriff
der Marktführerschaft in erster Linie oder doch zumindest auch auf die verkaufte
Auflage und werde von diesem Verständnis weder durch den für den Durchschnittsleser zunächst unverständlichen Hinweis „MA ’99/II“ noch durch den als
Überschrift des Säulendiagramms verwendeten Begriff der Reichweite noch durch
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die Erwähnung des Lesermarktes und der „Media-Analyse ’99“ im Fließtext abgebracht. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts wird durch den Text der Anzeige
gestützt, in der es heißt, „die Marktführerschaft von FOCUS“ sei „bestätigt“ worden,
was – wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt – selbst von demjenigen, der
bei dem Erfolg eines Magazins zwischen verkaufter Auflage und Reichweite unterscheidet und erkennt, daß die in der Anzeige herausgestellten Leistungsmerkmale nicht die verkaufte Auflage, sondern den Lesermarkt betreffen, zwanglos so
verstanden wird, daß FOCUS nunmehr auch hinsichtlich der Reichweite die Marktführerschaft übernommen habe.
Im übrigen hängt der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht von einer Irreführung der Fachkreise ab. Vielmehr reicht es aus, daß durch die beanstandete Anzeige die ebenfalls angesprochene allgemeine Leserschaft irregeführt
wird. Der durchschnittliche Zeitungsleser wird sich aber häufig nicht darüber im
klaren sein, daß der Erfolg eines Nachrichtenmagazins noch auf andere Weise als
in der verkauften Auflage gemessen werden kann und wird daher noch stärker als
der potentielle Inserent mit dem Begriff der Marktführerschaft den die Wertschätzung der Leser ausdrückenden Verkaufserfolg verbinden. Selbst wenn er die beiden Erfolgsparameter unterscheidet, wird er sich nicht darüber im klaren sein, daß
die Reichweite und die Höhe der Auflage von zwei Nachrichtenmagazinen derart
deutlich auseinanderfallen können wie im Streitfall, in dem FOCUS zwar ausweislich der zitierten Marktanalyse im fraglichen Zeitraum etwas mehr Leser erreicht
hat als der SPIEGEL, im Verkaufserfolg aber mit etwa drei Vierteln der verkauften
Auflage des SPIEGEL deutlich zurücklag.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
v. Ungern-Sternberg
Starck
Büscher
Bornkamm
Schaffert