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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 252/14
vom
15. April 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VersAusglG § 27
Allein die Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sogenannten Rentnerbzw. Pensionistenprivilegs (§ 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI aF, § 57 Abs. 1 Satz 2
BeamtVG aF) rechtfertigt eine auf § 27 VersAusglG gestützte Korrektur des
Versorgungsausgleichs zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht
(im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - XII ZB 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 252/14 - OLG Düsseldorf
AG Oberhausen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. April
2014 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.170 €
Gründe:
I.
1
Die im März 1982 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute wurde auf
einen im Mai 2012 zugestellten Scheidungsantrag rechtskräftig geschieden.
Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, von denen das
eine verstorben, das andere nicht mehr unterhaltsbedürftig ist.
2
Der 54-jährige Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) ist Postbeamter, der im Jahr 2004 nach einem Schlaganfall wegen Dienstunfähigkeit in den
vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Er hat in der Ehezeit ein Anrecht auf
Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in Höhe von 1.289,70 € mit
einem Ausgleichswert von 644,85 € erlangt. Daneben hat der Ehemann Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von
2,6266 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 1,3133 Entgeltpunkten
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erworben, aus denen er - wegen fehlender Dreifünftelbelegung mit Pflichtbeitragszeiten (§ 43 SGB VI) - keine Invaliditätsversorgung beziehen kann.
3
Die 51-jährige Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) hat in der Ehezeit
Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 10,5382 Entgeltpunkten mit einem Ausgleichswert von 5,2691 Entgeltpunkten erworben, die
zum großen Teil aus Kindererziehungszeiten herrühren.
4
Das Amtsgericht hat den ungekürzten Versorgungsausgleich durchgeführt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2014, 1463 veröffentlicht ist,
den Ausgleichswert der beamtenrechtlichen Versorgung des Ehemanns von
644,85 € auf 486,27 € herabgesetzt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des
Ehemanns, der weiterhin einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erstrebt.
II.
5
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
6
1. Gemäß § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, wenn und soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit
liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein
schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widersprechen
würde. Die im Verfahren der Rechtsbeschwerde ohnehin nur eingeschränkt
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überprüfbaren (Senatsbeschlüsse vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11 FamRZ 2013, 106 Rn. 16 und vom 30. März 2011 - XII ZB 54/09 - FamRZ
2011, 877 Rn. 11 mwN) Erwägungen des Beschwerdegerichts zur Anwendung
von § 27 VersAusglG stehen im Einklang mit den von der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätzen und lassen keine Rechtsfehler zulasten des
Antragsgegners erkennen.
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a) Es ist für sich genommen noch nicht grob unbillig im Sinne von § 27
VersAusglG, wenn der Ausgleichsberechtigte über den ungekürzten Versorgungsausgleich daran partizipiert, dass sich der Wert eines in der Ehezeit von
dem Ausgleichspflichtigen erworbenen Anrechts wegen der Besonderheiten
des maßgeblichen Versorgungssystems durch den Eintritt der vorzeitigen Invalidität erhöht hat (Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - XII ZB 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch BVerfG FamRZ 2001, 277). Allerdings kann
unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs
(höchstens) auf den ohne Eintritt der vorzeitigen Invalidität geschuldeten Betrag
gerechtfertigt sein, wenn ein ausgleichspflichtiger Beamter wegen Dienstunfähigkeit eine durch beamtenrechtliche Zurechnungszeiten (§ 13 BeamtVG) erhöhte Invaliditätsversorgung bezieht und der Ausgleichsberechtigte durch die
ungekürzte Teilhabe an diesem Anrecht eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung erlangen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - XII ZB 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN; grundlegend Senatsbeschluss BGHZ 82, 66, 80 = FamRZ 1982,
36, 41).
8
Auf diese Grundsätze hat sich das Beschwerdegericht bezogen, als es
den auf der Grundlage des tatsächlich bezogenen Ruhegehalts ermittelten
Ausgleichswert der beamtenrechtlichen Versorgung des Ehemanns (644,85 €)
auf den fiktiv ermittelten Wert (486,27 €) herabgesetzt hat, der sich bei einem
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Verbleib des Ehemanns im aktiven Dienst ergeben hätte. Diese für den Ehemann günstige Beurteilung wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
9
b) Ein darüber hinaus gehender Ausschluss des Versorgungsausgleichs
kommt nicht in Betracht. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und mit zutreffender Begründung erkannt, dass dies im vorliegenden Fall nicht deshalb geboten ist, weil die laufende Invaliditätsversorgung des Ehemanns in der Zeit, in der
die Ehefrau ihrerseits noch nicht verrentet ist, nicht mehr durch das sogenannte
Pensionistenprivileg (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG aF) vor den Auswirkungen
des Versorgungsausgleichs geschützt wird.
10
aa) Zwar schlägt sich infolge der Abschaffung des Pensionistenprivilegs
die Kürzung der Versorgung bei dem Ausgleichsverpflichteten vorübergehend
noch nicht in der Auszahlung von Versicherungsleistungen an den Ausgleichsberechtigten nieder. Dies beruht jedoch auf der dem Versorgungsausgleich zugrundeliegenden Konzeption der sofortigen Verselbständigung der ausgleichsbedingt geteilten Versorgungsanrechte, die infolge der Teilung eigenständigen
und voneinander unabhängigen Versicherungsverläufen folgen (BVerfG FamRZ
2015, 389, 391; vgl. bereits BVerfG FamRZ 2014, 1259 Rn. 59). Soweit sich
aus der Kürzung der laufenden Versorgung deshalb eine Härte für den von der
Einbeziehung seiner Versorgungsanrechte in den Versorgungsausgleich betroffenen Rentner oder Pensionär ergibt, liegt diese Härte in dem auf sofortigen
und endgültigen Vollzug gerichteten System des Versorgungsausgleichs begründet. Der Senat hat bereits in seiner früheren Rechtsprechung betont, dass
Härteklauseln im Versorgungsausgleich keine generelle Korrektur rein systembedingter Belastungen für den ausgleichspflichtigen Ehegatten ermöglichen,
sondern - vorbehaltlich sonstiger Herabsetzungsgründe - grundsätzlich erst
dann eingreifen können, wenn die Durchführung des ungekürzten Versorgungsausgleichs zu einem erheblichen und damit grob unbilligen wirtschaftlichen Un-
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gleichgewicht zwischen den Eheleuten führen würde (vgl. Senatsbeschluss vom
14. Februar 2007 - XII ZB 68/03 - FamRZ 2007, 627, 629 mwN). Ohne das Vorliegen dieser Voraussetzungen rechtfertigt die Gesetzesänderung daher für sich
genommen eine auf § 27 VersAusglG gestützte Korrektur des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Ausgleichsberechtigten nicht (Senatsbeschluss vom
8. April 2015 - XII ZB 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch Wick
Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 558; Holzwarth FamRZ 2015, 475, 476).
11
bb) Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass die Durchführung des - restlichen - Versorgungsausgleichs nicht zu
einem erheblichen und damit grob unbilligen wirtschaftlichen Ungleichgewicht
zwischen den beteiligten Eheleuten führen würde. Dies ist nach ständiger
Rechtsprechung des Senats grundsätzlich erst dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist,
dass zum einen der auf Grundlage einer Vorsorgevermögensbilanz insgesamt
ausgleichsberechtigte Ehegatte über so hohes Einkommen bzw. Vermögen verfügen wird, dass seine Altersversorgung voll abgesichert ist, während zum anderen der insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte auf die ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (Senatsbeschlüsse vom 8. April 2015 - XII ZB 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 24. April 2013 - XII ZB 172/08 - FamRZ 2013, 1200
Rn. 21 und vom 5. November 2008 - XII ZB 53/06 - FamRZ 2009, 303 Rn. 36
mwN).
12
Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen
des Beschwerdegerichts wird der Vollzug des von ihm angeordneten Versorgungsausgleichs nicht dazu führen, dass der Ehemann mit den ihm verbleibenden Nettobezügen unter das Existenzminimum in Höhe des notwendigen
Selbstbehalts eines Nichterwerbstätigen absinkt. Bei seiner Berechnung hat
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das Beschwerdegericht zu Recht berücksichtigt, dass der Ehemann bei der Beteiligten zu 1 durch einen Antrag nach § 35 VersAusglG eine (teilweise) Aussetzung der Ruhegehaltskürzung erreichen kann, soweit er aus den ihm im Versorgungsausgleich vonseiten der Ehefrau übertragenen Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung keine (Invaliditäts-)Versorgung zu erlangen vermag.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des Beschwerdegerichts, dass
die - derzeit im Sozialleistungsbezug stehende - Ehefrau angesichts ihrer eingeschränkten Verdienstmöglichkeiten ihre künftige Versorgung wegen Alters
oder Invalidität ohne den Zuerwerb von Versorgungsanrechten im Versorgungsausgleich nicht sicherstellen kann.
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2. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sogenannten Pensionistenprivilegs ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (BVerfG FamRZ 2015, 389 ff.).
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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74
Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Dose
Klinkhammer
Botur
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 17.01.2013 - 43 F 554/12 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.04.2014 - II-8 UF 77/13 -