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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 216/08
vom
23. März 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VOB/B § 2 Nr. 3; BGB § 313
a) Ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt grundsätzlich nicht in Betracht, soweit eine vertragliche Regelung
wie § 2 Nr. 3 VOB/B (jetzt: § 2 Abs. 3 VOB/B) vorliegt.
b) Die Anwendung der gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage ist jedoch möglich, wenn die Parteien einer Einheitspreisvereinbarung ausnahmsweise eine bestimmte Menge zugrundegelegt haben und diese Menge
überschritten wird.
BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - VII ZR 216/08 - OLG Schleswig
LG Kiel
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick,
Halfmeier und Prof. Leupertz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 17. Zivilsenats des SchleswigHolsteinischen
Oberlandesgerichts
in
Schleswig
vom
10. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
(§ 97 Abs. 1 ZPO).
Gegenstandswert: 588.415,05 €
Gründe:
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1. Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Zusammenhang mit der Erneuerung einer Bundesautobahn mit Bauleistungen. Unter anderem war eine
Menge von fünf Tonnen zu entsorgender Abfälle (Abfall, Busch, Hecken- und
Schnittgut) ausgeschrieben. Die Klägerin hatte nach ihrer Behauptung auf der
Grundlage eines Nachunternehmerangebots einen Einheitspreis von 2.413 €/t
angeboten und den Zuschlag erhalten. Sie beauftragte einen Nachunternehmer
mit dieser Leistung zu einem Einheitspreis von 62,10 €/t. Die Klägerin macht
geltend, die tatsächliche Menge sei ca. 610 t. Nachdem ihr gekündigt worden
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war, verlangt sie in diesem Prozess für eine geleistete Menge von 265,14 t einen
Einheitspreis von 2.413,25 € unter Abzug von eingesparten Kosten von
116,82 €/t für 259,64 t. In einem weiteren Prozess verlangt sie mit der Behauptung, die Kündigung sei zu Unrecht erfolgt und es wären weitere 345 t zu entsorgen gewesen, Zahlung von 768.404,13 €.
2
Das Berufungsgericht hat für 5,5 t den Einheitspreis von 2.413 €/t und für
weitere 9,5 t einen unter Berücksichtigung der Vergütungsregelung des § 2 Nr. 3
VOB/B errechneten Einheitspreis von 2.296,43 € zuerkannt.
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Für die restliche Menge von 250,14 t hat es wegen schwerwiegender Störung der Geschäftsgrundlage nach Maßgabe der Regelung des § 313 BGB unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben einen Preis von
275,35 €/t festgesetzt. Bei Abgabe des Angebots und Erteilung des Zuschlags
seien die Parteien ersichtlich davon ausgegangen, dass zum einen der ausgeschriebene Vordersatz von fünf Tonnen jedenfalls annähernd den zu erwartenden Massen entsprochen habe und zum anderen der angebotene Einheitspreis
von 2.413,25 €/t auf einem realistisch kalkulierten Angebot beruht habe. Keine
Partei habe zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer derart weitgehenden und
in ihrem Ausmaß schwerwiegenden Abweichung von Massen und Nachunternehmerpreis vorausgesehen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
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2. Die Beschwerde ist unbegründet.
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a) Zu Unrecht sieht die Beschwerde in der Entscheidung des Berufungsgerichts eine Abweichung von der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom
20. März 1969 - VII ZR 29/67, WM 1969, 1019; Urteil vom 18. Dezember 2008
- VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213), von Entscheidungen des Kammergerichts
(BauR 2001, 1591) und des Oberlandesgerichts Naumburg (BauR 2006, 1305)
und der herrschenden Literaturmeinung.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats enthält § 2 Nr. 3 VOB/B (jetzt
§ 2 Abs. 3) bei einem VOB-Vertrag eine abschließende Regelung für die Überschreitung der Massenansätze über 10 % hinaus. Die Regelung ist nicht auf eine bestimmte prozentuale Überschreitung beschränkt. Auf die Grundsätze über
den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, kann daneben nicht zurückgegriffen werden. Denn die Frage der Preisgestaltung bei Massenüberschreitungen ist vertraglich geregelt (BGH, Urteil vom 20. März 1969 - VII ZR 29/67,
WM 1969, 1019; Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213
Rn. 36).
7
bb) Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass eine Veränderung
des Einheitspreises nicht stattfinden kann, wenn eine bestimmte Menge zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden ist und wegen der Überschreitung dieser Menge ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt. Es ist möglich,
dass Geschäftsgrundlage einer Einheitspreisvereinbarung ist, dass eine bestimmte Menge nicht überschritten wird. Allerdings ist dem Einheitspreis die
Möglichkeit einer Mengenänderung immanent, so dass grundsätzlich kein Grund
für die Annahme besteht, eine bestimmte Menge sei zur Geschäftsgrundlage
des Vertrages geworden. Bei einer außergewöhnlichen Preisbildung, wie sie hier
vorliegt, ist dies jedoch denkbar, weil die darin angelegte Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sich bei erheblichen Mengenänderungen in viel stärkerem Maße auswirkt. Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht angenommen.
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Dieser Fall ist von der von der Nichtzulassungsbeschwerde erwähnten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erfasst. Diese zieht vielmehr den
allgemein gültigen Grundsatz heran, dass ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt, soweit
eine vertragliche Regelung vorliegt. Insoweit kommt es auf die prozentuale
Mengenüberschreitung nicht an und sind die Vergütungsregelungen des
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§ 2 Nr. 3 VOB/B abschließend, so dass die Anwendung des § 313 BGB nicht
möglich ist. Mit ihr ist nicht der gesetzlich nunmehr niedergelegte Grundsatz in
Frage gestellt, dass einer Preisvereinbarung eine Geschäftsgrundlage zugrunde
liegen kann, bei deren Wegfall der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen
anzupassen ist, § 313 BGB. Dementsprechend ging es in der von der Nichtzulassungsbeschwerde erwähnten Entscheidung des Senats vom 20. März 1969
(VII ZR 29/67, WM 1969, 1019) nicht um einen Fall, in dem ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen einer Überschreitung des nach dem Vertrag vorausgesetzten Mengenrahmens angenommen wurde, sondern um die Frage, ob die
Umlage der Gemeinkosten ausschließlich nach der Regelung des § 2 Nr. 3
Abs. 2 VOB/B zu erfolgen hat.
cc) Dass die Anwendung des § 313 BGB auf diejenigen Fälle, in denen
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die Mengenänderung das von den Parteien gemeinsam vorausgesetzte Maß
überschreitet, nicht ausgeschlossen ist, wird im Übrigen auch in der Literatur so
gesehen (Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen
beim Bauvertrag, Band 1, 5. Aufl., Rn. 605 ff., 1041 ff.; Nicklisch/Weick, VOB
Teil B,
3. Aufl.,
§2
Rn. 52;
Leinemann,
VOB/B,
3. Aufl,
§2
Rn. 76;
Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., § 10 Rn. 422 ff.,
429; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 166; Kandel in
BeckOK VOB/B § 2 Nr. 3 [Stand: 2. Mai 2010] Rn. 23b).
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Die von der Nichtzulassungsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen des Kammergerichts (BauR 2001, 1591) und des Oberlandesgerichts
Naumburg (BauR 2006, 1305) besagen dazu nichts.
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b) Die Feststellung, ob eine bestimmte Menge zur Geschäftsgrundlage
der Preis- und Leistungsvereinbarung erhoben worden und diese weggefallen
ist, die Prüfung der weiteren Voraussetzungen des § 313 BGB und die Anpassung des Vertrages sind Sache des Tatrichters im Einzelfall. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde sich gegen diese Beurteilung richtet, besteht kein Grund
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die Revision zuzulassen, weil die von der Beschwerde dargelegten Zulassungsgründe nicht gegeben sind, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Die Ablehnung der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt (vgl. das Urteil des Senats vom 18. Dezember 2008
- VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213) durch das Berufungsgericht beschwert die
Klägerin nicht.
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c) Von einer Begründung im Übrigen wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine
Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
Kniffka
Bauner
Halfmeier
Eick
Leupertz
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 08.02.2008 - 9 O 333/05 OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.10.2008 - 17 U 6/08 -