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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 210/08
Verkündet am:
30. Juni 2009,
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 823 Ah, G
Zur Haftung des Verpächters einer Domain für Äußerungen auf der von seinem
Pächter betriebenen Website.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 5. August 2008
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger macht einen Anspruch auf Unterlassung unwahrer Äußerungen geltend, die Teil eines Beitrags waren, der ab 12. Juni 2007 im Internet abrufbar war. Die Beklagte verlegt das Nachrichtenmagazin "Focus". Sie ist als
Inhaber der Domain "focus.de" eingetragen, welche die Tomorrow Focus AG
gepachtet hat. Deren Website mit dem Nachrichtendienst "Focus online" ist unter der Adresse http://www.focus.de erreichbar.
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Im Impressum dieser Internetseite heißt es: "FOCUS ONLINE ist ein Angebot der TOMORROW FOCUS AG, Geschäftsbereich Portal. Für die Seiten
des FOCUS-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen Unterseiten) ist
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Diensteanbieter jedoch die FOCUS Magazin Verlag GmbH". Artikel, die in dem
genannten Magazin erscheinen, sind unter www.focus.de/magazin abrufbar.
3
Der Artikel, der Gegenstand der Klage ist, wurde von einer Journalistin
verfasst, die bei dem von der Beklagten verlegten Magazin tätig ist. Er stand
jedoch nicht in dem Magazin und wurde nicht unter www.focus.de/magazin,
sondern im Online-Nachrichtendienst der Tomorrow Focus AG veröffentlicht.
4
Die Beklagte erlangte durch Abmahnschreiben des Klägers vom 24. und
27. August 2007 Kenntnis von dem Beitrag. Sie leitete die Schreiben an die
Tomorrow Focus AG weiter. Diese löschte den Beitrag und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, was die Beklagte verweigerte.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
sie abgewiesen und die Revision zugelassen, mit der der Kläger weiterhin die
Verurteilung der Beklagten erstrebt.
Entscheidungsgründe:
I.
6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte weder als
Täter noch als Störer für den Inhalt der Äußerungen. Eine Täterhaftung als Verbreiterin komme nicht in Betracht, weil die Beklagte den Beitrag nicht selbst ins
Netz gestellt und von ihm keine Kenntnis gehabt habe. Sie müsse für die Verfasserin nicht einstehen, weil diese zwar bei ihr beschäftigt, aber in Bezug auf
den Beitrag nur für die Tomorrow Focus AG tätig gewesen sei.
7
Die Beklagte hafte auch nicht deshalb für den Inhalt aller Beiträge auf der
Internetseite www.focus.de, weil sich auf der Titelseite des von ihr verlegten
-4-
Nachrichtenmagazins ein Hinweis auf die Domain "focus.de" befinde. Dieser
Hinweis erleichtere zwar dem Leser des Magazins das Auffinden der Website,
mit ihm mache sich jedoch die Beklagte nicht deren Inhalt zu eigen, auch wenn
die Beklagte und die Tomorrow Focus AG mit personellen Überschneidungen
dem gleichen Konzern angehörten.
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Zwar erbringe die Beklagte mit der Überlassung der Domain einen wesentlichen Beitrag zur Nutzung der Internetseite und komme somit als Störerin
in Betracht. Sie habe die Möglichkeit, sich vertraglich Einfluss auf den Inhalt der
Internetseite vorzubehalten oder durch Aufgabe der Domain oder Dekonnektierung des Access-Providers den Internetauftritt von der Domain zu trennen. Ihre
Haftung setze aber die zusätzliche Verletzung von Pflichten voraus. Sie müsse
nach Hinweis die Unterbindung des Beitrags veranlassen und Vorsorge treffen,
dass es zu keinen erneuten Eingriffen in Rechte des Klägers komme. Eine weitergehende Prüfungs- und Überwachungspflicht bestehe nur, wenn sie konkret
mit solchen Eingriffen rechnen müsse. Das sei nicht der Fall gewesen. Da sie
unverzüglich die Löschung des Beitrages bewirkt habe, hafte sie nicht.
II.
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Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der Kläger hat
gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung.
10
Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich unabhängig davon, ob die Beklagte Diensteanbieter gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist, nicht aus den Vorschriften über die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern im Telemediengesetz
(TMG). Die §§ 7 bis 10 TMG weisen nämlich keinen haftungsbegründenden
Charakter auf und enthalten keine Anspruchsgrundlagen, sondern setzen eine
-5-
Verantwortlichkeit nach allgemeinen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts
voraus (Senat, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - VersR 2007, 1004
sowie BGHZ 158, 236, 246 ff.; 172, 119, 126). Eine nach den allgemeinen Vorschriften mögliche Haftung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1
BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht zu Recht
verneint.
1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die
11
vom Kläger angegriffenen Äußerungen unwahr sind und in sein Allgemeines
Persönlichkeitsrecht eingreifen. Das rügen die Parteien im Revisionsverfahren
nicht.
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2. Davon ausgehend kann eine Störereigenschaft der Beklagten hinsichtlich eines eventuellen Unterlassungsanspruchs wegen ihres Beitrags zur
Verbreitung der beanstandeten Äußerung im Online-Nachrichtendienst der Tomorrow Focus AG nicht von vornherein verneint werden. Soweit die Revision
meint, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe die Beklagte das
Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht nur als Störerin sondern als Täterin verletzt, kommt es auf eine solche Unterscheidung bei dem geltend gemachten
Unterlassungsanspruch nicht an.
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a) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist - ohne Rücksicht darauf, ob
ihn ein Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat
oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer
Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein
Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang
des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach
der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. Senat,
-6-
Urteile vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - GRUR 1977, 114, 115; vom
27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003
- VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524). Als (Mit-)Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung
auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die
rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in Anspruch
Genommenen die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht erforderlich
(vgl. Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - aaO m.w.N.). Deshalb kann etwa im Presserecht der Unterlassungsanspruch nicht nur gegen Autor und Verleger gerichtet werden (vgl. BGHZ 3, 270, 275 f.; 14, 163, 173 ff.),
sondern auch gegen so genannte technische Verbreiter, wie Grossisten, Inhaber von Vertriebsstellen oder Buchhandlungen (vgl. Senat, Urteil vom
3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, S. 116; Beater, Medienrecht [2007],
Rn. 1927 ff.).
14
Soweit in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung zum Ausdruck kommt und erwogen
wird, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen (vgl.
BGHZ 155, 189, 194 f.; 173, 188, 194 ff.; BGH, Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR
292/00 - GRUR 2003, 969, 970), betrifft dies Fälle, in denen anders als beim
Allgemeinen Persönlichkeitsrecht keine Verletzung eines absoluten Rechts in
Rede steht (BGHZ 158, 236, 251; 172, 119, 132; BGH, Urteil vom 30. April
2008 - I ZR 73/05 - GRUR 2008, 702, 706; KG, MMR 2006, 393, 394; Spind-
-7-
ler/Weber in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien [2008], § 1004
BGB Rn. 10).
15
b) Die Beklagte hat dadurch zur Verbreitung der Äußerungen beigetragen, dass sie die Nutzung ihrer Domain "focus.de" vertraglich der Tomorrow
Focus AG überlassen hat (Domainpacht, vgl. Kilian/Heussen-Koch, Computerrechtshandbuch,
Stand:
26. Lfg.
2008,
Kap. 24
Rn. 276 ff.;
Förster
in
Schwarz/Peschel-Mehner, Recht im Internet, Stand: 22. Lfg. 2009, Kap. 7-A,
Teil 3.1 Rn. 1 ff.; Seifert, Das Recht der Domainnamen [2003], Kap. 10
Rn. 14 ff.). Deren Website mit dem Nachrichtendienst "Focus online" konnte
dadurch
unter
der
den
Domainnamen
enthaltenden
Adresse
http://www.focus.de aufgerufen werden, was die praktische Nutzung erleichtert
(zur Abgrenzung von Domain und Website vgl. OGH, MMR 2006, 669, 670).
16
Ebenso wie der Vermieter neben dem Mieter kann auch der Verpächter
neben dem Pächter grundsätzlich als Störer in Anspruch genommen werden
(vgl. BGHZ 95, 307, 308; 129, 329, 335; BGH, Urteil vom 11. November 1966
- V ZR 191/63 - NJW 1967, 246; Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rn. 18). Das
Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte als Domaininhaberin mit dem Betreiber der mit der verpachteten Domain verknüpften Website
vertraglich verbunden ist und die Möglichkeit hat, sich durch entsprechende
Vertragsgestaltung den Einfluss auf die Internetseite vorzubehalten und diesen
Einfluss im Falle der Verletzung der Rechte Dritter auszuüben, wie im Streitfall
geschehen. Außerdem hat es darauf verwiesen, dass im äußersten Fall die
Möglichkeit der Trennung von Domain und Website bestehe (vgl. Kilian/Heussen-Koch, aaO, Kap. 24 Rn. 317, 334).
17
c) Der weite Kreis der als Verbreiter möglicherweise auf Unterlassung
Haftenden erfährt durch das TMG keine Begrenzung. Haftungsbeschränkungen
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wie § 10 TMG, die eine Art "Filterfunktion" haben (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23),
gelten nicht für Unterlassungsansprüche (Senat, Urteile vom 27. März 2007 - VI
ZR 101/06 - aaO, 1004 f. sowie BGHZ 172, 119, 126; so schon zum TDG
BGHZ 158, 236, 246 ff.).
18
3. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Frage
nach der Zumutbarkeit der begehrten Unterlassung stellt (vgl. Senat, BGHZ
106, 229, 235; Urteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, 116). Die Störerhaftung darf nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst
den Eingriff vorgenommen haben. Die Haftung des Störers setzt deshalb das
Bestehen so genannter Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich
danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den
Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, BGHZ 158, 236, 251; 158,
343, 350; 172, 119, 131 f.; BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05 - GRUR
2008, 702, 706; Wegner in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts [2008], § 32 Rn. 26 ff.; v. Hutten in Götting/Schertz/Seitz, aaO, § 47
Rn. 62). Dabei können Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch genommenen Dritten und die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden eine Rolle spielen (BGHZ 148, 13, 18 f.; 158, 343, 350; vgl. auch
Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8 ff.).
19
b) Die Revision meint zu Unrecht, diese Grundsätze fänden keine Anwendung, weil die Beklagte sich die angegriffenen Äußerungen zu Eigen gemacht habe. Sie sei deshalb kein mittelbarer, sondern unmittelbarer Störer (vgl.
Spindler/Volkmann, WRP 2008, 1) und Diensteanbieter eigener Informationen
gemäß § 7 Abs. 1 TMG (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23; Heckmann in juris PKInternetrecht, Kap. 1.7 Rn. 11 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts,
4. Aufl., B Rn. 1141 ff. und 1282; Roggenkamp, jurisPR-ITR 10/2008 Anm. 4).
Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung aber nur zu Eigen, wenn er
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sich mit ihr identifiziert, so dass sie als seine eigene erscheint. Bei der Bejahung einer solchen Identifikation mit der Äußerung eines Anderen ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, BGHZ 66, 182, 189 f.). Die Beklagte
macht sich Äußerungen, die unter http://www.focus.de abrufbar sind, nicht
schon durch Verpachtung der Domain oder alleine dadurch zu Eigen, dass auf
dem Titelblatt des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins "Focus" die Domain
wiedergegeben wird (anders OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 82, 84). Dieser
Hinweis soll vielmehr dem Leser des Nachrichtenmagazins aufzeigen, unter
welcher Domain er im Magazin erschienene Artikel im Internet aufrufen kann,
nämlich unter www.focus.de/magazin, worauf im Impressum der Internetseite
hingewiesen wird.
20
4. Die entscheidungserhebliche Frage nach der Zumutbarkeit von Prüfungspflichten hat das Berufungsgericht zutreffend beantwortet.
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a) Der Beklagten ist als Domainverpächterin nicht zuzumuten, die Website ihres Pächters allgemein dahingehend zu prüfen, ob sie Äußerungen enthält,
die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Demgemäß trifft den (bloßen)
Inhaber der Domain grundsätzlich keine Haftung für Rechtsverletzungen, die
durch den Inhalt der Website begangen werden (ebenso OGH, MMR 2006,
669 f.).
22
aa) Allgemeine Prüfungspflichten hat der Bundesgerichtshof für den Alleinimporteur einer ausländischen Zeitschrift in Bezug auf dort abgedruckte, das
Persönlichkeitsrecht Dritter verletzende Beiträge verneint (Senat, Urteil vom
3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, 116), ebenso für den Spediteur in Bezug
auf verletzende Kennzeichnungen der von ihm verbreiteten Waren (BGH, Urteil
vom 15. Januar 1957 - I ZR 56/55 - GRUR 1957, 352, 354) oder für den Betreiber eines Internetauktionshauses in Bezug auf Angebote von Nutzern, die Mar-
- 10 -
kenrechte verletzen (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f.; 172, 119, 133 f.; BGH, Urteil
vom 30. April 2008 - I ZR 73/05 - aaO).
23
Entsprechendes gilt für die Beklagte als Domainverpächterin, jedenfalls
dann, wenn sie keine konkreten Anhaltspunkte für (drohende) Rechtsverletzungen hat. Letzteres bejaht die Revision zwar mit der Erwägung, der Nachrichtendienst "Focus Online" stelle eine "Gefahrenquelle" dar, weil es durch die Medien immer wieder zu Verletzungen des Persönlichkeitsrechts komme. Diese
allgemeine Erwägung begründet aber keine konkreten Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Zumutbarkeit von Prüfungspflichten zu bejahen. Nicht zu
überzeugen vermag der Einwand, es gehe nicht um die vom Bundesgerichtshof
als unzumutbar abgelehnte Prüfung von Angeboten, die eine Vielzahl von Nutzern eines Internetauktionsdienstes auf dessen Website einstellen (vgl. BGHZ
158, 236, 251 f.), sondern nur um die Prüfung von Beiträgen des Pächters der
Domain. Für die Unzumutbarkeit spricht hier die Anzahl der zu überprüfenden
Beiträge, die bei einem umfangreichen Nachrichtendienst wie "Focus Online"
beträchtlich ist. Zudem werden die Beiträge im Gegensatz zu Printpublikationen
ständig ("in Echtzeit") aktualisiert, so dass schon deswegen keine gleich wirksamen Überprüfungen erfolgen können (vgl. Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB
Rn. 9).
24
bb) Zwar können, worauf die Revision abstellt, einen Verleger als "Herr
der Zeitung" (Senat, BGHZ 39, 124, 129; Urteile vom 4. Juni 1974 - VI ZR
68/73 - VersR 1974, 1080; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO, 1076) oder
einen Rundfunkveranstalter als "Herr der Sendung" (Senat, BGHZ 66, 182,
187) allgemeine Prüfungspflichten treffen (vgl. Senat, Urteile vom 19. März
1957 - VI ZR 263/55 - NJW 1957, 1149, 1150; vom 8. Juli 1980 - VI ZR 158/78 GRUR 1980, 1099, 1104). Da er die Herstellung und Verbreitung redaktioneller
Beiträge mit sachlichen und persönlichen Mitteln ermöglicht, soll er als wirt-
- 11 -
schaftlicher Träger das Haftungsrisiko tragen (Soehring, Presserecht, 3. Aufl.,
Rn. 28.2; v. Hutten, aaO, § 47 Rn. 21). Deshalb bestehen für ihn auch Prüfungspflichten, allerdings in reduzierter Form, wenn es um "fremde" Inhalte geht
(vgl. Senat, BGHZ 59, 76, 80; Urteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO,
1077).
25
Die Beklagte hatte aber allein durch die Verpachtung der Domain nicht
die Stellung eines Verlegers inne. Es ist nicht ersichtlich, dass sie auch "Herr
des Angebots" von "Focus online" war, und die vom Berufungsgericht festgestellte "gemeinsame Konzernstruktur" - die Beklagte und die Tomorrow Focus
AG gehören jeweils der Hubert Burda Media Holding GmbH & Co KG an - der
Verschiebung oder Verschleierung von Verantwortlichkeiten diente.
26
Entgegen der Auffassung der Revision entstand auch nicht der Anschein,
die Beklagte sei "Herr des Angebots". Dagegen spricht das Impressum des
elektronischen Informationsdienstes (vgl. § 5 TMG), in dem es im August 2007
hieß: "Focus online ist ein Angebot der Tomorrow Focus AG, Geschäftsbereich
Portal. Für die Seiten des Focus-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen
Unterseiten) ist Diensteanbieter jedoch [die Beklagte]". Dies gilt umso mehr,
weil anschließend die Tomorrow Focus AG nochmals als "Anbieter des Gesamtangebots außer http://focus.de/magazin mit Unterseiten" und die Beklagte
als "Anbieter für die Seiten unter http://focus.de/magazin" bezeichnet wurde.
Dadurch entsteht bei Beiträgen, die wie hier nicht unter http://focus.de/magazin
abrufbar waren, nicht der Anschein, die Beklagte sei "Herr des Angebots". Dies
gilt auch, soweit die Revision darauf verweist, dass der Name des von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazins ("Focus") teilweise mit dem des über
die URL www.focus.de erreichbaren Online-Nachrichtendienstes ("Focus online") übereinstimmt und die URL auf dem Titelblatt des Nachrichtenmagazins
genannt wird. Daran ändert nichts, dass im Impressum des Jahres 2006 als
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Diensteanbieter allein die Tomorrow Focus AG und im Impressum des Jahres
2007 mit dem Zusatz "Copyright © 2007 by Focus Online GmbH" noch eine
dritte juristische Person genannt wurde. Schließlich führt auch der Umstand
nicht zu einer Haftung, dass der Beitrag von einer bei der Beklagten angestellten Autorin stammte, die im Beitrag als "Focus-Redakteurin" bezeichnet und im
Impressum des Nachrichtenmagazins, nicht aber im "Impressum Focus online"
aufgeführt war. Die Beklagte haftet grundsätzlich nicht für Beiträge, die ihre Autoren außerhalb des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins veröffentlichen.
27
b) Der Beklagten war allerdings zuzumuten, die Website ihres Pächters
zu prüfen, als sie von den konkreten Äußerungen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigten, Kenntnis erlangte. Insoweit sind
- jedenfalls wenn wie hier die Äußerungen unstreitig unwahr waren - keine aufwändigen Nachforschungen erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1976
- VI ZR 23/72 - aaO, S. 116; BGH, BGHZ 148, 13, 20; 158, 236, 252; 158, 343,
353; Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB Rn. 9). Das Bestehen einer solchen
Prüfungspflicht führt aber nur dann zu einem Unterlassungsanspruch, wenn der
Störer nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung nicht unverzüglich beseitigt (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2004, 507, 508; LG Berlin, CR 2007, 742,
743). Das ist hier durch die Löschung des Beitrages geschehen (anders im dem
Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - aaO zugrunde liegenden Fall).
28
c) Jedenfalls scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr, die eine - ebenfalls vom Kläger darzulegende - materielle Anspruchsvoraussetzung ist (Senat, Urteil vom 19. Oktober
2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85).
29
Zwar wird die Wiederholungsgefahr bei bereits geschehener Rechtsverletzung grundsätzlich vermutet (BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; Senat,
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Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO, S. 85). Dafür wäre aber eine
vollendete Rechtsverletzung nach Begründung einer Prüfungspflicht erforderlich. Eine solche Verletzung kann vorliegen, wenn es nach Kenntniserlangung
zu mindestens einem weiteren Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Klägers kommt (vgl. BGHZ 173, 188, 207). Das ist weder vorgetragen noch
ersichtlich. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Tomorrow Focus AG einer Wiederholungsgefahr entgegenstehen könnte.
30
Eine Erstbegehungsgefahr muss jeweils im Einzelfall konkret dargetan
werden, weil sich in solchen Fällen keine Basis für eine tatsächliche Vermutung
finden lässt (Senat, Urteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO, S. 1077).
Der Kläger muss dartun, dass eine erste Verletzungshandlung ernsthaft und
greifbar zu befürchten ist bzw. als unmittelbar bevorstehend droht. Die bloße
Möglichkeit des Eingriffs reicht nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung
muss sich in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (Fritzsche in BeckOK BGB, § 1004 Rn. 88 m.w.N.). Auch einen solchen Vortrag des Klägers
hat die Revision nicht aufgezeigt.
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5. Nach allem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller
Zoll
Diederichsen
Wellner
Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.02.2008 - 324 O 862/07 OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.08.2008 - 7 U 29/08 -