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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
RiZ (R) 6/99
vom
5. Juli 2000
in dem Prüfungsverfahren
Antragsteller und Revisionskläger,
gegen
Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
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Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat am 5. Juli 2000 ohne
mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Erdmann, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Siol, Dr. Boetticher
und Seiffert und die Richterin am Bundesgerichtshof Solin
   
für Recht erkannt:
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Bayerischen
Dienstgerichts für Richter in München vom 6. September 1999
wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Antragsteller war in der Zeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 1979 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft M.
tätig. Seit
dem 15. Juli 1985 ist er als Richter am Amtsgericht München mit Strafsachen
befaßt.
Am 11. September 1997 erließ der Antragsteller in dem bei seiner Abteilung anhängigen Strafverfahren
Ds
/97 gegen den An-
geklagten einen Haftbefehl. Der Angeklagte wurde aufgrund dieses Haftbefehls
am 22. September 1997 festgenommen und beantragte am selben Tage münd-
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liche Haftprüfung. Diese wurde am 30. September 1997 vom Antragsteller
durchgeführt, der Haftfortdauer anordnete.
Aufgrund der Hauptverhandlung vom 4. November 1997 verurteilte der
Antragsteller den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde; gleichzeitig ordnete er Haftfortdauer an.
Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der
- nicht durch einen Rechtskundigen verteidigte - Angeklagte Berufung ein.
Letzterer beantragte in seiner Berufungsschrift vom 5. November 1997, die am
7. November 1997 bei Gericht einging und am 11. November 1997 vom Antragsteller zur Kenntnis genommen wurde, zugleich die Aufhebung des Haftbefehls.
Über diesen Antrag wurde erst nach mehr als zwei Monaten entschieden, nachdem sich der Angeklagte mit Schreiben vom 12. Januar 1998 an das
Landgericht M.
gewandt hatte, bei dem die nicht als Haftsache ge-
kennzeichneten Akten mit dem vom Antragsteller nicht unterschriebenen Urteil
am 30. Dezember 1997 eingegangen waren. In diesem Schreiben wies der Angeklagte darauf hin, daß die vom Amtsgericht M.
verhängte Freiheits-
strafe am 21. Januar 1998 in vollem Umfang verbüßt sein wird. Das Landgericht hob daraufhin den Haftbefehl am 16. Januar 1998 auf und ordnete die
Entlassung des Angeklagten an. In der Berufungshauptverhandlung wurden
beide Berufungen zurückgenommen.
Der Präsident des Amtsgerichts M.
hielt dem Antragsteller mit
Schreiben vom 27. August 1998 gemäß § 26 DRiG vor, daß er die Unterlas-
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sung einer alsbaldigen Vorlage des Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls an
das vom Antragsteller für zuständig angesehene Landgericht als ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts erachte. Dabei legte er seiner
Prüfung im Hinblick auf den Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit die
Rechtsauffassung des Antragstellers zugrunde, wonach die Entscheidung über
den Haftaufhebungsantrag vom Berufungsgericht zu treffen sei, welches allerdings erst mit Eingang der Akten bei ihm dafür zuständig werde.
Nach erfolglosem Widerspruch gegen diesen Vorhalt hat der Antragsteller das Bayerische Dienstgericht für Richter in München angerufen und die
Feststellung beantragt, daß der Vorhalt in dem Bescheid vom 27. August 1998
eine seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigende Maßnahme der
Dienstaufsicht darstelle und deswegen unzulässig sei.
Diesen Antrag hat das Dienstgericht durch Urteil vom 6. September
1999 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der vom Präsidenten des Amtsgerichts ausgesprochene Vorhalt beziehe sich ausschließlich darauf, daß der Antragsteller die alsbaldige Vorlage des Antrags auf Aufhebung
des Haftbefehls beim Landgericht nicht veranlaßt habe. Daher betreffe der
Vorhalt nicht den grundsätzlich einer dienstaufsichtlichen Maßnahme entzogenen Kernbereich richterlicher Tätigkeit, sondern den Bereich der äußeren Ordnung, in dem nach § 26 Abs. 2 DRiG Vorhalte des Dienstvorgesetzten zulässig
seien. Der Vorhalt sei auch sachlich gerechtfertigt, da der Antragsteller, dem
ihm aus langjähriger Tätigkeit als Staatsanwalt und Strafrichter bekannten Beschleunigungsgebot in Haftsachen zuwiderhandelnd, nichts getan habe, um
den Haftentlassungsantrag vom 5. November 1997 beschleunigt einer Entscheidung durch das Landgericht zuzuführen, wie es seine Pflicht gewesen
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wäre. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er
wendet sich gegen die Ansicht des Dienstgerichts, wonach der Vorhalt sich
nicht auf den Kernbereich richterlicher Amtstätigkeit beziehe. Der Vorhalt sei
auch sachlich nicht gerechtfertigt, da er die Vorlage der Berufung mit größtmöglicher Beschleunigung gefördert habe. Im übrigen ist der Antragsteller der
Meinung, daß durch seine Art der Sachbehandlung keine Lücke im durchgängig zu gewährenden Rechtsschutz in Haftsachen entstanden sei, da bis zur
Begründung der Zuständigkeit des Landgerichts die Haftkontrolle beim Amtsgericht verbleibe.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Dienstgerichts für Richter
in München vom 6. September 1999 - DG 2/98 - festzustellen, daß der
Vorhalt des Präsidenten des Amtsgerichts M.
vom 27. August
1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Präsidentin des
Oberlandesgerichts M.
vom 20. November 1998 eine die richterli-
che Unabhängigkeit beeinträchtigende Maßnahme der Dienstaufsicht
darstelle und deswegen unzulässig sei.
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 20. Dezember 1999 und die Revisionserwiderung vom
28. Februar 2000 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Bayerische Dienstgericht für Richter ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Vorhalt des Präsidenten des Amtsgerichts M.
als Maßnahme der Dienstaufsicht zulässig
war und den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.
1. Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht
nur, soweit nicht seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Damit ist
nicht nur die eigentliche Rechtsfindung der Dienstaufsicht entzogen, sondern
zugleich alle ihr auch nur mittelbar dienenden - sie vorbereitenden oder ihr
nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen, welche im Interesse
eines wirksamen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit ebenfalls dem
Kernbereich richterlicher Tätigkeit zuzurechnen sind (vgl. BGHZ 42, 163, 169;
71, 9, 11; 90, 41, 45; BGH, Urteile vom 10. Januar 1985 - RiZ (R) 7/84, NJW
1985, 1471, 1472 und vom 12. Oktober 1995 - RiZ (R) 2/95, DRiZ 1996, 371).
In diesem Bereich sind Maßnahmen der Dienstaufsicht nur dann zulässig,
wenn es sich um einen offensichtlichen, jedem Zweifel entrückten Fehlgriff
handelt (vgl. BGHZ 67, 184, 187; 70, 1, 4; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1983
- RiZ (R) 5/83, DRiZ 1984, 194, 195).
Andererseits geht das Gesetz in § 26 Abs. 1 DRiG davon aus, daß die
richterliche Amtstätigkeit in Teilbereichen der Dienstaufsicht zugänglich ist, und
gibt in § 26 Abs. 2 DRiG dem Dienstvorgesetzten ausdrücklich die Befugnis,
einem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung von Dienstgeschäften
vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer unverzüglicher Erledigung zu ermahnen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des
Bundes, daß die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht unter-
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liegt, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs und
die äußere Form der Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen
geht, die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung so weit entrückt
sind, daß sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig anzusehen sind
(BGHZ 42, 163, 169 f.; 47, 275, 286; 51, 280, 285, 287 f.; 90, 41, 45; BGH,
Urteil vom 11. Juni 1971 - RiZ (R) 3/70, DRiZ 1971, 317).
2. Der vom Antragsteller beanstandete Vorhalt bezieht sich ausschließlich auf die verzögerte Vorlage des Haftaufhebungsantrages. Der Präsident
des Amtsgerichts wendet sich nicht gegen die Rechtsauffassung des Antragstellers, nach welcher der Antrag des Angeklagten vom 5. November 1997 einen mit der Berufung verbundenen Zusatzantrag auf Haftprüfung an das Landgericht darstelle, über den dieses nach Eingang der Berufung zu entscheiden
habe. Er hält dem Antragsteller lediglich vor, daß dieser das in Haftsachen
geltende Beschleunigungsgebot mißachtet und die Akten mit dem Haftaufhebungsantrag weder schnellstmöglich noch sogleich nach Fertigung und Zustellung des Urteils dem Berufungsgericht vorgelegt hat. Das Dienstgericht hat
insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, daß
dies beispielsweise durch einen Hinweis auf den Haftentlassungsantrag anläßlich der Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft am 17. November 1997
hätte erfolgen können und daß ein solcher Hinweis auch in späteren Verfügungen unterblieben ist.
Der Vorhalt bezieht sich mithin auf den Bereich der äußeren Ordnung.
Hier ist der Dienstvorgesetzte, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 26
Abs. 2 DRiG vorliegen, befugt, dem Richter eine ordnungswidrige Ausübung
seiner Tätigkeit vorzuhalten und ihn für die Zukunft durch eine Ermahnung allgemein anzuhalten, seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß zu erledigen (BGHZ
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51, 280, 286; BGH, Urteile vom 10. Januar 1985 - RiZ (R) 7/84, NJW 1985,
1471, 1472, und vom 6. November 1986 - RiZ (R) 4/86, NJW 1987, 1197,
1198). Ein solcher Vorhalt beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit des
betroffenen Richters nicht.
3. Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, der Vorhalt
sei sachlich nicht gerechtfertigt, da er die Vorlage der Berufung an das Landgericht mit größtmöglicher Beschleunigung gefördert habe, sind seine Einwendungen in dem vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Das Dienstgericht hat bei
Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26
Abs. 3 DRiG nur darüber zu entscheiden, ob die Maßnahme die Unabhängigkeit des Richters beeinträchtigt; hingegen hat es nicht zu prüfen, ob sie auch
allgemein rechtmäßig und sachlich gerechtfertigt ist, da insoweit der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. BGHZ 90, 41, 48 f.; BGH, Urteil vom
16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 8.000 DM festgesetzt.
Erdmann
Siol
Seiffert
Boetticher
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