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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 84/99
Verkündet am:
18. Dezember 2000
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 195
Prospekthaftungsansprüche, die sich aus dem Beitritt zu einem geschlossenen
Immobilienfonds ergeben, verjähren in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens aber drei Jahre nach dem Erwerb des Anteils.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2000 - II ZR 84/99 - OLG Stuttgart
LG Ulm
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten zu 2 werden das Urteil des
10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. März
1999 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 16. Mai 1997 abgeändert, soweit zum Nachteil des
Beklagten zu 2 entschieden worden ist.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Parteien wie
folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1 je zur Hälfte; die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin
allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
dieser selbst.
Die Kosten der Revisionsinstanz tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 88 % und der Beklagte zu 1 zu 12 %;
-3-
die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
dieser selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zeichnete am 20. November 1990 zwei Gesellschaftsanteile
gemäß
B..
Herausgeber
Zeichnungsschein
des
Prospekts
zu
des
diesem
geschlossenen
In.
Immo-
bilienfonds war die I.-GmbH, deren damaliger Geschäftsführer unter anderem
der Beklagte zu 2 war; dieser war zugleich mit 50 % an der Gesellschaft beteiligt. Die Klägerin geriet wegen der finanziellen Belastungen durch die zur Finanzierung ihrer Gesellschaftsanteile auf sie abgeschlossenen Lebensversicherung in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie nimmt den Beklagten zu 2 als
Gesamtschuldner neben dem wegen fehlerhafter Anlagevermittlung belangten
Beklagten zu 1 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin
wirft dem Beklagten zu 2 vor, daß der Prospekt zu dem (streitbefangenen) geschlossenen Immobilienfonds fehlerhaft und insbesondere die Finanzierung
über die Kapitallebensversicherung nicht in der im Prospekt angegebenen
Weise möglich gewesen sei. Der Beklagte zu 2 bestreitet dies und erhebt die
Einrede der Verjährung.
-4-
Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte stattgegeben, das
Oberlandesgericht hat die Berufung beider Beklagten zurückgewiesen. Die Revision des Beklagten zu 1 ist durch Senatsbeschluß vom 11. September 2000
nicht angenommen worden. Der Beklagte zu 2 verfolgt mit seiner Revision seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe:
Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten zu 2 durch
Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch
inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf umfassender Sachprüfung (vgl.
BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision des Beklagten zu 2 ist begründet und führt zur Abweisung
der gegen diesen gerichteten Klage wegen Verjährung der Klageforderung.
I. 1. Das Berufungsgericht hat die von dem Beklagten zu 2 erhobene
Einrede der Verjährung nicht durchgreifen lassen, weil es von einer Verjährungsfrist von 30 Jahren ausgegangen ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe
der Revision haben Erfolg.
2. Die Grundsätze zur allgemeinen Prospekthaftung hat die Rechtsprechung in Analogie zu den gesetzlich geregelten Prospekthaftungstatbeständen
entwickelt (etwa BGHZ 71, 284, 286 ff.; 111, 314, 316 ff.; 115, 213, 217 ff.; 123,
106, 109 f.). Diese Tatbestände sehen durchweg vor, daß Ansprüche aus Prospekthaftung in sechs Monaten nach Kenntnis des Anlegers von dem Pro-
-5-
spektfehler, spätestens jedoch nach drei Jahren verjähren. Dies ist etwa in § 20
Abs. 5 KAGG und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG sowie seit Inkrafttreten des Dritten
Finanzmarktförderungsgesetzes vom 1. April 1998 in § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG i.V.m. § 47 BörsG vorgesehen. Dabei stellen § 20 Abs. 5
KAGG und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG für den Beginn der Dreijahresfrist auf den
Kaufvertrag, § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG i.V.m. § 47 BörsG auf die
Prospektherausgabe ab.
Unter diesen Umständen lag es nahe, die gesetzlichen Bestimmungen
nicht nur bei den Haftungsvoraussetzungen, sondern auch bei der Verjährungsfrist als Maßstab zu berücksichtigen. Dies hat dazu geführt, daß der Senat in Anlehnung an die damals bereits in Kraft gewesenen Bestimmungen des
§ 20 Abs. 5 KAGG und des § 12 Abs. 5 AuslInvestmG entschieden hat, daß
auch die in der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsansprüche in
sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers und spätestens drei Jahre
nach dem Beitritt zu der Gesellschaft oder dem Erwerb der Anteile verjähren.
Der Senat sieht keinen Anlaß, von diesem seit BGHZ 83, 222, 224 ff. vertretenen Standpunkt, der in der Literatur allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl.
Assmann, Prospekthaftung 1985, S. 371; Kiethe, BB 1999, 2253, 2257;
MünchKomm.-Emmerich,
BGB
3. Aufl.
Vor
§ 275
Rdn. 152;
Soer-
gel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. Vor § 275 Rdn. 344; Staudinger/Löwisch, BGB
13. Aufl. Vorbem. zu § 275 ff. Rdn. 93; speziell zum geschlossenen Immobilienfonds: Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 615; Schmidt/Weidert, DB 1998,
2309, 2313 ff.; Wagner, NZG 1999, 614 f.), abzugehen.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 1994 (VII ZR 36/93,
-6-
BGHZ 126, 166 ff. = NJW 1994, 2226 f.) zu Prospekthaftungsansprüchen bei
Bauherrenmodellen (vgl. auch BGH, Urt. v. 7. September 2000 - VII ZR 433/99,
zum Bauträgermodell) weder die Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung dafür, die Prospekthaftungsansprüche bei geschlossenen Immobilienfonds in Abweichung von der allgemein für die Prospekthaftung geltenden kurzen Verjährung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB zu unterwerfen. Die
Entscheidung vom 1. Juni 1994 basiert auf der Prämisse, daß sich Bauherrenmodelle von anderen Anlageformen grundlegend unterscheiden. Auf dieser
Grundlage wird in der Entscheidung zur Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen bei Bauherrenmodellen eine Lösung erarbeitet, die ausschließlich in
den Besonderheiten dieser Anlageform ihre Ableitung und Erklärung findet.
Im Unterschied zu anderen Anlageformen ist das Bauherrenmodell nicht
auf unbestimmte Dauer angelegt; es zielt vielmehr darauf ab, daß der Anleger
einen Teil der fraglichen Immobilie nach den Grundsätzen des WEG zu Eigentum erwirbt. Zudem muß der Anleger aus konzeptionellen Gründen als
Bauherr der Immobilie auftreten. Er muß rechtlich und wirtschaftlich dem
Werkbesteller gleichstehen. Allein im Hinblick auf diese Umstände sind die
vertraglichen Beziehungen bei Bauherrenmodellen in erheblichem Umfang vom
Werkvertragsrecht geprägt. Wegen dieser Besonderheit der Bauherrenmodelle
wird in der Entscheidung vom 1. Juni 1994 bei der Verjährungsfrage ausschließlich auf werkvertragliche Gesichtspunkte abgestellt (BGHZ 126, 166,
171 ff.).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht bereits vom
Ansatz her keine Veranlassung, die auf ausschließlich werkvertraglicher Argumentation beruhende Entscheidung vom 1. Juni 1994 zu Bauherrenmodellen
-7-
auf geschlossene Immobilienfonds zu übertragen. Anders als Bauherrenmodelle sind geschlossene
Immobilienfonds
nicht
auf
den
Erwerb
von
(Teil-)Grundeigentum ausgerichtet. Ihre Konzeption erfordert es zudem nicht,
daß die Anleger rechtlich oder wirtschaftlich die Position eines Bauherren einnehmen. Auch sonst sind die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten nicht von werkvertraglichen Elementen geprägt. Im Vordergrund steht
- ähnlich wie bei den Publikumskommanditgesellschaften - ein auf Dauer angelegter gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluß, wobei diese Fonds sich
von anderen gesellschaftsrechtlich geprägten Anlageformen im wesentlichen
lediglich dadurch unterscheiden, daß eine Immobilie (selten mehrere Immobilien) den wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft bildet. Die Interessenlage gleicht damit derjenigen der Anleger und der Prospektverantwortlichen bei anderen von der Prospekthaftung erfaßten Tatbeständen in allen wesentlichen Punkten.
II. Danach hat der Beklagte zu 2 die Einrede der Verjährung zu Recht
erhoben. Die Verjährungsfrist war unstreitig verstrichen, da die Klägerin ihre
Anteile 1990 gezeichnet, ihre Schadensersatzansprüche aber erst mit einer im
August 1996 eingereichten Klage rechtshängig gemacht hat.
Röhricht
Hesselberger
Kurzwelly
Goette
Kraemer