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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 430/17
vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2018:220318B3STR430.17.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 42 Fällen unter
Einbeziehung einer Vorstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
und zehn Monaten verurteilt und bestimmt, dass sechs Monate der verhängten
Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts
rügt, hat Erfolg.
I.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte vertretungsberechtigter Komplementär der von ihm im März 2006 ge-
-3-
gründeten "Dr.
G.
Treuhand KG" (fortan: Treuhand KG). Die
Gesellschaft fungierte als Treuhänderin im Rahmen des Geschäftsmodells der
I.
AG
(im
Folgenden:
I.
AG).
Die
I.
AG
emittierte Inhaberschuldverschreibungen, für die sie eine jährliche Verzinsung
von bis zu 7,2% auf das Anlagekapital in Aussicht stellte. Dem lag folgendes
Konzept zugrunde: Die I.
AG sollte Immobilien im Wege der Zwangsverstei-
gerung erwerben und sie anschließend gewinnbringend weiterveräußern. Die
Immobilienkäufe sollten zum Teil über Eigenkapital finanziert werden, zu dessen Refinanzierung die I.
AG die Inhaberschuldverschreibungen an Privatan-
leger ausgab. Die jeweilige Anlagesumme sollte über Grundschulden abgesichert werden. Die Anleger zahlten die Einlagen an einen Treuhänder, dem die
I.
AG, um die Gelder zu erlangen, in entsprechender Höhe werthaltige
Grundschulden zu bestellen hatte.
3
Am 4. Juli 2006 schloss die Treuhand KG mit der I.
AG einen Rahmen-
treuhandvertrag. Darin verpflichtete sich die Treuhand KG, die Einlagen der
Anleger, die in die Inhaberschuldverschreibungen investiert hatten, auf ihren
Treuhandkonten entgegenzunehmen und nur dann an die I.
AG weiterzulei-
ten, wenn ihr in entsprechender Höhe Zug um Zug Grundschuldbriefe ausgehändigt werden, die im Hinblick auf die Werthaltigkeit der Grundschulden bestimmten Anforderungen genügen. Überdies übernahm die Treuhand KG mit
dieser Vereinbarung sämtliche Verpflichtungen des vormaligen Treuhänders
Rechtsanwalt B.
aus dessen Rahmentreuhandvertrag mit der I.
AG
und Einzeltreuhandverträgen mit den (Alt-)Anlegern. Mit den (Neu-)Anlegern
schloss der Angeklagte "gleichgelagerte" Treuhandverträge, die ebenfalls vorsahen, dass die Treuhand KG das jeweilige Anlagekapital entgegennimmt und
nur dann an die I.
AG weiterleitet, wenn ihr in entsprechender Höhe Zug um
Zug bestimmten Anforderungen genügende Grundschuldbriefe übergeben wer-
-4-
den. Weiterhin war dort bestimmt, dass, sollte die I.
AG mit der Rückzahlung
des Anlagekapitals einen Monat in Verzug kommen, die Treuhand KG dem Anleger gegenüber verpflichtet ist, unverzüglich Grundschuldbriefe zu verwerten
und aus dem Erlös dessen Rückzahlungsanspruch zu erfüllen.
4
Im Zeitraum vom 27. Juni bis zum 15. November 2006 gingen auf den
Bankkonten der Treuhand KG Zahlungen von 65 Anlegern in einer Gesamthöhe
von 1.394.000 € ein, wohingegen zu Gunsten der Treuhand AG lediglich eine
Grundschuld in Höhe von 30.000 € eingetragen wurde. Im Zuge der Übertragung des Treuhandverhältnisses hatte die Erbin des vormaligen Treuhänders
an die Gesellschaft fünf Grundschulden über zusammen 1.917.260 € abgetreten, die der Absicherung der Einlagen von Anlegern von insgesamt 4.833.000 €
dienen sollten.
5
Im Zeitraum vom 4. Juli 2006 bis zum 15. November 2010 nahm der Angeklagte die folgenden 42 Handlungen unter Verletzung der der Treuhand KG
obliegenden vertraglichen Pflichten vor:
6
a) Der Angeklagte überließ dem Aufsichtsratsvorsitzenden der I.
Rechtsanwalt L.
AG
zu einem der Bankkonten die Zugangscodes für das On-
linebanking (PIN, TAN). Vom 11. Juli bis zum 25. Oktober 2006 tätigte Rechtsanwalt L.
eine Vielzahl von Online-Überweisungen zu Lasten des Kontos,
sodass von diesem Anlagegelder von insgesamt 371.000 € unbesichert abflossen (Fall 1 der Anklageschrift).
7
b) Im Zeitraum zwischen dem 9. November 2006 und dem 4. Juli 2007
verfügte der Angeklagte insgesamt 34-mal über auf drei der Bankkonten gutgeschriebene Einlagen in einer Gesamthöhe von 460.538,36 €, indem er die je-
-5-
weiligen Geldbeträge für eigene Zwecke auf sein Privatkonto oder das Konto
seiner Lebensgefährtin überwies oder bar abhob (Fälle 2 bis 35 der Anklageschrift).
8
c) Nachdem der Angeklagte zwei der Absicherung von Anlegern dienende Grundschulden verwertet hatte, die die Erbin des vormaligen Treuhänders
an die Treuhand KG abgetreten hatte, verwendete er in der Zeit vom
20. November 2008 bis zum 2. Februar 2009 sowie vom 12. November bis zum
15. November 2010 in sieben Fällen den jeweiligen Erlös für eigene Zwecke.
Mit 426.552,59 € bediente der Angeklagte Forderungen von privaten Gläubigern. Über 363.803,87 € verfügte er, um hiermit seinen Lebensunterhalt zu
finanzieren, wie folgt: Von den Verwertungserlösen, die (ganz bzw. teilweise)
einem der Bankkonten der Treuhand KG gutgeschrieben worden waren, überwies er Teilbeträge auf sein Privatkonto sowie das Konto eines von ihm beherrschten Unternehmens; weitere Teilbeträge hob er in bar ab (Fälle 36,
38 bis 40, 43 bis 45 der Anklageschrift).
9
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe durch die
42 festgestellten Handlungen den Straftatbestand der Untreue in der Missbrauchsalternative gemäß § 266 Abs. 1 Alternative 1 StGB verwirklicht. Als
"Treuhänder" habe er die Vermögensbetreuungspflichten verletzt, die sich aus
den mit den Anlegern geschlossenen oder vom vormaligen Treuhänder übernommenen Treuhandverträgen ergäben. Hierdurch seien den Anlegern Vermögensnachteile von insgesamt 1.621.894,82 € entstanden.
-6-
II.
10
1. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 42 Fällen (§ 266 Abs. 1
Alternative 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 53 StGB) wird von den Feststellungen nicht
getragen. Diese belegen nicht, dass der Angeklagte den Anlegern durch die
pflichtwidrigen Handlungen Vermögensnachteile zufügte. Denn solche Vermögensschäden wären nicht eingetreten, soweit den Anlegern gegenüber der I.
AG werthaltige vertragliche Ansprüche auf Rückzahlung des Anlagekapitals
nebst Zinsen zugestanden hätten. Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
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a) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten betreuten Vermögens vor und nach der pflichtwidrigen
Handlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379; vom
26. November 2015 - 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2592 [in BGHSt 61, 48
nicht abgedruckt]; Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 490/16, NStZ 2018, 105,
107). Auch der Verzicht auf die Einräumung oder die Aufgabe von Sicherheiten
für eine Forderung des Vermögensinhabers kann einen Vermögensschaden
bewirken (s. S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 45a). Besteht für den Vermögensinhaber die konkrete Gefahr, mit der ausstehenden Forderung auszufallen, so liegt bereits zum Zeitpunkt des Verzichts bzw. der Aufgabe in dem
drohenden Vermögensverlust ein - regelmäßig vom Tatgericht der Höhe nach
zu beziffernder (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08
u.a., BVerfGE 126, 170, 227 ff.; BGH, Beschluss vom 26. November 2015
- 3 StR 17/15, aaO; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 266 Rn. 160a) - Gefährdungsschaden (s. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 5 StR 400/06, NStZ 2007,
-7-
579, 580); kommt es zum Forderungsausfall, ist der Vermögensverlust eingetreten.
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b) Die Urteilsfeststellungen ermöglichen es nicht, unter Anlegung dieser
rechtlichen Maßstäbe zu beurteilen, ob und inwieweit die Anleger an ihrem
Vermögen geschädigt wurden.
13
aa) Auf der Grundlage der Feststellungen war das von den Anlegern getätigte Investment dergestalt konzipiert, dass diese verzinsliche Forderungen
aus den Inhaberschuldverschreibungen gegen die I.
AG erlangen sollten,
deren Werthaltigkeit mittels der in den Treuhandverträgen geregelten Pflichten
der Treuhand KG abgesichert werden sollte. Eine Verletzung dieser Vermögensbetreuungspflichten (vgl. LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 157
aE mwN) wäre schadensrelevant, wenn sich dies auf die abzusichernden Forderungen oder deren Erfüllung zum Nachteil der Anleger ausgewirkt hätte, sei
es, dass die Ansprüche erst gar nicht entstanden, wieder erloschen oder nicht
mehr durchsetzbar waren, sei es, dass sie - in einem bezifferbaren Umfang - in
ihrer Bonität beeinträchtigt waren.
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Dies lässt sich indes dem Urteil auch seinem Gesamtzusammenhang
nach nicht entnehmen. Die Vertragsverhältnisse zwischen den Anlegern und
der I.
AG sind nicht dargelegt. Zur Werthaltigkeit der Ansprüche aus den In-
haberschuldverschreibungen finden sich keine brauchbaren Angaben; ohne
dies zu erläutern und zu belegen, wird lediglich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mitgeteilt, "zuletzt" sei "auf den Treuhandkonten kein nennenswertes
Vermögen mehr vorhanden" gewesen und "die Anleger" hätten "somit ihre Einlagen verloren" (UA S. 47).
-8-
15
bb) Dass allein auf der Grundlage der Feststellungen in den Urteilsgründen keine Vermögensschäden der Anleger bejaht werden können, gilt für alle
drei dort beschriebenen Fallkonstellationen. Im Einzelnen:
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(1) Soweit im Fall 1 infolge der pflichtwidrigen Herausgabe der Zugangscodes für das Onlinebanking der Aufsichtsratsvorsitzende der I.
AG über die
Anlagegelder auf dem Treuhandkonto verfügte, ist davon auszugehen, dass die
jeweiligen Beträge an die I.
AG im Sinne der Treuhandverträge weitergeleitet
wurden, ohne dass allerdings die Zug-um-Zug-Leistung erbracht worden war.
Daher spricht nichts dafür, dass die Neuanleger keine fälligen und einredefreien
Forderungen gegen die Anlagegesellschaft aus den Inhaberschuldverschreibungen erlangt hätten. Demzufolge kommt es darauf an, inwieweit die I.
AG
finanziell leistungsunwillig oder -unfähig war und folglich die unterbliebene
Übergabe von Grundschuldbriefen an die Treuhand KG die Werthaltigkeit der
Rückzahlungsansprüche nachteilig beeinflusste. Nach den oben dargelegten
Maßstäben (s. II. 1. a)) liegen nur unter diesen Voraussetzungen Vermögensschäden der Anleger vor.
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Hinzu kommt, dass, sofern der Verzicht auf die Einräumung der Sicherheiten den Ausfall der - an sich zu besichernden - Forderungen nach sich zog,
sich auch der Vorsatz des Angeklagten hierauf bezogen haben müsste. Hierzu
verhält sich das Urteil ebenso wenig.
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(2) Soweit in den Fällen 2 bis 35 der Angeklagte die Einlagen nicht weiterleitete und für eigene Zwecke verwendete, ist fraglich, ob den Neuanlegern
gegen die I.
AG dennoch bereits Ansprüche auf Rückzahlung des Anlageka-
pitals (zuzüglich Zinsen) entstanden waren. Dies scheint nicht ausgeschlossen;
hierfür könnte sprechen, dass sich die Treuhand KG auch gegenüber der Anla-
-9-
gegesellschaft zur Entgegennahme der Einlagen verpflichtet hatte und sie somit
möglicherweise mit Empfangsermächtigung für diese tätig war. Für die Schädigung der Anleger käme es im Fall einer Rückzahlungspflicht der I.
AG auf
deren Fähigkeit und Willen an, die Ansprüche der Anleger trotz teilweise unterbliebenen Eingangs von Anlagegeldern zu erfüllen. Sollte die Anlagegesellschaft rückzahlungspflichtig gewesen sein, so wäre auch eine Strafbarkeit des
Angeklagten wegen Untreue zu deren Nachteil zu erwägen.
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(3) Soweit in den Fällen 36, 38 bis 40, 43 bis 45 der Angeklagte Grundschulden zu seinen eigenen Gunsten verwertete, sind nach den oben dargelegten Maßstäben (s. II. 1. a)) etwaige Vermögensschäden der Anleger ebenfalls
abhängig von der Werthaltigkeit der von den Grundschulden gesicherten Forderungen gegen die I.
AG. Wäre diese imstande und willens gewesen, die An-
sprüche der Anleger zu erfüllen, so hätte sich deren Vermögenslage nicht nachteilig verändert. Auch diesbezüglich käme eine Strafbarkeit des Angeklagten
wegen Untreue zu Lasten der I.
AG in Betracht, wobei sich eine Vermögens-
betreuungspflicht nicht nur aus dem Rahmentreuhandvertrag, sondern auch
aus der die jeweilige Grundschuld betreffenden schuldrechtlichen Sicherungsabrede ergeben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1978 - 1 StR 671/77,
bei Holtz, MDR 1978, 625; Clemente, wistra 2010, 249 mwN).
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Die Regelung in den Treuhandverträgen, wonach die Grundschulden
nicht dem Anlagekapital bestimmter Anleger zugeordnet waren, berührt die hier
vorgenommene rechtliche Beurteilung grundsätzlich nicht. Sie hat Bedeutung
nur für die Anzahl der geschädigten Anleger sowie eine etwaige Berechnung
der (anteiligen) Schadenshöhe.
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2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der
Senat weist darauf hin, dass, sollte sich die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum von dem pflichtwidrigen Verhalten des Angeklagten
überzeugen, auch eine Strafbarkeit wegen Untreue zum Nachteil der Treuhand
KG zu prüfen sein wird, soweit im Tatzeitraum andere Gesellschafter als der
Angeklagte betroffen waren, die mit dessen Verhalten nicht einverstanden waren (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 266 Rn. 93a; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl.,
§ 266 Rn. 21 mwN).
Becker
Spaniol
Berg
Tiemann
Leplow