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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/12
vom
18. Dezember 2012
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
StGB § 68b Abs. 1, § 145a
1. Ein nach § 145a Satz 1 StGB tatbestandsmäßiger Weisungsverstoß setzt eine
hinreichend bestimmte Weisung voraus. Maßgeblich dafür ist allein der durch das
Vollstreckungsgericht festgelegte Inhalt.
2. Versäumt der Verurteilte bei einer Meldeweisung die Vorstellung bei seinem Bewährungshelfer innerhalb des gerichtlich festgelegten Meldezeitraums, liegt ein Weisungsverstoß selbst dann vor, wenn mit dem Bewährungshelfer Termine außerhalb
dieses Zeitraums abgesprochen waren.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
18. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. a)
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Passau vom 12. März 2012 insoweit
mit den Feststellungen aufgehoben, als der Angeklagte
vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung
freigesprochen worden ist.
b) Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an das Amtsgericht Passau - Strafrichter zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ihm dem
Grunde nach eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochen.
2
1. Diesem war mit der Anklage vorgeworfen worden, in dem Zeitraum
zwischen August und Oktober 2010 in drei Fällen gegen Weisungen während
-4-
der Führungsaufsicht verstoßen und tatmehrheitlich eine besonders schwere
Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der
Nebenklägerin, der Zeugin
A.
, begangen zu haben. Im Einzelnen
war ihm Folgendes zur Last gelegt worden:
3
a) Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten im Jahre 2003 wegen
Vergewaltigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. In Bezug auf die nach
Vollverbüßung eintretende Führungsaufsicht habe das Landgericht Landshut
eine Dauer von fünf Jahren angeordnet und in dem entsprechenden Beschluss
dem Angeklagten die strafbewehrte Weisung erteilt, sich einmal monatlich zwischen dem 10. und 28. eines jeden Monats bei seinem Bewährungshelfer zu
melden. Gegen diese ihm bekannte Weisung habe der Angeklagte in drei Fällen verstoßen, indem er die für August 2010 und für den 29. September 2010
vereinbarten Termine nicht eingehalten habe und einem für den 6. Oktober
2010 abgesprochenen Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.
4
b) In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, und 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, habe sich die geschädigte Zeugin
A.
in der
Wohnung des Angeklagten in Pocking aufgehalten. Als dieser die Zeugin zu
küssen versuchte, sie ihn jedoch wegzustoßen vermochte, habe der Angeklagte
sie anschließend auf den Boden geworfen, sich auf sie gesetzt, ihr den Mund
zugehalten und ihr gedroht, sie umzubringen. Unmittelbar danach habe der Angeklagte die Zeugin mit wenigstens einer Hand am Hals gewürgt, so dass diese
keine Luft bekommen habe. Als die Zeugin sich gegen den Angeklagten zur
Wehr setzen wollte, habe dieser mit der Faust auf ihr Auge geschlagen, um ih-
-5-
ren Widerstand zu brechen. Sodann habe er der Zeugin die Jeans und den Slip
aus- sowie seine Hose und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen.
5
Unter der Einwirkung der vorherigen Drohung und Gewaltanwendung
habe der Angeklagte dann gegen den Widerstand der Zeugin den Vaginalverkehr mit dieser ausgeführt und dabei die von ihr erlittenen erheblichen Unterleibsschmerzen billigend in Kauf genommen. Nachdem die Zeugin zunächst der
Aufforderung, seinen Penis in den Mund zu nehmen, nicht nachgekommen sei,
habe der Angeklagte die Wangen der Zeugin gewaltsam so zusammengedrückt, dass diese den Mund öffnen musste und er sein Geschlechtsteil in deren Mund schieben konnte. Anschließend habe er den Oralverkehr ausgeführt.
Die Zeugin A.
habe durch das Vorgehen erhebliche Verletzungen im Be-
reich der Schamlippen und der Vagina sowie Hämatome im Gesicht, am Hals
und im Körperbereich einschließlich eines Monokelhämatoms am linken Auge,
eine Jochbeinfraktur und Würgemale am Hals erlitten.
6
2. Die Kammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Bezüglich der nach voll verbüßter Jugendstrafe von einem Jahr und
zehn Monaten wegen Vergewaltigung eingetretenen Führungsaufsicht ordnete
die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. April 2009 eine Dauer von fünf Jahren an. Das Strafvollstreckungsgericht erteilte dem Angeklagten zudem die Weisung, sich einmal monatlich jeweils zwischen dem
10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshelfer zu melden.
Eine solche Meldung fand in den Monaten August, September und Oktober
2010 nicht statt; der Angeklagte hielt die vereinbarten Vorsprachetermine bei
-6-
seiner Bewährungshelferin nicht ein. Die versäumten Termine waren auf den
29. September und 6. Oktober 2010 festgelegt worden. Ab Oktober kam der
Angeklagte den Gesprächsterminen mit seiner Bewährungshelferin wieder
nach. Es kam nicht zu Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten, der zudem Kontakt zu dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter im sog. HEADSProgramm bei der KPI Passau hielt (Fall II.2.a. des Urteils).
8
b) Im Hinblick auf den Vorwurf der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A.
konnte die Strafkammer lediglich
feststellen, dass diese sich für einen nicht näher bekannten Zeitraum am 1. und
2. Oktober 2010 in der Wohnung des Angeklagten aufhielt. Jedenfalls vor
2.00 Uhr am 2. Oktober 2012 (richtig: 2010; insoweit handelt es sich um einen
offensichtlichen Schreibfehler im tatrichterlichen Urteil) war die Zeugin (wieder)
in der Wohnung des Angeklagten und verließ diese kurz nach 2.00 Uhr erneut.
Bei dem Verlassen wies sie blutende Gesichtsverletzungen auf. Der Angeklagte
verständigte gegen 2.15 Uhr selbst die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums in
Straubing und wies in dem Telefonat auf die erheblichen Verletzungen der Zeugin hin, deren Ursache er sich nicht erklären könne. Die daraufhin entsandten
polizeilichen Einsatzkräfte trafen
S.
A.
in der Wohnung des Zeugen
an. Die Zeugin wies Schwellungen, Hautrötungen und Hautab-
schürfungen im Gesicht auf. Zudem hatte sie ein Monokelhämatom um das linke Auge und eine Jochbeinfraktur erlitten. Ihr Hals wies ebenfalls Hautrötungen,
oberflächliche Hautdefekte und -abschürfungen auf. Weitere ähnliche Hautverletzungen fanden sich im Bereich des Rückens sowie an den Außen- und Innenseiten der Oberschenkel. Zudem hatte die Zeugin einen kleineren Schleimhautdefekt im Bereich der rechten großen Schamlippe sowie einen weiteren
solchen Defekt im Scheidenvorhofbereich erlitten.
-7-
9
Nach dem Eintreffen der Polizei hatte die Zeugin A.
auf die Frage
eines der eingesetzten Beamten, ob der Angeklagte sie geschlagen und vergewaltigt habe, angegeben, dieser sei der Verursacher ihrer Gesichtsverletzungen
(Fall II.2.b. des Urteils).
10
3. a) Das Tatgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) auf der
Grundlage der getroffenen Feststellungen aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es fehle an der für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlichen Gefährdung
des Zwecks der Maßregel.
11
b) Der Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung
zu Lasten der Zeugin A.
ist dagegen aus tatsächlichen Gründen erfolgt.
Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Vergewaltigungs- und Körperverletzungshandlungen begangen hat. Eine Täterschaft des Angeklagten sei zwar angesichts
der im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigten Indizien möglich. Aufgrund der erhobenen Beweistatsachen und Indizien verblieben aber so erhebliche Zweifel an der Verursachung der Verletzungen der Zeugin durch den Angeklagten, dass eine Verurteilung nicht in Betracht komme. Vieles spreche sogar für eine Tatbegehung durch einen anderen Täter, nämlich den Zeugen
S.
, der Frau A.
auch bereits bei früheren Gelegenheiten miss-
handelt habe. Zudem habe der Zeuge einen auffälligen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegt, zumindest in Teilen falsch ausgesagt
und versucht, die Zeugin A.
abzuhalten.
von weiteren Zeugenaussagen vor Gericht
-8-
12
c) Die Strafkammer hat aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen eine
Verurteilung des Angeklagten auch insoweit für ausgeschlossen erachtet, als
dieser selbst eingeräumt hat, der Zeugin A.
im Anschluss an ein einver-
nehmlich durchgeführtes, aber letztlich mangels Erektion des Angeklagten erfolgloses Unterfangen, Vaginal- und Oralverkehr auszuführen, als Reaktion auf
deren Bemerkung „Schlappschwanz“ eine Ohrfeige verabreicht zu haben. Insoweit fehlt es aus Sicht des Tatgerichts an den Verfolgungsvoraussetzungen
des § 230 StGB. Im Übrigen sei es unklar, ob es tatsächlich zu der Ohrfeige
gekommen sei. Die bloße entsprechende Einlassung des Angeklagten genüge
für die Überzeugungsbildung nicht, weil für die Strafkammer völlig offen geblieben sei, was sich in der Tatnacht in der Wohnung des Angeklagten tatsächlich
abgespielt habe.
13
Eine Verurteilung wegen Körperverletzung aufgrund dieser Ohrfeige
komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die eingeräumte Ohrfeige nicht von
der verfahrensgegenständlichen Tat i.S.v. § 264 Abs. 1 StPO erfasst sei. Maßgeblich für die prozessuale Tatidentität sei außer der örtlichen und zeitlichen
Identität der tatsächlichen Geschehnisse auch die Wesensgleichheit des Sachund Unrechtskerns (Angriffsrichtung). Die fragliche Ohrfeige sei auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten aus einer völlig anderen Situation heraus
entstanden, als der von der Anklage zugrunde gelegten.
14
4. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie erhebt drei Verfahrensrügen und wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Entscheidung
über die Zubilligung einer Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft
-9-
dem Grunde nach greift sie mit der sofortigen Beschwerde an. Der Generalbundesanwalt vertritt die Revision, soweit diese sich mit der Sachrüge gegen
den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung (Fall II.2.b.) richtet.
II.
15
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf der Körperverletzung/Nötigung durch eine der Zeugin
A.
16
verabreichte Ohrfeige wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung von
§ 244 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 StPO sowie von § 261 StPO bleiben aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Oktober 2012
ohne Erfolg.
17
2. Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB (Fall
II.2.a.) ist im Ergebnis nicht zu bestanden. Nach den getroffenen Feststellungen
hat der Angeklagte zwar in den Monaten August, September und Oktober 2010
gegen die in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. April 2009
angeordnete Weisung, Kontakt zu seinem zuständigen Bewährungshelfer zu
halten, verstoßen. Es fehlt allerdings unter den gegebenen Verhältnissen an der
von § 145a StGB geforderten Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
18
a) Ein in § 145a Satz 1 StGB mit Strafe bedrohter Verstoß gegen eine
Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn der Betroffene das
- 10 -
ihm auferlegte Verhalten nicht oder nicht vollständig erfüllt (Fischer, StGB,
60. Aufl., § 145a Rn. 7; Roggenbuck, in: Leipziger Kommentar zum StGB,
12. Aufl., Band 5, § 145a Rn. 13 mwN). Ein solcher Weisungsverstoß unterfällt
aber nur dann dem objektiven Tatbestand, wenn die fragliche Weisung inhaltlich hinreichend bestimmt ist (OLG Dresden NStZ-RR 2008, 27; OLG München
NStZ 2010, 218, 219; Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl.,
Band 3, § 145a Rn. 9 mwN). Diesen Anforderungen genügt lediglich eine solche Weisung, die das von dem Betroffenen verlangte oder diesem verbotene
Verhalten inhaltlich so genau beschreibt, wie dies von dem Tatbestand einer
Strafnorm zu verlangen ist (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 8). Ihm muss mit der
Weisung unmittelbar verdeutlicht werden, was genau von ihm erwartet wird (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 24. September 2011 - 2 BvR 1165/11 bzgl. Weisungen
nach § 56c StGB). Den Anforderungen an die Bestimmtheit der Weisung ist bei
einer Meldeweisung wie hier auch dann genügt, wenn in dem anordnenden gerichtlichen Beschluss ein Zeitraum genannt ist, innerhalb dessen der Betroffene
sich bei dem Bewährungshelfer zu melden hat. Die Festlegung des konkreten
Termins innerhalb der in dem gerichtlichen Anordnungsbeschluss festgelegten
Periode (etwa „einmal im Monat“) kann dem Bewährungshelfer überlassen bleiben (BVerfG aaO).
19
b) Nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in den Monaten August bis Oktober 2010 gegen die ihm durch die Strafvollstreckungskammer wirksam erteilte Weisung, „sich einmal monatlich jeweils
zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshelfer zu melden“, verstoßen.
- 11 -
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aa) Die Nichtbefolgung dieser Weisung in den genannten Monaten ist
tatbestandsmäßig i.S.v. § 145a Satz 1 StGB, obwohl die für den 29. September
und den 6. Oktober 2010 mit der Bewährungshelferin abgesprochenen, vom
Angeklagten aber versäumten Termine außerhalb des durch die Strafvollstreckungskammer bestimmten Zeitraums lagen. Maßgeblich für den Verstoß gegen eine wirksam erteilte Weisung ist lediglich die Nichtbefolgung des in dem
gerichtlichen Beschluss verlangten oder verbotenen Verhaltens. Das nach
§ 145a Satz 1 StGB strafbare Verhalten wird im Sinne einer Blankettvorschrift
erst durch den Inhalt der Weisung seitens des für deren Anordnung zuständigen Gerichts festgelegt. Die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG hängt angesichts dieser Struktur des
§ 145a StGB davon ab, dass die gerichtliche Weisung selbst inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Dies schließt es für Meldeweisungen aus, den im gerichtlichen Anordnungsbeschluss festgelegten Erfüllungszeitraum zur Disposition des
Bewährungshelfers zu stellen. Abgesehen von den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes besteht auch keine gesetzliche Grundlage, die diesem
eine inhaltliche Ausfüllung von Weisungen jenseits einer zulässigen Konkretisierung innerhalb der durch die gerichtliche Anordnung verbleibenden Spielräume (etwa die Festlegung des konkreten Vorsprachetermins im eröffneten
Zeitraum) gestatten würde (vgl. BVerfG aaO).
21
bb) Der Angeklagte hat auch den Termin im August 2010 versäumt. Das
Tatgericht hat zwar den für diesen Monat vereinbarten Termin nicht konkret
festgestellt. Selbst wenn dieser aber für außerhalb des Zeitraums zwischen
dem 10. und 28. August 2010 abgesprochen gewesen sein sollte, verwirklichte
das Unterbleiben einer Meldung des Angeklagten bei seiner Bewährungshelfe-
- 12 -
rin im gerichtlich festgelegten Zeitraum nach dem Vorgenannten den objektiven
Tatbestand von § 145a Satz 1 StGB.
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c) Ob bei der Nichteinhaltung von Vorspracheterminen, die aufgrund einer Absprache mit dem zuständigen Bewährungshelfer außerhalb des in der
gerichtlichen Anordnungsentscheidung bestimmten Zeitraums lagen, von einer
vorsätzlichen Nichterfüllung einer Weisung ausgegangen werden kann, bedarf
keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlt es nach den rechtsfehlerfreien
Feststellungen des Tatgerichts jedenfalls an der Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich
durch den Verstoß bzw. die Verstöße gegen die Weisung die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten erhöht hat (Roggenbuck, aaO, § 145a
Rn. 18; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 StR 243/08, NStZ-RR
2008, 277; weitergehend Groß, aaO, § 145a Rn. 15). Hier schließt bereits der
ununterbrochene Kontakt des Angeklagten zu dem für ihn zuständigen Polizeibeamten im Rahmen des in Bayern sog. HEADS-Programms die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks aus. Es kann daher offen bleiben, ob bereits aus einem Verstoß gegen bestimmte Weisungen eo ipso eine derartige
Gefährdung resultieren kann (so Groß, aaO, § 145a Rn. 15).
23
3. Das angefochtene Urteil hält auch im Hinblick auf den Freispruch von
dem Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen
Körperverletzung der Zeugin A.
(Fall II.2.b.) insoweit stand, als die Straf-
kammer sich aus tatsächlichen Gründen nicht von der Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf die der Anklage zugrunde gelegten Körperverletzungsund Vergewaltigungshandlungen zu überzeugen vermochte.
- 13 -
24
a) Das Urteil genügt den von § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellten Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
25
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung
des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob
dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb
hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des
Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor
er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom
30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR
134/11 Rn. 12). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn
Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren
(vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 - 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267
Abs. 5 Freispruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die
Urteilsgründe ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe
gerecht werden, dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung
auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR
269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14; BGH, Urteil vom 30. Juni
2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6).
26
Diesen Erfordernissen genügt das Urteil trotz der nur wenigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Die Strafkammer hat zunächst in einer
geschlossen Darstellung offen gelegt, von welchem äußeren Geschehensablauf
in der Tatnacht sie ausgegangen ist. Dabei hat sie insbesondere diejenigen ob-
- 14 -
jektiven Umstände, wie die Benachrichtigung der Polizei durch den Angeklagten
selbst, die ersten Angaben der Zeugin A.
gegenüber den eingesetzten
Polizeibeamten und die bei der Zeugin vorhandenen Verletzungen, zum Gegenstand ihrer Feststellungen gemacht, die durch andere Erkenntnisquellen als
die Aussage der Zeugin A.
und die Einlassung des Angeklagten geklärt
werden konnten. Warum sich die Strafkammer gehindert gesehen hat, zu darüber hinausgehenden Feststellungen zu den Geschehnissen in der Wohnung
des Angeklagten zu gelangen, ergibt sich aus der insoweit umfassenden und
rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung der Kammer (siehe nachstehend II.3.b).
Dass die Strafkammer mit Ausnahme des Anrufs des Angeklagten bei der Polizei und deren Eintreffen in der Wohnung des Zeugen S.
selbst die
zeitlichen Abläufe in der Tatnacht nicht näher hat feststellen können, begründet
keinen Darstellungsmangel des Urteils. Aus der Beweiswürdigung kann der Senat in den rechtlichen Anforderungen genügender Weise die Gründe für das
Fehlen der Möglichkeit erkennen, weitere Feststellungen zu treffen.
27
b) Auch die Beweiswürdigung als solche ist rechtsfehlerfrei.
28
aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das
Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft
nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich
darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich,
unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner
Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge-
- 15 -
samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR
454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom
7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12
Rn. 10).
29
bb) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung in Bezug auf die Tatvorwürfe der Vergewaltigung
und der gefährlichen Körperverletzung keine Rechtsfehler.
30
Das Tatgericht hat sich ausführlich mit der Einlassung des Angeklagten,
der wegen Ausbleibens einer Erektion letztlich erfolglose Versuche des einvernehmlichen Oral- und Vaginalverkehrs mit der Zeugin A.
angegeben, die
Vornahme der in der Anklageschrift zugrunde gelegten Gewalthandlungen zum
Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs aber in Abrede gestellt hat,
auseinandergesetzt. Es hat diese Einlassung nicht lediglich isoliert auf Plausibilität untersucht, sondern auch überprüft, ob diese durch die weiteren erhobenen
Beweise widerlegt werden kann.
31
Bei diesen Beweisen handelt es sich vor allem um die Aussagen der
Zeugin A.
, die bei dieser vorhandenen Verletzungen, das Spurenbild in
der Wohnung des Angeklagten sowie dessen Verhalten nach dem fraglichen
Geschehen, insbesondere seinen Anruf bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Straubing. Dabei hat das Tatgericht - sachverständig beraten - die Aus-
- 16 -
sagen der Zeugin A.
umfassend auf ihre Glaubhaftigkeit untersucht und
in eine Gesamtwürdigung eingestellt. Innerhalb dessen sind die gewonnenen
Erkenntnisse über die Persönlichkeit der Zeugin, ihr Aussageverhalten in früheren Verfahren, in denen sie zu Unrecht Personen sexueller Übergriffe auf sie
bezichtigt hatte, sowie die Versuche des Zeugen S.
, das Aussage-
verhalten der Zeugin zu beeinflussen, berücksichtigt worden. Die Strafkammer
hat unter Vermeidung von Lücken oder Widersprüchlichkeiten in der Beweiswürdigung insbesondere die in der Person der Zeugin A.
liegenden Be-
sonderheiten hinsichtlich ihrer Aussagetüchtigkeit und der nur in sehr geringem
Umfang vorhandenen Fähigkeit, tatsächliche Gegebenheiten, wie hier das eigentliche Kerngeschehen der von ihr angegebenen gewaltsamen Erzwingung
des Geschlechtsverkehrs seitens des Angeklagten, sprachlich präzise zu beschreiben, sorgfältig bedacht.
32
Dass sich die Strafkammer auf dieser Grundlage nicht von der Täterschaft des Angeklagten in Bezug auf die zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs mit der Zeugin A.
vorgenommenen Verletzungshand-
lungen hat überzeugen können, ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Denn es ist
Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und
entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Entspricht diese tatrichterliche Bewertung den vorstehend genannten
Maßstäben, ist es dem Revisionsgericht verwehrt, auf der Grundlage einer gegebenenfalls abweichenden Beurteilung der Bedeutung von Indiztatsachen in
die Überzeugungsbildung des Tatrichters einzugreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni
2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; BGH, Urteil vom 20. September
2012 - 3 StR 140/12 Rn. 15).
- 17 -
33
4. Das Urteil enthält aber Rechtsfehler, soweit das Tatgericht den Angeklagten auch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung hinsichtlich des von ihm selbst eingeräumten Verhaltens, der Zeugin A.
aus Ver-
ärgerung eine Ohrfeige gegeben und sie durch ein „Packen“ am Hals aus der
Wohnung geworfen zu haben, freigesprochen hat. Die Strafkammer hat hier zu
Unrecht einer Verurteilung entgegenstehende rechtliche Gründe, nämlich das
Fehlen der Verfolgungsvoraussetzungen nach § 230 Abs. 1 StGB sowie fehlende Verfahrensgegenständlichkeit des fraglichen tatsächlichen Geschehens, angenommen und zudem überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung gestellt.
34
a) Die Strafkammer war entgegen ihrer offenbar als Hilfserwägung eingenommenen Rechtsauffassung nicht aus Rechtsgründen an der Aburteilung
des vorstehend geschilderten Geschehens gehindert.
35
aa) Die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige sowie das damit
verbundene Geschehen des Hinausdrängens der Zeugin A.
war von der
prozessualen Tat (§ 264 StPO) erfasst, die materiell den Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
zum Gegenstand hat. Entgegen der Auffassung des Tatgerichts war dieses daher nicht durch den Umfang der Kognitionspflicht (vgl. Radtke, in: Radtke/
Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 63 mwN) gehindert, den Angeklagten wegen
(einfacher) Körperverletzung zu verurteilen. Im Gegenteil gebot die innerhalb
des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss gebildeten Verfahrensgegenstandes bestehende umfassende Erkenntnispflicht des Gerichts gerade eine Aburteilung.
- 18 -
36
Wie das Tatgericht im rechtlichen Ausgangspunkt an sich zutreffend angenommen hat, ist die Tat im prozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) der vom
Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich
aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und
tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun
des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999
- 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007
- 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). Zu dem von der Anklage und dem darauf bezogenen Eröffnungsbeschluss erfassten einheitlichen geschichtlichen Vorgang
gehört dementsprechend alles, was mit diesem nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGH jeweils aaO). Für die Beurteilung,
ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der verfahrensgegenständlichen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare
Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des
Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 13. November 1998 - StB 12/98, NJW 1999,
1413, 1414).
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Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die von
dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige Gegenstand der mit der Anklageschrift
vom 4. März 2011 unter der dortigen Ziffer II. angeklagten Tat (§§ 155, 264
StPO) gewesen. Die Anklage ist in unveränderter Form durch Beschluss der
Strafkammer vom 11. Juli 2011 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet
worden. Sie umfasst den Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2010,
18.00 Uhr, sowie dem 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, und schildert in dem konkreten Anklagesatz ein Geschehen in der Wohnung des Angeklagten, das im
Einzelnen bezeichnete Körperverletzungshandlungen zu Lasten der Zeugin A.
- 19 -
sowie gewaltsam erzwungenen Vaginal- und Oralverkehr mit dieser zum
Gegenstand hat. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte das Verabreichen der Ohrfeige während des von der Anklage umfassten Zeitraums in seiner
Wohnung und zu Lasten von
A.
eingestanden. Wie die Straf-
kammer an sich nicht verkennt, liegt das eingeräumte straftatbestandsmäßige
Verhalten nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien des Tatopfers und des Tatortes sowie der Tatzeit innerhalb
des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstandes.
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Angesichts der für prozessuale Tatidentität sprechenden tatsächlichen
Anhaltspunkte kann eine solche nicht durch das Abstellen auf normative Erwägungen, wie sie die Strafkammer mit dem Aspekt der „Angriffsrichtung“ angestellt hat, ausgeschlossen werden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, welche Bedeutung normativen Kriterien für die Bestimmung prozessualer
Tateinheit überhaupt zukommen kann. Derartige Gesichtspunkte, wie etwa die
„strafrechtliche Bedeutung des Vorgangs“, sind zwar in der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs gelegentlich in die Beurteilung der Reichweite der prozessualen Tat einbezogen worden (etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995
- 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 300). Deren Bedeutung erschöpft sich allerdings darin, als ein Aspekt im Rahmen der umfassenden Beurteilung der prozessualen Tatidentität nach Maßgabe des Einzelfalls herangezogen zu werden.
Sprechen die für die Bestimmung der Reichweite des Verfahrensgegenstandes
maßgeblichen tatsächlichen Momente des Lebenssachverhalts, wie die hier
vorliegenden, für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat, kann die
Heranziehung normativer Gesichtspunkte allein nicht dazu führen, entgegen
dem sich durch die faktischen Verhältnisse ergebenden Bild eine einheitliche
Tat i.S.v. § 264 StPO zu verneinen.
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bb) Die gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen für eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB sind gegeben. Zwar hat die Zeugin A.
keinen Strafantrag gestellt. Es ist aber sei-
tens der Staatsanwaltschaft gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StGB das
besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erklärt worden. Selbst
wenn man nicht bereits in der die gefährliche Körperverletzung zu Lasten der
Zeugin umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft deren konkludente Erklärung bezüglich der in der Qualifikation des § 224 StGB enthaltenen (einfachen)
Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) sehen wollte, hat diese in ihrer Revisionsbegründungsschrift eine solche Erklärung ausdrücklich abgegeben. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 5 StR 346/11,
StraFo 2012, 67).
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b) Dem Vorstehenden entsprechend musste die Strafkammer ihre Kognitionspflicht auch auf das Tatgeschehen erstrecken, das die Ohrfeige und das
Hinausdrängen der Zeugin zum Gegenstand hatte. Dem ist die Strafkammer an
sich ungeachtet der von ihr angeführten rechtlichen Hinderungsgründe auch
nachgekommen. Denn sie hat den Angeklagten wegen der Ohrfeige (auch) aus
tatsächlichen Gründen nicht verurteilt, weil sie sich nicht vom Wahrheitsgehalt
seines Geständnisses hat überzeugen können. Dabei hat sie aber die an die
tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannt.
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Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„… sie verkennt, dass es keine forensische Erfahrung gibt, wonach
bei einem Geständnis stets ohne weiteres mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom
23. Mai 2012 - 1 StR 208/12, juris Tz. 7). Anhaltspunkte, die geeignet
wären, nachvollziehbare Zweifel am Wahrheitsgehalt der vom Angeklagten eingeräumten Tathandlungen zu begründen, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, zumal dieser die Vergewaltigung
von Anfang an bestritten hat und das Teilgeständnis für ihn keine
Besserstellung bedeutete. Zudem hat die Kammer unberücksichtigt
gelassen, dass auch die Zeugin A.
bestätigt hat, vom Angeklagten geschlagen worden zu sein. Die ‚Heranziehung weiterer Beweismittel‘ (UA S. 85) war danach für die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht erforderlich. Die Einlassung des Angeklagten war
- wovon das Landgericht an anderer Stelle selbst ausgeht (UA S.
11 ff.) - ohnedies bereits hinreichend plausibel …“.
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Dem folgt der Senat.
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5. Im Hinblick auf diesen Rechtsfehler war das angefochtene Urteil in
dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an ein neues Tatgericht zurück zu verweisen. Die Aufhebung beschränkt sich auf den Freispruch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A.
im Hinblick auf die von dem Ange-
klagten eingeräumte Ohrfeige, die er dieser nach dem Versuch des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verabreicht haben will, sowie das damit in
Zusammenhang stehende tatsächliche Geschehen. Dabei handelte es sich
ausweislich der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten neben
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der Ohrfeige auch um das durch das Ergreifen der Zeugin am Hals bewirkte
Hinausdrängen aus der Wohnung.
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Die Voraussetzungen für eine Teilaufhebung des angefochtenen Urteils
liegen vor. Eine solche ist bei mehreren materiell-rechtlich selbständigen Straftaten möglich (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997,
276). So verhält es sich hier.
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a) Die nach § 223 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Körperverletzung ist
auf der Grundlage des in der Anklage bezeichneten tatsächlichen Geschehens
in der Wohnung des Angeklagten einerseits und seiner Einlassung andererseits
durch eine andere Handlung (i.S.v. §§ 52, 53 StGB) verwirklicht als die angeklagten Körperverletzungshandlungen. Während diese der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs gegen den Willen der Zeugin A.
dienen sollten, hat der
Angeklagte eine Körperverletzungshandlung eingeräumt, die zeitlich nach dem
gescheiterten Versuch einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs erfolgte. Der
Beweggrund, die Zeugin zu ohrfeigen, resultiert nach der Einlassung des Angeklagten aus deren provozierenden Äußerungen im Anschluss an die angestrebten geschlechtlichen Handlungen. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich diese
Körperverletzung damit materiell-strafrechtlich als eine andere Handlung dar als
die angeklagten Körperverletzungshandlungen.
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b) Die Annahme von materiell-rechtlicher Handlungsmehrheit (§ 53
StGB) steht einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.v. § 264 StPO (oben II.4.a)
nicht entgegen. Solche ist trotz Handlungsmehrheit im Sinne des materiellen
Strafrechts gegeben, wenn zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Tä-
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ters eine innere Verknüpfung dergestalt besteht, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung
eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; etwa BGH,
Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH,
Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). So verhält es
sich hier. Die eingeräumte Körperverletzung erfolgte nach der Einlassung des
Angeklagten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einem gescheiterten Geschlechtsverkehr und wurde durch eine von der Zeugin getätigte Äußerung als Reaktion auf die geschlechtlichen Handlungen ausgelöst. Die Durchführung von Geschlechtsverkehr bildet aber auch einen wesentlichen Teil des
mit der Anklage unterbreiteten Verfahrensgegenstandes. Daran ändert der Umstand nichts, dass dem Angeklagten ausdrücklich nur die Durchführung mit
Gewalt erzwungenen Geschlechtsverkehrs zum Nachteil der Zeugin A.
vorgeworfen worden war. Für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität
kommt es - wie dargelegt - maßgeblich auf die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs in tatsächlicher Hinsicht an.
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c) Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354
Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Passau - Strafrichter -. Da im Hinblick auf die
Verwerfung der Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der (besonders
schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lediglich noch der aus der von dem Angeklagten eingeräumten Ohrfeige zu Lasten
der Zeugin A.
sowie deren Hinausdrängen aus der Wohnung resultieren-
de materiell-rechtliche Tatvorwurf den Gegenstand des Verfahrens bildet, ist die
sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht mehr begründet. Vielmehr liegt
die Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 24 Abs. 1 GVG vor. Im Hinblick
auf die Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 GVG erfolgt die Zuweisung innerhalb
dessen zum Strafrichter; § 26 Abs. 1 GVG steht dem nicht entgegen. Ob bei
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Zurückverweisung an das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 354 Abs. 3
StPO eine ausdrückliche Zuweisung zu dem Schöffengericht oder dem Strafrichter zwingend erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung (BGH, Beschluss
vom 30. Januar 2008 - 2 StR 290/07). Sie ist dem Revisionsgericht jedenfalls
gestattet.
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d) Angesichts der lediglich teilweisen Aufhebung des Urteils sind die den
Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung tragenden Feststellungen bestandskräftig
geworden. In Bezug auf die noch anhängige Straftat ist der neue Tatrichter
nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen. Diese dürfen allerdings nicht
im Widerspruch zu den bestehen bleibenden Feststellungen stehen (st. Rspr.;
etwa BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996,
203, 204).
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III.
50
Durch die Teilaufhebung des freisprechenden Urteils wird die Entschädigungsentscheidung genauso gegenstandslos wie die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom
17. August 2000 - 4 StR 245/00, insoweit in BGHSt 46, 130 ff. nicht abgedruckt;
BGH, Urteil vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01).
Nack
Rothfuß
Cirener
Jäger
Radtke