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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 6/15
  5. Verkündet am:
  6. 4. November 2015
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 1573, 1578
  19. Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen unterbricht die
  20. "Unterhaltskette" beim Aufstockungsunterhalt auch dann nicht, wenn die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen infolge der Arbeitslosigkeit so weit absinken,
  21. dass sich zeitweilig kein Unterschiedsbetrag mehr zwischen dem - durch den
  22. Einkommensrückgang beeinflussten - vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den anrechenbaren Einkünften des Unterhaltsberechtigten ergibt.
  23. BGH, Urteil vom 4. November 2015 - XII ZR 6/15 - OLG Bamberg
  24. AG Kulmbach
  25. -2-
  26. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 4. November 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
  28. Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats - Familiensenat des Oberlandesgerichts Bamberg vom 18. Dezember 2014 wird
  31. auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Abänderung eines Prozessvergleichs zum nachehelichen Unterhalt für die Zeit seit Januar
  36. 2013.
  37. 2
  38. Die Parteien haben im Jahr 1979 die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe
  39. sind zwei, in den Jahren 1981 und 1984 geborene Söhne hervorgegangen. Der
  40. ältere Sohn ist aufgrund einer Behinderung auswärtig untergebracht; der jüngere Sohn ist wirtschaftlich selbständig.
  41. 3
  42. Die Ehe der Parteien wurde im Jahr 1987 rechtskräftig geschieden. Im
  43. Rahmen eines Scheidungsfolgenvergleichs verpflichtete sich der Kläger, an die
  44. seinerzeit nicht erwerbstätige Beklagte einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.080 DM (entspricht 552,20 €) zu zahlen. Dieser Vergleich
  45. -3-
  46. wurde im Rahmen eines im Jahre 1998 eingeleiteten Abänderungsverfahrens
  47. durch einen am 27. Oktober 1998 geschlossenen Vergleich abgeändert. Dabei
  48. verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen monatlichen Ehegattenunterhalt von noch 685 DM (entspricht 350,23 €) zu zahlen. Zu dieser Zeit betreute
  49. die Beklagte die beiden noch minderjährigen Kinder und ging einer Halbtagsbeschäftigung als Pflegekraft nach.
  50. 4
  51. Mit einer weiteren, im Jahre 2005 erhobenen Abänderungsklage verfolgte der Kläger das Ziel, in Abänderung des am 27. Oktober 1998 geschlossenen
  52. Vergleichs für die Zeit ab dem 1. September 2005 keinen Ehegattenunterhalt
  53. mehr zahlen zu müssen. Zu dieser Zeit übte die Beklagte bereits wieder eine
  54. Vollzeittätigkeit aus. Das Amtsgericht wies die Klage aufgrund einer am 29. November 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung durch Urteil vom 10. Januar 2007 ab. Zur Begründung führte das Amtsgericht unter anderem aus, dass
  55. sich der ungedeckte Unterhaltsbedarf der Beklagten gegenüber den Verhältnissen bei Vergleichsschluss nur unwesentlich geändert habe und von einer Befristung des Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 5 BGB aF) wegen der langen
  56. Ehe- und Kinderbetreuungszeit nicht ausgegangen werden könne; zudem sei
  57. der Kläger mit dem Befristungseinwand "präkludiert", weil dieser im Erstverfahren hätte geltend gemacht werden müssen. Das Urteil des Amtsgerichts wurde
  58. rechtskräftig, nachdem der Kläger seine dagegen gerichtete Berufung im Juli
  59. 2007 zurückgenommen hatte.
  60. 5
  61. Der Kläger arbeitete seit 2004 als Betriebsleiter bei einem Unternehmen
  62. in der Tschechischen Republik. Dieses Arbeitsverhältnis beendete er Ende
  63. 2010 aus gesundheitlichen Gründen. Zwischen Januar 2011 und September
  64. 2012 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I und anschließend zwischen Oktober
  65. 2012 und Dezember 2012 Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
  66. SGB II. Seit Januar 2013 ist er wieder als kaufmännischer Angestellter erwerbs-
  67. -4-
  68. tätig und bezieht monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von zuletzt rund 2.650 €.
  69. Die Beklagte arbeitet weiterhin vollschichtig als Pflegekraft und hat ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.850 €.
  70. 6
  71. Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger mit seiner im Juli 2009 erhobenen Abänderungsklage erneut auf einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht,
  72. diesmal für die Zeit ab dem 1. April 2009, angetragen. Das Amtsgericht hat der
  73. Klage teilweise stattgegeben. Es hat den Unterhalt für die Zeit zwischen dem
  74. 1. Januar 2011 und dem 30. September 2012 auf monatlich 133 € (2011) bzw.
  75. 94 € (2012) herabgesetzt und ausgesprochen, dass seit dem 1. Oktober 2012
  76. kein Unterhalt mehr geschuldet werde. Auf die Berufung der Beklagten hat das
  77. Oberlandesgericht das angefochtene Urteil - unter Aufrechterhaltung der amtsgerichtlichen Entscheidung im Übrigen - für die Zeit seit dem 1. Januar 2013
  78. abgeändert und den Kläger weiterhin zur Zahlung eines unbefristeten Ehegattenunterhalts in Höhe von monatlich 43 € (2013) bzw. 188 € (seit Januar 2014)
  79. für verpflichtet gehalten.
  80. 7
  81. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, der eine
  82. vollständige Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
  83. Entscheidungsgründe:
  84. 8
  85. Die Revision hat keinen Erfolg.
  86. 9
  87. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum
  88. 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor
  89. diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9 f.).
  90. -5-
  91. I.
  92. 10
  93. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von
  94. Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
  95. 11
  96. Mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit durch den Kläger im Januar 2013 bestehe aufseiten der Beklagten wieder ein ungedeckter monatlicher Bedarf in
  97. Höhe von 43 € zwischen Januar und Dezember 2013 und in Höhe von 188 €
  98. seit Januar 2014. Die kurzzeitige Einkommensverschlechterung aufseiten des
  99. Klägers durch den Bezug von Arbeitslosengeld II in den Monaten Oktober bis
  100. Dezember 2012 und die deshalb in diesem Zeitraum fehlende Bedürftigkeit der
  101. Beklagten habe die Unterhaltskette nicht unterbrochen. Der Beklagten habe
  102. zunächst seit Rechtskraft der Scheidung ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt
  103. - in Kombination mit Aufstockungsunterhalt - und unmittelbar daran anschließend ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zugestanden. Der fortdauernde
  104. Anspruch auf Aufstockungsunterhalt habe nicht zur Voraussetzung, dass auch
  105. eine Bedürftigkeit seitens des Unterhaltsgläubigers bestehe. Voraussetzung sei
  106. vielmehr das Bestehen eines Einkommensgefälles. Ein solches sei hier durchgehend für den Zeitraum bis September 2012 und erneut seit Januar 2013 gegeben. Der kurzfristige Wegfall des Einkommensgefälles in den Monaten Oktober bis Dezember 2012 bringe den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht zum
  107. Erlöschen. Denn wenn der Unterhaltsberechtigte sein Erwerbseinkommen erhöhe und mit diesen Einkünften dann den vollen Unterhalt decken könne, erlösche sein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nur dann, wenn der volle Unterhalt durch seine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert sei. Nichts anderes könne
  108. im umgekehrten Fall gelten. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt erlösche
  109. bei einer Verringerung des Einkommens aufseiten des Unterhaltspflichtigen
  110. daher nur dann, wenn diese Einkommensverringerung auf nachhaltig eingetre-
  111. -6-
  112. tenen Umständen beruhe. Solche Umstände lägen hier nicht vor, weil der Kläger bereits nach drei Monaten wieder ein als eheprägend anzusehendes Erwerbseinkommen in ausreichender Höhe erzielt habe. Eine Begrenzung des
  113. Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB sei nicht vorzunehmen, weil der Kläger mit diesem Einwand ausgeschlossen sei. Die mündliche Verhandlung im
  114. Vorprozess sei am 19. November 2006 und damit nach Veröffentlichung der
  115. Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2006 geschlossen worden.
  116. II.
  117. 12
  118. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
  119. 13
  120. 1. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573
  121. Abs. 2 BGB) auch für den Unterhaltszeitraum seit Januar 2013 zu.
  122. 14
  123. a) Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte als
  124. Aufstockungsunterhalt den Unterschiedsbetrag zwischen den anrechenbaren
  125. Eigeneinkünften und dem vollen Unterhalt gemäß § 1578 BGB verlangen, wenn
  126. die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt
  127. nicht ausreichen. Der Wortlaut des Gesetzes bezeichnet - anders als in den
  128. Fällen der §§ 1571, 1572, 1573 Abs. 1 BGB - keine konkreten Einsatzzeiten.
  129. Der Senat hat indessen mehrfach betont, dass auch der Anspruch nach § 1573
  130. Abs. 2 BGB gesetzessystematisch an die Wahrung von Einsatzzeiten geknüpft
  131. sein muss, weil die in § 1573 Abs. 3 und Abs. 4 BGB enthaltenen Regelungen
  132. nicht verständlich wären, wenn für den Anspruch auf (originären) Aufstockungsunterhalt nicht ein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung bestehen müsste (vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 84 = FamRZ 2005, 1817, 1819 und
  133. vom 1. Juni 1983 - IVb ZR 389/81 - FamRZ 1983, 886). Auch der Anspruch auf
  134. -7-
  135. Aufstockungsunterhalt setzt somit einen zeitlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der geschiedenen Ehe und der aufseiten des
  136. Unterhaltsberechtigten eingetretenen Bedürftigkeitslage voraus; insoweit spiegelt sich in den Einsatzzeitpunkten auch der Grundsatz der unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) wider.
  137. 15
  138. Damit der Anspruch auf (originären) Aufstockungsunterhalt später weiter
  139. besteht, müssen dessen tatbestandsspezifische Voraussetzungen seit der
  140. Scheidung grundsätzlich ohne zeitliche Lücke gegeben sein. Ist dies der Fall,
  141. kommt es nicht darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte seinen Anspruch sofort
  142. zur Zeit der Scheidung oder erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend macht
  143. (vgl. Senatsurteil BGHZ 163, 84 = FamRZ 2005, 1817, 1819). Soll Aufstockungsunterhalt als Anschlussunterhalt (§ 1573 Abs. 3 BGB) geltend gemacht
  144. werden, müssen zuvor die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen des weggefallenen Unterhaltstatbestandes (§§ 1570 bis 1572, 1575 BGB) durchgehend
  145. vorgelegen haben.
  146. 16
  147. b) Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass der Beklagten auch unter dem
  148. rechtlichen Gesichtspunkt der Wahrung von Einsatzzeiten ein Anspruch auf
  149. Aufstockungsunterhalt bis einschließlich September 2012 zugestanden hat.
  150. Ohne Erfolg macht sie indessen geltend, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten wegen Unterbrechung der "Unterhaltskette" dauerhaft erloschen sei,
  151. nachdem das (Sozial-)Einkommen des Klägers in den Monaten Oktober bis
  152. Dezember 2012 unter das Einkommen der Beklagten gesunken war.
  153. 17
  154. aa) Das Erfordernis der lückenlosen Unterhaltskette gebietet im Ausgangspunkt nur, dass die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen der jeweiligen Unterhaltsnorm ohne Unterbrechung vorgelegen haben müssen. Ist dies
  155. der Fall und wird Unterhalt vorübergehend nur deshalb nicht geschuldet, weil
  156. der Unterhaltsberechtigte nicht bedürftig oder der Unterhaltspflichtige nicht leis-
  157. -8-
  158. tungsfähig war, steht dies Unterhaltsansprüchen in der Zeit nach der Wiederherstellung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit nicht zwingend entgegen
  159. (vgl. Johannsen/Henrich/Hammermann Familienrecht 6. Aufl. § 1569 BGB
  160. Rn. 7; Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
  161. 9. Aufl. § 4 Rn. 112).
  162. 18
  163. bb) Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen und
  164. die damit einhergehende Reduzierung seiner Einkünfte unterbricht die Unterhaltskette auch beim Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB nicht.
  165. 19
  166. (1) Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass
  167. sowohl ein nicht vorwerfbarer nachehelicher Einkommensrückgang als auch
  168. eine nicht vorwerfbare nacheheliche Arbeitslosigkeit aufseiten des Unterhaltspflichtigen für die ehelichen Lebensverhältnisse prägend sind und daher bereits
  169. auf das Maß des Unterhalts durchschlagen (vgl. Senatsurteile BGHZ 192, 45
  170. = FamRZ 2012, 281 Rn. 24 und BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590, 591 f.).
  171. Weil der Tatbestand des § 1573 Abs. 2 BGB explizit auf § 1578 BGB Bezug
  172. nimmt, scheidet ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt an sich bereits auf der
  173. Tatbestandsebene aus, wenn die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen infolge
  174. seiner Arbeitslosigkeit - wie es hier in den Monaten zwischen Oktober und Dezember 2012 der Fall gewesen ist - so weit absinken, dass sich kein Unterschiedsbetrag mehr zwischen dem durch den Einkommensrückgang beeinflussten vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den anrechenbaren Eigeneinkünften des Unterhaltsberechtigten ergibt. Andererseits
  175. kann es aber nicht in Frage stehen, dass auch die erneute Aufnahme einer Berufstätigkeit durch den zuvor arbeitslos gewesenen Unterhaltspflichtigen bei
  176. Fortbestand der Ehe deren Verhältnisse geprägt hätte, zumal ein voll erwerbsfähiger Unterhaltspflichtiger dadurch seiner Erwerbsobliegenheit gegenüber
  177. dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nachkommt (vgl. dazu auch Senatsurteil
  178. -9-
  179. vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255). Dies rechtfertigt die Annahme, dass der Anspruch des Berechtigten auf Aufstockungsunterhalt auch während einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit des Pflichtigen zumindest latent weiterhin vorhanden und die Unterhaltskette deshalb nicht unterbrochen worden ist.
  180. 20
  181. (2) Diese Sichtweise steht auch mit der Wertung des § 1573 Abs. 4 BGB
  182. in Einklang. Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt
  183. verlangen, wenn die zunächst erzielten Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen
  184. war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu
  185. sichern. Dieser Regelung liegt der Gedanke zu Grunde, dass derjenige Ehegatte, dessen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert ist, auf
  186. eine nachwirkende eheliche Solidarität später nicht mehr zurückgreifen können,
  187. sondern alle Folgen der noch ungewissen künftigen Entwicklung - insbesondere
  188. das Arbeitsmarktrisiko - allein tragen soll (vgl. Senatsurteil vom 17. September
  189. 2003 - XII ZR 184/01 - FamRZ 2003, 1734, 1736). Das Gesetz belässt es indessen dabei, dem Unterhaltsberechtigten sein eigenes Arbeitsmarktrisiko zuzuweisen, sobald eine nachhaltige Unterhaltssicherung eingetreten ist. Soweit
  190. sich das Gesetz demgegenüber nicht zum Arbeitsmarktrisiko des Unterhaltspflichtigen verhält, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass
  191. auch dieses in die alleinige Sphäre des Unterhaltsberechtigten fallen soll (vgl.
  192. auch Büttner FamRZ 2005, 1899 f.).
  193. 21
  194. (3) Schließlich hat der Senat in seiner Rechtsprechung zur Wahrung der
  195. maßgeblichen Einsatzzeitpunkte beim Aufstockungsunterhalt (nur) auf das Vorliegen eines Einkommensgefälles zwischen den Ehegatten, nicht aber darauf
  196. abgestellt, ob sich dieses Einkommensgefälle bereits im maßgebenden Einsatzzeitpunkt in einem Anspruch auf Aufstockungsunterhalt niedergeschlagen
  197. - 10 -
  198. hat. Ließ sich im Einsatzzeitpunkt rechnerisch kein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt darstellen, weil der mehrverdienende Ehegatte von seinem höheren
  199. Einkommen eheprägende Verbindlichkeiten bedient hat, hindert dies eine nachträgliche Geltendmachung von Aufstockungsunterhalt durch den anderen Ehegatten nicht, wenn der Schuldendienst zu einem späteren Zeitpunkt infolge der
  200. Kredittilgung entfällt (Senatsurteil vom 2. Juni 2010 - XII ZR 138/08 - FamRZ
  201. 2010, 1311 Rn. 36). Nichts anderes gilt, wenn der mehrverdienende Ehegatte
  202. im Einsatzzeitpunkt wegen eines von ihm geleisteten Kindesunterhalts rechnerisch keinen Aufstockungsunterhalt schuldet und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind später wegfällt (ebenso Johannsen/Henrich/Hammermann Familienrecht 6. Aufl. § 1573 BGB Rn. 42; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 7. Aufl. Teil IV Rn. 332). Schon im maßgebenden Einsatzzeitpunkt
  203. muss daher der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt im Hinblick auf das Einkommensgefälle zwischen den Ehegatten nur latent vorhanden sein; er kann
  204. bei einer Veränderung eheprägender Umstände auch nach dem Einsatzzeitpunkt noch entstehen.
  205. 22
  206. 2. Auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Befristung des nachehelichen Unterhalts abgelehnt hat, begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  207. 23
  208. a) Wurde ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2
  209. BGB nach der Veröffentlichung des Senatsurteils vom 12. April 2006
  210. (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) durch Urteil - gegebenenfalls auch in Abänderung eines zuvor geschlossenen Prozessvergleichs - festgelegt, so ergibt
  211. sich weder aus der anschließenden Senatsrechtsprechung noch aus dem Inkrafttreten des § 1578 b BGB am 1. Januar 2008 eine wesentliche Änderung
  212. der rechtlichen Verhältnisse. Das gilt auch dann, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten betreut wur-
  213. - 11 -
  214. den (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012,
  215. 288 Rn. 39 und vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884
  216. Rn. 30 ff.).
  217. 24
  218. b) Dies verkennt auch die Revision nicht. Sie meint aber, dass diese
  219. Grundsätze dann nicht zur Anwendung kommen, wenn es im ersten Abänderungsverfahren nicht zu einer (Neu-)Festsetzung des Unterhalts, sondern (nur)
  220. zu einer vollständigen Abweisung des Abänderungsbegehrens des Unterhaltspflichtigen gekommen ist. Dies trifft so nicht zu. Wird bei einem durch Vergleich
  221. titulierten Unterhalt ein erstes Abänderungsbegehren des Unterhaltspflichtigen
  222. in vollem Umfange zurückgewiesen, ist der Unterhaltspflichtige mit seinem erneuten Abänderungsbegehren der Beschränkung durch die Präklusionsvorschriften ausgesetzt, deren Reichweite sich aus der Wirkung der Rechtskraft
  223. der ersten Abänderungsentscheidung ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Mai
  224. 2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 16 ff.; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 10 Rn. 254). Die
  225. Rechtskraft einer im ersten Abänderungsverfahren ergangenen ablehnenden
  226. gerichtlichen Entscheidung gebietet es, die im zweiten Abänderungsverfahren
  227. vorgebrachten Gründe, mit denen der Unterhaltsverpflichtete eine erneute Entscheidung über denselben Verfahrensgegenstand anstrebt, zunächst daran zu
  228. messen, ob veränderte Umstände vorliegen (Senatsbeschluss vom 29. Mai
  229. 2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 18).
  230. 25
  231. c) Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht die im Jahr 2005 erhobene
  232. Abänderungsklage durch sein am 10. Januar 2007 verkündetes Urteil mit der
  233. Begründung abgewiesen, dass sich der Unterhaltsbedarf der Beklagten gegenüber den Verhältnissen bei Vergleichsschluss im Jahre 1998 nicht verringert
  234. habe; dabei hat es aufseiten der Beklagten Einkünfte aus einer vollschichtigen
  235. Erwerbstätigkeit in die Unterhaltsbemessung eingestellt. Das Amtsgericht hat
  236. - 12 -
  237. sich in den Entscheidungsgründen mit dem vom Kläger geltend gemachten
  238. Einwand der Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB aF auseinandergesetzt und
  239. eine Befristung ausdrücklich abgelehnt. Soweit das Amtsgericht damit in Bezug
  240. auf die Unterhaltsbefristung eine Billigkeitsentscheidung getroffen hat, wird diese von der Rechtskraft seiner Entscheidung erfasst. Da sich die für die Billigkeitsentscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse - insbesondere im
  241. Hinblick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen ehebedingter Nachteile der Beklagten - nach den getroffenen Feststellungen seither nicht geändert haben,
  242. kommt es allein darauf an, ob eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse zur Unterhaltsbefristung eingetreten ist. Dies ist mit Blick darauf, dass
  243. die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am 29. November 2006 geschlossen worden ist, nicht der Fall.
  244. Dose
  245. Weber-Monecke
  246. Günter
  247. Klinkhammer
  248. Botur
  249. Vorinstanzen:
  250. AG Kulmbach, Entscheidung vom 11.12.2013 - 1 F 286/09 OLG Bamberg, Entscheidung vom 18.12.2014 - 2 UF 15/14 -