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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 183/13
  5. Verkündet am:
  6. 17. Februar 2016
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 305 c Abs. 2
  19. Die in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene AGB-Klausel
  20. "Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der bei
  21. Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter."
  22. ist hinsichtlich der durch die Vermietbarkeit des bebauten Grundstücks bedingten Grundsteuererhöhung nicht eindeutig und daher zu Lasten des Verwenders
  23. auszulegen.
  24. BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 - XII ZR 183/13 - OLG Stuttgart
  25. LG Heilbronn
  26. ECLI:DE:BGH:2016:170216UXIIZR183.13.0
  27. -2-
  28. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 17. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
  30. Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats
  33. des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. November 2013 aufgehoben.
  34. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für
  35. Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 17. April 2013
  36. wird zurückgewiesen.
  37. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Klägerin auferlegt.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Die Parteien sind durch einen Geschäftsraummietvertrag miteinander
  42. verbunden. Sie streiten über die Umlage von Grundsteuer.
  43. 2
  44. Durch Mietvertrag vom März 2007 vermietete die Klägerin der Beklagten
  45. ein Ladenlokal in einem damals noch zu errichtenden Geschäftshaus in der Innenstadt von Heilbronn. Im Zusammenhang mit den Nebenkosten enthält der
  46. -3-
  47. Mietvertrag folgende von der Klägerin gestellte allgemeine Geschäftsbedingung:
  48. Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der
  49. bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter (…).
  50. 3
  51. Die Übergabe der Mieträume erfolgte am 1. Dezember 2008. Die Eröffnung des Geschäftshauses mit insgesamt vier Mietern fand am 5. März 2009
  52. statt. Für das Jahr 2009 wurde die Grundsteuer durch Bescheid der Stadt
  53. Heilbronn vom 9. Januar 2009 ausgehend von einem Grundsteuermessbetrag
  54. für ein unbebautes Grundstück auf 16.029,24 € festgesetzt. Mit Bescheid vom
  55. 11. Januar 2010 wurde die Grundsteuer - nunmehr aufgrund eines Grundsteuermessbetrags für ein Geschäftsgrundstück - auf 66.998,14 € festgesetzt.
  56. 4
  57. Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung der nach ihrer Auffassung auf die Beklagte entfallenden Anteile der Grundsteuerdifferenz für die Jahre 2010 und 2011, die sich auf insgesamt 45.310,63 € belaufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
  58. -4-
  59. Entscheidungsgründe:
  60. 5
  61. Die Revision hat Erfolg.
  62. I.
  63. 6
  64. Das Berufungsgericht hat die Vertragsklausel im Gegensatz zum Landgericht dahin ausgelegt, dass sämtliche Erhöhungen der Grundsteuer, also
  65. auch die Erhöhung wegen des nach Bebauung geänderten Einheitswerts und
  66. Grundsteuermessbetrags, zur Umlage des Differenzbetrags auf die Mieter berechtigten. Der Wortlaut sei eindeutig. Das gelte auch für den Vergleichsmaßstab der "bei Übergabe des Objektes erhobenen Grundsteuer". Da die Anpassung in der Regel zeitlich verzögert nach Bebauung und Vermietung des
  67. Grundstücks erfolge, ergebe sich daraus eine Grundsteuererhöhung gegenüber
  68. der bei Übergabe des Objekts noch auf der Grundlage eines unbebauten
  69. Grundstücks erhobenen Grundsteuer.
  70. 7
  71. Es treffe nicht zu, dass durch einen Bezug der Klausel auf das Objekt nur
  72. das bebaute Grundstück gemeint sein könne. Die Klausel sei so auszulegen,
  73. wie sie typischerweise von an solchen Geschäften beteiligten Kreisen verstanden werde. Danach erfasse sie auch Grundsteuererhöhungen, die sich aus einer Neubebauung ergäben. Der Grundsteuerbescheid ergehe in der Regel erst
  74. nach Übergabe des Mietobjekts. Wer, wie die Beklagte, deutschlandweit Warenhäuser betreibe, sei mit den Grundlagen des Steuerrechts und damit auch
  75. mit der unterschiedlichen Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke
  76. vertraut. Aus der vertraglichen Nebenkostenregelung werde deutlich, dass die
  77. Vermieterin ihre Nebenkosten weitgehend auf die Mieter überwälzen wolle. Soweit die Grundsteuererhöhung auf geänderten Hebesätzen beruhe, sei sie im
  78. Vergleich zur Miete geringfügig.
  79. -5-
  80. 8
  81. Es ergebe sich auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach
  82. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mehrdeutig im Sinne von § 305 c BGB sei die Klausel
  83. ebenfalls nicht.
  84. II.
  85. 9
  86. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung
  87. des Berufungsgerichts ist die fragliche Vertragsklausel jedenfalls nicht eindeutig
  88. im Sinne der Klägerin auszulegen, welche als Verwenderin der allgemeinen
  89. Geschäftsbedingungen nach § 305 c Abs. 2 BGB den Nachteil der Mehrdeutigkeit zu tragen hat.
  90. 10
  91. 1. Die Klausel unterliegt als allgemeine Geschäftsbedingung in vollem
  92. Umfang der Auslegung durch das Revisionsgericht, das dabei nicht an die Auslegung des Berufungsgerichts gebunden ist (BGHZ 163, 321, 323 f. = NJW
  93. 2005, 2919, 2920). Dafür gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz der objektiven Auslegung (BGH Urteil vom 18. Juli
  94. 2007 - VIII ZR 227/06 - NJW-RR 2007, 1697 Rn. 23 mwN und Senatsurteil
  95. BGHZ 176, 191 = NJW 2008, 2497 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dementsprechend nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn
  96. einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGH
  97. Urteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 244/08 - NJW 2010, 293 Rn. 11 mwN und
  98. Senatsurteil BGHZ 162, 39 = NJW 2005, 1183, 1184 mwN).
  99. -6-
  100. 11
  101. 2. Nach diesen Maßstäben führt die Auslegung der Klausel im vorliegenden Fall dazu, dass für den Fall der Neufestsetzung der Grundsteuer aufgrund
  102. der Bebauung und Vermietbarkeit des Grundstücks unklar bleibt, ob die sich
  103. daraus ergebenden Differenzbeträge auf die Mieter umlegbar sind.
  104. 12
  105. a) Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht allerdings im Ausgangspunkt.
  106. Das Abstellen der Klausel auf Erhöhungen der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer spricht dafür, dass maßgebliche Vergleichsgröße die bei
  107. Übergabe des Mietobjekts festgesetzte Grundsteuer ist. Dass die Klausel auf
  108. die "erhobene" Grundsteuer verweist, deutet darauf hin, dass es auf die behördliche Steuerfestsetzung ankommt, wie sie im konkreten Fall zum Zeitpunkt der
  109. Übergabe erfolgt ist. Die Steuerfestsetzung beruhte im vorliegenden Fall bei
  110. Übergabe des Mietobjekts noch auf dem unbebauten Grundstück und dem sich
  111. daraus ergebenden Steuermessbetrag.
  112. 13
  113. b) Eine solche Betrachtung wäre jedoch nicht vollständig. Sie wird vielmehr durch den Umstand in Frage gestellt, dass in der Klausel von dem Objekt
  114. die Rede ist. Damit enthält schon der Wortlaut der Klausel einen Hinweis darauf, dass anstelle der tatsächlich festgesetzten Grundsteuer auch eine Erhöhung der von vornherein auf das Mietobjekt bezogenen Grundsteuer gemeint
  115. sein kann. Denn bei dem Objekt handelt es sich um das Mietobjekt, wie es sich
  116. aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Dieses besteht aber nicht aus dem
  117. unbebauten Grundstück, auf welches sich der bei Übergabe geltende Steuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 GrStG) bezieht, sondern aus den vertraglich als Mietgegenstand vereinbarten Räumen. Das lässt es wiederum als zumindest nicht
  118. fernliegend erscheinen, dass mit der erhobenen Grundsteuer diejenige gemeint
  119. ist, die für das bebaute Grundstück festzusetzen ist, und mithin die später so
  120. festgesetzte Steuer die Vergleichsgröße für auf die Mieter umzulegende Erhö-
  121. -7-
  122. hungen darstellt (ebenso für eine ähnliche Klausel OLG Celle ZMR 1990, 410,
  123. 411; vgl. auch OLG Hamm ZMR 1986, 198, 199).
  124. 14
  125. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus etwas anderes ergibt, dass der
  126. Grundsteuerbescheid mit dem erhöhten Steuermessbetrag in der Regel erst
  127. nach Übergabe des Mietobjekts ergeht. Daraus folgt noch nicht ohne weiteres,
  128. dass die Beklagte als Mieterin sich auch mit der Tragung des Differenzbetrags
  129. einverstanden erklären wollte (vgl. OLG Celle ZMR 1990, 410, 411; OLG Hamm
  130. ZMR 1986, 198, 199).
  131. 15
  132. Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass durch die Klausel der Umfang der Grundsteuerumlage im Zweifel einheitlich festgelegt und nicht erst von
  133. den bei Vertragsschluss noch ungewissen Zeitpunkten der Übergabe und der
  134. steuerlichen Wertfortschreibung (§ 22 BewG) abhängig gemacht werden sollte.
  135. Da die für die erhöhte Festsetzung des Einheitswerts und die daran gekoppelte
  136. Neufestsetzung der Grundsteuer maßgebliche Vermietbarkeit des bebauten
  137. Grundstücks bereits einige Zeit vor Übergabe des Objekts verwirklicht sein
  138. kann, hinge es vom zeitlichen Ablauf und von dem Vorgehen der Steuerbehörden ab, ob die Neufestsetzung noch vor Übergabe des Mietobjekts stattfindet
  139. oder nicht. Wäre etwa der Einheitswert nach Fertigstellung des Geschäftshauses und Eintritt der Vermietbarkeit bereits 2008 mit Wirkung ab dem Jahresbeginn 2009 (§§ 22 Abs. 4 Satz 1, 3 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 2, 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  140. BewG) fortgeschrieben worden und in die Steuerfestsetzung für 2009 eingeflossen (vgl. §§ 17, 18 GrStG, § 22 Abs. 2 BewG sowie FG Nürnberg DStRE
  141. 2011, 1383) und wäre die Übergabe des Mietobjekts erst nach dieser Steuerfestsetzung erfolgt, so hätte auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts
  142. die Klägerin als Vermieterin die höhere Grundsteuer zu tragen. Die Auslegung
  143. des Berufungsgerichts würde mithin zu dem Ergebnis führen, dass wesentliche
  144. -8-
  145. Aspekte der Grundsteuertragung bzw. -umlage bei Vertragsschluss noch nicht
  146. feststünden, sondern variabel wären und davon abhingen, wann das Mietobjekt
  147. fertiggestellt und vermietbar ist, wann die Grundsteuer nach dem höheren Einheitswert festgesetzt wird und wann die Übergabe des Objekts erfolgt. Das gilt
  148. erst recht im Hinblick auf eine möglicherweise rückwirkende Erhöhung der
  149. Grundsteuer (vgl. OLG Frankfurt NZM 2000, 243, 244).
  150. 16
  151. c) Auch aus den weiteren vom Berufungsgericht angeführten Umständen
  152. ergibt sich keine Eindeutigkeit der Regelung.
  153. 17
  154. Für die vom Berufungsgericht vorgenommene restriktive Auslegung der
  155. Klausel im Sinne einer möglichst umfassenden Überwälzung der Nebenkosten
  156. auf die Mieter besteht keine Grundlage. Wie aus der Klausel ersichtlich ist, sollte die Grundsteuer grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, wie dies
  157. auch der gesetzlichen Regelung entspricht. Damit liefert die Klausel auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa der größere Teil der Grundsteuer von den
  158. Mietern zu tragen sein soll.
  159. -9-
  160. 18
  161. d) Die somit verbleibenden Zweifel gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu
  162. Lasten der Klägerin als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
  163. Ob auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB vorliegt,
  164. braucht daher nicht entschieden zu werden.
  165. 19
  166. 3. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in
  167. der Sache abschließend entscheiden. Da es zur Umlegung der geltend gemachten Grundsteuerbeträge an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt, ist das
  168. landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
  169. Dose
  170. Weber-Monecke
  171. Nedden-Boeger
  172. Schilling
  173. Guhling
  174. Vorinstanzen:
  175. LG Heilbronn, Entscheidung vom 17.04.2013 - 23 O 72/12 KfH OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.11.2013 - 13 U 76/13 -