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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 86/13
  4. vom
  5. 6. November 2013
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. VBVG § 2 Satz 1; FamFG § 168 Abs. 1 Satz 4; JBeitrO § 8
  14. a) Die materielle Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG findet keine analoge Anwendung auf die Rückforderung überzahlter Betreuervergütung durch die Staatskasse.
  15. b) Einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber
  16. dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist.
  17. BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 86/13 - LG Berlin
  18. AG Tempelhof-Kreuzberg
  19. -2-
  20. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2013 durch den
  21. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Dr. Botur
  22. beschlossen:
  23. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss
  24. der 87. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 18. Januar 2013
  25. aufgehoben.
  26. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  27. über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
  28. Beschwerdewert: bis 900 €
  29. Gründe:
  30. 1
  31. Das Verfahren betrifft die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung
  32. nach §§ 292 Abs. 1, 168 Abs. 1 Satz 4 FamFG zum Zweck der Rückforderung
  33. überzahlter Beträge.
  34. I.
  35. 2
  36. Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuerin) wurde 2006 als Berufsbetreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt. Während die Betreuerin im ersten
  37. Betreuungsjahr (27. November 2006 bis 26. November 2007) für die Betreuungsführung Vergütungen aus der Landeskasse auf der Grundlage eines Stun-
  38. -3-
  39. densatzes von 27 € beantragt hatte, machte sie im zweiten, dritten und vierten
  40. Betreuungsjahr (27. November 2007 bis 26. November 2010) einen Stundensatz von 33,50 € geltend. Den erhöhten Stundensatz begründete sie damit,
  41. dass sie seit 2001 als Berufsbetreuerin arbeite, zahlreiche Betreuungen führe,
  42. die dazu erforderlichen Kenntnisse im Selbststudium und durch praktische Anwendung gefestigt und darüber hinaus an verschiedenen Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen habe. Im Wege der Verwaltungsanweisung wurden
  43. der Betreuerin jeweils antragsgemäß Vergütungen aus der Landeskasse bewilligt und für den Betreuungszeitraum vom 27. November 2007 bis 26. November
  44. 2010 im Dezember 2008, Januar 2010 und Januar 2011 in Höhe von insgesamt
  45. 4.130,55 € ausgezahlt.
  46. 3
  47. Auf Anregung des Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Bezirksrevisor) hat
  48. das Amtsgericht gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Vergütung für die Betreuerin für den Zeitraum vom 27. November 2007 bis 26. November 2010 auf
  49. der Grundlage eines Stundensatzes von 27 € auf insgesamt 3.329,10 € festgesetzt. Zugleich hat es die Erstattung der während dieses Zeitraums zu viel ausgezahlten Vergütung in Höhe von 801,45 € an die Landeskasse angeordnet.
  50. Weiter hat es angekündigt, dass der überzahlte Betrag mit dem nächsten Vergütungsantrag der Betreuerin verrechnet werde, sofern keine Erstattung erfolge.
  51. 4
  52. Die Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Aufforderung zur Erstattung der zu viel ausgezahlten
  53. Vergütung in Höhe von 801,45 € an die Landeskasse entfalle. In der Sache habe das Amtsgericht allerdings zutreffend angenommen, dass der Betreuerin für
  54. die berufsmäßige Betreuung nur eine Vergütung nach einem Stundesatz in Höhe von 27 € zustehe.
  55. -4-
  56. 5
  57. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Betreuerin die
  58. Festsetzung ihrer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes
  59. von 33,50 €.
  60. II.
  61. 6
  62. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  63. 7
  64. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Betreuerin
  65. durch die gerichtliche Festsetzung der Betreuervergütung beschwert, weil diese
  66. eine Beitreibung des überzahlten Betrags im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO vorbereitet (vgl. OLG Köln FGPrax 2006,
  67. 116; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 8 T 955/07 - juris
  68. Rn. 17).
  69. 8
  70. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
  71. 9
  72. a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
  73. 10
  74. Das Amtsgericht sei in dem auf Anregung des Bezirksrevisors eingeleiteten gerichtlichen Festsetzungsverfahren nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168
  75. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG nicht an die zuvor erfolgten Anweisungen der Vergütungen im Verwaltungsverfahren gebunden gewesen. Zutreffend sei das
  76. Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass eine erstmalige förmliche Festsetzung der Betreuervergütung für die Zeit vom 27. November 2007 bis zum
  77. 26. November 2010 noch habe ergehen können. Zwar werde von Teilen der
  78. Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Frist des § 2 VBVG auf die
  79. -5-
  80. Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entsprechend anwendbar sei.
  81. Danach wäre eine Rückforderung der Vergütungen für die bis zum 27. Februar
  82. 2010 erbrachten Betreuerleistungen angesichts des erst am 22. Juni 2011 bei
  83. Gericht eingegangenen Antrags des Bezirksrevisors ausgeschlossen gewesen.
  84. Dieser Ansicht sei nicht zu folgen. Zweck der Ausschlussfrist des § 2 VBVG sei
  85. es zu verhindern, dass ein Betreuer durch säumige Abrechnung erhebliche Ansprüche anhäufe, so dass er nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG die Staatskasse in
  86. Anspruch nehmen könne, wenn der Betreute jedenfalls zur vollständigen Begleichung der Betreuervergütung nicht in der Lage sei und deshalb als mittellos
  87. gelte. Schon diese Zielrichtung der Vorschrift verbiete es, einen Rückforderungsanspruch der Staatskasse wegen überzahlter Vergütung der Ausschlussfrist des § 2 VBVG zu unterstellen. Der Rückforderungsanspruch unterliege lediglich der dreijährigen Verjährungsfrist des § 2 Abs. 4 JVEG, die aber im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Bezirksrevisor noch nicht abgelaufen gewesen sei.
  88. 11
  89. b) Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen
  90. Nachprüfung stand.
  91. 12
  92. aa) Allerdings ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht
  93. keinen erhöhten Stundensatz für die Tätigkeit der Betreuerin festgesetzt hat.
  94. Die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, nach der die Betreuerin
  95. nicht über besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die sie
  96. durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule, eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat,
  97. hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zur Höhe des dem Berufsbetreuer gemäß § 4 VBVG zu vergütenden Stundensatzes (Senatsbeschlüsse
  98. vom 18. Januar 2012 - XII ZB 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 11; vom 4. April
  99. -6-
  100. 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 16 ff. und vom 22. August 2012
  101. - XII ZB 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 16 ff.) in nicht zu beanstandender
  102. Weise entschieden, dass das von der Betreuerin abgeschlossene Hochschulstudium im Studiengang Chemie keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt und die von ihr absolvierten Fort- und
  103. Weiterbildungsmaßnahmen ohne staatlich reglementierten Abschluss einer abgeschlossenen Lehre nicht vergleichbar sind (Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 2012 - XII ZB 461/10 - FamRB 2012, 119 Rn. 11 f. und vom 26. Oktober
  104. 2011 - XII ZB 312/11 - FamRZ 2012, 113 Rn. 14 ff.).
  105. 13
  106. bb) Ebenso hat das Beschwerdegericht zutreffend eine analoge Anwendung des § 2 VBVG auf die amtswegige gerichtliche Festsetzung nach § 168
  107. Abs. 1 Satz 1 FamFG mit dem Ziel der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung abgelehnt.
  108. 14
  109. Gemäß § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG setzt
  110. das Amtsgericht auf Antrag des Betreuers oder des Betreuten oder von Amts
  111. wegen in einem gerichtlichen Festsetzungsverfahren die dem Betreuer zu bewilligende Vergütung fest. Schließt sich das gerichtliche Festsetzungsverfahren
  112. - wie hier - an eine Festsetzung und Auszahlung der Betreuervergütung im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168
  113. Abs. 1 Satz 4 FamFG durch den Kostenbeamten des Gerichts an, ist das Gericht nicht an die vorherige Festsetzung gebunden; es kann diese über- oder
  114. unterschreiten. Mit der gerichtlichen Entscheidung wird die Anweisung des Kostenbeamten des Gerichts wirkungslos (OLG Köln FGPrax 2006, 116; Keidel/
  115. Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 168 Rn. 5; Deinert/Lütgens Die Vergütung des
  116. Betreuers 6. Aufl. Rn. 1495; Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 168
  117. Rn. 5; Zöller/Lorenz ZPO 29. Aufl. § 168 FamFG Rn. 3; Jurgeleit/Maier Betreu-
  118. -7-
  119. ungsrecht 2. Aufl. § 168 FamFG Rn. 9; vgl. auch Senatsbeschluss vom
  120. 27. Februar 2013 - XII ZB 492/12 - FamRZ 2013, 781 Rn. 7 mwN).
  121. 15
  122. Ist die Tätigkeit des Betreuers gemäß § 4 VBVG entsprechend seiner
  123. Ausbildung tatsächlich mit einem geringeren als dem bei der Anweisung im
  124. vereinfachten Justizverwaltungsverfahren zugrunde gelegten Stundensatz zu
  125. vergüten, kann die Staatskasse den überzahlten Betrag grundsätzlich zurückfordern. Ihr steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu
  126. (OLG Köln FGPrax 2006, 116; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember
  127. 2007 - 8 T 955/07 - juris Rn. 13; vgl. zur Rückforderung zu viel gezahlter Sachverständigenvergütung Bach/Meyer/Höver JVEG 25. Aufl. § 2 JVEG Rn. 2.10),
  128. welcher im Wege des Justizbeitreibungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 8,
  129. Abs. 2 JBeitrO nach vorheriger Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren beizutreiben ist.
  130. 16
  131. In der Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob die Rückforderung der
  132. im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren zu viel gezahlten Betreuervergütung einer zeitlichen Begrenzung durch § 2 VBVG unterliegt. Gemäß § 2 Satz 1
  133. VBVG erlischt der Vergütungsanspruch des Betreuers, wenn er nicht binnen
  134. 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Familiengericht geltend gemacht
  135. wird.
  136. 17
  137. (1) Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, dass im
  138. umgekehrten Fall der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung entsprechend § 2 VBVG ebenfalls eine Frist von 15 Monaten ab dem Schluss der jeweiligen Abrechnungsperiode des § 9 VBVG gilt (LG Braunschweig Beschluss
  139. vom 20. Dezember 2007 - 8 T 995/07 - juris Rn. 19; LG Münster FamRZ 2011,
  140. 1689; LG Dessau-Roßlau BtPrax 2012, 173; Knittel Betreuungsgesetz [Stand:
  141. 1. September 2011] § 2 VBVG Rn. 30). Eine nachträgliche Festsetzung der Be-
  142. -8-
  143. treuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG
  144. mehr als 15 Monate nach der Entstehung des Anspruchs wäre nach dieser Ansicht ausgeschlossen.
  145. 18
  146. (2) Nach anderer Ansicht unterliegt die Rückerstattung jedenfalls nicht
  147. der Ausschlussfrist des § 2 VBVG (LG Detmold NJW-RR 2012, 390, 391;
  148. Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. 2010 § 2 VBVG Rn. 3; jurisPK-BGB/
  149. Jaschinski 6. Aufl. § 2 VBVG Rn. 20; Palandt/Götz 72. Aufl. § 2 VBVG Rn. 1),
  150. so dass eine gerichtliche Festsetzung nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch nach Ablauf von 15 Monaten nach der Entstehung des Anspruchs
  151. möglich wäre.
  152. 19
  153. (3) Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. § 2 VBVG richtet sich nach
  154. seiner Stellung im Gesetz ausschließlich an den Vormund bzw. Betreuer. Für
  155. den Fall der Rückforderung zu viel gezahlter Betreuervergütung findet sich hingegen keine ausdrückliche Regelung.
  156. 20
  157. Einer analogen Anwendung des § 2 VBVG steht jedenfalls entgegen,
  158. dass eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben ist. Sinn und Zweck der
  159. mit § 2 VBVG geregelten fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs ab dessen Entstehung ist es, den Betreuer
  160. zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten. Damit soll verhindert werden, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit
  161. des Betreuten überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Einstandspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme
  162. des Betreuten nicht begründet gewesen wäre. Die Inanspruchnahme der
  163. Staatskasse soll in allen Fällen vermieden werden, in denen die Vergütungsansprüche bei fristgerechter Geltendmachung aus dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen des Betroffenen befriedigt werden können. Die Obliegen-
  164. -9-
  165. heit zur fristgerechten Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs dient
  166. wesentlich dem Interesse der Staatskasse; sie kann nach ihrem Sinn und
  167. Zweck nicht die Staatskasse selbst treffen (BT-Drucks. 13/7158 S. 27 und
  168. S. 22 f. zur Vorgängervorschrift § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).
  169. 21
  170. Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber einwendet, auch die
  171. Staatskasse sei zur zügigen Geltendmachung ihrer Rückforderungsansprüche
  172. anzuhalten, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Rückforderungsanspruch ins
  173. Leere gehe, wenn der Betreuer seinerseits zwischenzeitlich mittellos werde, ist
  174. dem nicht zu folgen. Sonst würde nach Ablauf der materiellen Ausschlussfrist
  175. des § 2 VBVG auch ein noch realisierbarer Rückforderungsanspruch erlöschen
  176. und damit ein Rechtsverlust der Staatskasse eintreten, der dem Sinn und
  177. Zweck der Vorschrift erkennbar zuwiderläuft.
  178. 22
  179. cc) Allerdings hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht erwogen,
  180. ob eine nachträgliche Herabsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen
  181. Festsetzungsverfahren zum Zweck der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sein könnte.
  182. 23
  183. Zwar ist die Staatskasse dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, so dass ihr Interesse darauf gerichtet sein muss, eine ohne
  184. Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den
  185. rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Nachdem das Gericht in dem Festsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht an die vorangegangene Anweisung der Betreuervergütung im Wege des vereinfachten Justizverwaltungsverfahrens gebunden ist, kann die zu viel gezahlte Betreuervergütung
  186. grundsätzlich zurückgefordert werden.
  187. - 10 -
  188. 24
  189. Allerdings kann einer (Neu-)Festsetzung der Betreuervergütung, welche
  190. eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die
  191. Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung
  192. schutzwürdig ist. Der Vertrauensschutz ist bereits bei der Festsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Verfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu
  193. prüfen, denn mit der gerichtlichen Festsetzung der Vergütung wird im Falle bereits zuviel erhaltener Leistungen zugleich der Rechtsgrund für deren Rückforderung geschaffen. Das nachfolgende Verfahren der Justizbeitreibungsordnung
  194. lässt keinen Raum für Einwendungen der vorbezeichneten Art, denn es dient
  195. lediglich dem Vollzug der Rückforderung. Dies folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1
  196. JBeitrO, wonach im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO (Ansprüche gegen Betreuer auf Erstattung von zuviel gezahlten Beträgen; vgl. insoweit BR-Drucks.
  197. 960/96 S. 41) solche Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst
  198. betreffen, nach den Vorschriften über die Feststellung des Anspruchs gerichtlich geltend zu machen sind. Dabei ist der Begriff der Einwendung i.S.d. § 8
  199. JBeitrO weit zu verstehen; er umfasst sämtliche Einwendungen gegen den zu
  200. vollstreckenden Anspruch (vgl. LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember
  201. 2007 - 8 T 955/07 - juris Rn. 18 unter Hinweis auf BFH Beschluss vom 25. Februar 2003 - VII K 1/03 - juris Rn. 3). Denn der Streit über die Frage, ob eine
  202. Leistungs- oder Duldungspflicht besteht, ist nicht im Vollstreckungsverfahren
  203. auszutragen (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S. 211; App MDR 1996, 769, 770). Das
  204. gilt auch für Rückforderungsansprüche gegen Betreuer auf Erstattung zuviel
  205. gezahlten Leistungen der Staatskasse. Zwar sind Vormünder, Betreuer, Pfleger
  206. und Verfahrenspfleger in § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO nicht ausdrücklich erwähnt.
  207. Hierbei handelt es sich jedoch um ein offensichtliches Redaktionsversehen des
  208. Gesetzgebers, der die Rückforderung zuviel gezahlter Leistungen in diesen Fällen wie bei den übrigen in § 1 Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO aufgeführten Personengrup-
  209. - 11 -
  210. pen regeln wollte (vgl. BR-Drucks. 960/96 S. 41) und bei der Änderung des § 1
  211. Abs. 1 Nr. 8 JBeitrO übersah, auch den korrespondierenden Wortlaut des § 8
  212. Abs. 1 Satz 1 JBeitrO entsprechend anzupassen. Nach der Systematik des § 8
  213. JBeitrO sollen besondere Rechtsbehelfe außerhalb des den Rechtsgrund für
  214. die Beitreibung schaffenden Festsetzungsverfahrens nämlich nur dort eröffnet
  215. sein, wo der Prüfungsumfang des Festsetzungsverfahrens besonderen inhaltlichen Beschränkungen unterliegt, insbesondere im Bereich der Kostenfestsetzung, wo nur Einwendungen erhoben werden können, die dem Kostenrecht
  216. entnommen sind (vgl. BT-Drucks. 2/2545 S. 211).
  217. 25
  218. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall
  219. ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang
  220. einzuräumen ist (OLG Köln FGPrax 2006, 116 unter Berufung auf BVerwG
  221. NJW 1985, 2436, 2437; LG Braunschweig Beschluss vom 20. Dezember 2007
  222. - 8 T 955/07 - juris Rn. 21; LG Detmold Beschluss vom 12. Mai 2010
  223. - 3 T 8/10 - juris Rn. 3; Keidel/Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 168 Rn. 5;
  224. Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 168 Rn. 5; Zöller/Lorenz ZPO 30. Aufl.
  225. § 168 FamFG Rn. 3; vgl. auch zur Rückforderung zu viel gezahlter Sachverständigenvergütung OLG Karlsruhe Justiz 1991, 208). In diesem Fall wäre
  226. schon eine abweichende Festsetzung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren
  227. ausgeschlossen.
  228. 26
  229. Die Betreuerin hat sich im Festsetzungsverfahren nach §§ 292 Abs. 1,
  230. 168 Abs. 1 FamFG darauf berufen, dass sie sich auf die Beständigkeit der Auszahlung ihrer im Verwaltungsverfahren erfolgten Vergütung verlassen habe.
  231. Auch entstehe ihr ein finanzieller Schaden, weil sie auf der Grundlage der Ein-
  232. - 12 -
  233. künfte Einkommen- und Gewerbesteuer entrichtet sowie Krankenkassenbeiträge abgeführt habe. Dies stelle eine unbillige Härte dar. Das Beschwerdegericht
  234. hätte daher prüfen müssen, ob dieses Vorbringen einen die Rückforderung
  235. ganz oder teilweise ausschließenden Vertrauenstatbestand begründet.
  236. 27
  237. 3. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der
  238. Sache entscheiden, weil der von der Betreuerin geltend gemachte Vertrauenstatbestand einer tatrichterlichen Beurteilung bedarf, die der Senat nicht ersetzen
  239. kann.
  240. 28
  241. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
  242. 29
  243. Bei der Beurteilung, ob im Rahmen der Herabsetzung der Betreuervergütung das Vertrauen der Betreuerin in die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage schützenswert ist, wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass die
  244. schlichte Anweisung der Vergütung im Justizverwaltungsverfahren wirkungslos
  245. wird, wenn in einem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nach § 168
  246. Abs. 1 FamFG eine Entscheidung ergeht. In dem förmlichen Festsetzungsverfahren ist das Gericht nicht an die vorherige formlose Verwaltungsanordnung
  247. (§ 168 Abs. 2 Satz 4 FamFG) gebunden; es kann diese überschreiten oder
  248. - wie vorliegend - unterschreiten (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012
  249. - XII ZB 230/11 - juris Rn. 14 f.; vgl. auch OLG Köln FGPrax 2006, 116). Damit
  250. muss ein Betreuer, der die förmliche Festsetzung seiner Vergütung auch selbst
  251. zunächst nicht beantragt hatte, grundsätzlich rechnen.
  252. 30
  253. Andererseits ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Berufsbetreuer
  254. seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus den Einnahmen der Betreuervergütung bestreitet und die formlos festgesetzten und ausgezahlten Beträge
  255. im Zeitpunkt der späteren förmlichen Festsetzung regelmäßig bereits ver-
  256. - 13 -
  257. braucht sind. Daher kann eine Zumutbarkeitsschwelle überschritten sein, wenn
  258. bereits ausgezahlte Vergütungen für einen übermäßig langen Zeitraum rückgefordert werden.
  259. 31
  260. Das Kostenrecht hat den Vertrauensschutzgesichtspunkt aufgegriffen,
  261. indem es für einen Fall mit vergleichbarer Interessenlage, nämlich der Nachforderung ursprünglich zu niedrig festgesetzter Kosten, in § 20 Abs. 1 GNotKG
  262. (früher: § 20 Abs. 1 GKG) eine Regelung getroffen hat, wonach diese nur nachgefordert werden dürfen, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen
  263. vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der den Rechtszug
  264. abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung) mitgeteilt worden
  265. ist; dies gilt nur dann nicht, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob
  266. fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist. Hierdurch wird dem Bezirksrevisor auferlegt, die kostenrechtlichen Interessen der
  267. Staatskasse binnen der genannten Fristen zur Geltung zu bringen, andernfalls
  268. das gutgläubige Vertrauen in die verwaltungsmäßig getroffene Regelung Vorrang genießt.
  269. 32
  270. Zwar ist die in § 20 Abs. 1 GNotKG bestimmte Ausschlussfrist auf den
  271. vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden, da es sich hier nicht um eine
  272. Kostennachforderung, sondern um die Rückerstattung überzahlter Beträge
  273. handelt. Die in der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Wertung, dass das
  274. Kosteninteresse der Staatskasse zurücktreten kann, wenn es von der zuständigen Stelle nicht innerhalb angemessener Frist verfolgt wird und sich das Gegenüber auf die getroffene Regelung gutgläubig eingerichtet hat, kann jedoch
  275. auch bei der Beurteilung des schutzwürdigen Vertrauens des Betreuers in die
  276. Beständigkeit seiner Vermögenslage berücksichtigt werden (vgl. bereits OLG
  277. Stuttgart BtPrax 2011, 134). Für eine entsprechende zeitliche Begrenzung der
  278. - 14 -
  279. Rückforderungsmöglichkeit spricht auch, dass das vereinfachte Verfahren der
  280. Festsetzung der Betreuervergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gezielt erhalten blieb, um gerichtliche Entscheidungen entbehrlich zu machen und damit erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Gerichten einzusparen (BT-Drucks. 13/10709 S. 2). Es würde indessen der Stellung eines berufsmäßigen Betreuers nicht gerecht und entspricht auch nicht der erkennbaren
  281. Intention des Gesetzgebers, diese gerichtliche Aufwandsersparnis mit einer auf
  282. Jahre rückwirkenden erheblichen Rechtsunsicherheit der Betreuer in die Beständigkeit ihrer Vermögenslage zu erkaufen.
  283. Dose
  284. Schilling
  285. Nedden-Boeger
  286. Günter
  287. Botur
  288. Vorinstanzen:
  289. AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.07.2011 - 53 XVII G 1465 LG Berlin, Entscheidung vom 18.01.2013 - 87 T 221/11 -