Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

102 lines
3.9 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 221/14
  4. vom
  5. 10. September 2014
  6. in der Betreuungssache
  7. -2-
  8. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2014 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
  10. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
  11. beschlossen:
  12. Auf ihre Gegenvorstellung wird der Betroffenen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bewilligt
  13. und Rechtsanwalt W.
  14. beigeordnet.
  15. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der
  16. 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 20. März 2014
  17. aufgehoben.
  18. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  19. über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
  20. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
  21. Beschwerdewert: 5.000 €
  22. Gründe:
  23. I.
  24. 1
  25. Die 85jährige Betroffene leidet unter einer organisch wahnhaften Störung
  26. mit chronifiziertem Wahn. Unter Ausnutzung ihrer Wahnvorstellungen wurde sie
  27. von einem Betrüger über einen längeren Zeitraum mit Wahrsagung manipuliert.
  28. -3-
  29. An ihn zahlte die Betroffene mehrfach Geldbeträge in Höhe von insgesamt mindestens 3.500 €, wodurch sie sich zu verschulden drohte.
  30. 2
  31. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, Bestellung eines
  32. Verfahrenspflegers und persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht in ihrem Einverständnis eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten einschließlich Empfang und Öffnen der Post eingerichtet und die Beteiligte zu 1 (Betreuerin) als Berufsbetreuerin bestimmt.
  33. 3
  34. Dagegen hat die Betreuerin im Namen der Betroffenen Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, dass die Betroffene ihr Einverständnis
  35. mit der Betreuung widerrufen habe. Das Landgericht hat die Beschwerde nach
  36. erneuter Anhörung der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
  37. Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
  38. II.
  39. 4
  40. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
  41. 5
  42. 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Betroffene infolge einer psychischen Krankheit nicht
  43. in der Lage sei, ihre Angelegenheiten in den übertragenen Aufgabenkreisen
  44. selbst zu besorgen. Die Einrichtung der Betreuung sei daher auch gegen den
  45. Willen der Betroffenen erforderlich, da diese zu einer freien Willensbestimmung
  46. nicht in der Lage sei.
  47. -4-
  48. 6
  49. 2. Die Rechtsbeschwerde rügt zutreffend, dass die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist.
  50. 7
  51. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich
  52. im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu
  53. stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG
  54. abgesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 FamRZ 2013, 1725 Rn. 11 mwN).
  55. 8
  56. Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht. Aus
  57. der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass das vom Amtsgericht eingeholte
  58. Gutachten der Betroffenen bekannt gegeben worden ist. Ebenso wenig enthält
  59. das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene
  60. durch dessen Bekanntgabe an sie Gesundheitsnachteile entsprechend § 288
  61. Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.
  62. -5-
  63. 9
  64. Der angefochtene Beschluss beruht auf diesem Verfahrensfehler. Denn
  65. es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ordnungsgemäßem Verfahren zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
  66. Dose
  67. Weber-Monecke
  68. Nedden-Boeger
  69. Klinkhammer
  70. Guhling
  71. Vorinstanzen:
  72. AG Brakel, Entscheidung vom 06.02.2014 - 4 XVII Z 4016 LG Paderborn, Entscheidung vom 20.03.2014 - 5 T 83/14 -