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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XI ZR 88/16
  4. vom
  5. 21. Februar 2017
  6. in dem Rechtsstreit
  7. ECLI:DE:BGH:2017:210217BXIZR88.16.0
  8. -2Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vizepräsidenten
  9. Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
  10. am 21. Februar 2017
  11. beschlossen:
  12. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom
  13. 15. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.
  14. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97
  15. Abs. 1 ZPO).
  16. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.953,62 €
  17. festgesetzt.
  18. -3Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Der Kläger schloss am 12. Juli 1977 mit der Beklagten einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 20.000 DM ab, welche später auf
  22. 80.000 DM (= 40.903,35 €) erhöht wurde. Gemäß § 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten (ABB) werden das Bausparguthaben mit
  23. 3% p.a. und ein von der Beklagten zu gewährendes Bauspardarlehen mit
  24. 5% p.a. verzinst. Die vereinbarte Bausparsumme ist noch nicht vollständig angespart, der Bausparvertrag jedoch seit über zehn Jahren zuteilungsreif. Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen der Beklagten kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen hatte, erklärte diese mit Schreiben vom
  25. 19. Mai 2014 die Kündigung des Bausparvertrages zum 30. November 2014
  26. unter Hinweis auf die seit mehr als zehn Jahren bestehende Zuteilungsreife.
  27. 2
  28. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den
  29. Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den 30. November 2014 hinaus
  30. fortbesteht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete
  31. Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch
  32. Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert auf 40.903 € festgesetzt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Bei deren Einlegung belief sich das Bausparguthaben auf 35.162,05 €.
  33. II.
  34. 3
  35. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26
  36. Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 €
  37. nicht erreicht ist.
  38. 4
  39. 1. Die Wertberechnung im Rahmen des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist
  40. nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (vgl. Senats-
  41. -4beschlüsse vom 23. Juli 2015 – XI ZR 263/14, BGHZ 206, 276 Rn. 3 und vom
  42. 12. Januar 2016 – XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 3, jeweils mwN). Für die
  43. Berechnung des Werts der Beschwer kommt es vorliegend gemäß § 4 ZPO auf
  44. den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an (vgl. auch Senatsbeschluss
  45. vom 12. Januar 2016 – XI ZR 366/15, aaO). Maßgebend ist das Interesse des
  46. Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Über
  47. die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht eigenständig zu befinden, ohne an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen oder die Angaben der Parteien gebunden zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 – XI ZR
  48. 366/15, aaO; BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2014 – V ZR 314/13, juris Rn. 4
  49. und vom 15. Juli 2014 – VI ZR 145/14, juris Rn. 3).
  50. 5
  51. 2. Wie das Interesse eines Bausparers an der Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages, dessen Kündigung von Seiten der Bausparkasse nach mehr als zehnjähriger Zuteilungsreife erklärt worden ist, gemäß
  52. §§ 3 ff. ZPO zu bemessen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
  53. unterschiedlich beurteilt.
  54. 6
  55. a) Von Teilen der Rechtsprechung wird, entsprechend der Handhabung
  56. von Landgericht und Berufungsgericht in diesem Verfahren, das Feststellungsinteresse mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichgesetzt (vgl. OLG
  57. Frankfurt/Main, Urteil vom 17. August 2016 – 19 U 3/16, juris; LG Aachen, Urteil
  58. vom 19. Mai 2015 – 10 O 404/14, juris Rn. 26; LG München I, Urteil vom
  59. 6. November 2015 – 3 O 241/15, juris). Dies entspricht im Ergebnis auch den
  60. Ausführungen des Klägers in der Beschwerdeschrift. Demnach wäre die Beschwer mit 40.903,35 € zu beziffern.
  61. 7
  62. b) Teilweise wird das klägerische Interesse demgegenüber nach der Höhe des Bausparguthabens bemessen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom
  63. 17. August 2015 – 6 O 1708/15, juris; LG Osnabrück, Urteil vom 21. August
  64. -52015 – 7 O 545/15, juris Rn. 34). Danach beliefe sich die Beschwer des Klägers
  65. auf 35.162,05 €.
  66. 8
  67. c) Andere Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass es einem
  68. Bausparer darum geht, sich zum einen den Anspruch auf Gewährung eines
  69. Bauspardarlehens zu erhalten und zum anderen eine weitere Verzinsung des
  70. Bausparguthabens zu erlangen. Der Zinsanspruch sei aber bei der Wertermittlung gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, weswegen bei der Wertermittlung allein auf den Differenzbetrag zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme, also auf die Höhe eines zu beanspruchenden Bauspardarlehens abzustellen sei (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 8. April 2016 – 8 O 109/15, juris
  71. Rn. 34). Der Beschwerdewert beliefe sich danach vorliegend auf 5.741,30 €
  72. (Bausparsumme in Höhe von 40.903,35 € abzüglich des Bausparguthabens in
  73. Höhe von 35.162,05 €).
  74. 9
  75. d) Nach einer vierten Auffassung ist für die Wertbestimmung das Interesse des Klägers an einer Verzinsung des Bausparguthabens und am Erhalt eines Bauspardarlehens maßgeblich. Das Zinsinteresse sei gemäß §§ 3, 9 ZPO
  76. anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages des Bausparguthabens zu
  77. bestimmen, von dem im Hinblick auf den Feststellungsantrag ein Abzug von
  78. 20 % (so LG Stuttgart, Urteil vom 15. September 2015 – 25 O 89/15, juris
  79. Rn. 17) oder von 50 % (so OLG Stuttgart, WM 2016, 742, 748) vorzunehmen
  80. sei. Hinzukomme das Interesse an der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens, welches mit 80 % (so LG Stuttgart, aaO) oder mit 50 % des Darlehensbetrages (so OLG Stuttgart, aaO) zu bemessen sei. Soweit jeweils ein Abschlag
  81. von 50 % vorgenommen werde, sei dies gerechtfertigt, weil das Zinsinteresse
  82. und das Interesse am Erhalt des Bauspardarlehens in einem Alternativverhältnis zueinander stünden (vgl. OLG Stuttgart, WM 2016, 742, 748, zustimmend:
  83. Maier, VuR 2016, 9, 14). Der Beschwerdewert betrüge demnach 7.546,66 €
  84. (d.i. 80 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages in Höhe von 3.692,02 € [=
  85. 35.162,05 € x 0,03 x 3,5 = 3.692,02 €] = 2.953,62 € zuzüglich 80 % des Bau-
  86. -6spardarlehens in Höhe von 5.741,30 € = 4.593,04 €) oder 4.717,66 € (d.i. 50 %
  87. des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zuzüglich 50% des Bauspardarlehens).
  88. 10
  89. e) Eine weitere Meinung stellt zur Wertermittlung auf das Interesse an
  90. einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens in Höhe des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages (§ 9 ZPO) oder auf das Interesse am Erhalt eines
  91. Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme ab. Da beide Interessen alternativ zueinander bestünden, sei dem
  92. Rechtsgedanken von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG folgend jeweils der höhere Wert
  93. maßgebend (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 22. April 2016 – 1 O 208/15, juris
  94. Rn. 83 f.). Die Beschwer beliefe sich demzufolge hier auf 5.741,30 €, weil das
  95. Bauspardarlehen betragsmäßig höher ist als der dreieinhalbfache Jahreszinsertrag.
  96. 11
  97. f) Nach einer sechsten Ansicht ist für die Wertbestimmung allein auf das
  98. Interesse des Klägers an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens
  99. abzustellen, welches gemäß §§ 3, 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zu bestimmen sei, ohne dass von diesem Betrag ein Abschlag
  100. zu machen sei (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 21. August 2015 – 8 U
  101. 319/15, juris Rn. 3 und Urteil vom 29. Juli 2016 – 8 U 11/16, juris Rn. 53; OLG
  102. Stuttgart, Beschluss vom 19. Juni 2015 – 9 W 25/15, juris Rn. 3). Der Beschwerdewert betrüge demnach hier 3.692,02 €.
  103. 12
  104. g) Überwiegend wird demgegenüber darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Bausparvertrages gemäß
  105. §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens
  106. beläuft, von dem mit Rücksicht auf die positive Feststellungsklage ein Abzug
  107. von 20% vorzunehmen sei (vgl. OLG Celle, Urteil vom 14. September 2016
  108. – 3 U 230/15, juris Rn. 81; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2015
  109. – 31 U 182/15, juris Rn. 20 und Urteil vom 22. Juni 2016 – 31 U 234/15, juris
  110. -7Rn. 39; OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257; AG Ludwigsburg, Urteil vom
  111. 7. August 2015 – 10 C 1154/15, juris Rn. 113). Der Beschwerdewert wäre danach mit 2.953,62 € zu beziffern.
  112. 13
  113. 3. Der Senat erachtet die letztgenannte Auffassung für richtig.
  114. 14
  115. a) Entgegen der Festsetzung des Berufungsgerichts und der Auffassung
  116. des Klägers ist das Interesse an der Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 3, 9 ZPO nicht mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichzusetzen, sondern nach dem dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens zu bemessen.
  117. 15
  118. aa) Für die Wertfestsetzung gemäß § 3 ZPO ist das objektiv zu ermittelnde wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom
  119. 30. April 2001 – II ZR 328/00, WM 2001, 1270, 1271 f.; Beschlüsse vom
  120. 28. September 2009 – IX ZB 230/07, juris Rn. 3 und vom 16. Dezember 2015
  121. – XII ZB 405/15, NJW 2016, 714 Rn. 13). Dieses liegt vorliegend im Ausgangspunkt ausschließlich in der Fortsetzung des Bausparvertrags und der fortwährenden Zahlung der vereinbarten Guthabenzinsen.
  122. 16
  123. Der von der Beklagten gekündigte, bereits im Jahre 1977 abgeschlossene und zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife
  124. Bausparvertrag bietet dem Kläger mit der vertraglich vereinbarten Guthabenverzinsung von 3 % p.a. angesichts der seit Längerem währenden Niedrigzinsphase eine im Hinblick auf die Rendite vergleichsweise sichere Geldanlage zu
  125. relativ günstigen Konditionen. Die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens
  126. zu dem vereinbarten Zinssatz von 5 % p.a. wäre hingegen für den Kläger wirtschaftlich unvernünftig, weil am allgemeinen Kapitalmarkt derzeit und auch
  127. noch auf unabsehbare Zeit Immobiliardarlehen zu deutlich günstigeren Konditionen gewährt werden. Das objektive wirtschaftliche Interesse des Klägers an
  128. der Fortsetzung des Bausparvertrages besteht vor diesem Hintergrund allein
  129. -8darin, für sein Bausparguthaben den vereinbarten Guthabenzins zu vereinnahmen, nicht aber ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257 f.). Aufgrund dessen ist - jedenfalls nach der derzeitigen Marktlage - ein wirtschaftliches Interesse des Klägers am Erhalt des Bauspardarlehens nicht zu erkennen, so dass ein solches für die Wertbemessung
  130. außer Acht zu lassen ist.
  131. 17
  132. bb) Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung, das durch die Kündigung zur Rückzahlung fällig werdende Bausparguthaben und die Höhe des
  133. Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens seien zusammenzurechnen, auf den Senatsbeschluss vom 25. Februar 1997 (XI ZB 3/97, WM 1997,
  134. 741) stützen möchte, ist dies unbehelflich. Gegenstand der Feststellungsklage
  135. in jenem Verfahren war die Unwirksamkeit der Kündigung eines Bauspardarlehens, mit dem die noch ausstehende Darlehensvaluta zur Rückzahlung fällig
  136. gestellt wurde. Dementsprechend war das Interesse der Kläger an der Feststellung des Fortbestandes des Darlehensvertrages darauf gerichtet, das Darlehen
  137. nicht sofort zurückzahlen zu müssen, und damit wie bei einer entsprechenden
  138. negativen Feststellungsklage mit dem noch offenen Darlehensbetrag gleichzusetzen. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei der Kündigung eines
  139. Bausparvertrages durch die Bausparkasse in der Ansparphase nicht (vgl. OLG
  140. Karlsruhe, JurBüro 2016, 257; Maier, VuR 2016, 9, 14).
  141. 18
  142. b) Bei der Bezifferung des Beschwerdewertes ist gemäß §§ 3, 9 ZPO auf
  143. den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag abzustellen, der sich auf 3.692,02 €
  144. beläuft. Von diesem Betrag ist ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen,
  145. weil der Beschwerdeführer keine Leistungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2000 – IV ZR
  146. 294/99, NJW-RR 2000, 1266, vom 12. April 2007 – VII ZR 16/06, juris Rn. 1,
  147. vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 116/14, juris Rn. 1, vom 16. Juli 2015 – IX ZR
  148. 273/14, juris Rn. 1 und vom 7. September 2016 – IV ZR 548/15, juris Rn. 4; Zöl-
  149. -9ler/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 – Feststellungsklagen; MünchKommZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 3 Rn. 72).
  150. 19
  151. Etwas anderes folgt in diesem Zusammenhang nicht aus dem Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 12), demzufolge bei der Bezifferung des Beschwerdewertes nach dem Widerruf eines Verbraucherdarlehens auf den ungekürzten Betrag der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen abzustellen ist. Diese Entscheidung ist den Besonderheiten
  152. bei der Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses nach erfolgtem Widerruf
  153. geschuldet.
  154. Ellenberger
  155. Grüneberg
  156. Menges
  157. Maihold
  158. Derstadt
  159. Vorinstanzen:
  160. LG Aachen, Entscheidung vom 20.08.2015 - 1 O 119/15 OLG Köln, Entscheidung vom 15.02.2016 - 13 U 151/15 -