Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

369 lines
23 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 14/13
  5. Verkündet am:
  6. 5. November 2013
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 5. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
  15. Dr. Joeres, Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterin Dr. Menges
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision der Kläger zu 1), 2) und 4) gegen das Urteil des
  18. 9. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 30. November
  19. 2012 wird zurückgewiesen.
  20. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger zu 1) und
  21. 2) zu jeweils 33% und der Kläger zu 4) zu 34%.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Kläger zu 1), 2) und 4) nehmen die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in
  26. Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob die Beklagte von
  27. ihr berechnete Handelsverluste in Abzug bringen durfte.
  28. 2
  29. Die Kläger zu 1) und 2) beteiligten sich im April 1995 und im August 2004
  30. mit einem Anlagebetrag von insgesamt 51.036,16 € einschließlich Agio an dem
  31. Phoenix Managed Account (im Folgenden: PMA), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand
  32. -3-
  33. nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war.
  34. 3
  35. Der Kläger zu 4) beteiligte sich im Januar 1996 mit einem Anlagebetrag
  36. von 21.678,76 € einschließlich Agio an dem PMA.
  37. 4
  38. Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel
  39. unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die P. GmbH begonnen, die für den PMA
  40. eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem
  41. aktuellen Marktwert, sondern mit "Null" zu bewerten, um eingetretene Verluste
  42. zu verschleiern. Ab 1997 legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der
  43. von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften
  44. an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielten auch die Kläger zu 1) und 2) eine Auszahlung über 10.000 € und der Kläger zu 4) eine solche über 8.000 €. Den Anlegern wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, die den tatsächlichen Handelsverlauf nicht widerspiegelten.
  45. 5
  46. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März
  47. 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen
  48. der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
  49. -4-
  50. 6
  51. Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des PMA für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Für die Konten der Kläger zu 1) und 2) ergab sich so unter Abzug
  52. der Handelsverluste zum 31. März 2005 ein Endbetrag von insgesamt
  53. 34.102,70 € und für das Konto des Klägers zu 4) ein Endbetrag von
  54. 10.124,79 €.
  55. 7
  56. Mit der Klage verlangen die Kläger zu 1) und 2) von der Beklagten die
  57. Zahlung von 90% ihrer Anlagesumme ohne Agio nebst Rechtshängigkeitszinsen abzüglich der Auszahlung und der von der Beklagten bereits erbrachten
  58. Teilentschädigungen, d.h. insgesamt 12.356,19 €; der Kläger zu 4) begehrt
  59. dementsprechend die Zahlung von 6.000,03 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.
  60. Sie meinen, dass die Handelsverluste nicht hätten abgezogen werden dürfen.
  61. 8
  62. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die
  63. Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht - entsprechend den von ihr in
  64. erster Instanz abgegebenen Anerkenntnissen - die Klage der Kläger zu 1) und
  65. 2) nur in Höhe von 8.532,32 € nebst Zinsen und die Klage des Klägers zu 4) nur
  66. in Höhe von 4.064,55 € nebst Zinsen für begründet erachtet und sie im Übrigen
  67. abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren
  68. die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  69. Entscheidungsgründe:
  70. 9
  71. Die Revision ist unbegründet.
  72. -5-
  73. I.
  74. 10
  75. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  76. für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  77. 11
  78. Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch aus
  79. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nur in der zuerkannten Höhe zu. Dieser bemesse
  80. sich im Ausgangspunkt zwar nach der Höhe des gegen die P. GmbH bestehenden Anspruchs aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf Rückzahlung aller für den
  81. PMA eingezahlten Gelder ohne Agio sowie aller tatsächlich erzielten Gewinne;
  82. Verluste aus der Anlage seien aber abzuziehen, soweit diese nicht durch Unterschlagung oder Veruntreuung entstanden seien. Der Herausgabeanspruch
  83. umfasse nicht die Mittel, die in Ausführung des Auftrags - hier: zur Investition in
  84. Termingeschäfte - verbraucht worden und nicht mehr vorhanden seien. Diese
  85. Sichtweise stimme mit dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes überein. Danach würden nur solche Ansprüche
  86. geschützt, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder
  87. Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richteten, wozu auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten gehörten, durch die - wie etwa im Fall
  88. der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren
  89. vereitelt würden. Seien die Kundengelder dagegen vertragsgemäß verwendet
  90. worden, könnten derartige Ansprüche nicht beeinträchtigt worden sein, auch
  91. wenn die Anlage zu Verlusten geführt habe.
  92. 12
  93. Danach ergebe sich auf der Grundlage der Berechnung der Beklagten
  94. für die Kläger zu 1) und 2) ein noch offener Entschädigungsanspruch in Höhe
  95. von 8.532,32 € und für den Kläger zu 4) ein solcher in Höhe von weniger als
  96. dem von der Beklagten anerkannten Betrag von 4.064,55 €, nämlich in Höhe
  97. -6-
  98. von 3.905,85 €. Soweit die Klägerseite die Berechnung der Beklagten in Frage
  99. stelle, sei dies unbeachtlich. Die Klägerseite trage die Darlegungs- und Beweislast für Höhe und Umfang des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs.
  100. Hierzu genüge nicht die bloße Darlegung der einzelnen Ein- und Auszahlungen.
  101. Vielmehr müsste sie im Falle des Bestreitens durch die Beklagte die Entwicklung der Anlage mit allen Gewinnen und Verlusten darlegen und beweisen. Bei
  102. der Bestimmung der Handelsverluste gehe es um die Bestimmung der Höhe
  103. der dem Anleger gegenüber dem Institut zustehenden Forderung und nicht etwa um eine Aufrechnungsforderung des Instituts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1
  104. EAEG, hinsichtlich derer die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre.
  105. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung der erhaltenen
  106. Einlagen tragen würde. Diese Beweislastgrundsätze seien auf den Entschädigungsanspruch nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht anwendbar, weil es
  107. sich dabei um einen selbständigen gesetzlichen Anspruch handele, dessen
  108. Voraussetzungen und Umfang eigenständig geregelt seien. Des Weiteren
  109. komme auch eine Beweislastumkehr nicht in Betracht, weil die Beklagte dem
  110. Beweis der tatsächlichen Handelsverläufe nicht näher stehe als die Klägerseite.
  111. Die Beklagte treffe allenfalls eine sekundäre Darlegungslast, der sie vorliegend
  112. mit ihren konkreten Berechnungen nachgekommen sei. Diesem Vorbringen sei
  113. die Klägerseite nicht genügend entgegengetreten. Dies gelte insbesondere,
  114. soweit die Klägerseite in Abrede stelle, dass Handelsverluste durch eine vereinbarungsgemäße Handelstätigkeit der P. GmbH mit den Mitteln des PMA
  115. überhaupt entstanden seien. Substantiierten Vortrag dazu sei die Klägerseite
  116. schuldig geblieben. Im Übrigen beschränke sie sich auf die Rechtsmeinung,
  117. Handelsverluste seien nicht zu berücksichtigen. Soweit die Klägerseite vorbringe, der Beklagten hätten nicht alle Kontoauszüge und Daten vorgelegen, sei
  118. dies mangels Benennung konkreter Unterlagen unsubstantiiert.
  119. -7-
  120. II.
  121. 13
  122. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die
  123. Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des
  124. Entschädigungsanspruchs der Klägerseite aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu
  125. Recht die von der Beklagten berechneten Handelsverluste anspruchsmindernd
  126. berücksichtigt.
  127. 14
  128. 1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften
  129. befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung
  130. zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
  131. 15
  132. 2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der
  133. P. GmbH gegenüber der Klägerseite aus Wertpapiergeschäften bejaht.
  134. 16
  135. a) Zwischen der Klägerseite und der P. GmbH ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für
  136. fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich - wie der Senat
  137. mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 15 ff.) im
  138. Einzelnen begründet hat - um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1
  139. Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3
  140. EAEG.
  141. 17
  142. b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber der
  143. Klägerseite aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
  144. -8-
  145. 18
  146. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG in der hier maßgeblichen Fassung des
  147. Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010; vgl. hierzu Senatsurteil vom
  148. 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung
  149. von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder
  150. gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der Senat mit Urteil vom 23. November 2010
  151. (XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerseite gegen die
  152. P. GmbH geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst.
  153. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um
  154. Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang
  155. mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers
  156. vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden
  157. auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder
  158. vereiteln (Senatsurteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).
  159. 19
  160. 3. Entgegen der Auffassung der Revision umfasst der Entschädigungsanspruch - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht die
  161. von der Beklagten berechneten, tatsächlichen Handelsverluste.
  162. 20
  163. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden
  164. oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Handelsverluste, die aufgrund einer vertragsgemäßen Anlage der Gelder entstanden sind, werden davon nicht erfasst.
  165. -9-
  166. 21
  167. a) Dies ergibt sich allerdings, anders als das Berufungsgericht meint,
  168. nicht bereits unmittelbar aus dem - dem Entschädigungsanspruch aus § 3
  169. Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zugrundeliegenden - Herausgabeanspruch des einzelnen Anlegers gegen die P. GmbH aus § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Danach wird der Beauftragte oder Geschäftsbesorger zwar grundsätzlich von der
  170. Verpflichtung, zur Auftragsausführung erhaltene Gelder wieder zurückzuzahlen,
  171. frei, wenn er diese auftragsgemäß weitergeleitet oder bestimmungsgemäß verbraucht hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95, NJW 1997,
  172. 47, 49, vom 4. Oktober 2001 - III ZR 290/00, BGHReport 2002, 71 und vom
  173. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2383). Dies ist hier aber
  174. nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise nicht der Fall, weil die Anleger der P. GmbH bzw. dem Insolvenzverwalter über deren Vermögen entgegenhalten können, dass wegen des Vorgehens der P. GmbH, in betrügerischer Weise neue Anleger zu werben und
  175. ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend ihrer vorgefassten Absicht grob
  176. zu verletzen, ihr Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach dem Grundsatz
  177. von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht um die Verluste aus den wenigen
  178. noch getätigten Anlagegeschäften vermindert werden darf (vgl. BGH, Urteile
  179. vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar
  180. 2011 - IX ZR 18/10, WM 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011
  181. - IX ZR 209/10, WM 2011, 2237 Rn. 19). Dieser Einwand steht der Klägerseite
  182. indes gegenüber der Beklagten - entgegen der Auffassung der Revision - im
  183. Rahmen des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht
  184. zu.
  185. 22
  186. b) Nach dem Schutzzweck des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes sind im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung
  187. der Anlegergelder tatsächlich angefallene Handelsverluste bei der Bemessung
  188. - 10 -
  189. des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu berücksichtigen.
  190. 23
  191. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden
  192. Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche
  193. Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen
  194. Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der
  195. Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt
  196. werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift
  197. unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen
  198. aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das
  199. vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche
  200. des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz
  201. oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im
  202. Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die
  203. Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10,
  204. BGHZ 187, 327 Rn. 24 mwN und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11, WM
  205. 2011, 2219 Rn. 27). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der
  206. Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und
  207. Anlegerentschädigungsgesetzes (Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR
  208. 26/10, aaO).
  209. - 11 -
  210. 24
  211. Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG
  212. des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme
  213. für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet
  214. werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass
  215. dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Ausgleich von Handelsverlusten, die im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung der Anlegergelder entstanden sind, will die Richtlinie - was auch ihr
  216. Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren.
  217. 25
  218. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem auch nicht
  219. die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, der
  220. im Rahmen eines auf § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO gestützten Rückgewähranspruchs des Insolvenzverwalters über das Vermögen der P. GmbH gegen einen Anleger wegen der an diesen von der P. GmbH geleisteten Auszahlungen Handelsverluste nicht berücksichtigt (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2010
  221. - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 15, vom 10. Februar 2011 - IX ZR 18/10, WM
  222. 2011, 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011 - IX ZR 209/10, WM 2011,
  223. 2237 Rn. 19). Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob die P. GmbH die Geltendmachung etwaiger Gegenpositionen verwirkt hat, weil der Insolvenzverwalter im Grundsatz voll in die - zivilrechtlich geprägte - Rechtsposition des
  224. Schuldners einrückt. Dies ist dagegen in dem Verhältnis zwischen Entschädigungseinrichtung und Anleger bei der Bestimmung des Umfangs des Entschädigungsanspruchs aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG nicht der Fall. Dieser richtet
  225. sich nach dem - oben umrissenen - Schutzzweck der Anlegerentschädigung,
  226. - 12 -
  227. der eine Entschädigung für tatsächlich erlittene Handels- oder Kursverluste
  228. nicht vorsieht.
  229. 26
  230. c) Das Berufungsgericht hat schließlich - entgegen der Auffassung der
  231. Revision - für die Bemessung der Handelsverluste auch zu Recht die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt und das diesbezügliche (einfache) Bestreiten der Klägerseite für nicht ausreichend erachtet.
  232. 27
  233. aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden
  234. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger
  235. Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts. Die Bemessung des
  236. Entschädigungsanspruchs erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe
  237. und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG die Verpflichtungen des Instituts auf
  238. Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet
  239. werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit
  240. Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungsund Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach
  241. allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen.
  242. 28
  243. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast hat
  244. der Anleger die Höhe des von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, während die Entschädigungseinrichtung zu etwaigen Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechten des
  245. Instituts vortragen muss (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 23. November 2010
  246. - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 32 und vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11,
  247. WM 2011, 2219 Rn. 22). Dabei kann sich der Anleger zunächst auf die Darstellung der von ihm erbrachten Einzahlungen (ohne Agio) und der an ihn geleiste-
  248. - 13 -
  249. ten Auszahlungen beschränken. Verlangt er darüber hinaus die Auszahlung
  250. tatsächlich erzielter Gewinne, muss er auch diese darlegen. Dagegen muss er
  251. zu etwaigen Verlusten - soweit deren Entstehung ihm wie hier verschwiegen
  252. worden ist - keinen Vortrag halten. Dies ist dann Sache der Entschädigungseinrichtung, zu deren Aufgaben es nach § 5 Abs. 4 Satz 1 EAEG gehört, die angemeldeten Ansprüche zu prüfen; zu diesem Zweck stehen ihr die in § 5 Abs. 2,
  253. § 9 Abs. 2 EAEG genannten Ermittlungsbefugnisse zu (vgl. hierzu BGH, Urteil
  254. vom 20. September 2011 - XI ZR 434/10, BGHZ 191, 95 Rn. 55 ff.). Hat die
  255. Entschädigungseinrichtung unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten die dem einzelnen Anleger zustehende Entschädigungssumme detailliert und nachvollziehbar berechnet, ist es dem Anleger
  256. zwar unbenommen, diese Berechnung anzugreifen. Ihm kommt insoweit aber
  257. gemäß § 138 Abs. 2 ZPO eine gesteigerte Darlegungslast zu, so dass ein bloß
  258. einfaches oder nur pauschal auf das gesamte Rechenwerk bezogenes Bestreiten unbeachtlich ist. Denn die Entschädigungseinrichtung steht gleichermaßen
  259. wie der Anleger außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs und hat zu
  260. Beginn des Entschädigungsverfahrens keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1989 - XI ZR 59/88, juris
  261. Rn. 23 f. mwN, in WM 1990, 343 nicht abgedruckt). Für eine Zurechnung der
  262. Kenntnis des Instituts fehlt es an einer Rechtsgrundlage; die Entschädigungseinrichtung steht - aus Sicht der Anleger - auch nicht "in dessen Lager". Bei
  263. dieser Sachlage muss der Anleger den nachprüfungsfähigen Vortrag der Entschädigungseinrichtung zur Höhe der Handelsverluste substantiiert bestreiten,
  264. wenn er ihm entgegentreten will.
  265. 29
  266. bb) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht das Bestreiten der
  267. Klägerseite zu Recht als unerheblich angesehen und deshalb der Ermittlung der
  268. Entschädigungshöhe die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt.
  269. - 14 -
  270. 30
  271. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat
  272. die Beklagte die gesamte Handelstätigkeit der P. GmbH im Zusammenhang mit
  273. dem PMA aufgeklärt und im Einzelnen nachvollzogen. Hierzu hat sie die Unterlagen des Insolvenzverwalters ausgewertet und sachlich wie rechnerisch überprüft. Auf diese Weise hat die Beklagte Gewinne und Verluste des PMA in den
  274. einzelnen Handelsperioden ermittelt und auf dieser Grundlage die Kontenverläufe der einzelnen Anleger nachgezeichnet. Diese konkreten Berechnungen
  275. hat die Klägerseite nicht substantiiert bestritten. Sie hat insbesondere nicht aufgezeigt, welche konkreten Positionen in den Berechnungen fehlerhaft sein sollen. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit den Einwendungen der Klägerseite auseinandergesetzt, ohne dass die Revision insoweit einen Rechtsoder Verfahrensfehler dartut oder ein solcher aus anderen Gründen erkennbar
  276. - 15 -
  277. ist. Die Revision stellt lediglich noch in Frage, dass die vereinnahmten Gelder
  278. vertragsgemäß in Termingeschäfte angelegt worden seien; dieser nur pauschale Vortrag genügt indes den Anforderungen an die der Klägerseite obliegende
  279. gesteigerte Darlegungslast nicht.
  280. Wiechers
  281. Joeres
  282. Maihold
  283. Grüneberg
  284. Menges
  285. Vorinstanzen:
  286. LG Berlin, Entscheidung vom 15.03.2012 - 12 O 111/11 KG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2012 - 9 U 92/12 -