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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 443/16
  5. Verkündet am:
  6. 10. Oktober 2017
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 2 Satz 1 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
  19. Eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (Anschluss an BGH, Urteil vom 16. Dezember
  20. 2015 - IV ZR 71/14, juris Rn. 11).
  21. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16 - OLG Koblenz
  22. LG Mainz
  23. ECLI:DE:BGH:2017:101017UXIZR443.16.0
  24. -2-
  25. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 10. Oktober 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die
  27. Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
  28. Dr. Derstadt
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
  31. des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. August 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
  32. erkannt worden ist.
  33. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des
  34. Landgerichts Mainz vom 7. September 2015 wird auch insoweit
  35. zurückgewiesen, als auf sein Rechtsmittel die Beklagte verurteilt
  36. worden ist, an den Kläger 1.835,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
  37. 5. Februar 2014 zu zahlen.
  38. Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. -3-
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des
  44. Klägers.
  45. 2
  46. Die Parteien schlossen am 22. März 2007 zwecks Finanzierung einer
  47. Immobilie einen (später in Teilbeträgen unter zwei Nummern geführten) Darlehensvertrag über 73.000 € zu einem für fünfzehn Jahre festen jährlichen Nominalzinssatz von 4,65% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente
  48. ein Grundpfandrecht. In dem Darlehensformular war folgender, drucktechnisch
  49. nicht besonders hervorgehobener "Wichtiger Hinweis" mitabgedruckt: "Dieser
  50. Darlehensvertrag wird zunächst nur vom Darlehensnehmer unterzeichnet und
  51. stellt lediglich ein verbindliches Darlehensangebot seitens des Darlehensnehmers an die […] [Beklagte] dar. Der Darlehensvertrag kommt erst durch Unterzeichnung durch die […] [Beklagte] zustande; erst dann besteht der Anspruch
  52. auf Auszahlung des Darlehens". Die Beklagte belehrte den Kläger wie folgt über
  53. sein Widerrufsrecht:
  54. -4-
  55. -5-
  56. -6-
  57. 3
  58. Mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 24. April 2010 übernahm die
  59. E.
  60. (künftig: EAA) die vertraglichen Rechte und Pflichten
  61. aus bestimmten von der Beklagten geschlossenen Darlehensverträgen, zu denen nach dem Vortrag der Beklagten auch der mit dem Kläger geschlossene
  62. Darlehensvertrag gehörte. Im Mai 2010 teilten mit gesonderten Schreiben sowohl die Beklagte als auch die EAA dem Kläger sinngemäß mit, die vertraglichen Rechte und Pflichten der Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit dem
  63. Kläger seien von der EAA übernommen worden. Die Beklagte führte weiter aus,
  64. für den Kläger ändere sich "[n]icht viel": Sein Vertrag werde "zu gleichen Bedingungen mit der gleichen Darlehensnummer fortgeführt und die Bearbeitung"
  65. erfolge "weiterhin" durch die Beklagte. Das Darlehenskonto betreffende Auszüge erhielt der Kläger anschließend jeweils von der Beklagten mit dem Zusatz
  66. "im Auftrag der E.
  67. 4
  68. (EAA)".
  69. Im Dezember 2013 erfragte der Kläger bei der Beklagten die Konditionen
  70. einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens für den Fall der Veräußerung der
  71. Immobilie. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Briefkopf "W.
  72. Im Auftrag der EAA" mit, sie sei "[m]it der
  73. vorzeitigen Rückzahlung des o.g. Darlehens […] bei Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung einverstanden, wenn das Finanzierungsobjekt verkauft"
  74. werde. Außerdem kündigte sie die Berechnung einer "Bearbeitungsgebühr" an.
  75. Wiederum unter dem Briefkopf "W.
  76. Im Auftrag der EAA" errechnete die
  77. Beklagte mit Schreiben vom 3. April 2014 eine "Vorfälligkeitsentschädigung" in
  78. Höhe von 7.827,75 €, die der Kläger mit dem Bearbeitungsentgelt in Höhe von
  79. 150 € an die Beklagte leistete.
  80. 5
  81. Mit Schreiben vom 5. Juni 2014 widerrief der Kläger gegenüber der Beklagten seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung
  82. und setzte der Beklagten "[f]ür die Abrechnung des Darlehens" eine Frist bis
  83. zum 19. Juni 2014. Mit einem Schreiben vom 1. Juli 2014 wies die Beklagte den
  84. Widerruf zurück. Mit Schreiben seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 12. August 2014 forderte der Kläger die Beklagte zu einer "Neuabrechnung bzw. -saldierung der Darlehen" bis zum 2. September 2014 auf. Hierzu
  85. -7-
  86. nahm die Beklagte unter dem 1. Oktober 2014 ohne Verweis auf eine Beauftragung durch die EAA abschlägig Stellung, wobei sie anführte, das Schreiben
  87. vom 12. August 2014 sei ihr "zur direkten Beantwortung zugeleitet worden".
  88. 6
  89. Die am 5. Februar 2015 zugestellte Klage auf Neuabrechnung der "Darlehensverträge", Zahlung des sich aus der Neuabrechnung zugunsten des Klägers ergebenden Differenzbetrags, Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts sowie Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten, hilfsweise Freistellung, weiter hilfsweise auf Zahlung von 11.246,76 € nebst Zinsen und "äußerst
  90. hilfsweise" auf Feststellung, dass "die Darlehensverträge […] in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden" seien, hat das Landgericht unter
  91. Verweis auf die Grundsätze von Treu und Glauben abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er zuletzt noch Zahlung von
  92. 11.246,76 €, Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts, Erstattung vorgerichtlich
  93. verauslagter Anwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen, hilfsweise Freistellung, und "äußerst hilfsweise" die Feststellung des Zustandekommens eines
  94. Rückgewährschuldverhältnisses beansprucht hat, hat das Berufungsgericht
  95. unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das landgerichtliche Urteil
  96. teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.246,76 €
  97. und weitere 150 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2014 sowie "für die außergerichtliche
  98. Rechtsverfolgung an den Kläger 1.835,95 €" nebst Zinsen in Höhe von fünf
  99. Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem "5. Februar 2014" zu zahlen.
  100. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung
  101. des Klägers weiterverfolgt.
  102. Entscheidungsgründe:
  103. 7
  104. Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
  105. -8-
  106. I.
  107. 8
  108. Das Berufungsgericht (OLG Koblenz, Urteil vom 5. August 2016
  109. - 8 U 1091/15, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das
  110. Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
  111. 9
  112. Die Beklagte sei richtige Adressatin des Widerrufs vom 5. Juni 2014 und
  113. richtige Gegnerin der Ansprüche des Klägers aus dem Rückgewährschuldverhältnis. Dabei bedürfe keiner weiteren Aufklärung, ob auf der Grundlage des
  114. "Spaltungs- und Übernahmevertrags" vom 24. April 2010 der Darlehensvertrag
  115. zwischen dem Kläger und der Beklagten auf die EAA übertragen worden sei.
  116. Jedenfalls habe die Beklagte nicht hinreichend dazu vorgetragen, bei der EAA
  117. habe es sich, was Voraussetzung des Ausschlusses der Mithaftung der Beklagten gewesen sei, um eine "nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz
  118. […] errichtete Abwicklungsanstalt" gehandelt. Im Übrigen müsse sich die Beklagte jedenfalls nach Rechtsscheingrundsätzen als richtige Adressatin des Widerrufs und Anspruchsgegnerin behandeln lassen. Der Kläger habe aufgrund
  119. der Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 2013 und 3. April 2014 davon
  120. ausgehen dürfen, "sich mit seinem Rückzahlungsbegehren an seinen auch für
  121. die weitere Abwicklung nach wie vor zuständigen Vertragspartner gewandt zu
  122. haben". Der kleingedruckte Zusatz "Im Auftrag der EAA" im Briefkopf der Beklagten habe an diesem Befund nichts geändert. Erst recht sei der Eindruck, die
  123. Beklagte sei weiterhin Vertragspartnerin, durch ihr Schreiben vom 1. Oktober
  124. 2014 bestärkt worden.
  125. 10
  126. Die Beklagte habe den Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion
  127. des Musters für die Widerrufsbelehrung nach der maßgeblichen Fassung der
  128. BGB-Informationspflichten-Verordnung könne sich die Beklagte nicht berufen,
  129. weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten dem Muster nicht vollständig entsprochen habe. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung sei die Widerrufsfrist
  130. nicht angelaufen, so dass der Kläger den Widerruf noch 2014 habe erklären
  131. können. Dass die Parteien vor Ausübung des Widerrufsrechts einen Aufhe-
  132. -9-
  133. bungsvertrag geschlossen hätten, stehe weder dem Widerruf der auf Abschluss
  134. des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen noch einem Anspruch
  135. auf Rückgewähr der erbrachten Leistungen entgegen.
  136. 11
  137. Der Kläger habe das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Zwar sei eine Verwirkung auch ohne Rücksicht auf die Kenntnis und Willensrichtung des Berechtigten möglich, wenn der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten habe schließen dürfen, dass der Berechtigte sein Recht
  138. nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr habe zu rechnen brauchen und
  139. sich entsprechend darauf habe einrichten dürfen. Diese Voraussetzungen seien
  140. indessen nicht gegeben. Der Umstand, dass dem Berechtigten das ihm zustehende Recht unbekannt gewesen sei, stehe einer Verwirkung jedenfalls
  141. dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten falle. Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen habe, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu
  142. erteilen, dürfe nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spreche
  143. zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden könne. Vom Vorliegen des Umstandsmoments sei auch nicht deshalb auszugehen,
  144. weil die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen hätten. Die beiderseitige vollständige Vertragserfüllung führe nicht zum Verlust des Widerrufsrechts und könne allein auch nicht ausreichen, um die Annahme der Verwirkung
  145. zu rechtfertigen. Der Kläger habe das Widerrufsrecht überdies nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Auf die Motive, die ihn zur Ausübung des Widerrufsrechts bewogen hätten, komme es nicht an.
  146. 12
  147. Auf der Grundlage des durch den Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnisses könne der Kläger seine Leistungen zurückverlangen. Verzugszinsen stünden dem Kläger zu, weil die Beklagte aufgrund der Fristsetzung
  148. mit Schreiben vom 12. August 2014 ab dem 3. September 2014 in Verzug geraten sei. Entsprechend sei die Beklagte - wenn auch in reduziertem Umfang - zur
  149. Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verpflichtet.
  150. - 10 -
  151. II.
  152. 13
  153. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
  154. in allen Punkten stand.
  155. 14
  156. 1. Im Ausgangspunkt richtig ist das Berufungsgericht freilich davon ausgegangen, der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung gegenüber der Beklagten als richtiger Erklärungsgegnerin
  157. widerrufen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten eigenen Schreiben vom
  158. Mai 2010 ergibt sich, dass die Beklagte auch nach einem Übergang des Darlehensverhältnisses auf die EAA weiter jedenfalls als deren Erklärungsempfängerin fungieren wollte und sollte. Damit war sie richtige Adressatin des vom Kläger
  159. erklärten Widerrufs.
  160. 15
  161. 2. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im Falle der wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts die Beklagte für die Schuldnerin der aus
  162. dem Rückabwicklungsverhältnis resultierenden Ansprüche gehalten hat, weisen
  163. indessen Rechtsfehler auf.
  164. 16
  165. a) Eine Mithaftung der Beklagten gemäß § 133 Abs. 3 UmwG, die auch
  166. für Verpflichtungen aufgrund eines nach Wirksamwerden der Spaltung erklärten
  167. Widerrufs gälte (vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 7. Aufl., § 133
  168. Rn. 13; Seulen in Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl., § 133 Rn. 13), hat das Berufungsgericht, was die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft angenommen.
  169. 17
  170. Die Beklagte hat vom Kläger bestritten im Rechtsstreit eingewandt, sie
  171. hafte nicht neben der EAA für aus dem Rückgewährschuldverhältnis folgende
  172. Ansprüche des Klägers, weil ihre Mithaftung nach § 8a Abs. 8 Nr. 5 FMStFG in
  173. der Fassung vom 17. Juli 2009 (künftig: aF) ausgeschlossen sei (vgl. auch
  174. Adolff/Eschwey, ZHR 177 [2013], 902, 927 ff.). Diesen Einwand durfte das Berufungsgericht anders als geschehen nicht als unsubstantiiert zurückweisen,
  175. ohne der Beklagten zuvor Gelegenheit zur weiteren Vertiefung ihres Vortrags
  176. zu geben.
  177. - 11 -
  178. 18
  179. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der
  180. Vorinstanz nicht folgen will. Das Berufungsgericht ist dann auch verpflichtet, der
  181. betroffenen Partei Gelegenheit zu geben, auf den Hinweis zu reagieren und
  182. ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen sowie gegebenenfalls Beweis anzutreten
  183. (Senatsurteil vom 21. Dezember 2004 - XI ZR 17/03, juris Rn. 11; Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03, juris Rn. 12 und vom 15. Juni
  184. 2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rn. 20). Ein rechtlicher Hinweis ist nur
  185. dann entbehrlich, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt hat, die dem ihr
  186. günstigen Urteil zugrundeliegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts
  187. als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt
  188. wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. In diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei
  189. von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung
  190. ist (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZR 365/14, BKR 2017, 164
  191. Rn. 27).
  192. 19
  193. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Frage, ob die Beklagte passivlegitimiert sei, spielte für die Entscheidung des Landgerichts keine Rolle. Das Berufungsgericht hätte mithin der Beklagten Gelegenheit geben müssen, zu den
  194. Voraussetzungen eines gesetzlichen Ausschlusses ihrer Mithaftung weiter vorzutragen.
  195. 20
  196. b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch eine Haftung der Beklagten wegen eines zurechenbar gesetzten Rechtsscheins - so von der Revision zu Recht beanstandet - angenommen. Denn das Berufungsgericht hat dabei wesentlichen Prozessstoff außer Acht gelassen.
  197. 21
  198. Allerdings kann eine Haftung nach § 242 BGB unter bestimmten Umständen in Betracht kommen, wenn sich der in Anspruch Genommene zunächst
  199. auf den geltend gemachten Anspruch einlässt und sich erst später zum Nachteil
  200. des Anspruchstellers auf das Fehlen seiner Passivlegitimation beruft (BGH, Ur-
  201. - 12 -
  202. teile vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, WM 1987, 110 f. und vom 11. Juni
  203. 1996 - VI ZR 256/95, NJW 1996, 2724 f. mwN). Es handelt sich hierbei um Fälle der Rechtsscheinhaftung als Unterfall widersprüchlichen Verhaltens, in denen
  204. der in Anspruch Genommene zurechenbar den Rechtsschein gesetzt hat,
  205. Schuldner der behaupteten Forderung zu sein, und der vermeintliche Gläubiger
  206. gutgläubig darauf vertraut (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juni 2012 - II ZR 256/11,
  207. WM 2012, 1629 Rn. 27 und vom 5. Juli 2012 - III ZR 116/11, WM 2012, 1482
  208. Rn. 22; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484
  209. Rn. 7).
  210. 22
  211. Die Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung hat das Berufungsgericht indessen nicht rechtsfehlerfrei hergeleitet. Zwar kann die Würdigung der
  212. konkreten Umstände anhand des § 242 BGB durch das Berufungsgericht vom
  213. Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen
  214. Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und
  215. nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016
  216. - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 18 und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123
  217. Rn. 43 mwN). Auch danach erweist sich die Folgerung des Berufungsgerichts
  218. indessen als rechtsfehlerhaft. Denn das Berufungsgericht hat, worauf die Revision zu Recht hinweist, isoliert einzelne Aspekte des in den Jahren 2013 und
  219. 2014 geführten Schriftverkehrs gewürdigt, ohne die Schreiben aus dem
  220. Mai 2010 und die Gestaltung des Briefkopfs der Beklagten in den Folgeschreiben bei seiner Bewertung miteinzubeziehen. Darauf, ob die vom Berufungsgericht für maßgeblich erachteten Rechtshandlungen der Beklagten im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags vom Kläger
  221. als auf einer treuhänderischen Verwaltung der Beklagten für die EAA beruhend
  222. verstanden werden mussten, ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
  223. 23
  224. 3. Die Folgerung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Kläger
  225. unzureichend über das ihm zukommende Widerrufsrecht belehrt, so dass die
  226. Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen sei,
  227. hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
  228. - 13 -
  229. 24
  230. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der
  231. zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag - wie von der Beklagten
  232. behauptet - im Wege des Fernabsatzes zustande gekommen ist. Davon hängt
  233. aber, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils klargestellt hat, ab, ob
  234. die Widerrufsbelehrung der Beklagten fehlerfrei war oder nicht (vgl. einerseits
  235. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 46 ff.,
  236. andererseits Senatsurteile vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028
  237. Rn. 14 und vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 22 ff.). Mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten zu unterstellen, dass die Parteien ein Fernabsatzgeschäft geschlossen haben. Unter diesen Umständen entsprach die Widerrufsbelehrung anders als vom Berufungsgericht angenommen den gesetzlichen Anforderungen (Senatsurteil vom 21. Februar 2017, aaO).
  238. 25
  239. Entgegen dem Vorbringen der Revisionserwiderung war die Widerrufsbelehrung - den Abschluss des Darlehensvertrags als Fernabsatzgeschäft unterstellt - auch nicht in einer Zusammenschau mit dem "Wichtige[n] Hinweis" undeutlich. Der vorformulierte Hinweis war aus der maßgeblichen Sicht eines
  240. durchschnittlichen Kunden (Senatsurteile vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12,
  241. WM 2013, 1314 Rn. 34 sowie vom 6. Dezember 2011 - XI ZR 401/10,
  242. WM 2012, 262 Rn. 24 und - XI ZR 442/10, juris Rn. 31) verständlich. Darüber
  243. hinaus wird eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, wie hier drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen
  244. inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (vgl. BGH, Urteil vom
  245. 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14, juris Rn. 11).
  246. 26
  247. 4. Anhand der neueren Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom
  248. 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 40 und - XI ZR 564/15,
  249. BGHZ 211, 123 Rn. 37, vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295
  250. Rn. 30 f. und vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 27 f.) als
  251. rechtsfehlerhaft erweisen sich außerdem die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat. Dass die Be-
  252. - 14 -
  253. klagte davon ausging oder ausgehen musste, der Kläger habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schloss entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts eine Verwirkung nicht aus (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juni 1957
  254. - II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, 53 und vom 16. März 2007 - V ZR 190/06,
  255. WM 2007, 1940 Rn. 8). Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte "die
  256. Situation selbst herbeigeführt hat", weil sie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen
  257. - wie hier - kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung
  258. ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (Senatsurteil vom
  259. 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, aaO, Rn. 41). Das gilt in besonderem Maße, wenn
  260. die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers
  261. zurückgeht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016, aaO, Rn. 30; Senatsbeschluss
  262. vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16, n.n.v., Rn. 8).
  263. 27
  264. 5. Das Berufungsgericht, das dem Kläger Verzugszinsen wie beantragt
  265. ab dem 3. September 2014 zugesprochen hat, hat schließlich übersehen, dass
  266. sich die Beklagte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nach Maßgabe der mit Senatsurteil vom 21. Februar 2017 (XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 23 ff.) aufgestellten Grundsätze mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus § 357 Abs. 1
  267. Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit
  268. §§ 346 ff. BGB nicht in Schuldnerverzug befand, so dass die Beklagte auch
  269. nicht zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verpflichtet war.
  270. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht - bei der Datierung
  271. "5. Februar 2014" handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler, gemeint
  272. ist der "5. Februar 2015" - dem Kläger unzutreffend aus § 291 BGB bereits ab
  273. dem Tage der Zustellung der Klageschrift Prozesszinsen zugesprochen. Die
  274. Pflicht zur Zinszahlung besteht in entsprechender Anwendung von § 187 Abs. 1
  275. BGB indessen erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (Senatsurteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rn. 103, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
  276. - 15 -
  277. III.
  278. 28
  279. Das Berufungsurteil unterliegt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil
  280. der Beklagten entschieden hat, der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insoweit
  281. stellt es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
  282. 29
  283. Soweit das Berufungsgericht auf die Berufung des Klägers die Beklagte
  284. zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verurteilt hat, ist die
  285. Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein entsprechender Anspruch zusteht (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 34 f.).
  286. - 16 -
  287. 30
  288. Im Übrigen ist die Sache, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der
  289. Beklagten erkannt hat, nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist daher zur neuen
  290. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
  291. (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  292. Ellenberger
  293. Grüneberg
  294. Menges
  295. Maihold
  296. Derstadt
  297. Vorinstanzen:
  298. LG Mainz, Entscheidung vom 07.09.2015 - 5 O 237/14 OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.08.2016 - 8 U 1091/15 -