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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 442/16
  5. Verkündet am:
  6. 14. März 2017
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ZPO § 51
  19. Gibt der Kläger, der nicht Organ der beklagten Genossenschaft ist, in der
  20. Klageschrift den gesetzlichen Vertreter der Genossenschaft erkennbar irrtümlich fehlerhaft an und wird die Klage an den richtigen gesetzlichen Vertreter zugestellt, ist sie ordnungsgemäß erhoben (Abgrenzung zu BGH, Urteile
  21. vom 26. Juni 1995 - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 110 ff., vom 9. Oktober
  22. 1986 - II ZR 284/85, WM 1986, 1411, 1412 und vom 16. Februar 2009
  23. - II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10).
  24. ZPO § 256 Abs. 1
  25. Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der der Verbraucher nach Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten
  26. Willenserklärung die Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein
  27. Rückgewährschuldverhältnis geltend macht.
  28. ECLI:DE:BGH:2017:140317UXIZR442.16.0
  29. -2-
  30. BGB § 355 Abs. 2 Satz 2 (Fassung vom 23. Juli 2002)
  31. Mittels der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" macht der Verwender einer Widerrufsbelehrung hinreichend
  32. deutlich, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text
  33. alternativ genannten Fristlängen abhängt.
  34. BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 - OLG Koblenz
  35. LG Mainz
  36. -3-
  37. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  38. vom 14. März 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
  39. Dr. Derstadt
  40. für Recht erkannt:
  41. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
  42. des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. August 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
  43. erkannt worden ist.
  44. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des
  45. Landgerichts Mainz vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen,
  46. soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung weiterer
  47. 928,80 € (vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten) zu verurteilen.
  48. Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  49. Von Rechts wegen
  50. Tatbestand:
  51. 1
  52. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger, einem Bankkaufmann, erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss von vier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen.
  53. -4-
  54. 2
  55. Die Parteien schlossen im Jahr 2007 vier Immobiliardarlehensverträge,
  56. denen jeweils folgende, bis auf die Vertragsdaten gleichlautende Widerrufsbelehrung beigegeben war:
  57. -5-
  58. -6-
  59. 3
  60. Der Kläger löste sämtliche Darlehen auf eigenen Wunsch gegen Zahlung
  61. einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € zum 2. Mai 2012 ab.
  62. Unter dem 30. Oktober 2014 widerrief er seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, wobei er darauf hinwies, er habe "im Vorfeld rechtlichen Rat" unter anderem bei seinem Rechtsanwalt eingeholt.
  63. 4
  64. In der von ihm bei dem Landgericht anhängig gemachten Klage hat er
  65. die Beklagte als "
  66. sitzende[n]
  67. bank eG, vertreten durch den AufsichtsratsvorH.
  68. ", bezeichnet. Die Klage ist an die "
  69. bank eG, v.d.d. Vorstand", zugestellt und dort an einen Prokuristen als Leiter
  70. des Bereichs "Sonderaufgaben Kredit und Recht" weitergegeben worden. Dieser Prokurist und eine Mitarbeiterin, die zusammen zur Erteilung von Prozessvollmachten für die Beklagte ermächtigt sind, haben unter dem Betreff "Neues
  71. Mandat:
  72. S.
  73. ./.
  74. bank eG" den vorinstanzlichen Pro-
  75. zessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2015 "um
  76. Übernahme des im Betreff genannten Mandates" gebeten. Der vorinstanzliche
  77. Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2015 "die
  78. Vertretung und Verteidigungsbereitschaft der Beklagten" angezeigt.
  79. 5
  80. Das Landgericht hat die Angabe des Klägers zum gesetzlichen Vertreter
  81. der Beklagten in das Rubrum übernommen und die Klage abgewiesen. Auf die
  82. Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Beibehaltung des
  83. Rubrums antragsgemäß festgestellt, dass die vier näher bezeichneten Darlehensverträge "durch wirksamen Widerruf […] in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt" worden seien. Außerdem hat es die Beklagte zur Erstattung der
  84. Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten in Höhe von 928,80 € verurteilt. Im Übrigen
  85. hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
  86. -7-
  87. 6
  88. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die der durch den
  89. vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestellte drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte in Übernahme des Rubrums der Vorinstanzen eingelegt und begründet hat, erstrebt die Beklagte unter Verweis auf einen Mangel
  90. ihrer gesetzlichen Vertretung bei Klageerhebung in erster Linie eine Abweisung
  91. der Klage als unzulässig. In zweiter Linie begehrt sie die vollständige Zurückweisung der Berufung, weil das Berufungsgericht zu Unrecht eine Verwirkung
  92. des Widerrufsrechts verneint habe.
  93. Entscheidungsgründe:
  94. A.
  95. 7
  96. Die Revision ist zulässig. Die Prozessführung in dritter Instanz ist dem
  97. gemäß § 24 Abs. 1 GenG zur gerichtlichen Vertretung der Beklagten berufenen
  98. Vorstand zuzurechnen. Der drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist gemäß § 81 ZPO wirksam durch deren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, den wiederum ein Prokurist im Verein mit einer Mitarbeiterin
  99. aufgrund seiner vom Vorstand abgeleiteten Vertretungsmacht (Pöhlmann/
  100. Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 42 Rn. 2) mandatiert hat, bestellt worden
  101. (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 156
  102. und vom 15. März 2006 - XII ZR 138/01, NJW 2006, 2334 Rn. 14).
  103. B.
  104. 8
  105. Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
  106. -8-
  107. I.
  108. 9
  109. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  110. 10
  111. Die Feststellungsklage sei zulässig. Zwar genieße eine Leistungsklage
  112. grundsätzlich Vorrang. Bei einer Bank sei indessen ohne weiteres davon auszugehen, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil leisten werde.
  113. 11
  114. Der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten
  115. Willenserklärungen Ende 2014 widerrufen können, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht an- und abgelaufen sei. So
  116. hätten die Widerrufsbelehrungen der Beklagten zu der Fehlvorstellung verleitet,
  117. die Widerrufsfrist beginne bereits mit der Aushändigung einer Vertragserklärung
  118. der Beklagten ohne Rücksicht auf die Vertragserklärung des Klägers. Darauf,
  119. ob wegen der konkreten Situation des Vertragsschlusses dieses Missverständnis ausgeräumt gewesen sei, komme es nicht an, weil auch bei einem Präsenzgeschäft über die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung allein anhand
  120. der objektiven Auslegung zu entscheiden sei. Da die Beklagte das Muster für
  121. die Widerrufsbelehrung des Verordnungsgebers nicht verwendet habe, könne
  122. sie sich auch nicht auf dessen Gesetzlichkeitsfiktion berufen. An der Widerruflichkeit der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen habe sich durch deren vorzeitige Abwicklung nichts geändert.
  123. 12
  124. Die Grundsätze von Treu und Glauben stünden der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Der Kläger habe die Darlehen zwar mehrere
  125. Jahre ordnungsgemäß bedient und sie dann im Jahr 2012 auf eigenen Wunsch
  126. vorzeitig abgelöst. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass er dies alles in
  127. Kenntnis seines fortbestehenden Widerrufsrechts getan habe. Jedenfalls ge-
  128. -9-
  129. nügten diese Aspekte nicht, um das Vertrauen der Beklagten darauf zu begründen, der Kläger werde sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben. Berufliches
  130. Sonderwissen des Klägers vermöge ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten ebenfalls nicht zu begründen, zumal nicht mit der erforderlichen Sicherheit
  131. habe festgestellt werden können, dass ihm die rechtliche Problematik des "ewigen" Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen vor Abgabe seiner
  132. Willenserklärungen bekannt gewesen sei. Darauf, ob der Kläger mit dem Widerruf "ein berechtigtes Interesse" verfolge, komme es nicht an. Für ein arglistiges
  133. Verhalten sei nichts ersichtlich. Es bestünden ferner keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die schutzwürdig auf das Unterbleiben des Widerrufs vertrauende Beklagte tatsächlich so disponiert habe, dass der Widerruf
  134. für sie eine unzumutbare Belastung darstelle. Auch im Übrigen liege in der
  135. Ausübung des Widerrufsrechts keine unzulässige Rechtsausübung. Dass der
  136. Kläger überhaupt - wenn auch fehlerhaft - über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, sei ohne Belang. Gleichfalls unerheblich sei, dass der Widerruf für den
  137. Kläger wirtschaftlich vorteilhaft sei, während die Beklagte aufgrund des erheblich gesunkenen Zinsniveaus finanzielle Einbußen erleide.
  138. 13
  139. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu. Herausgabe vermutlich gezogener Nutzungen könne
  140. er indessen nur in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und
  141. nicht wie beantragt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
  142. verlangen. Schließlich könne der Kläger als Verzugsschaden den Ersatz vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten beanspruchen.
  143. - 10 -
  144. II.
  145. 14
  146. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
  147. 15
  148. 1. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, die Klage sei in Gänze zulässig gegen die Beklagte erhoben worden.
  149. 16
  150. Zwar ist die Klage in Fällen, in denen ein Kläger, der selbst zu einem Organ einer Gesellschaft gehört, den gesetzlichen Vertreter der beklagten Gesellschaft - im Falle einer Genossenschaft: das nach § 24 Abs. 1, § 39 GenG zu
  151. ihrer gerichtlichen Vertretung berufene Organ - nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet hat (dazu BGH, Urteile vom 9. Oktober 1986 - II ZR 284/85, WM 1986,
  152. 1411, 1412 und vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10)
  153. und in denen an diesen vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen des
  154. Klägers zugestellt worden ist, unzulässig (BGH, Urteile vom 26. Juni 1995
  155. - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 110 ff., vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02,
  156. BGHZ 157, 151, 154 und vom 16. Februar 2009 aaO Rn. 4; vgl. auch Beuthien,
  157. GenG, 15. Aufl., § 39 Rn. 6 a.E.; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG,
  158. 4. Aufl., § 39 Rn. 10; Hopt/Roth in GroßKomm AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 112;
  159. Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 112 Rn. 13; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl.,
  160. § 112 Rn. 13; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 33; Grigoleit/
  161. Tomasic, AktG, 2013, § 112 Rn. 17).
  162. 17
  163. Anderes gilt aber, wenn in der Klageschrift der gesetzliche Vertreter lediglich irrtümlich fehlerhaft angegeben wird, sich - auch durch das Revisionsgericht (BGH, Urteile vom 24. Januar 1952 - III ZR 196/50, BGHZ 4, 328, 335,
  164. vom 24. November 1980 - VIII ZR 208/79, WM 1981, 46, 47 und vom
  165. 16. Dezember 1997 - VI ZR 279/96, NJW 1998, 1496, 1497) - das Gemeinte
  166. - 11 -
  167. ermitteln lässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - II ZR 284/85, WM 1986,
  168. 1411, 1412; Gehle, MDR 2011, 957 f.; auch Musielak/Voit/Weth, ZPO, 13. Aufl.,
  169. § 51 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 37. Aufl., § 51 Rn. 7) und die Zustellung der Klageschrift tatsächlich an den richtigen gesetzlichen Vertreter bewirkt
  170. wird. In diesem Fall ist die Klage zulässig erhoben und entsteht das Prozessrechtsverhältnis zu dem ordnungsgemäß gesetzlich vertretenen Beklagten.
  171. 18
  172. So verhält es sich hier. Bei der Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden
  173. der Beklagten als ihres gesetzlichen Vertreters in der Klageschrift handelte es
  174. sich offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung, mit der keine
  175. positive Aussage über die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse und
  176. insbesondere über die Reichweite des § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG getroffen werden sollte. Entsprechend hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, die die Zustellung der Klageschrift nach § 166 Abs. 2, §§ 168, 170 ZPO zu bewirken hatte, die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters ausgelegt und die Zustellung
  177. an den (nicht notwendig namentlich zu benennenden, vgl. BGH, Urteil vom
  178. 29. Juni 1993 - X ZR 6/93, WM 1993, 1818, 1821) Vorstand der Beklagten als
  179. deren gesetzlichen Vertreter bewirkt, so dass das Prozessrechtsverhältnis zur
  180. Beklagten wirksam zustande gekommen ist. Dass die unrichtige, aber offenbar
  181. fehlerhafte Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters sowohl in die Berufungsschrift als auch in die Entscheidungen der Vorinstanzen übergegangen ist, ändert daran nichts.
  182. 19
  183. 2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, die
  184. Feststellungsklage sei zulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
  185. Feststellungsinteresse gegeben sei. Das trifft nicht zu. Der Kläger kann und
  186. muss vielmehr vorrangig insgesamt (und nicht nur die Vorfälligkeitsentschädigung betreffend) mit der Leistungsklage gegen die Beklagte vorgehen (vgl. im
  187. Einzelnen Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 13 ff.).
  188. - 12 -
  189. Da nicht feststeht, die Parteien seien sich - die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt - über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche einig, das Berufungsgericht vielmehr im Gegenteil den Standpunkt des Klägers zu dem von ihm geforderten Nutzungsersatz als streitig referiert und die
  190. Revision unter anderem mit dem Hinweis darauf zugelassen hat, es bedürfe
  191. grundsätzlicher Ausführungen "zur Höhe des von der Bank geschuldeten Nutzungsersatzes bei Immobiliardarlehen", liegt eine Ausnahme vom Vorrang der
  192. Leistungsklage, wie sie Gegenstand des Senatsurteils vom 24. Januar 2017
  193. (XI ZR 183/15, n.n.v. Rn. 16) war, nicht vor.
  194. 20
  195. 3. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung überdies nicht stand,
  196. soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen verurteilt hat. Das Berufungsgericht hat die rechtlichen Maßgaben verkannt, unter denen nach den Senatsurteilen vom 12. Juli 2016 (XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 38 ff. und
  197. XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 33 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in
  198. BGHZ) sowie vom 11. Oktober 2016 (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 29 ff.,
  199. zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ) die Verwirkung des Widerrufsrechts
  200. steht.
  201. 21
  202. a) Richtig hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angenommen,
  203. dem Kläger habe ursprünglich ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zugestanden, über das die Beklagte ihn gemäß § 355 BGB in der zwischen dem
  204. 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.)
  205. habe belehren müssen.
  206. 22
  207. b) Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, die Widerrufsbelehrungen der Beklagten hätten den Kläger nicht hinreichend deutlich über die
  208. Voraussetzungen seines Widerrufsrechts unterrichtet.
  209. - 13 -
  210. 23
  211. aa) Allerdings belehrte die Beklagte, was das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Mittels
  212. der hier erkennbar an den Verbraucher gerichteten (vgl. Senatsurteil vom
  213. 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 19) Fußnote im Anschluss an
  214. die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" machte die Beklagte ausreichend
  215. klar, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhing. Dabei orientierte sie sich zulässig am Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. Zugleich machte sie das Gemeinte durch
  216. die ausdrückliche Benennung der Vorschrift deutlich (Senatsurteil vom
  217. 22. November 2016 - XI ZR 434/15, WM 2017, 427 Rn. 19). Der Zusatz in der
  218. Fußnote "bzw. werden kann" war nicht geeignet, den Hinweis zu verunklaren
  219. (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2016 - 17 U 175/15, juris Rn. 16;
  220. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 24 U 151/15, juris Rn. 42;
  221. OLG Hamm,
  222. Urteil
  223. vom
  224. 18. Juli
  225. 2016
  226. - 31 U 284/15,
  227. juris
  228. Rn. 40 ff.;
  229. OLG Zweibrücken, Urteile vom 16. Dezember 2016 - 7 U 119/15, juris Rn. 91 ff.
  230. und - 7 U 133/15, juris Rn. 85 ff.). Eine so gestaltete Sammelbelehrung - hier:
  231. für die ursprüngliche und die Nachbelehrung - ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v.
  232. Rn. 51 f.; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 - XI ZR 66/16, juris Rn. 11).
  233. 24
  234. bb) Das Berufungsgericht hat indessen zutreffend erkannt, dass die Beklagte mittels der Wendung "der schriftliche Vertragsantrag" nicht hinreichend
  235. deutlich zum Ausdruck brachte, dass Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragserklärung des Klägers war (Senatsurteil vom 21. Februar
  236. 2017 - XI ZR 381/16, n.n.v. Rn. 13 ff. mwN). Auf die Umstände der Erteilung der
  237. Belehrung kommt es, wie der Senat zuletzt mit Senatsurteil vom 21. Februar
  238. 2017 (aaO Rn. 16 ff.) klargestellt hat, nicht an. Die Gesetzlichkeitsfiktion des
  239. Musters für die Widerrufsbelehrung kommt der Beklagten nicht zugute. Die Abweichungen der Belehrungen gegenüber der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3
  240. - 14 -
  241. BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und
  242. dem 31. März 2008 geltenden Fassung gingen über das Maß hinaus, das der
  243. Senat als für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlich angesehen hat
  244. (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 20 ff.).
  245. 25
  246. c) Schließlich hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15,
  247. WM 2016, 2295 Rn. 28) erkannt, dass die auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auch noch nach dessen vorzeitiger Beendigung widerrufen werden kann.
  248. 26
  249. d) Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die
  250. Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts.
  251. 27
  252. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen
  253. der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist
  254. verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers
  255. über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten
  256. darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen,
  257. so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu
  258. dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine
  259. Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (Senatsurteile vom
  260. 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 40 und - XI ZR 564/15,
  261. - 15 -
  262. WM 2016, 1930 Rn. 37, jeweils mwN). Die Bewertung des Tatrichters kann in
  263. der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt
  264. und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem
  265. falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016
  266. - XI ZR 501/15, aaO Rn. 18 und - XI ZR 564/15, aaO Rn. 43 mwN). Nach diesen Maßstäben liegt hier ein revisionsrechtlich relevanter Rechtsfehler vor.
  267. 28
  268. Wie der Senat mit Urteilen vom 12. Juli 2016 (XI ZR 501/15, WM 2016,
  269. 1835 Rn. 41) und vom 11. Oktober 2016 (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295
  270. Rn. 30) ausgeführt hat, ist bei beendeten Verträgen bei der Bewertung, ob der
  271. Verbraucher das Widerrufsrecht verwirkt hat, mit zu berücksichtigen, ob die
  272. Parteien auf Wunsch des Verbrauchers den Darlehensvertrag einverständlich
  273. beendet haben. Diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei
  274. seiner Würdigung der für und gegen eine Verwirkung des Widerrufsrechts sprechenden Umstände zwar erwähnt, aber als unmaßgeblich außer Acht gelassen.
  275. 29
  276. 4. Das Berufungsurteil unterliegt schließlich der Aufhebung, soweit das
  277. Berufungsgericht dem Kläger auf seine Berufung vorgerichtlich verauslagte
  278. Anwaltskosten zuerkannt hat. Wie der Senat mit Senatsurteil vom 21. Februar
  279. 2017 (XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 27 ff.) näher ausgeführt hat, setzt eine Erstattung solcher Kosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens voraus,
  280. dass der Kläger seinerseits die von ihm nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der
  281. bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB
  282. geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten hat. Das war hier nicht der Fall.
  283. - 16 -
  284. III.
  285. 30
  286. Soweit das Berufungsgericht Anwaltskosten zuerkannt hat, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung
  287. zurückweisen, weil dem Kläger auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt,
  288. insbesondere nicht dem des Schadensersatzes wegen einer Verletzung der
  289. Pflicht zur richtigen Belehrung über sein Widerrufsrecht, ein Anspruch zusteht.
  290. Der Zahlungsantrag ist daher abweisungsreif (Senatsurteil vom 21. Februar
  291. 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 37 mwN). Im Übrigen ist dem Senat eine eigene
  292. Sachentscheidung verwehrt.
  293. 31
  294. 1. Nicht abweisungsreif ist der Feststellungsantrag.
  295. 32
  296. a) Der Senat kann auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage
  297. nicht als unzulässig abweisen. Denn das Berufungsgericht hätte, wenn es die
  298. Unzulässigkeit des Feststellungsantrags erkannt hätte, auf diese Tatsache hinweisen müssen. In solchen Fällen muss, sofern dies - wie hier - noch möglich
  299. ist, dem Kläger durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit gegeben werden, eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Umstellung vorzunehmen (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 39).
  300. 33
  301. b) Der Senat kann aber auch nicht auf die Unbegründetheit der Feststellungsklage erkennen. Freilich ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256
  302. Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein
  303. Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat,
  304. kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz
  305. aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senatsurteil vom 21. Februar
  306. 2017 - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 41 mwN). Aufgrund der vom Berufungsgericht
  307. getroffenen Feststellungen ist die Klage indessen nicht in der Sache abweisungsreif, weil nicht feststeht, dass der Kläger sein Widerrufsrecht verwirkt hat.
  308. - 17 -
  309. 34
  310. 2. Aus denselben Gründen ist die Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht abweisungsreif, weil nicht feststeht, ob sich aufgrund des
  311. Widerrufs des Klägers die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse
  312. umgewandelt haben.
  313. IV.
  314. 35
  315. Der Senat weist deshalb die Sache in dem aus der Entscheidungsformel
  316. ersichtlichen Umfang an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 ZPO, damit
  317. es dem Kläger Gelegenheit zur Anpassung seiner Klageanträge gibt und die zur
  318. Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts erforderlichen Feststellungen nachholt.
  319. Ellenberger
  320. Grüneberg
  321. Menges
  322. Maihold
  323. Derstadt
  324. Vorinstanzen:
  325. LG Mainz, Entscheidung vom 24.02.2016 - 5 O 122/15 OLG Koblenz, Entscheidung vom 19.08.2016 - 8 U 369/16 -