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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 139/05
  5. Verkündet am:
  6. 6. Dezember 2005
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGHR:
  16. ja
  17. _____________________
  18. VerbrKrG § 6 Abs. 1 und 2 (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung)
  19. a) Das Fehlen einer formgültigen Annahmeerklärung führt als Fehler der Schriftform insgesamt zur Nichtigkeit der Kreditvereinbarung gemäß § 6 Abs. 1 Alt. 1
  20. VerbrKrG.
  21. b) Auch eine Verletzung des Schriftformerfordernisses insgesamt wird durch die
  22. Inanspruchnahme des Kredits nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG geheilt.
  23. c) Eine Ermäßigung des Zinssatzes gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG tritt dann
  24. nicht ein, wenn eine formgültige, alle nach dem Verbraucherkreditgesetz erforderlichen Angaben enthaltende Vertragserklärung des Kreditnehmers vorliegt,
  25. durch die er im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes auch ohne förmlichen Zugang der Annahmeerklärung des Kreditgebers hinreichend informiert und gewarnt ist.
  26. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2005 - XI ZR 139/05 - OLG Frankfurt am Main
  27. LG Frankfurt am Main
  28. -2-
  29. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
  30. den
  31. Richter
  32. Dr. Joeres,
  33. die
  34. Richterin
  35. Mayen
  36. und
  37. die
  38. Richter
  39. Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
  40. für Recht erkannt:
  41. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
  42. 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am
  43. Main vom 20. April 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  44. Von Rechts wegen
  45. Tatbestand:
  46. 1
  47. Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Rückerstattung von
  48. Kreditzinsen.
  49. 2
  50. Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2000 zum Zweck eines
  51. Grundstückserwerbs einen Kredit über 4 Mio. DM. Dem lag zunächst ein
  52. Realkreditvertrag ohne Zinsbindung zugrunde, der auf Wunsch des Klägers in einen Vertrag mit Zinsbindung umgewandelt werden sollte. Zu
  53. diesem Zweck übersandte die Beklagte dem Kläger mehrere Exemplare
  54. eines vorbereiteten Vertragsformulars. Darin wurde der Kreditbetrag in
  55. drei Darlehen mit unterschiedlichen festen Zinssätzen und Zinsbindungs-
  56. -3-
  57. fristen aufgeteilt. Der Kläger unterzeichnete am 3. Juli 2000 eines dieser
  58. Formulare und sandte es per Post zurück. Die Beklagte nahm das
  59. Schriftstück nach Gegenzeichnung zu ihren Unterlagen. Ob sie dem Kläger eine Kopie davon per Telefax übermittelte, ist streitig. Der Kläger bediente die Darlehen bis zum Jahr 2002 und zahlte sie alsdann vorzeitig
  60. zurück.
  61. 3
  62. Der Kläger fordert im Wege einer Teilklage über 34.000 € zuzüglich Zinsen die Rückerstattung überzahlter Kreditzinsen mit der Begründung, der geänderte Darlehensvertrag habe dem Schriftformgebot des
  63. § 4 VerbrKrG nicht genügt, so dass er in analoger Anwendung von § 6
  64. Abs. 2 VerbrKrG allenfalls Zinsen in Höhe des gesetzlichen, nicht aber
  65. des vertraglichen Zinssatzes geschuldet habe.
  66. 4
  67. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
  68. Revision verfolgt er sein Begehren weiter.
  69. Entscheidungsgründe:
  70. 5
  71. Die Revision ist unbegründet.
  72. I.
  73. 6
  74. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wie folgt begründet:
  75. -4-
  76. 7
  77. Die Schriftform des § 4 Abs. 1 VerbrKrG sei zwar nicht gewahrt.
  78. Das gelte auch, wenn die Beklagte ihre Vertragserklärung per Telefon an
  79. den Kläger übermittelt habe. Ein Verzicht des Klägers auf den Zugang
  80. der Annameerklärung gemäß § 151 BGB liege nicht vor. Der Schriftformverstoß sei aber gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG durch die Inanspruchnahme des Kredits geheilt worden, ohne dass sich der Zinssatz
  81. gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG ermäßigt habe. Die Zielsetzung des
  82. § 6 Abs. 2 VerbrKrG, einzelne Verstöße gegen die Pflichtangaben des
  83. § 4 VerbrKrG mit Sanktionen zu belegen, greife bei einer lediglich mangelhaften Erklärungsübersendung nicht ein. Da diese Auffassung von
  84. einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (NJW-RR 2004,
  85. 1497) abweicht, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
  86. II.
  87. 8
  88. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Überprüfung in den wesentlichen Punkten stand.
  89. 9
  90. 1. Zwischen den Parteien ist im Juli 2000 eine vertragliche Einigung über die Änderung des ursprünglichen Kreditvertrages zustande
  91. gekommen. Der Kläger hat der Beklagten mit der Übersendung des von
  92. ihm unterzeichneten Vertragsformulars ein Angebot zum Abschluss der
  93. Änderungsvereinbarung unterbreitet. Dieses Angebot hat die Beklagte
  94. entgegen der Auffassung der Revision rechtzeitig gemäß § 147 Abs. 2
  95. BGB angenommen, und zwar entweder - wie von ihr behauptet - durch
  96. Übersendung des gegengezeichneten Vertragsformulars per Telefax,
  97. -5-
  98. oder aber durch schlüssiges Verhalten, indem sie Zinszahlungen des
  99. Klägers gemäß den neuen Vertragsbedingungen widerspruchslos entgegengenommen hat.
  100. 10
  101. Anders als die Revision meint, ist es in diesem Zusammenhang
  102. unerheblich, ob die Annahmeerklärung der Beklagten den Formerfordernissen des Verbraucherkreditgesetzes genügte. Die Frage, ob überhaupt
  103. eine vertragliche Einigung zustande gekommen ist, ist von der Frage eines Formverstoßes der vertraglichen Vereinbarung zu trennen (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2001 § 6 VerbrKrG Rdn. 14).
  104. 11
  105. 2. Die im Juli 2000 getroffene Vereinbarung unterliegt, auch wenn
  106. es sich dabei nicht, wie vom Berufungsgericht angenommen, um einen
  107. neuen eigenständigen Kreditvertrag, sondern um eine Änderung der
  108. Konditionen des Altvertrages bei fortbestehendem Kapitalnutzungsrecht
  109. des Klägers handelt, dem Schriftformerfordernis, da schon der Ursprungsvertrag
  110. dem
  111. Verbraucherkreditgesetz
  112. unterfiel
  113. (Möller/
  114. Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB § 492 Rdn. 9; Soergel/Häuser,
  115. BGB 12. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 13; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2004 § 492 Rdn. 20, 21; Ulmer, in: Ulmer/Habersack, VerbrKrG
  116. 2. Aufl. § 4 Rdn. 13).
  117. 12
  118. Die Änderungsvereinbarung genügt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Schriftform des § 4 Abs. 1 VerbrKrG nicht
  119. und ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Alt. 1 VerbrKrG nichtig.
  120. 13
  121. Zwar haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte durch Unterzeichnung desselben Vertragsformulars mit den erforderlichen Pflichtan-
  122. -6-
  123. gaben ihre Vertragserklärung in der gebotenen Form gemäß § 4 Abs. 1
  124. VerbrKrG abgegeben. Um wirksam zu werden, mussten diese Erklärungen aber jeweils auch dem anderen Vertragspartner in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen (BGH, Urteil vom 30. Juli 1997
  125. - VIII ZR 244/96, WM 1997, 2000, 2001 m.w.Nachw.; MünchKommBGB/
  126. Ulmer, 4. Aufl. § 492 BGB Rdn. 31). Das ist bei der Erklärung der Beklagten nicht der Fall; auch die von ihr behauptete Übermittlung per Telefax würde dem Formerfordernis nicht genügen (vgl. BGHZ 121, 224,
  127. 228 ff.; BGH, Urteil vom 30. Juli 1997 aaO; Bülow, Verbraucherkreditrecht 5. Aufl. § 492 BGB Rdn. 43; Metz, VerbrKrG § 4 Rdn. 9; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 492 BGB Rdn. 18; Staudinger/Kessal-Wulf,
  128. BGB Neubearb. 2004 § 492 Rdn. 9; a.A. Wagner-Wieduwilt, in: Bruchner/
  129. Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 13; v. Rottenburg, in:
  130. v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg aaO § 4 Rdn. 13).
  131. 14
  132. Der Zugang einer formgültigen Annahmeerklärung war auch nicht
  133. ausnahmsweise entbehrlich. Weder hatte der Kläger nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts
  134. auf den Zugang der Beklagtenerklärung gemäß § 151 BGB verzichtet,
  135. noch liegt ein Fall des § 4 Abs. 1 Satz 3 VerbrKrG vor, in dem auch der
  136. Zugang einer schriftlichen Erklärung ohne (Original-)Unterschrift ausreichen würde. Die Vertragserklärung der Beklagten wurde nicht "mit Hilfe
  137. einer automatischen Einrichtung" im Sinne dieser Vorschrift erstellt.
  138. Dass sie nach Behauptung der Beklagten per Telefax übermittelt wurde,
  139. reicht nicht.
  140. 15
  141. 3. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Mangel aber
  142. durch Inanspruchnahme des Kredits gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG geheilt
  143. -7-
  144. worden, ohne dass sich der vertraglich vereinbarte Zinssatz ermäßigt
  145. hätte.
  146. 16
  147. a) Trotz der unklaren Formulierung des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG
  148. tritt eine Heilung nach dieser Vorschrift - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht nur dann ein, wenn der Kredit wegen Fehlens der
  149. Pflichtangaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG nichtig ist, sondern
  150. auch in den Fällen, in denen - wie hier - eine Verletzung der Schriftform
  151. insgesamt vorliegt (vgl. Möller/Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB
  152. § 494
  153. Rdn. 9
  154. Fn. 18;
  155. Wagner-Wieduwilt,
  156. in:
  157. Bruchner/Ott/Wagner-
  158. Wieduwilt, aaO § 6 Rdn. 5; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 494 Rdn. 8;
  159. Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 8; Staudinger/KessalWulf,
  160. BGB
  161. Neubearb.
  162. 2004
  163. § 494
  164. Rdn. 14;
  165. v. Rottenburg,
  166. in:
  167. v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg aaO § 6 Rdn. 15; a.A. OLG
  168. Brandenburg, OLGR 1995, 189, 190; Bender VuR 1991, 197, 198).
  169. 17
  170. § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG verweist generell auf die Heilung eines
  171. "Mangels nach Absatz 1", ohne insoweit zwischen den dort genannten
  172. Fehleralternativen zu unterscheiden. Die Bezugnahme auf § 4 Abs. 1
  173. Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG soll keine Einschränkung der Heilung auf Fälle
  174. fehlender Pflichtangaben bewirken. Sie dient lediglich der Beschreibung
  175. und Abgrenzung der nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG heilbaren Kreditarten gegenüber § 6 Abs. 3 VerbrKrG. § 6 Abs. 2 VerbrKrG erfasst allgemeine
  176. Kreditverträge gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG, während Abs. 3
  177. für Teilzahlungsgeschäfte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 VerbrKrG gilt
  178. (vgl. Münstermann/Hannes, VerbrKrG § 6 Rdn. 295; v. Rottenburg, aaO).
  179. -8-
  180. Dass die Darlehensvaluta hier zum Zeitpunkt des neuen Vertrags-
  181. 18
  182. abschlusses bereits ausgezahlt war, steht einer Heilung durch "Inanspruchnahme des Kredits" nicht entgegen. Die Inanspruchnahme liegt in
  183. diesem Fall in der Fortsetzung der Darlehensnutzung durch den Kläger.
  184. Die Heilung des Formmangels fällt insofern mit dem formwidrigen Vertragsschluss zusammen (vgl. Bülow, Verbraucherkreditrecht 5. Aufl.
  185. § 494 BGB Rdn. 50 und Ulmer, in: Ulmer/Habersack, VerbrKrG 2. Aufl.
  186. § 6 Rdn. 22 zur Prolongation; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und
  187. Bankenpraxis S. 20 Rdn. 24).
  188. b) Eine Ermäßigung des Zinssatzes gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2
  189. 19
  190. VerbrKrG - sei es in erweiternder Auslegung oder aber entsprechender
  191. Anwendung dieser Vorschrift - hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
  192. 20
  193. aa) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob und gegebenenfalls welche Folgen eintreten, wenn die Schriftform des Vertrages "insgesamt" nicht eingehalten wurde, fehlt. Die Sanktionen des § 6 Abs. 2
  194. Satz 2 bis 6 VerbrKrG knüpfen ihrem Wortlaut nach nur an das Fehlen
  195. einzelner Pflichtangaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG an.
  196. 21
  197. Von Instanzgerichten wurde bislang wiederholt entschieden, die
  198. Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG griffen bei Verletzung
  199. der Schriftform insgesamt "erst recht" ein, weil der Kreditgeber in diesem
  200. Fall nicht besser gestellt werden dürfe als bei Fehlen nur einzelner
  201. Pflichtangaben und weil bei Fehlen der gesamten Schriftform jede der
  202. vorgeschriebenen Pflichtangaben als "fehlend" im Sinne dieser Vorschrift
  203. anzusehen sei (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1497; LG Berlin
  204. -9-
  205. WM 1999, 2156, 2158; AG Heilbronn VuR 1997, 237 f.). Hierfür spreche
  206. zudem insbesondere die mit der Schriftform verbundene Beweisfunktion
  207. (OLG München ZIP 2005, 160, 162).
  208. 22
  209. Im Schrifttum wird eine entsprechende Anwendung bzw. erweiternde Auslegung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG, die nicht nach der genauen
  210. Ursache der fehlenden Schriftform differenziert, nur vereinzelt vertreten
  211. (siehe
  212. v. Rottenburg,
  213. in:
  214. v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg,
  215. VerbrKrG 2. Aufl. § 6 Rdn. 20 f., 72). Überwiegend wird hingegen darauf
  216. abgestellt, ob bzw. dass bei dem konkret zu beurteilenden Formverstoß
  217. (auch) erforderliche Pflichtangaben fehlen: Bei Fehlen mehrerer erforderlicher Angaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG trete eine Kumulation der
  218. Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 Satz 2 ff. VerbrKrG ein, so dass eine Verletzung der Schriftform insgesamt auch sämtliche Sanktionen des § 6
  219. Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG nach sich ziehen könne, wie z.B. im Fall
  220. eines mündlichen Vertragsschlusses (so Bülow, Verbraucherkreditrecht
  221. 5. Aufl. § 494 Rdn. 44; Ulmer, in: MünchKommBGB, 4. Aufl. § 494 BGB
  222. Rdn. 26 sowie in: Ulmer/Habersack, VerbrKrG 2. Aufl. § 6 Rdn. 18; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2004 § 494 Rdn. 25).
  223. 23
  224. Eine dritte Auffassung schließlich stellt lediglich darauf ab, ob über
  225. die jeweilige Pflichtangabe keine Einigung - gleichgültig in welcher
  226. Form - erzielt wurde bzw. keine Regelung erfolgt ist. Nur in diesem Fall
  227. sollen die Sanktionen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG eingreifen,
  228. nicht aber, wenn die Vertragsurkunde vollständig ausgefüllt, aber nicht
  229. unterzeichnet wurde (Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis S. 105 Rdn. 155).
  230. - 10 -
  231. 24
  232. bb) Die nach dem konkret vorliegenden Schriftformmangel differenzierende Ansicht verdient den Vorzug. Eine generelle Anwendung des
  233. § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG auf sämtliche Fälle der insgesamt fehlenden Schriftform ist vom Wortlaut und von Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mehr gedeckt. Insofern ist weder Raum für eine erweiternde
  234. Auslegung der Bestimmung noch für ihre entsprechende Anwendung.
  235. 25
  236. (1) Die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG treten
  237. ein, wenn bestimmte Angaben, die nach § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG in
  238. der Vertragserklärung des Verbrauchers enthalten sein müssen, "fehlen"
  239. bzw. "nicht angegeben" sind. Dadurch soll der mit den Pflichtangaben
  240. bezweckte Schutz des Verbrauchers sichergestellt werden. Der Schutzzweck des Schriftformerfordernisses in § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG aber
  241. besteht in der umfassenden Information und Warnung des Verbrauchers
  242. (Begr. RegE BT-Drucks. 11/5462 S. 19; BGHZ 132, 119, 126; 142, 23,
  243. 33). Der Kreditnehmer soll die Möglichkeit haben, eine sachgerechte
  244. Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Kreditaufnahme
  245. zu fällen, und ihm sollen die finanziellen Folgen aufgezeigt werden, die
  246. mit der Kreditaufnahme verbunden sind. Dem ist jedoch ausreichend
  247. Rechnung getragen, wenn die Erklärung des Verbrauchers formgültig
  248. alle nach § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG notwendigen Angaben enthält. Die
  249. Förmlichkeit der Erklärung des Kreditgebers ist für den Schutz des
  250. Verbrauchers vor riskanten oder übereilten Entscheidungen weniger relevant.
  251. 26
  252. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Pflichtangaben gemäß § 4
  253. Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG nach dessen klarem Wortlaut nur in der Erklärung des Verbrauchers und nicht (auch) in der Erklärung des Kreditge-
  254. - 11 -
  255. bers
  256. enthalten
  257. sein
  258. müssen
  259. (Wagner-Wieduwilt,
  260. in:
  261. Bruchner/Ott/
  262. Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 19; Bülow, Verbraucherkreditrecht 5. Aufl. § 492 BGB Rdn. 58). Zudem bedarf es gemäß § 4
  263. Abs. 1 Satz 3 VerbrKrG bei maschineller Bearbeitung der Kreditgebererklärung nicht einmal deren handschriftlicher Unterzeichnung, weil - so
  264. die Begründung des Gesetzesentwurfs - dies die Interessen des Kreditnehmers an eindeutigen und klaren Vertragsunterlagen nicht erfordern
  265. und die handschriftliche Unterzeichnung deshalb als sachlich nicht gerechtfertigter
  266. Formalismus
  267. anzusehen
  268. wäre
  269. (Begr.
  270. RegE
  271. BT-
  272. Drucks. 12/1836 S. 15; Bericht BT-Rechtsausschuss BT-Drucks. 12/4526
  273. abgedr. in ZIP 1993, 476 ff., 478). Dementsprechend hat der erkennende
  274. Senat bereits zu § 151 BGB entschieden, dass der mit dem Schriftformerfordernis verfolgte Schutzzweck einen Zugang der Annahmeerklärung
  275. nicht verlangt (Urteil vom 27. April 2004 - XI ZR 49/03, WM 2004, 1381,
  276. 1383).
  277. 27
  278. Auch § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG selbst enthält ein abgestuftes, an Schutzzweck und Bedeutung der jeweiligen Formvorschrift ausgerichtetes Sanktionensystem, das insofern gewissermaßen "fehlerkongruent" gestaltet ist (MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 494 Rdn. 1, 5;
  279. Peters, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl.
  280. § 81 Rdn. 96; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite
  281. § 6 Rdn. 6; Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 2; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2004 § 494 Rdn. 3). Danach zieht
  282. nicht jeder Formverstoß auch eine Sanktion nach sich, sondern Verstöße, die für den Verbraucherschutz von geringerem Gewicht sind, bleiben
  283. ohne Folgen. Damit soll ein Kompromiss zwischen dem Interesse des
  284. Kreditnehmers an der Nutzung des Kapitals und demjenigen des Kredit-
  285. - 12 -
  286. gebers an Erhalt von Zinsen und Kosten erreicht werden (Begr. RegE
  287. BT-Drucks. 11/5462, S. 21). Dem entspräche es nicht, dem Kreditgeber
  288. in bestimmten Fällen eine Sanktion generell und unabhängig davon aufzuerlegen, ob die schützenswerten Interessen des Verbrauchers überhaupt relevant beeinträchtigt wurden.
  289. 28
  290. (2) Diese Differenzierung nach dem Schutzzweck des Schriftformerfordernisses und der Relevanz des jeweiligen Formverstoßes ist auch
  291. in den Fällen der insgesamt fehlenden Schriftform vorzunehmen. Auch
  292. dort ist darauf abzustellen, ob der Verstoß gegen die Schriftform zu einer
  293. unzureichenden Information und Warnung des Verbrauchers entsprechend den in § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG genannten Fällen geführt
  294. hat. Dies ist z.B. dann zu bejahen, wenn die Erklärung des Verbrauchers
  295. nicht formgültig abgegeben wurde, sei es, weil seine Erklärung nicht in
  296. einer einheitlichen Urkunde (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1497),
  297. nur mündlich (vgl. LG Berlin WM 1999, 2156, 2158) oder ohne Unterschrift (Bülow, VerbrKrG 4. Aufl. § 6 Rdn. 36) erfolgt ist. Entgegen der
  298. Auffassung von Drescher (aaO) kann es nicht ausreichen, dass die Parteien sich über die Pflichtangaben in irgendeiner Form geeinigt haben.
  299. Durch die bloße Einigung wird der Verbraucher nicht in der gebotenen
  300. Weise informiert und gewarnt. Die Rechtsfolgen seiner Erklärung werden
  301. ihm erst durch die Schriftlichkeit seiner Vertragserklärung deutlich vor
  302. Augen geführt. Umgekehrt besteht jedoch kein Anlass, die Sanktionsfolgen auch dann eintreten zu lassen, wenn der Formverstoß allein in der
  303. formungültig abgegebenen oder zugegangenen Erklärung des Kreditgebers liegt. In einem solchen Fall wird die gebotene Information und Warnung des Kreditnehmers - ebenso wie im Falle seines Verzichts auf den
  304. - 13 -
  305. Zugang der Kreditgebererklärung - durch seine eigene formgültige Erklärung hinreichend gewährleistet.
  306. 29
  307. (3) Eine solche Differenzierung verstößt entgegen der Auffassung
  308. der Revision nicht gegen die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie
  309. (Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
  310. den Verbraucherkredit, ABl Nr. L 42 vom 12. Februar 1987).
  311. 30
  312. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie bedürfen Kreditverträge
  313. der Schriftform; des Weiteren schreiben Art. 4 Abs. 2 und 3 gewisse
  314. Pflichtangaben in der Vertragsurkunde vor. Die nähere Ausgestaltung
  315. der Schriftform, die nicht mit der strengen schriftlichen Form des § 126
  316. BGB gleichzusetzen, sondern eher als "Schriftlichkeit" des Vertrages zu
  317. verstehen ist, hat die Richtlinie jedoch dem nationalen Gesetzgeber
  318. überlassen
  319. (Wagner-Wieduwilt,
  320. in:
  321. Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt,
  322. VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 5; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite § 4 Rdn. 1; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb.
  323. 2004 § 492 Rdn. 7). Ein Vertragsschluss, bei dem die beiderseitigen Vertragserklärungen und Pflichtangaben schriftlich niedergelegt worden
  324. sind, bewegt sich noch im Rahmen dieser Vorgaben.
  325. 31
  326. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen von Formverstößen beschränkt sich die Richtlinie in Art. 14 Abs. 1 auf den Auftrag an die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Kreditverträge von den zur Anwendung der Richtlinie ergangenen oder ihr entsprechenden innerstaatlichen
  327. Vorschriften nicht zum Nachteil des Verbrauchers abweichen. Diese Vorgaben werden erfüllt, wenn der Kreditgeber durch ausreichende Sanktio-
  328. - 14 -
  329. nen im eigenen Interesse dazu veranlasst wird, die zum Verbraucherschutz gebotenen Formvorschriften einzuhalten. Insofern stellt es noch
  330. keinen Verstoß gegen die Richtlinie dar, Formverstöße unsanktioniert zu
  331. lassen, bei denen der Schutz des Verbrauchers trotz des Verstoßes ausreichend gewahrt ist (vgl. MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 494 BGB
  332. Rdn. 5). Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, ein Verzicht
  333. auf Sanktionen in bestimmten Fällen der Schriftformverletzung verstoße
  334. gegen den Grundsatz der vollen Wirksamkeit (effet utile), der verlange,
  335. dass Verletzungen europarechtlicher Verhaltenspflichten nicht schwächer sanktioniert werden als Verstöße gegen vergleichbare nationale
  336. Pflichten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs C-6/90
  337. und C-9/90, I - 5357, 5414 ff., Ziffern 32, 42, 43). Das nationale deutsche
  338. Recht enthält nämlich neben der von der Revision allein angeführten
  339. Vorschrift des § 550 Satz 2 BGB mehrere Regelungen, nach denen eine
  340. Heilung formnichtiger Geschäfte durch Vollzug sanktionslos eintritt (siehe §§ 311 b Abs. 1 Satz 2, 518 Abs. 2, 766 Satz 3 BGB).
  341. 32
  342. cc) Da hier eine formgültige Vertragserklärung des Klägers mit allen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG erforderlichen Angaben vorlag,
  343. der Kläger über alle Konditionen der Darlehen also schriftlich informiert
  344. und ausreichend gewarnt war, wurde der Formmangel des Vertrages
  345. durch die Inanspruchnahme des Kredits ohne Ermäßigung des Zinssatzes gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG geheilt.
  346. - 15 -
  347. III.
  348. 33
  349. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
  350. Nobbe
  351. Joeres
  352. Ellenberger
  353. Mayen
  354. Schmitt
  355. Vorinstanzen:
  356. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.03.2004 - 2/25 O 191/03 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.04.2005 - 23 U 106/04 -