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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZR 95/06
  4. Verkündet am:
  5. 17. Juli 2007
  6. Potsch
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. in dem Rechtsstreit
  11. Nachschlagewerk: ja
  12. BGHZ:
  13. nein
  14. BGHR:
  15. ja
  16. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte) Artt. 2 lit. l, 5 Abs. 1 lit. c, 7
  17. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von
  18. Artt. 2 lit. l, 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen
  19. Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
  20. Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und
  21. zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1) folgende
  22. Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  23. 1. Ist bei der Auslegung des Begriffs "Annullierung" entscheidend
  24. darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung aufgegeben wird, so dass eine Verzögerung unabhängig von ihrer Dauer
  25. keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
  26. 2. Falls die Frage zu 1 verneint wird: Unter welchen Umständen ist
  27. eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr als Verspätung, sondern als Annullierung zu behandeln? Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der Verspätung ab?
  28. BGH, Beschl. v. 17. Juli 2007 - X ZR 95/06 - LG Darmstadt.
  29. AG Rüsselsheim
  30. -2-
  31. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
  32. Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
  33. Gröning
  34. beschlossen:
  35. I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  36. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur
  37. Auslegung von Artt. 2 lit. l, 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG)
  38. Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
  39. 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
  40. Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung
  41. von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
  42. Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  43. 1. Ist bei der Auslegung des Begriffs "Annullierung" entscheidend darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung
  44. aufgegeben wird, so dass eine Verzögerung unabhängig von
  45. ihrer Dauer keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
  46. 2. Falls die Frage zu 1 verneint wird: Unter welchen Umständen ist eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr
  47. -3-
  48. als Verspätung, sondern als Annullierung zu behandeln?
  49. Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der
  50. Verspätung ab?
  51. Gründe:
  52. 1
  53. I. Die Kläger verlangen von der beklagten Charterfluggesellschaft unter
  54. anderem Ausgleichszahlungen nach Art. 7 VO (EG) 261/2004 (im Folgenden:
  55. VO), weil sie mit einer Verspätung von etwa 25 Stunden am Zielflughafen ankamen.
  56. 2
  57. Der Kläger zu 1 und seine Ehefrau, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten
  58. hat, buchten für sich und ihre beiden Kinder, die Kläger zu 2 und 3, bei der Beklagten einen Flug von F.
  59. nach T.
  60. und zurück. Der für den 9. Juli
  61. 2005 mit der Abflugzeit 16:20 Uhr gebuchte Rückflug von T.
  62. erfolgte erst
  63. am nächsten Tag; die Kläger kamen etwa 25 Stunden später als geplant am
  64. 11. Juli 2005 um 7:00 oder 7:15 Uhr in F.
  65. an. Sie tragen vor, dass am
  66. 9. Juli 2005 gegen 23:30 Uhr der Flugkapitän mitgeteilt habe, der Flug werde
  67. annulliert ("cancelled"). So stand es auch auf der Anzeigetafel. Das bereits abgegebene Gepäck wurde den Fluggästen gegen Mitternacht wieder ausgehändigt. Sie wurden per Bus zur Übernachtung in ein Hotel gebracht, wo sie erst
  68. gegen 2:30 Uhr eintrafen. Am nächsten Tage mussten sie - am Schalter einer
  69. anderen Fluggesellschaft - erneut einchecken, erhielten andere Sitzplätze zugeteilt als am Vortag und mussten die Sicherheitsüberprüfung wiederholen. Die
  70. Flugnummer des einen Tag später durchgeführten Rückflugs entsprach der Bu-
  71. -4-
  72. chung. Die Beklagte hatte für diesen Tag keinen weiteren, neuen Flug unter der
  73. gleichen Flugnummer geplant. Die Passagiere wurden auch nicht auf einen von
  74. einer anderen Gesellschaft geplanten Flug umgebucht.
  75. 3
  76. Die Kläger meinen, es habe sich aufgrund aller dieser Umstände, vor allem wegen der 25-stündigen Dauer der Verzögerung, nicht um eine Verspätung, sondern um eine Annullierung gehandelt, so dass ihnen die bei einer Annullierung geschuldete Ausgleichszahlung von 600,-- € pro Person zustehe.
  77. Daneben verlangen sie Schadensersatz für Verdienstausfall, nutzlose Sitzplatzreservierungen und verfallene Bahnfahrscheine. Hilfsweise stützen sie ihre Klage auf eine Minderung des Flugpreises um 30 %.
  78. 4
  79. Die Kläger haben beantragt,
  80. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1 1.381,45 € und an
  81. die Kläger zu 2 und 3 je 600,-- € nebst Zinsen zu zahlen.
  82. 5
  83. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
  84. 6
  85. Nach Auffassung der Beklagten lag lediglich eine Verspätung vor. Nachdem die Beklagte diese vorgerichtlich mit einem Hurrikan in der Karibik erklärt
  86. hatte, hat sie im Prozess technische Defekte am Flugzeug und eine Erkrankung
  87. der Besatzung als Ursachen angegeben. Die Reparaturarbeiten seien am
  88. 9. Juli 2005 um 23:10 Uhr beendet gewesen, jedoch habe die vorgesehene
  89. Crew Grippesymptome gezeigt. Im ersten Rechtszug, aber nicht mehr im Berufungsverfahren hat die Beklagte weiter vorgetragen, es habe sich um außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände gehandelt.
  90. -5-
  91. 7
  92. Das Amtsgericht hat eine Verspätung, keine Annullierung, angenommen
  93. und deshalb die Ausgleichsansprüche der Kläger zurückgewiesen. Es hat ihnen
  94. lediglich für Verdienstausfall und Bahnfahrkarten Schadensersatz wegen
  95. Schlechterfüllung des Beförderungsvertrags zugesprochen, da die Beklagte den
  96. Entlastungsbeweis für ihr fehlendes Verschulden nicht geführt, nämlich zur
  97. Wartung des Flugzeugs nicht konkret vorgetragen habe. Weiter hat das Amtsgericht den Klägern einen Bereicherungsanspruch bezüglich der Sitzplatzreservierungen und eine Minderung des Flugpreises für den Rückflug um 30 % zuerkannt. Insgesamt hat es der Klage in Höhe von 350,75 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht
  98. zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihre Klage in vollem Umfang weiterverfolgen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  99. 8
  100. II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Amtsgericht sei zu Recht von einer bloßen Verspätung des Fluges
  101. ausgegangen. Nach Art. 2 lit. l VO sei unter "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war, zu verstehen. Deshalb sei mit "Flug" die kollektive Beförderung einer Gruppe von
  102. Passagieren gemeint, die sich bei der Buchung für diesen Transport entschieden hätten, und sei darauf abzustellen, ob diese Gruppe, wie hier geschehen,
  103. im Wesentlichen in gleicher Zusammensetzung befördert werde, möge dies
  104. auch zu einem anderen Zeitpunkt als ursprünglich vorgesehen erfolgen. Aus
  105. dem Erwägungsgrund 12 und aus Art. 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung, deren Ziel
  106. es sei, die Flugunternehmen zu rechtzeitiger Unterrichtung der Fluggäste über
  107. die Annullierung zu veranlassen, folge weiter, dass mit "Annullierung" nur solche Fälle gemeint seien, in denen sich die Fluggesellschaft aus eigenem Willen,
  108. z.B. aus wirtschaftlichen Gründen, entschließe, einen Flug nicht durchzuführen.
  109. Im vorliegenden Fall sei jedoch ein plötzlich und unvorhergesehen eingetrete-
  110. -6-
  111. nes Ereignis der Grund dafür gewesen, dass der Flug am 9. Juli 2005 nicht
  112. mehr habe durchgeführt werden können, obwohl die Beklagte ihn grundsätzlich
  113. habe durchführen wollen. Ob es maximale zeitliche Grenzen für die Verspätung
  114. gebe, brauche im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, weil jedenfalls
  115. bei 25 Stunden eine Verspätung begrifflich noch nicht ausgeschlossen sei. Das
  116. Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Abgrenzung der Annullierung von einer Verspätung ungeklärt sei und grundsätzliche Bedeutung habe.
  117. III. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 2 lit. l und
  118. 9
  119. eventuell Art. 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame
  120. Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall
  121. der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
  122. und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1) ab. Das
  123. Revisionsverfahren ist deshalb auszusetzen, und es ist gemäß Art. 234 Abs. 1
  124. lit. b, Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
  125. Gemeinschaften (EuGH) zu den im Beschlusstenor gestellten Fragen einzuholen.
  126. 10
  127. 1. Die Kläger erheben den schadens- und verschuldensunabhängigen, in
  128. der Höhe standardisierten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung, der
  129. bei einem Flug von mehr als 3.500 km Länge 600,-- € beträgt. Weder das deutsche autonome Recht noch internationale Abkommen sehen einen derartigen
  130. Anspruch vor (BGH, Beschl. v. 12.07.2006 - X ZR 22/05, NJW-RR 2006, 1719).
  131. Die Revision der Kläger ist daher nur begründet, wenn die Verordnung ihnen
  132. einen Ausgleichsanspruch gewährt. Nach dem Text der Verordnung sind Ausgleichsleistungen nur für den Fall einer Annullierung vorgesehen (Art. 5 Abs. 1
  133. lit. c VO), während bei einer Verspätung den Fluggästen keine Ausgleichszahlungen, sondern lediglich Betreuungs- und Unterstützungsleistungen zustehen,
  134. -7-
  135. die z.B. in Mahlzeiten, Hotelunterbringung, Erstattung des Flugpreises oder anderweitiger Beförderung zum Endziel sowie bei einer Verspätung von mehr als
  136. fünf Stunden in Erstattung des Flugpreises oder anderweitiger Beförderung bestehen (Artt. 6, 8, 9 VO). Die Ausgleichsansprüche der Kläger sind somit nur
  137. begründet, wenn ihre verzögerte Rückbeförderung keine Verspätung war, sondern unter den Begriff der Annullierung einzuordnen bzw. wie eine solche zu
  138. behandeln ist. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die vorgelegte
  139. Frage 1, ob eine Annullierung bzw. die Behandlung einer Verzögerung als Annullierung in jedem Fall, insbesondere ungeachtet der Dauer der Verzögerung,
  140. ausscheidet, wenn der ursprüngliche geplante Flug nicht aufgegeben wird, ob
  141. also eine Verzögerung ohne Aufgabe der ursprünglichen Flugplanung niemals
  142. eine Annullierung darstellt. Falls dies verneint wird, soll die Vorlagefrage 2 klären, unter welchen besonderen Umständen die Verzögerung eines Fluges trotz
  143. Aufrechterhaltung der ursprünglichen Planung wie eine Annullierung zu behandeln ist. Dabei ist insbesondere von Interesse, ob ab einer bestimmten Dauer
  144. der Verzögerung eine Verspätung in eine Annullierung umschlägt. Hierbei handelt es sich um Fragen, die im Wege der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung zu klären sind. Dazu ist nach Art. 234 EG der EuGH berufen.
  145. Eine Vorlagepflicht besteht nur dann nicht, wenn die richtige Anwendung des
  146. Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum
  147. bleibt (EuGH, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 - CILFIT; BGHZ
  148. 153, 82, 92 und ständig). Das ist hier aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht der Fall.
  149. 11
  150. 2. Einerseits kommt eine am Wortlaut der VO orientierte Auslegung in
  151. Betracht, nach der bei einer 25-stündigen Verzögerung den Fluggästen kein
  152. Ausgleichsanspruch zustehen würde.
  153. -8-
  154. 12
  155. a) Art. 2 lit. l VO enthält folgende Legaldefinition der Annullierung: "die
  156. Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war". Die Fluggesellschaft muss also ursprünglich einen Flug geplant, d.h.
  157. in ihren Flugplan aufgenommen und somit nach Abflug- und Zielort, Abflugsund Ankunftszeit festgelegt, mit einer Flugnummer versehen und zur Buchung
  158. freigegeben haben. Letzten Endes darf sie diesen geplanten Flug dann aber
  159. doch nicht durchgeführt haben.
  160. 13
  161. b) Entscheidend für die Annullierung könnte somit sein, dass ein bestimmter Flug, den die Fluggesellschaft in ihren Flugplan aufgenommen und zur
  162. Buchung angeboten hatte, endgültig aufgegeben wird (so AG Charlottenburg,
  163. Urt. v. 15.11.2005 - 218 C 290/05, nicht veröffentlicht; für Unmaßgeblichkeit des
  164. Zeitfaktors auch Bezirksgericht für Handelssachen Wien, Urt. v. 04.08.2006
  165. - 8 C 2016/05m, RRa 2006, 276; AG Frankfurt a.M., Urt. v. 31.08.2006
  166. - 30 C 1370/06, nicht veröffentlicht; so auch Führich, MDR 7/2007 Sonderbeilage S. 8). Dies bedeutet nicht - worauf die Revision zu Recht hinweist -, dass die
  167. Buchungspassagiere von der Luftfahrtgesellschaft gar nicht zum Zielort befördert werden. Vielmehr muss die Luftfahrtgesellschaft bei einer Annullierung den
  168. Fluggästen, wenn diese nicht Erstattung des Flugpreises wählen, eine anderweitige Beförderung zum Endziel verschaffen (Artt. 5 Abs. 1 lit. a, 8 Abs. 1).
  169. Diese anderweitige Beförderung erfolgt mittels eines Fluges, der "neuer Flug"
  170. (Art. 5 Abs. 1 lit. b) oder "Alternativflug" (Art. 7 Abs. 2) genannt wird. Das ausschlaggebende Kriterium für die Unterscheidung zwischen dem alten, d.h. dem
  171. ursprünglich geplanten Flug und dem neuen bzw. Alternativflug könnte daher
  172. die Aufgabe der ursprünglichen Planung bzw. die Beförderung der Fluggäste
  173. auf einem vorher gar nicht oder auf einem von vornherein anders geplanten
  174. Flug sein, sei es dass dieser Alternativflug von einer anderen Fluggesellschaft
  175. gemäß deren Planung, sei es, dass er von der Vertragsgesellschaft, aber zu
  176. einer anderen Abflugzeit, von einem anderen Abflugort oder zu einem anderen
  177. -9-
  178. Zielort als ursprünglich geplant durchgeführt wird. Werden die Passagiere zum
  179. Beispiel mit einem Flug der Vertragsgesellschaft befördert, der von vornherein
  180. für eine andere Abflugzeit, für einen anderen Tag oder für eine andere Route
  181. geplant war, oder werden die Passagiere auf den geplanten Flug eines anderen
  182. Luftfahrtunternehmens umgebucht, so würde es sich nach dieser Definition um
  183. eine Annullierung handeln, selbst wenn keine oder nur eine geringfügige Verspätung eintritt. Umgekehrt würde nur eine Verspätung vorliegen, wenn der
  184. Flug, mit dem die Passagiere schließlich befördert werden, weder von der Vertragsgesellschaft für eine andere Strecke oder Zeit noch von einer anderen
  185. Fluggesellschaft geplant war, selbst wenn der Flug außerordentlich viel später
  186. erfolgt als geplant.
  187. 14
  188. c) Wäre das Kriterium der aufgegebenen Planung maßgeblich, so könnte
  189. daraus die Unmaßgeblichkeit anderer Umstände folgen, die indessen in Rechtsprechung und Schrifttum zum Teil als Indizien für eine Annullierung angesehen
  190. werden. Die Wiederausgabe des Gepäcks und eine neue Abfertigung können
  191. darauf zurückzuführen sein, dass die Passagiere im Hotel übernachten mussten. Die Ausgabe einer neuen Bordkarte ist notwendig, wenn ein andersartiges
  192. Ersatzflugzeug verwendet wird. Beides steht daher der Annahme einer bloßen
  193. Verspätung nicht zwingend entgegen (so auch Tonner, RRa 2006, 278 f.; a.A.
  194. Schmid, NJW 2006, 1841, 1843; Führich, aaO). Die Bezeichnung des Fluges
  195. durch den Piloten und/oder auf der Anzeigetafel als "cancelled" statt "delayed"
  196. kann auf einer falschen rechtlichen Einordnung der Störung durch Dritte, nämlich den Piloten oder das Flughafenpersonal, beruhen und dürfte daher allenfalls ein schwaches Indiz für eine Annullierung sein. Wenig Indizwirkung dürften
  197. auch die Auswechslung des Flugzeugs und die der Besatzung haben (a.A. AG
  198. Frankfurt am Main, Urt. v. 12.10.2006 - 30 C 1726/06-75, nicht veröffentlicht),
  199. da die Identität der Maschine und des Flugpersonals nichts mit der Planung des
  200. Fluges zu tun hat, sondern nur mit dessen Organisation und Durchführung.
  201. - 10 -
  202. Selbst die Beförderung durch ein anderes als dasjenige Luftfahrtunternehmen,
  203. mit dem die Fluggäste den Beförderungsvertrag geschlossen haben, indiziert
  204. nicht ohne weiteres eine Annullierung. Werden beispielsweise wegen eines
  205. Flugzeugdefektes die Passagiere statt von der vertragschließenden Fluggesellschaft mit dem Flugzeug einer anderen Gesellschaft befördert, das die vertragliche Gesellschaft als Ersatz für ihr eigenes defektes Flugzeug angemietet hat
  206. (sogenannte Subcharter), so liegt keine Annullierung vor (Schmid, aaO,
  207. S. 1843). Auch die vom Berufungsgericht für erheblich gehaltene Frage, ob der
  208. Veranstalter den Flug aus wirtschaftlichen Erwägungen oder gezwungenermaßen abgesagt hat, dürfte nicht maßgeblich sein. Erwägungsgrund 12 und Art. 5
  209. Abs. 1 lit. c VO die das Berufungsgericht herangezogen hat, geben für dessen
  210. Ansicht, bei einer Annullierung müsse die Fluggesellschaft schon längere Zeit
  211. vor der geplanten Abflugszeit Kenntnis von dem Hindernis gehabt haben, nichts
  212. her; die jeweilige Erwähnung von Annullierungen, die auf außergewöhnliche
  213. Umstände zurückgehen - zu denen laut Erwägungsgrund 14 Wetterbedingungen und unerwartete Flugsicherheitsmängel gehören - spricht vielmehr dagegen.
  214. 15
  215. Umgekehrt folgt aus der Beibehaltung der gleichen Flugnummer nicht
  216. zwingend eine Verspätung (so auch AG Frankfurt aaO; Tonner, aaO). Denn
  217. wenn eine Fluggesellschaft täglich zur gleichen Zeit den gleichen Flug durchführt, trägt der Flug auch jeden Tag die gleiche Nummer, so dass Fluggäste, die
  218. wegen des Ausfalls eines geplanten Fluges erst 24 Stunden später mit dem für
  219. diesen Tag geplanten Flug befördert werden, trotz Annullierung ihres Fluges
  220. unter der gleichen Flugnummer reisen (Schmid, aaO, S. 1843). Auch der Umstand, den das Berufungsgericht als wesentlich für die Annahme einer Verspätung angesehen hat, dass die Gruppe der ursprünglich gebuchten Passagiere
  221. im Wesentlichen in gleicher Zusammensetzung befördert wird, wenn auch zu
  222. einem späteren Zeitpunkt, dürfte eine eindeutige Zuordnung nicht zulassen.
  223. - 11 -
  224. Denn wenn diese Gruppe verhältnismäßig klein ist, kann es der Fluggesellschaft gelingen, sie insgesamt auf einem noch nicht ausgebuchten Alternativflug unterzubringen. Ein schwerwiegendes Indiz für eine Annullierung und gegen eine Verspätung wird demgegenüber eine andere Flugnummer sein (so
  225. auch Schmid, S. 1843), da eine solche in der Regel zu einem anders geplanten
  226. Flug gehört.
  227. 16
  228. 2. Andererseits kommt aber auch eine Auslegung in Betracht, nach der
  229. die im vorliegenden Fall geschehene Verzögerung von 25 Stunden nicht als
  230. Verspätung, sondern als Annullierung zu behandeln wäre. Diese Auslegung
  231. wäre weniger am Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 VO und mehr am Schutzbedürfnis
  232. der Fluggäste orientiert.
  233. 17
  234. a) Möglicherweise schlägt eine Verspätung unter besonders belastenden
  235. Umständen und insbesondere bei einer bestimmten Dauer in eine Annullierung
  236. um. Der Text der Verordnung enthält zwar keine ausdrückliche Obergrenze für
  237. die Dauer der Verspätung. Aus Art. 6 Abs. 1 lit. c iii VO ergibt sich lediglich,
  238. dass die Verspätung mehr als fünf Stunden betragen kann, und aus Art. 6 Abs.
  239. 1 lit. c ii VO sowie aus Erwägungsgrund 15 geht hervor, dass bei einer Verspätung der Abflug auch erst am nächsten Tag erfolgen kann. Daraus folgt aber
  240. nicht zwingend, dass es für die Verspätung keine zeitliche Grenze gibt, jenseits
  241. derer es sich um eine Annullierung handelt.
  242. 18
  243. b) Für die Behandlung einer besonders belastenden Verzögerung und
  244. insbesondere einer besonders langen Verzögerung als Annullierung könnte die
  245. Schutzlücke sprechen, die sich anderenfalls auftun würde.
  246. 19
  247. aa) Der allgemeine Schutzzweck der Verordnung ist es, ein hohes
  248. Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den Erfordernissen des
  249. - 12 -
  250. Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung zu tragen (Erwägungsgrund 1). In den Erwägungsgründen wird weiter ausgeführt, dass Annullierungen und große Verspätungen für die Fluggäste ein Ärgernis seien und ihnen
  251. große Unannehmlichkeiten verursachten (Grund 2), dass ihre Zahl immer noch
  252. zu hoch sei (Grund 3) und dass die Gemeinschaft deshalb die Schutzstandards
  253. erhöhen sollte, um die Fluggastrechte zu stärken (Grund 4). Speziell zum
  254. Zweck der Ausgleichszahlungen bei Annullierung besagt der an die Erörterung
  255. der Nichtbeförderung gegen den Willen der Fluggäste (Überbuchung) anschließende Erwägungsgrund 12: "Das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die
  256. den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen, sollten ebenfalls
  257. verringert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugzeit über
  258. Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, so dass die Fluggäste umdisponieren können. Andernfalls sollten die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen einen Ausgleich leisten und auch eine angemessene Betreuung anbieten, es sei denn,
  259. die Annullierung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch
  260. dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären."
  261. 20
  262. bb) Die Verordnung erklärt also nicht ausdrücklich, weshalb der Fluggast
  263. im Falle einer Annullierung weitergehende Ansprüche hat als bei einer Verspätung, nämlich unabhängig von seinem tatsächlichen Schaden eine Ausgleichszahlung beanspruchen kann (vgl. EuGH, Urt. v. 10.01.2006 - C-344/04 IATA v.
  264. Department of Transport, Slg. 2006, S. I-00403, LS 3 Rdn. 69 ff.). Die Besserstellung des Fluggastes bei Annullierung lässt sich indessen vernünftigerweise
  265. nur durch die Vorstellung des Gesetzgebers erklären, dass der Fluggast im Regelfall durch eine Annullierung schwerer beeinträchtigt wird als durch eine Verspätung. Dazu passt die Feststellung des EuGH (aaO Rdn. 85), dass der Um-
  266. - 13 -
  267. fang der vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegten Leistungen - von deren
  268. Art hat der Gerichtshof allerdings nicht ausdrücklich gesprochen - sich nach der
  269. Schwere des Schadens richtet, der den Fluggästen entstanden ist, und entweder anhand des Ausmaßes der Verspätung und der Wartezeit oder anhand der
  270. Frist, innerhalb derer die Betroffenen über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurden, bemessen werde. Der EuGH hat also zum einen die Dauer der
  271. Verspätung als Kriterium für die Schwere des Schadens und zum anderen die
  272. Schwere des Schadens als Maßstab für den Umfang der Leistung anerkannt.
  273. 21
  274. Eine Vermutung, dass eine Annullierung in der Regel stärker belastet als
  275. eine Verspätung, könnte der Lebenserfahrung entsprechen. Dem Totalausfall
  276. eines Fluges gehen oft langwierige Reparaturversuche voraus, während derer
  277. die Fluggäste warten müssen. Erst nach deren letztendlichem Fehlschlag beginnt dann die Suche nach noch nicht ausgebuchten Alternativflügen. Diese
  278. sind häufig erst am nächsten Tage zu finden und führen dann nicht selten zu
  279. anderen Zielorten, von denen die Fluggäste zu dem von ihnen gebuchten Zielort weiterbefördert werden müssen. Demgegenüber erschöpfen sich die Unannehmlichkeiten einer Verspätung häufig in einer Wartezeit von wenigen Stunden am Abflughafen und der entsprechend späteren Ankunft am Zielort.
  280. 22
  281. cc) Im Einzelfall kann es aber umgekehrt liegen, wenn z.B. bei einer Annullierung der Fluggast in kürzester Frist einen Ersatzflug zum gewünschten
  282. Zielort antreten kann oder wenn andererseits, wie im vorliegenden Fall, eine
  283. Verspätung mehr als einen Tag lang andauert. Für diese Fälle würde dann eine
  284. Schutzlücke bestehen (Staudinger, DAR 2007, 1324 f.). Es könnte der Billigkeit
  285. widersprechen, dass eine Annullierung, deren belastende Auswirkungen sich in
  286. einer Verspätung von, je nach Entfernung, zwei, drei oder vier Stunden zuzüglich einer Minute erschöpfen, zum ungekürzten Ausgleichsanspruch führen
  287. würde und dass selbst bei rechtzeitiger Ankunft eine Annullierung das Luftfahrt-
  288. - 14 -
  289. unternehmen immerhin zur hälftigen Ausgleichszahlung verpflichtet wäre (Art. 7
  290. Abs. 2 VO), während eine Verspätung von 25 Stunden, wie sie im vorliegenden
  291. Fall geschehen ist, überhaupt keinen Ausgleichsanspruch erzeugen würde. Eine Schutzlücke liegt aber möglicherweise auch schon darin, dass Passagiere
  292. einen für sie im Wesentlichen gleich belastenden Lebenssachverhalt, nämlich
  293. eine gleich lange Verzögerung ihrer Beförderung, erleben und doch ganz unterschiedliche Ansprüche erwerben können (Wagner, VUR 2006, S. 338).
  294. 23
  295. c) Falls der Gesetzgeber die Schutzlücke erkannt und bewusst in Kauf
  296. genommen hat, wäre es den Gerichten möglicherweise versagt, sie im Wege
  297. der richterlichen Rechtsfortbildung zu schließen. Die Absicht des Gesetzgebers
  298. ist jedoch nicht klar.
  299. 24
  300. Ambivalent ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Verordnung für den umgekehrten Fall der außergewöhnlich wenig belastenden Annullierung ausdrücklich eine Ausnahmeregelung vorsieht. Das Luftfahrtunternehmen darf die Ausgleichszahlungen um 50 % kürzen, wenn den Fluggästen ein
  301. Alternativflug zu ihrem Endziel angeboten wird, der, gestaffelt nach der Flugentfernung, nicht später als zwei, drei oder vier Stunden nach der planmäßigen
  302. Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges ankommt (Art. 7 Abs. 2 VO).
  303. Diese ausdrückliche Ausnahmeregelung kann jedoch entweder darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer reziproken Regelung für
  304. ungewöhnlich belastende Verspätungen übersehen hat, oder sie kann im Gegenteil den Rückschluss erlauben, dass der Gesetzgeber sich bewusst dagegen entschieden hat.
  305. 25
  306. Letzteres erscheint möglich, weil Art. 7 Abs. 2 VO zeigt, dass der Gesetzgeber bestrebt war, die finanzielle Belastung der Fluggesellschaften durch
  307. Ausgleichszahlungen in Grenzen zu halten. Dieselbe Absicht geht aus der An-
  308. - 15 -
  309. spruchsversagung im Falle außergewöhnlicher und unvermeidlicher Umstände
  310. hervor (Art. 7 Abs. 3). Die Erstreckung der Ausgleichszahlungen auf besonders
  311. schwerwiegende Verspätungen würde die finanzielle Belastung der Luftfahrtunternehmen hingegen erhöhen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Fluggast,
  312. der infolge einer nicht entschuldigten Verspätung nachweisliche Schäden erleidet, nicht leer ausgeht, sondern nach dem Montrealer Übereinkommen und
  313. nach deutschem Recht auch nach dem Werkvertragsrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs Ersatz verlangen kann. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1
  314. schließt die Verordnung einen weitergehenden Schadensersatzanspruch des
  315. Fluggastes nicht aus. Die Verordnung enthält standardisierte sofortige Maßnahmen zur Wiedergutmachung, die neben etwaige Ansprüche auf Schadensersatz als individuelle Wiedergutmachung nach Art. 19 des Montrealer Übereinkommens treten (EuGH aaO Rdn. 44 ff.). Dasselbe gilt für Schadensersatzansprüche aus Beförderungsvertrag (vgl. Führich, aaO, S. 10). Nach Ansicht mehrerer deutscher Gerichte steht dem Fluggast außerdem eine Minderung des
  316. Flugpreises zu, wenn eine große Verspätung einen Mangel der Beförderungsleistung darstellt.
  317. 26
  318. Dass gleichwohl nicht klar ist, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber die aufgezeigte Schutzlücke bewusst in Kauf genommen hat, wird auch an der deutschen Rechtsprechung deutlich, die schon mehrfach eine Auslegung des Begriffs Annullierung in dem Sinne vorgenommen hat, dass auch eine außerordentlich große Verspätung darunterfällt. Der beschließende Senat hat die Frage eines Zeitfaktors ausdrücklich offengelassen (Beschl. v. 12.07. 2006, aaO).
  319. 27
  320. d) Hält man eine derartige Auslegung im Prinzip für zulässig und geboten, so stellt sich die weitere Frage, unter welchen Umständen bzw. ab welcher
  321. Dauer eine große Verspätung in eine Annullierung umschlägt.
  322. - 16 -
  323. 28
  324. Dem Text der Verordnung lässt sich nicht entnehmen, dass die etwaige
  325. Obergrenze für eine Verspätung bei 24 Stunden oder sogar bei mehreren Tagen liegt. Soweit bei der Beschreibung der Betreuungsleistungen die Hotelunterbringung bei einem Aufenthalt von mehreren Nächten erwähnt wird (Art. 9
  326. Abs. 1 lit. b VO), braucht sich dies nicht auf eine Verspätung zu beziehen. Denn
  327. Hotelunterbringung schuldet das Luftfahrtunternehmen nicht nur bei einer Verspätung des Fluges (Art. 6 Abs. 1 lit. c ii VO), sondern auch bei Annullierung
  328. (Art. 5 Abs. 1 lit. b VO). Die Erwähnung eines Aufenthalts von mehreren Nächten kann sich daher auch nur auf den Fall der Annullierung beziehen.
  329. 29
  330. Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 12.10.2006, aaO) hat die
  331. Grenze bei 22 Stunden deutlich überschritten gesehen, das Amtsgericht Rüsselsheim (Urt. v. 07.11.2006 - 3 C 717/06 (32), nicht veröffentlicht) hat sie bei
  332. 48 Stunden gezogen. Im Schrifttum wird in Anlehnung an Art. 6 Abs. 1 lit. c iii
  333. VO die Grenze bei fünf Stunden gesehen (Schmid, NJW 2006, 1841, 1843;
  334. Wagner, VuR 2006, 337, 339) oder das Anderthalbfache der Zeiträume des Art.
  335. 6 Abs. 1 VO vorgeschlagen, so dass eine Annullierung je nach Länge des Fluges ab drei, viereinhalb oder sechs Stunden anzunehmen wäre (Tonner, aaO).
  336. Nach anderer Ansicht muss eine Annullierung jedenfalls dann angenommen
  337. werden, wenn sich der Flug um mehrere Tage verschiebt (Führich, aaO).
  338. 30
  339. 3. Nach alledem ist die richtige Auslegung der Verordnung nicht so offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum verbleibt.
  340. 31
  341. Dies sieht auch die Kommission nicht anders. Nach ihrer gemäß Art. 17
  342. VO erstatteten Mitteilung vom 4. April 2007 über die Anwendung und die Ergebnisse der Verordnung (KOM (2007) 168 endg.) lässt sich schwer bestimmen, ob ein Flug verspätet war oder annulliert wurde, da die Luftfahrtunternehmen bei der Einstufung von Verspätungen oder Annullierungen unterschiedliche
  343. - 17 -
  344. Konzepte anwenden, was sich wiederum auf die Zahlungen von Ausgleichsleistungen auswirkt (Nr. 4.1.2.), besteht Unklarheit über die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen gegenüber den Fluggästen bei langen Verspätungen über 24
  345. Stunden (Nr. 5.4.) bzw. haben Fluggäste, einzelstaatliche Durchsetzungsstellen
  346. und Luftfahrtunternehmen Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen
  347. Verspätungen und Annullierungen und bei der Frage, ob eine Verspätung von
  348. 24 Stunden z.B. als Annullierung oder große Verspätung einzustufen ist
  349. (Nr. 7.3.). Die Kommission selbst geht möglicherweise davon aus, dass eine
  350. Verspätung in eine Annullierung umschlagen kann; denn sie beanstandet, dass
  351. in einigen Fällen Luftfahrtunternehmen Flüge um 48 Stunden "verschoben", d.h.
  352. - 18 -
  353. als verspätet behandelt hätten, um Entschädigungsforderungen der Fluggäste
  354. zu vermeiden, während der Flug in Wirklichkeit infolge technischer Probleme
  355. "annulliert" gewesen sei (Nr. 7.3.).
  356. Melullis
  357. Keukenschrijver
  358. Mühlens
  359. Ambrosius
  360. Gröning
  361. Vorinstanzen:
  362. AG Rüsselsheim, Entscheidung vom 17.03.2006 - 3 C 109/06 (33) LG Darmstadt, Entscheidung vom 12.07.2006 - 21 S 82/06 -