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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 258/01
  5. Verkündet am:
  6. 25. Mai 2004
  7. Wermes
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
  14. Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und
  15. Asendorf
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision des Klägers wird das am 15. März 2001 verkündete Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
  18. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung,
  19. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. Der Kläger verlangt mit seiner Klage von dem Beklagten, einem Tierarzt,
  23. Schadensersatz, weil der Beklagte ihn beim Kauf des Hengstes "D. " fehlerhaft beraten habe. Nachdem der Kläger das Tier zunächst anderweitig hatte
  24. untersuchen lassen, stellte er es am 4. Juni 1998 dem Beklagten in dessen
  25. -3-
  26. tierärztlicher Praxis zur Untersuchung vor. Das Pferd zeigte eine Gangunreinheit. Über die Untersuchung erstellte der Beklagte ein Protokoll. Nach der Untersuchung fand ein Telefongespräch zwischen den Parteien statt, über dessen
  27. Inhalt sie streiten. Der Kläger stützt seine Klage darauf, daß der Beklagte den
  28. ihm erteilten Auftrag, dem Kläger auf der Grundlage einer zuvor vorzunehmenden Untersuchung mitzuteilen, ob Bedenken gegen den Erwerb des Tieres zum
  29. Zwecke des Springsports bestünden, schuldhaft fehlerhaft durchgeführt habe.
  30. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
  31. Das Berufungsurteil enthält keinen Tatbestand. Das Berufungsgericht hat
  32. den Wert der Beschwer im Berufungsurteil auf 26.322,-- DM festgesetzt. Nachdem der Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revision eingelegt und
  33. gleichzeitig Streitwertbeschwerde erhoben hatte, ist durch Beschluß des
  34. III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs der Wert der Beschwer des Beklagten
  35. auf mehr als 60.000,-- DM festgesetzt worden.
  36. Entscheidungsgründe:
  37. Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu anderweiter Verhandlung
  38. und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.
  39. -4-
  40. I. Das Berufungsverfahren unterlag dem vor dem 1. Januar 2002 geltenden Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO).
  41. Die Rüge der Revision, das gänzliche Fehlen eines Tatbestands verletze
  42. § 543 Abs. 2 ZPO a.F., greift danach durch.
  43. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
  44. Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält
  45. (BGHZ 73, 248, 250 f.; BGH, Urt. v. 01.02.1999 - II ZR 176/97, NJW 1999,
  46. 1720). Einem solchen Urteil kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat,
  47. so daß diese einer abschließenden Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht
  48. zugänglich ist. Aufzuheben ist eine solche Entscheidung auch dann, wenn aus
  49. der Sicht des Berufungsgerichts ein Urteilstatbestand entbehrlich erschien, weil
  50. es sein Urteil mangels Überschreitung der Beschwersumme von 60.000,-- DM
  51. für nicht revisibel hielt. Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen
  52. werden, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten
  53. Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der
  54. Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BGH,
  55. Urt. v. 06.07.1995 - I ZR 20/93, NJW 1995, 3120, 3121; Urt. v. 25.04.1991
  56. - I ZR 232/89, NJW 1991, 3038, 3039, jeweils m.w.N.).
  57. 2. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils läßt sich kein ausreichendes Bild von dem Sachund Streitstand gewinnen, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung
  58. zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, dem Kläger stehe schon deshalb kein Schadensersatzanspruch
  59. -5-
  60. zu, weil er wegen der entgangenen Nutzung des Pferdes keinen ersatzfähigen
  61. Vermögensschaden erlitten habe. Ersatz der Untersuchungs- und Behandlungskosten für das Pferd könne der Kläger deshalb nicht beanspruchen, weil
  62. dem Beklagten eine Pflichtverletzung nicht vorwerfbar sei. Der Beklagte habe
  63. für die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses nicht einstehen wollen. Der
  64. Kläger habe auch nicht dargelegt, daß es für den Beklagten voraussehbar gewesen sei, daß der im Untersuchungsbericht diagnostizierte Befund zu den ein
  65. halbes Jahr später eingetretenen Folgen habe führen können. Der Kläger habe
  66. angesichts des Umstands, daß das Pferd noch ein halbes Jahr habe eingesetzt
  67. werden können, nähere Umstände darlegen müssen, die den Schluß zuließen,
  68. daß die eingetretene Verschlechterung für den Beklagten vorhersehbar gewesen sei.
  69. Aus diesen Ausführungen läßt sich nicht entnehmen, was der Kläger
  70. dem Beklagten im einzelnen als schuldhafte Pflichtverletzung anlastet, und damit auch nicht, ob das Berufungsgericht diesen Vortrag der gebotenen Prüfung
  71. unterzogen hat; eine revisionsrechtliche Kontrolle erweist sich daher als nicht
  72. möglich. Es läßt sich dem Urteil schon nicht entnehmen, worin die nach dem
  73. Vertrag geschuldete Leistung des Beklagten bestanden haben soll. Die gebotene Auslegung des schriftlichen Vertrages unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage hat das Berufungsgericht unterlassen. Mangels eines Urteilstatbestands kann auch seine Annahme, trotz des Inhalts des schriftlichen
  74. Untersuchungsvertrags habe der Beklagte für die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses nicht einstehen wollen, rechtlich nicht beurteilt werden; die
  75. Gründe, insbesondere die tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht zu einer vom Wortlaut des Vertrags abweichenden Interpretation veranlaßt
  76. haben, sind der Entscheidung nicht in einer Weise zu entnehmen, die eine
  77. Überprüfung ermöglichen würde. Das gilt auch für die rechtlichen Maßstäbe, die
  78. -6-
  79. hierbei zugrunde zu legen sind. Insoweit kann schon nicht geprüft werden, welchen rechtlichen Vorschriften - auch zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast - die Vereinbarung der Parteien unterliegt. Untersuchungs- und Gutachtenaufträge über den Zustand und Wert einer Sache oder eines Tieres sind
  80. grundsätzlich als Werkvertrag einzuordnen (BGHZ 127, 378, 384). In Betracht
  81. kommt jedoch auch ein - zu anderen rechtlichen Maßstäben führender - Dienstvertrag. Ob hier ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt, läßt sich
  82. mangels Wiedergabe des Sach- und Streitstandes nicht beurteilen. Die fehlenden Angaben lassen sich auch der in Bezug genommenen erstinstanzlichen
  83. Entscheidung nicht entnehmen. Schließlich ist eine Beurteilung der Frage nicht
  84. möglich, welcher Maßstab hinsichtlich eines eventuellen Verschuldens des Beklagten nach den Vereinbarungen der Parteien anzulegen ist.
  85. II. Das Berufungsgericht wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen
  86. nachzuholen haben. Es wird zunächst den Vertragsinhalt zu klären haben, insbesondere, zu welchem Zweck nach der Vereinbarung der Parteien der Kläger
  87. dem Beklagten das Pferd vorgeführt hat. Wollte der Kläger sich Gewißheit darüber verschaffen, ob er das Pferd trotz des bestehenden Gesundheitsrisikos
  88. kaufen sollte, so könnte eine Pflichtverletzung des Beklagten schon dann zu
  89. bejahen sein, wenn er keine diesbezüglichen Bedenken geäußert hat, ohne daß
  90. es auf die Vorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung ankommt. Dabei wird das
  91. Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen hat, nach der erkennbaren Unregelmäßigkeit im
  92. Gang des Pferdes habe nur ein Kauf mit Vereinbarung einer Probezeit bzw.
  93. eines Rückgaberechts empfohlen werden können. Dies könnte dafür sprechen,
  94. daß es auch nach dem Verständnis des Beklagten zu seinen Vertragspflichten
  95. gehört hätte, dies dem Kläger mitzuteilen.
  96. -7-
  97. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers verneint hat,
  98. weil ein ersatzfähiger Vermögensschaden nicht vorliege, und soweit es damit
  99. auf den eingeklagten Schadensbetrag von 10.000,-- DM eingegangen ist, hat
  100. es jedenfalls die in der Klageschrift (GA 12) gegebene Hilfsbegründung nicht
  101. berücksichtigt. Falls ein Schadensersatzanspruch besteht, wird auch dies nachzuholen sein.
  102. Melullis
  103. Keukenschrijver
  104. Meier-Beck
  105. Mühlens
  106. Asendorf