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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 197/03
  5. Verkündet am:
  6. 13. Juni 2006
  7. Wermes
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Dr. Kirchhoff
  14. für Recht erkannt:
  15. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
  16. des Kammergerichts vom 12. September 2003 aufgehoben, soweit
  17. darin die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zu 1 a im
  18. Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 23. Juni
  19. 2000 zurückgewiesen worden ist.
  20. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  21. auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  22. Von Rechts wegen
  23. -3-
  24. Tatbestand:
  25. 1
  26. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind Wettbewerber auf dem Gebiet
  27. der Herstellung und des Vertriebs von Kapillarrohrmatten. Der Beklagte zu 2 ist
  28. Inhaber des europäischen Patents 0 299 909, das eine Raumdecke aus Metallplatten betrifft, die zum Heizen oder Kühlen eingesetzt werden kann.
  29. 2
  30. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
  31. "Aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehende Raumdecke, die von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb des Raumes trägt,
  32. d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die rohrförmigen Leitungen als flexible Röhrchen (4) ausgebildet sind, die mattenförmig
  33. zusammengefasst lose auf den Metallplatten (1) direkt aufliegen."
  34. 3
  35. Die Klägerin wurde in einem Vorprozess, in dem der Senat ebenfalls
  36. durch Urteil vom 13. Juni 2006 entschieden hat, verurteilt, es zu unterlassen, im
  37. Bereich der Bundesrepublik Deutschland aus flexiblen Röhrchen bestehende
  38. Matten an Dritte anzubieten oder zu liefern, die geeignet und bestimmt sind, zur
  39. Leitung eines Heiz- oder Kühlmediums vorgesehen und für die Herstellung von
  40. aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehenden Raumdecken, bei denen Matten direkt lose auf den Metallplatten aufliegen, verwendet
  41. zu werden. Zugleich wurde die Klägerin dazu verurteilt, über derartige seit dem
  42. 1. Oktober 1995 vorgenommene Handlungen Rechnung zu legen, und es wurde festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, den aus solchen Handlungen
  43. -4-
  44. entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Berufung gegen dieses Urteil des
  45. Landgerichts Berlin wies das Kammergericht durch Urteil vom 12. September
  46. 2003 zurück. Dieses Urteil verschickte die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer
  47. der Beklagte zu 2 ist, auch an Kunden der Klägerin und fügte eine so genannte
  48. "Beschreibung der Ist-Situation" bei, in der sie Ausführungen zum angeblichen
  49. Schutzbereich des Patents machte. Dort heißt es, das Patent umfasse auch
  50. Ausführungen, bei denen die gelochten Deckenplatten mit Akustikvlies ausgerüstet seien, wobei die Kapillarrohrmatten durch Akustikmatten und Blech- oder
  51. Gipskarton abgedeckt würden. Weiter heißt es dort:
  52. "Anspruch 1 sagt, dass die Kapillarrohre 'direkt' auf den Platten aufliegen. Eine immer häufiger anzutreffende Ausführung von
  53. Akustikdecken verwendet in etwa 0,3 mm starkes Akustikvlies, das
  54. auf die gelochten Blechplatten aufgeklebt wird. In diesem Fall können die KaRo-Matten natürlich nur auf das Vlies und nicht mehr direkt auf das Blech gelegt werden. Auch diese Ausführung ist von
  55. dem Anspruch 1 abgedeckt, da das Akustikvlies nicht zu Verbesserung der Kühlleistung eingesetzt wird, sondern als Akustikvlies Bestandteil der Deckenplatte ist."
  56. 4
  57. Gegen die Versendung des Begleitschreibens wendet sich die Klägerin,
  58. soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, mit dem Antrag,
  59. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen
  60. Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit der Beschreibung der Reichweite des zugunsten des Beklagten zu 2 erteilten europäischen Patents 0 299 909 zu behaupten, dieses umfasse auch "auf einem Akustikvlies aufliegende Kapillarrohrmatten",
  61. -5-
  62. bei denen die Matten nicht mehr direkt auf das Blech, sondern auf
  63. das Akustikvlies selbst gelegt würden.
  64. 5
  65. Das Landgericht hat antragsgemäß erkannt. Die Berufung hiergegen ist
  66. ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision zugelassen, mit der die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollen. Die Klägerin tritt
  67. dem Rechtsmittel entgegen.
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 6
  70. Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung
  71. und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
  72. 7
  73. 1. Das Berufungsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung der Behauptung verurteilt, der Schutzbereich des europäischen Patents
  74. 0 299 909 umfasse auch auf einem Akustikvlies aufliegende Kapillarrohrmatten.
  75. Zur Begründung hat es ausgeführt, es gehe vorliegend nicht um die im Verletzungsprozess bereits entschiedene Frage, ob die Klägerin flexible Röhrchen
  76. verwenden dürfe, die befüllt mit Wasser aus sich heraus in der Lage seien,
  77. recht großflächig auf einem Blech lose aufzuliegen. Denn die Röhrchen würden
  78. nicht in diesem Sinne flexibel verwendet, wenn sie auf ein Akustikvlies aufgeklebt würden. Diese Verwendungsweise betreffe die Unteransprüche 6 und 11
  79. des Patents. Aus den abhängigen Unteransprüchen könne Patentschutz jedoch
  80. nur in Verbindung mit dem rückbezogenen unabhängigen Hauptanspruch begehrt werden. Ein selbständiger Schutz der Elemente eines Unteranspruchs
  81. -6-
  82. scheide im Rahmen des § 14 PatG aus. Da die Unteransprüche 6 und 11 den
  83. Schutzbereich des Patents nicht erweiterten, sei die von der Beklagten zu 1 in
  84. dem Rundschreiben beanstandete Verwendung von auf einem Akustikvlies aufliegenden Kapillarmatten, bei denen die Matten nicht mehr direkt auf das Blech,
  85. sondern auf das Akustikvlies selbst aufgeklebt würden, nicht vom Schutzbereich des Patents erfasst.
  86. 8
  87. 2. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
  88. 9
  89. Die Klägerin macht einen Anspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG
  90. geltend. Sie beanstandet die sachliche Richtigkeit der im Klageantrag wiedergegebenen Äußerung der Beklagten. Voraussetzung eines solchen Anspruchs
  91. ist eine hinreichend konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung des geschützten
  92. Rechts. Eine solche muss im Verfahren festgestellt werden. Sie liegt vor, wenn
  93. Verletzungen des geschützten Rechts ernstlich und konkret als unmittelbar bevorstehend zu besorgen sind (BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 99/88, NJW 1990,
  94. 2469, 2470 - Anzeigenpreis II; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und
  95. Verfahren, 8. Aufl., Kap. 10 Rdn. 1 ff.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 8 UWG Rdn. 1.9 ff.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdn. 567). Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
  96. setzt eine wettbewerbswidrige rechtswidrige Handlung des Verletzers voraus
  97. (BGH, Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der
  98. Wiederholungsgefahr). Das Vorhandensein dieser konkreten Gefahr hat das
  99. Berufungsgericht bisher nicht festgestellt. Es hat nicht festgestellt, dass die Beklagte die im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegebene Äußerung
  100. aufgestellt hat. Eine Wiederholungsgefahr bestünde daher nur, wenn sich diese
  101. Äußerung als eine Verallgemeinerung der Äußerungen darstellen würde, die die
  102. Beklagte zu 1 in ihrer "Beschreibung der Ist-Situation" gemacht hat.
  103. -7-
  104. 10
  105. Ist dies der Fall, so setzt der Anspruch der Klägerin weiter voraus, dass
  106. diese Äußerung wettbewerbswidrig und rechtswidrig war. Hierzu kommt es auf
  107. die Auslegung des im Streit befindlichen Patents an, die der Senat im Revisionsverfahren X ZR 153/03 wie folgt vorgenommen hat:
  108. 11
  109. Das Klagepatent betrifft eine Raumdecke, die aus Metallplatten und einer
  110. Tragekonstruktion besteht. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als bekannt,
  111. bei solchen Raumdecken an den Platten oder der Tragekonstruktion Rohre für
  112. den Durchlauf eines Heiz- oder Kühlmediums zu befestigen. Dabei sei es anzustreben, dass die Verbindung zwischen den Metallplatten und den Rohren möglichst gleichmäßig fest und gut wärmeleitend sei, um eine hohe Wärme- bzw.
  113. Kühlwirkung zu erzielen. Bei den bekannten Konstruktionen sei eine Vielzahl
  114. von Rohrverbindungsstellen erforderlich, wodurch die Montage erschwert werde
  115. und sich die Gefahr von Undichtigkeiten erhöhe. Auch das Auswechseln einzelner Metallplatten wie auch der Rohre werde dadurch kompliziert. Vor diesem
  116. Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung,
  117. eine aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehende
  118. Raumdecke, die von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb des
  119. Raums trägt, zu schaffen, die sich einfach montieren lässt und auch spätere
  120. Reparatur- oder Wartungsarbeiten ohne Schwierigkeiten ermöglicht, wobei
  121. trotzdem eine hohe Heiz- bzw. Kühlwirkung erreicht wird.
  122. 12
  123. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Klagepatents eine Raumdecke mit
  124. folgenden Merkmalen:
  125. -8-
  126. Raumdecke aus
  127. 1. Metallplatten und
  128. 2. einer Tragekonstruktion;
  129. 3. die Raumdecke trägt rohrförmige Leitungen, die
  130. a) als flexible Röhrchen ausgestaltet und
  131. b) mattenförmig zusammengefasst
  132. c) lose auf den Metallplatten
  133. d) direkt aufliegen und
  134. e) zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte
  135. f)
  136. von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmt werden
  137. können.
  138. 13
  139. Aus den Merkmalen 3 a, 3 c und 3 d ergibt sich, dass die Röhrchen lose
  140. aufgrund ihres Eigengewichts und des Gewichts der durchgeleiteten Flüssigkeit
  141. auf den Metallplatten aufliegen. Allein durch dieses lose Aufliegen soll eine hinreichende Wärmeübertragung stattfinden. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit der Röhrchen stellt Patentanspruch 1 nicht.
  142. -9-
  143. 14
  144. Patentanspruch 1 des Patents befasst sich somit mit der Problematik der
  145. Wärmeleitung und der einfachen Montage. Fragen der Schalldämmung werden
  146. erst in den Patentansprüchen 6 bis 11 angesprochen. Keiner der Unteransprüche gibt jedoch an, dass die Röhrchen auf der mit einem Akustikvlies beklebten
  147. Metallplatte aufliegen. Bei der Raumdecke nach Patentanspruch 6 haben die
  148. Metallplatten Öffnungen für den Schalldurchtritt. Patentanspruch 7 beschreibt
  149. eine Ausführungsform, bei der auf die Röhrchen eine schalldämmende Schicht
  150. aufgelegt wird. Diese soll nach Unteranspruch 8 zugleich wärmeisolierend sein.
  151. Nach Unteranspruch 9 soll die schalldämmende Schicht aus Steinwolle bestehen. Nach Unteranspruch 10 soll die Raumdecke insgesamt unter einer fest
  152. angeordneten schallabsorbierenden Decke aufgehängt sein. Unteranspruch 11
  153. schließlich beschreibt eine Raumdecke, bei der die Metallplatten auf der Unterseite mit einer schallschluckenden Schicht bedeckt sind.
  154. 15
  155. Entscheidend für die Frage, ob gleichwohl eine identische Verwirklichung
  156. der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung vorliegt, ist daher, ob die in der
  157. "Beschreibung der Ist-Situation" dargestellte Ausführungsform den Sinngehalt
  158. des Patentanspruchs 1 ausfüllt, weil sie sämtliche Anweisungen der im Patent
  159. unter Schutz gestellten Lehre technisch identisch verwirklicht (BGHZ 112, 140,
  160. 155 - Befestigungsvorrichtung II). Dies hängt davon ab, ob das Akustikvlies auf
  161. die Wärmeübertragung Einfluss nimmt und wie groß gegebenenfalls dieser Einfluss ist. Bilden Metallplatte und das verklebte 0,3 mm starke Akustikvlies eine
  162. Einheit und wird die Wärmeübertragung dadurch nicht oder nur in geringem
  163. Umfang berührt, so ist die in der "Beschreibung des Ist-Zustandes" geschilderte
  164. Ausführung vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 erfasst. Das Akustikvlies verhindert dann funktional die mit der direkten Auflage der Röhrchen bezweckte
  165. Form der Wärmeübertragung ohne zusätzliche Mittel nicht. Dies wird das Berufungsgericht zu prüfen haben. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass
  166. - 10 -
  167. nach dem im Berufungsurteil wiedergegebenen Klägervortrag die angestrebte
  168. Wärmeübertragung durch die Ausstattung mit einem Akustikvlies eingeschränkt
  169. wird, wobei die Minderleistung 30 bis 40 % betragen soll.
  170. 16
  171. Ergibt die vom Berufungsgericht vorzunehmende Aufklärung, dass die in
  172. der "Beschreibung der Ist-Situation" geschilderte Ausführungsform nicht unter
  173. den Wortlaut des Patentanspruchs 1 fällt, so kommt eine äquivalente Benutzung in Betracht, die das Berufungsgericht bisher nicht geprüft hat. Feststellungen hierzu fehlen und können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden.
  174. - 11 -
  175. Dabei wird es ebenfalls entscheidend auf den Einfluss des aufgeklebten Akustikvlieses auf die Wärmeübertragung ankommen. Nach Wiedereröffnung der
  176. Tatsacheninstanz besteht auch insoweit Gelegenheit zu weiterem Vorbringen
  177. und gegebenenfalls um Sachaufklärung.
  178. Melullis
  179. Mühlens
  180. Asendorf
  181. Meier-Beck
  182. Kirchhoff
  183. Vorinstanzen:
  184. LG Berlin, Entscheidung vom 23.06.2000 - 16 O 195/00 KG Berlin, Entscheidung vom 12.09.2003 - 5 U 6683/00 -