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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZR 189/02
  4. vom
  5. 17. Dezember 2002
  6. in der Patentnichtigkeitssache
  7. -2-
  8. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2002
  9. durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die
  10. Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
  11. beschlossen:
  12. Das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 30. April
  13. 2002 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des
  14. Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
  15. Gründe:
  16. Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Juli 2002 zugestellte Urteil des
  17. Bundespatentgerichts mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten, eingegangen beim Bundesgerichtshof per Telefax am 20. August 2002, Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 4. September 2002, eingegangen am 6. September
  18. 2002, hat sie gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in
  19. den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO beantragt.
  20. -3-
  21. Aus dem Vortrag der Antragstellerin und den sonstigen aktenkundigen
  22. Tatsachen ergibt sich, daß die Klägerin nicht ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, für dessen Verhalten sie einzustehen hat (Busse, PatG,
  23. 5. Aufl., § 123 PatG Rdn. 31 m.w.N.), verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.
  24. Zur Begründung ihres Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen
  25. Stand hat die Klägerin geltend gemacht, die Frist für die Einlegung der Berufung sei aus folgenden Gründen falsch berechnet und notiert worden:
  26. Bis Ende 2002 sei die Zustellung der Urteile des Bundespatentgerichts
  27. in der Weise erfolgt, daß diese in das Abholfach der Patentanwälte beim Deutschen Patent- und Markenamt eingelegt worden seien. Die Zustellung habe
  28. dabei nach § 127 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 PatG als am dritten Tag nach der Niederlegung im Abholfach bewirkt gegolten. Aufgrund des am 1. Juli 2002 in Kraft
  29. getretenen Gesetzes zur Reform bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren,
  30. wonach nunmehr für Zustellungen im Verfahren vor dem Bundespatentgericht
  31. die ZPO gilt, sei die Handhabung der Zustellung durch das Bundespatentgericht geändert worden. Die Zustellung von Urteilen sei ab diesem Zeitpunkt gegen Empfangsbekenntnis erfolgt. Das Urteil des Bundespatentgerichts im vorliegenden Verfahren sei dementsprechend am 19. August 2002 den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Mitarbeiterin in der Fristabteilung ihrer Prozeßbevollmächtigten habe jedoch ausgehend von der früheren
  32. Handhabung der Zustellung zu diesem Datum drei Tage hinzugerechnet und
  33. eine Vorfrist bis zum 14. August sowie den Ablauf der Frist für die Einlegung
  34. der Berufung auf den 21. August 2002 notiert.
  35. -4-
  36. Die Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten sei so organisiert, daß die
  37. Terminüberwachung einer eigenen Abteilung übertragen sei, für die zwei Patentanwälte zuständig seien; Leiterin der Terminabteilung sei seit 35 Jahren
  38. Frau Z.
  39. D.
  40. , der zehn Mitarbeiterinnen unterstellt seien, darunter auch Frau
  41. , die mit der Bearbeitung der vorliegenden Sache befaßt gewesen sei.
  42. Frau D.
  43. sei ausgebildete Patentanwaltsfachangestellte und kenne sich seit
  44. ihrer Ausbildung auch mit Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis aus. Sie
  45. sei qualifiziert, werde regelmäßig unterwiesen und stichprobenartig überprüft,
  46. ohne daß sich Anlaß zu Beanstandungen ergeben hätte.
  47. Die Änderung der Rechtslage für die Zustellung von Urteilen des Bundespatentgerichts sei den Mitarbeitern der Terminabteilung von einem der zuständigen Patentanwälte per E-Mail mitgeteilt worden. Dabei sei auch darauf
  48. hingewiesen worden, daß künftig die Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis
  49. erfolgen würden.
  50. Damit hat die Klägerin ein Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten
  51. nicht ausgeräumt. Unter den gegebenen Umständen reichte es nicht aus, daß
  52. diese die Mitarbeiter der Fristenabteilung auf die geänderte Rechtslage hingewiesen haben. Zwar mag der Rechts- oder Patentanwalt die Berechnung einfacher Fristen seinem geschulten Personal überlassen können. Ein solcher einfach gelagerter Sachverhalt lag hier jedoch wegen der Gesetzesänderung und
  53. der im Hinblick darauf geänderten Zustellungsweise nicht vor. Nach der Änderung der Zustellungsweise mußte die bis dahin geübte Praxis für die Ermittlung
  54. des Beginns der Rechtsmittelfrist, dem auf dem Urteil vermerkten Datum der
  55. -5-
  56. Niederlegung im Abholfach drei Tage hinzuzurechnen, aufgegeben werden.
  57. Auch wenn der Mitarbeiterin der Prozeßbevollmächtigten grundsätzlich seit
  58. ihrer Ausbildung die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis bekannt gewesen
  59. sein mag, durften die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sich nicht darauf
  60. verlassen, daß ihre Mitarbeiter von sich aus die richtigen Konsequenzen ziehen und nunmehr das Datum des Empfangsbekenntnisses als maßgeblichen
  61. Zeitpunkt für den Beginn der Berufungsfrist berücksichtigen würden. Daß diese
  62. auch auf den Inhalt der Neuregelung und die damit verbundenen konkreten
  63. Auswirkungen für die Fristberechnung hingewiesen worden sind, ist den vorgelegten Erklärungen nicht zu entnehmen. Eine länger geübte Praxis bietet
  64. immer die Gefahr, daß derjenige, der in seiner täglichen Berufsausübung diese
  65. anwendet, sich nicht jederzeit klar macht, worauf sie letztlich beruht, sondern
  66. allein deshalb so verfährt, weil es sich um eine eingeübte Praxis handelt. Diese
  67. Gefahr konnte nicht allein dadurch ausgeräumt werden, daß das Personal auf
  68. die geänderte Rechtslage hingewiesen wurde. Wenn der für die Fristenabteilung zuständige Patentanwalt in seiner eidesstattlichen Versicherung ausführt,
  69. er sei gemeinsam mit der Leiterin der Fristenabteilung zu dem Ergebnis gelangt, daß die neue Zustellungsweise sich nicht auf die Arbeitsabläufe in der
  70. Terminabteilung und das Computerprogramm zur Fristüberwachung auswirken
  71. würde, so war dies nur richtig, wenn das Personal von zutreffenden Zustellungsdaten ausging. Zwar hat die Leiterin der Fristenabteilung in ihrer eidesstattlichen Versicherung ausgeführt, daß sie im Rahmen einer Besprechung
  72. aktueller Probleme ihre Mitarbeiterinnen auch darauf hingewiesen habe, daß
  73. die entsprechende Frist mit der Zustellung beginne. Auch dies genügte für die
  74. Anleitung der Mitarbeiterinnen der Fristenabteilung nicht. Es wäre vielmehr
  75. -6-
  76. notwendig gewesen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Fristberechnung in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr in der bisherigen Weise erfolgen durfte. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durften nicht davon ausgehen, daß ihre Mitarbeiterinnen von sich aus diesen Schluß ziehen würden,
  77. nachdem sich die Praxis über lange Jahre an einer anderen Handhabung der
  78. Zustellung orientiert hat.
  79. Melullis
  80. Keukenschrijver
  81. Meier-Beck
  82. Mühlens
  83. Asendorf