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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 90/02
  5. Verkündet am:
  6. 22. Dezember 2003
  7. Potsch,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. AGBG § 6
  16. Zur ergänzenden Auslegung einer sogenannten Steuer- und Abgabenklausel in einem Sonderkundenvertrag hinsichtlich erhöhter Beschaffungskosten, die dem Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Regelungen des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29. März 2000 und des Kraft-Wärme-KopplungsGesetzes vom 12. Mai 2000 entstehen.
  17. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 90/02 - OLG Oldenburg
  18. LG Osnabrück
  19. -2-
  20. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  21. vom 22. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die
  22. Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
  23. für Recht erkannt:
  24. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  25. Oberlandesgerichts Oldenburg vom 8. März 2002 aufgehoben und
  26. das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
  27. Osnabrück vom 21. September 2001 abgeändert.
  28.   %
  29.     
  30. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.532,15
  31. Zinsen über dem Basiszinssatz aus 6.493,23
  32. 2001 und aus weiteren 1.038,92
  33.  
  34. Mai
  35. Juni 2001 zu zah-
  36. len.
  37. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. Die jetzt unter neuem Namen firmierende Klägerin ist die Nachfolgerin
  41. der
  42. R.
  43. AG,
  44. die
  45. mit
  46. der
  47. Beklagten,
  48. einer
  49. Brauerei,
  50. am
  51. 28./29. November 1990 einen Vertrag über die Lieferung und den Bezug elektrischer Energie abgeschlossen hatte. Nr. 2.2 der "Allgemeinen und technischen
  52. Regelungen", die Bestandteil des Vertrages sind, enthält folgende Bestimmung:
  53. -3-
  54. "Soweit künftig eine Kohlensteuer, eine Energiesteuer oder sonstige die Beschaffung, die Übertragung oder die Verteilung von
  55. elektrischer Energie belastende Steuern oder Abgaben irgendwelcher Art wirksam werden sollten, trägt diese der Kunde, soweit
  56. das Gesetz nichts anderes bestimmt."
  57. Mit ihrer Klage macht die Klägerin für die Zeit von Oktober 2000 bis April
  58. 2001 Aufschläge für Aufwendungen geltend, die ihr durch das Gesetz für den
  59. Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) vom 29. März 2000 (BGBl. I 2000, 305)
  60. und durch das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWK-G) vom 12. Mai 2000
  61. (BGBl. I 2000, 703) entstanden sind; die Höhe des geltend gemachten Betrages
  62. von brutto 14.731,61 DM (7.532,15 
  63.  !#"$%&('*)+,, -&.$/+0 1 2435
  64. Beklagte hat eine Zahlungspflicht nach der getroffenen Steuer- und Abgabenklausel in Abrede gestellt.
  65. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat
  66. die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
  67. Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die
  68. Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
  69. Entscheidungsgründe:
  70. I.
  71. Zur Begründung hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in RdE 2002,
  72. 187 f. abgedruckt ist, ausgeführt, aufgrund der Regelung in Nr. 2.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ergebe sich keine Berechtigung zur Umlage der
  73. zusätzlich entstandenen Kosten. Eine - sogenannte erläuternde - Auslegung
  74. des Begriffs "Abgaben" ergebe, daß damit nur Abgaben im öffentlichrechtlichen Sinne gemeint seien, was auf die von der Klägerin nach dem EEG
  75. -4-
  76. und KWK-G zu zahlenden Entgelte nicht zutreffe. Etwas anderes folge auch
  77. nicht aus dem Zusatz "Abgaben irgendwelcher Art". Bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Beklagten sei mit der Ergänzung "irgendwelcher Art"
  78. lediglich zum Ausdruck gebracht worden, daß der Grund der (öffentlichrechtlichen) Abgabe gleichgültig sein solle.
  79. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung führe nicht zu einem Zahlungsanspruch der Klägerin. Vorliegend hätten die Parteien bewußt eine abschließende Regelung zur Erhöhung des Entgelts getroffen, so daß es bereits
  80. an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die Parteien hätten sich für die
  81. Dauer des Vertrages auf einen Festpreis in Form des um bestimmte Referenzwerte angefaßten Arbeitspreises zuzüglich der Übernahme bestimmter Kosten
  82. geeinigt; in dem Vertragswerk finde sich gerade keine Regelung, wonach jedwede Kostensteigerung auf die Beklagte umgelegt werden könne. Aus der Sicht
  83. der Beklagten habe die Klägerin damit hinsichtlich der nicht aufgeführten
  84. Kostenfaktoren festpreistypisch bewußt das Risiko einer Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung in Kauf genommen. Eine Anpassung des Entgelts wegen gestiegener Kosten unter dem Gesichtspunkt des
  85. Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme hier bei einer Kostensteigerung von
  86. lediglich 10 % bei einer nach dem Vertrag maximal gegebenen Bindungsfrist
  87. von 15 Monaten nicht in Betracht.
  88. Aufgrund der getroffenen vertraglichen Regelung scheide auch ein Zahlungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 KWK-G aus.
  89. -5-
  90. II.
  91. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  92. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst angenommen, daß sich
  93. aus Nr. 2.2 der "Allgemeinen und technischen Regelungen", die Bestandteil des
  94. Vertrages vom 28./29. November 1990 sind, eine Verpflichtung zur Tragung
  95. des von der Klägerin begehrten Aufschlags für die nach dem EEG und dem
  96. KWK-G entstandenen Mehraufwendungen nicht unmittelbar ergibt. Dabei unterliegen die "Allgemeinen und technischen Regelungen" der Klägerin der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, da die Klägerin diese
  97. Vertragsbedingungen, wie sich bereits aus der Vereinbarung des Gerichtsstands Osnabrück ergibt, über den Bereich eines Oberlandesgerichtsbezirks
  98. hinaus verwendet (st.Rspr., vgl. BGHZ 98, 256, 258; 133, 184, 187; Senatsurteil
  99. vom 15. November 2000 - VIII ZR 322/99, WM 2001, 1028 = NJW-RR 2001,
  100. 987 unter II 1, jew. m.w.Nachw.).
  101. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und
  102. typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar
  103. 1999 - IX ZR 140/98, WM 1999, 535 = NJW 1999, 1105 unter II 1 a; Senatsurteil vom 15. November 2000 aaO; Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - VIII ZR
  104. 208/00, WM 2001, 2008 = NJW 2001, 2165 unter II 2 a, jew. m.w.Nachw.).
  105. a) Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufschlägen für die ihr
  106. durch das EEG und das KWK-G entstandenen Mehraufwendungen handelt es
  107. sich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, weder um Steuern
  108. im Sinne von § 3 AO noch um (öffentlich-rechtliche) Abgaben, unter denen neben Steuern auch Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben zu verstehen sind
  109. -6-
  110. (Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 3 Rdnr. 20 ff.). Wie
  111. der Bundesgerichtshof für Leistungspflichten nach dem Stromeinspeisungsgesetz vom 7. Dezember 1990 (BGBl. I 1990, 2633) entschieden hat, stellten diese nach ihrem materiellen Gehalt keine Abgabenlasten dar, weil mit der Festlegung des Mindestpreises für den eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien dieser Strom gefördert werden sollte, ohne daß eine Aufkommenswirkung
  112. zugunsten der öffentlichen Hand erreicht wurde; es handelte sich damit um eine
  113. Preisfestsetzung im Rahmen des Austauschverhältnisses der beteiligten Unternehmen (BGHZ 134, 1, 27 f.; siehe auch BVerfG, NJW 1997, 573). Das gleiche
  114. gilt für die Zahlungspflicht der Netzbetreiber nach dem EEG und KWK-G, die
  115. nunmehr feste Mindestvergütungen für den eingespeisten Strom sowie eine
  116. gesonderte Ausgleichsregelung unter den Netzbetreibern bestimmt haben, da
  117. auch hier Zahlungen nicht an eine öffentliche Einrichtung, sondern an den
  118. Betreiber der Kraftwerke mit Einsatz regenerativer Energien oder Kraft-WärmeKopplung erfolgen (so auch OLG Düsseldorf, RdE 2003, 74, 75; Gent, RdE
  119. 2001, 50, 54; Ebel, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2001, 812, 814; so auch
  120. Büdenbender, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2001, 298, 308).
  121. b) Die Klägerin kann sich für die von ihr befürwortete Vertragsauslegung
  122. nicht darauf berufen, Sinn und Zweck der vereinbarten Steuer- und Abgabenklausel sowie die wirtschaftliche Gleichwertigkeit der in dem EEG und KWK-G
  123. gefundenen Finanzierungsform gegenüber einer öffentlichen Subventionierung
  124. aus dem staatlichen Haushalt, verbunden mit neu geschaffenen Steuern oder
  125. Abgaben, rechtfertigten eine Anwendung der Klausel auf die aus den genannten Gesetzen resultierenden Mehraufwendungen und damit eine Abwälzung
  126. von dem betroffenen Energieversorgungsunternehmen auf seine Kunden
  127. (Büdenbender aaO S. 310 ff. 321). Da bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Verständnismöglichkeit der typischerweise von ihr
  128. angesprochenen Durchschnittskunden auszugehen ist (siehe auch Senatsurteil
  129. -7-
  130. vom 13. Mai 1998 - VIII ZR 292/97, WM 1998, 1590 = NJW 1998, 2207 unter II
  131. m.w.Nachw.), hätte es der Darlegung bedurft, daß der durchschnittliche Industriekunde den Begriff "Abgaben irgendwelcher Art" in diesem weiten Sinne
  132. verstanden hat; übergangenen Vortrag der Klägerin hierzu wird jedoch von der
  133. Revision nicht aufgezeigt.
  134. 2. Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Berufungsgericht insoweit,
  135. als es auch eine ergänzende Vertragsauslegung, auf welche die Klägerin ihre
  136. Ansprüche hilfsweise stützt, verneint.
  137. a) Nach herrschender Meinung ist in Fällen, in denen - wie hier - eine
  138. Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken des AGB-Gesetzes (jetzt: §§ 305 ff. BGB) beruht, eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig (vgl. BGHZ 92, 363, 370; 103, 228, 234;
  139. 117, 92, 98; Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 6
  140. Rdnr. 31). Eine derartige Vertragslücke ist durch ergänzende Auslegung der
  141. Bedingungen unter Zugrundelegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs
  142. zu schließen, der sich am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszurichten hat (BGHZ 107,
  143. 273, 277; 119, 305, 325; Schmidt aaO § 6 Rdnr. 32, jew. m.w.Nachw.). Eine
  144. Vertragslücke kann auch darauf beruhen, daß sich die bei Vertragsschluß bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern
  145. (vgl. BGHZ 123, 281, 285; BGH, Urteil vom 20. November 1975 - III ZR 112/73,
  146. WM 1976, 251 unter I 1 b; BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 - III ZR 35/88, WM
  147. 1989, 1743 unter II 4 a).
  148. b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht, wie die Revision mit Erfolg
  149. rügt, davon aus, die Parteien hätten bewußt eine abschließende Regelung zur
  150. Erhöhung des Entgelts getroffen, so daß es hinsichtlich der streitigen Kosten an
  151. -8-
  152. einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Zwar haben die Parteien nach der
  153. Preisregelung "Z" zum Vertrag vom 28./29. November 1990 im einzelnen festgelegte Arbeitspreise, verbunden mit einer Preisanpassungsklausel sowie bestimmten Rabatten und Zuschlägen etc., vereinbart. Eine Regelung, wer die
  154. zusätzlichen Kosten für die Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien
  155. oder aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu staatlich bestimmten Festpreisen
  156. zu tragen hat, konnte jedoch bei Vertragsschluß nicht getroffen werden, weil es
  157. diese staatliche Form der Förderung erneuerbarer Energien und der KraftWärme-Kopplung unter Ausschluß einer Beteiligung des Staatshaushaltes zu
  158. diesem Zeitpunkt noch nicht gab und deshalb auch nicht berücksichtigt werden
  159. konnte. Auch das Stromeinspeisungsgesetz vom 7. Dezember 1990, das erstmals eine Mindestvergütung für eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien vorsah, war bei Vertragsschluß noch nicht verkündet. Wenn die dort bestimmten Vergütungen, die nach Art der Energiequellen gestaffelt waren und
  160. sich nach den Durchschnittserlösen je Kilowattstunde aus der Stromabgabe des
  161. Versorgungsunternehmens an den Letztverbraucher richteten (vgl. BGH 134, 1,
  162. 13), bei der Abfassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin
  163. nicht berücksichtigt worden waren, steht dies daher der Annahme einer Vertragslücke nicht entgegen.
  164. Im übrigen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, daß die Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes, die eine Abnahme- und Vergütungspflicht des örtlichen Netzbetreibers und nur in Ausnahmefällen eine Weitergabe von Teilen der Belastungen an den sogenannten vorgelagerten Netzbetreiber vorsahen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 StrEG in der Fassung des Gesetzes
  165. zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrecht vom 24. April 1998, BGBl. I 1998,
  166. 730) für sie, die Klägerin, nur geringe praktische Bedeutung hatten, da dadurch
  167. lediglich jährliche Gesamtkosten von ca. 13 Mio. DM ausgelöst wurden, was,
  168. auf die einzelne kWh umgelegt, einen Betrag von lediglich 0,02 Pfennig/kWh
  169. -9-
  170. ausmachte. Demgegenüber verursachten nach dem Vortrag der Klägerin das
  171. EEG und KWK-G im Jahre 2001 jährliche Gesamtkosten in Höhe von 700 Mio.
  172. DM, was einem Betrag von 1,15 Pfennig/kWh entsprach. Wenn die Klägerin im
  173. Hinblick auf die Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes keine Änderung
  174. des im Jahre 1990 geschlossenen Vertrags herbeigeführt hat, kann hieraus auf
  175. das Fehlen einer Vertragslücke deshalb nicht geschlossen werden. Es erscheint auch ausgeschlossen, daß die Klägerin nicht auf einer Regelung in ihrem Sinne bestanden hätte, wenn sie bei Vertragsschluß gewußt hätte, daß bei
  176. Anwendung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien künftig eine
  177. so weitgehende Abwälzung der erhöhten Energiekosten auf sie als vorgelagerte
  178. Netzbetreiberin stattfinden würde.
  179. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, daß aus der Sicht der Beklagten die Klägerin hinsichtlich der nicht
  180. aufgeführten Kostenfaktoren festpreistypisch bewußt das Risiko einer Störung
  181. des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung in Kauf genommen
  182. hat. Daß die Klägerin sämtliche die Beschaffung, Übertragung oder Verteilung
  183. von elektrischer Energie belastenden Steuern oder sonstige staatlich angeordnete Abgaben nicht übernehmen, sondern auf den Kunden abwälzen wollte,
  184. ergibt sich aus Nr. 2.2 der "Allgemeinen und technischen Regelung". Nichts
  185. anderes gilt für die hier in Rede stehenden Belastungen der Klägerin infolge der
  186. Neuregelung der Subventionierung des aus erneuerbaren Energien und aus
  187. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gewonnen Stroms. Diese durch staatliche Eingriffe veranlaßten Mehrkosten sind von sonstigen Änderungen der Beschaffungs- und Vertriebskosten auf dem Strommarkt zu unterscheiden, deren Veränderung in den Risikobereich der Klägerin fällt (vgl. Büdenbender aaO S. 313
  188. f.).
  189. - 10 -
  190. c) Die hinsichtlich der durch das EEG und KWK-G anfallenden Mehrkosten bestehende Vertragslücke ist dahin zu schließen, daß diese Kosten
  191. ebenfalls von der Beklagten als Stromkundin zu tragen sind; zu einer eigenen
  192. ergänzenden Auslegung ist das Revisionsgericht bei den über den Bereich des
  193. Berufungsgerichts hinausgehend verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen befugt (BGHZ 90, 69, 73 f.; BGHZ 117, 92, 98). Entgegen der Ansicht
  194. der Beklagten scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung auch nicht deshalb
  195. aus, weil zur Ausfüllung der Regelungslücke mehrere Gestaltungsmöglichkeiten
  196. in Betracht kämen, ohne daß ein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung
  197. die Parteien getroffen hätten (vgl. BGHZ 143, 103, 121 m.w.Nachw.). Vielmehr
  198. ist anzunehmen, daß die Parteien als Beteiligte des geschlossenen Sonderkundenvertrages, wäre ihnen die Vertragslücke bewußt gewesen, ebenso wie die in
  199. Nr. 2.2 erwähnten "Steuern oder Abgaben irgendwelcher Art" auch die durch
  200. das EEG und KWK-G bewirkten Eingriffe in das Preissystem und dadurch verbundene Mehrbelastungen der Klägerin der Beklagten als Abnehmerin auferlegt
  201. hätten. Daß der Gesetzgeber selbst von einer Überwälzung der durch das EEG
  202. herbeigeführten Mehrkosten auf den Verbraucher ausging, ergibt sich aus der
  203. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung
  204. aus erneuerbaren Energien sowie zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes,
  205. in welchem die Erwartung ausgesprochen wird, daß "Auswirkungen auf das
  206. Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, ... trotz voraussichtlich
  207. geringer Erhöhung der Netznutzungsentgelte nicht in nennenswertem Umfang
  208. zu erwarten" seien. Es sei "lediglich mit geringfügigen Steigerungen der Strombezugspreise zu rechnen, die durch die im liberalisierten Markt sinkenden
  209. Strompreise deutlich überkompensiert" würden (BT-Drucks. 14/2341 S. 2; s.a.
  210. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie BT-Drucks. 14/2776 S. 2); inwieweit sich diese Annahme des Gesetzgebers in der Folgezeit als richtig erwiesen hat, ist dabei unerheblich (zur Weiter-
  211. - 11 -
  212. gabe von "nicht vermeidbaren Mehraufwendungen" siehe § 3 Abs. 1 Satz 3
  213. KWK-G). Im Tarifkundenbereich sind die diesbezüglichen Kosten anerkennungsfähig und werden gemäß § 12 BTOElt tariflich anerkannt (Büdenbender
  214. aaO S. 301; Britz/Müller RdE 2003, 163, 166). Davon, daß die Klägerin die in
  215. Rede stehenden, auf gesetzgeberischen Maßnahmen beruhenden Mehrkosten,
  216. die ihrem Zweck nach und in ihren Auswirkungen für die Energieversorgungsunternehmen einer Abgabe gleichstehen, nicht ebenfalls auf die Sonderkunden
  217. hätte abwälzen wollen, konnten diese nicht ausgehen.
  218. 3. Da die durch das EEG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine
  219. Bedenken bestehen (Senatsurteil vom 11. Juni 2003 - VIII ZR 160/02 unter A I
  220. 2 b, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), und durch das KWK-G entstandenen Mehraufwendungen der Klägerin für die Zeit von Oktober 2000 bis April
  221. 2001 der Höhe nach unstreitig sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Beklagte war daher entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung nebst Zinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB a.F.) zu verurteilen.
  222. Dr. Deppert
  223. Dr. Hübsch
  224. Dr. Leimert
  225. Dr. Beyer
  226. Dr. Deppert
  227. für den wegen Erkrankung an der
  228. Unterschriftsleistung verhinderten
  229. Richter am Bundesgerichtshof
  230. Dr. Frellesen
  231. 22. Dezember 2003