Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

261 lines
13 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 38/14
  5. Verkündet am:
  6. 25. März 2015
  7. Ermel,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 346 Abs. 3 Satz 2
  19. Der Käufer eines Fahrzeugs, welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der
  20. Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3
  21. Satz 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben
  22. könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer
  23. nicht der Fall.
  24. BGH, Urteil vom 25. März 2015 - VIII ZR 38/14 - OLG Karlsruhe
  25. LG Mannheim
  26. -2-
  27. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 25. März 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
  29. Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2013
  32. im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des
  33. Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts
  34. Mannheim vom 17. April 2013 hinsichtlich des Zug-um-ZugVorbehalts zurückgewiesen worden ist.
  35. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer
  36. des Landgerichts Mannheim vom 17. April 2013 dahin abgeändert,
  37. dass der Zug-um-Zug-Vorbehalt entfällt.
  38. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  39. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen 9/10 der Beklagten und 1/10 dem Kläger zur Last.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags
  44. über einen Neuwagen in Anspruch.
  45. 2
  46. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 11. September 2009 übergeben. In
  47. der Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach, verschiedene Mängel des Fahr-
  48. -3-
  49. zeugs zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch
  50. erklärte der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. August 2011
  51. unter anderem auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - insgesamt einen Betrag von 43.727,50 € - Zug um Zug gegen Rückgabe
  52. des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
  53. 3
  54. Am 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor beim
  55. Kläger befand, weitgehend aus. Der Kläger trat am 6. März 2013 sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrag an die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abtretungserklärung
  56. an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom 10. April 2013 unter
  57. Verweis auf einen - in den dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen - Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.
  58. 4
  59. Das Landgericht hat der unter anderem auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage teilweise in Höhe von 38.217,21 € stattgegeben, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung
  60. der näher bezeichneten Ansprüche des Klägers gegenüber seinem Versicherer.
  61. Die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen eine vorbehaltlose Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises erstrebt hat, ist ohne
  62. Erfolg geblieben.
  63. 5
  64. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger nur noch
  65. die Aufhebung des Zug-um-Zug-Vorbehalts.
  66. -4-
  67. Entscheidungsgründe:
  68. 6
  69. Die Revision hat Erfolg.
  70. I.
  71. 7
  72. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  73. für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  74. 8
  75. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von 38.217,21 € Zug
  76. um Zug gegen Abtretung der Versicherungsansprüche gegen den Kaskoversicherer zu.
  77. 9
  78. Er sei wegen erheblicher Sachmängel, die von der Beklagten nicht beseitigt worden seien, berechtigt gewesen, von dem Kaufvertrag zurückzutreten.
  79. Der Rücktritt sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Rückgabe des Pkw
  80. durch den Fahrzeugbrand nicht beziehungsweise nur in verschlechtertem Zustand möglich sei. Nachdem die Beklagte nach erklärtem Rücktritt zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw aufgefordert
  81. worden sei, habe sie sich in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe damit
  82. bezüglich des Untergangs lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wofür hier nichts vorgetragen oder ersichtlich sei.
  83. 10
  84. Er habe jedoch das für die untergegangene Sache erlangte Surrogat,
  85. hier die Versicherungsleistung, an die Beklagte abzutreten. Daher stehe der
  86. Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, und sei eine Verurteilung lediglich Zug
  87. um Zug gegen Abtretung entsprechender Ansprüche möglich. Zwar habe der
  88. Kläger bereits die Abtretung erklärt. Wie sich jedoch aus dem Schreiben des
  89. Kaskoversicherers ergebe, sei nach den Allgemeinen Bedingungen zur Kraftfahrtversicherung eine Abtretung des Anspruchs auf Entschädigung vor der
  90. endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versi-
  91. -5-
  92. cherer nicht möglich. Insoweit könne die Leistung bis zur Abtretung der entsprechenden Ansprüche an den Kläger verweigert werden.
  93. 11
  94. Die bereits erklärte Abtretung sei nichtig. Der Umstand, dass der Versicherer sich formularmäßig einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt ausbedungen habe, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße eine solche
  95. Vereinbarung nicht gegen § 307 BGB. Dementsprechend habe der Kläger das
  96. einredeweise auf §§ 285, 326 Abs. 3 BGB gestützte Verlangen nicht erfüllt,
  97. weshalb gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung nichts zu erinnern sei.
  98. 12
  99. Der Anwendungsbereich des § 285 BGB sei hier eröffnet. Dass noch
  100. keine Regulierung erfolgt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass der
  101. Kläger infolge der Leistungsstörung ein Surrogat - den Anspruch gegen seinen
  102. Kaskoversicherer - erlangt habe. Unbeachtlich sei, dass die Beklagte nach der
  103. fristgebundenen Rücktrittserklärung des Klägers bereits in Annahmeverzug gelangt sei, als das Fahrzeug zerstört worden sei. Die beim gesetzlichen Rücktrittsrecht geltende Gefahrtragungsregelung des § 346 Satz 1 Abs. 3 Satz 1
  104. Nr. 3 BGB ändere nämlich nichts an der Verpflichtung des Klägers, die ihm verbleibende Bereicherung - mithin den Ersatzanspruch gegen seinen Kaskoversicherer - herausgeben zu müssen (vgl. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Beklagte
  105. befinde sich mit der Annahme des Surrogats - der Versicherungsleistung - nicht
  106. in Annahmeverzug, da eine wirksame Abtretung bisher nicht erfolgt sei.
  107. II.
  108. 13
  109. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
  110. Punkt nicht stand.
  111. 14
  112. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Beklagten - jedenfalls derzeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen seine
  113. -6-
  114. Kaskoversicherung zusteht und
  115. deshalb die Verurteilung der Beklagten zur
  116. Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden Zug-um-ZugVorbehalt einzuschränken ist.
  117. 15
  118. 1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger ursprünglich gemäß §§ 434, 437 Nr. 2,
  119. § 346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verpflichtet war und diese Verpflichtung durch den Untergang des Fahrzeugs entfallen ist. Einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen
  120. des Untergangs des Fahrzeugs hat die Beklagte, wie die Revisionserwiderung
  121. selbst einräumt, in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.
  122. 16
  123. Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung auf
  124. das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält (Senatsurteil vom
  125. 28. November 2007 - VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290 Rn.16 mwN), hat der
  126. Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen Wertersatz
  127. nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende Bereicherung herauszugeben. Es kann dahinstehen, ob - was das Berufungsgericht nicht geprüft hat
  128. - überhaupt ein Wertersatzanspruch entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an
  129. einer herausgabefähigen Bereicherung.
  130. 17
  131. a) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstandes nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern
  132. grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den Gläubiger abzutreten ist (§ 398 BGB).
  133. 18
  134. Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Kläger jedoch bereits erklärt. Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt
  135. -7-
  136. der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von
  137. der - hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt,
  138. aber nicht die Annahme, dass der Beklagten gegenwärtig ein Anspruch auf
  139. nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.
  140. 19
  141. b) Denn das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger derzeit
  142. nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (BGH,
  143. Urteil vom 7. Januar 1971, VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131; Palandt-Sprau,
  144. BGB, 74. Aufl. § 812 Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des
  145. Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige
  146. Bereicherung im Sinn des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen
  147. könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.
  148. 20
  149. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem
  150. Sinn und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus
  151. dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie
  152. der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last
  153. der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein
  154. Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens
  155. durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB er-
  156. -8-
  157. legt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig
  158. vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann herauszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen.
  159. 21
  160. 2. Auch aus § 346 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB, § 285 BGB oder § 346
  161. Abs. 2, § 285 BGB (so etwa MünchKommBGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 47
  162. mwN) ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, den sie dem Kläger nach
  163. §§ 320, 348 BGB entgegen halten könnte. Es bedarf in diesem Zusammenhang
  164. keiner Entscheidung, ob § 285 BGB überhaupt auf das Rückgewährverhältnis
  165. gemäß §§ 346 ff. BGB nach dem neuen Schuldrecht Anwendung findet (dagegen mit beachtlichen Gründen Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014,
  166. § 285 Rn. 13). Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte - ähnlich wie es der
  167. Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift zu § 285
  168. BGB, nämlich § 281 BGB aF, angenommen hatte (BGH, Urteil vom 27. Oktober
  169. 1982 - V ZR 24/82, NJW 1983, 929 unter B) -, ergibt sich daraus kein Anspruch
  170. der Beklagten.
  171. 22
  172. Denn nach § 285 BGB hätte der Kläger auch nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der
  173. Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht
  174. anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den
  175. Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen
  176. Herausgabe die Beklagte sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden
  177. kann, die noch gar nicht entstanden sind.
  178. -9-
  179. III.
  180. 23
  181. Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
  182. es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, entscheidet der Senat in der
  183. Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Wegfall des Zug-um-ZugVorbehalts.
  184. Dr. Milger
  185. Dr. Hessel
  186. Dr. Schneider
  187. Dr. Achilles
  188. Dr. Bünger
  189. Vorinstanzen:
  190. LG Mannheim, Entscheidung vom 17.04.2013 - 8 O 246/11 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.12.2013 - 19 U 83/13 -