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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 123/04
  5. Verkündet am:
  6. 4. Mai 2005
  7. Kirchgeßner
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. ZPO §§ 304, 318
  18. Zur Bindungswirkung eines Zwischenurteils, das das Minderungsbegehren eines
  19. Käufers dem Grunde nach für berechtigt erklärt.
  20. BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 123/04 - OLG Karlsruhe
  21. LG Offenburg
  22. -2-
  23. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  24. vom 4. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
  25. Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
  26. für Recht erkannt:
  27. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - vom 2. April 2004
  28. aufgehoben.
  29. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  30. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat
  31. des Oberlandesgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. Die Beklagte verkaufte der Klägerin im Jahr 1988 insgesamt 6 CNCHochleistungswerkzeugmaschinen zur Herstellung von Schaftfräsern mit den
  35. Bezeichnungen J.
  36. 515-1 (Maschinen Nrn. 1175, 1266 und 1267), Q.
  37. 1001 (Nr. 1274), J.
  38. 310 (Nr. 1273) und N.
  39. (Nr. 1254). Nachdem
  40. die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen genaue Informationen unter anderem zu Leistungskapazitäten, Taktzeiten und der Möglichkeit von bedienungs- und wartungsfreien sogenannten „Geisterschichten“ verlangt hatte,
  41. übersandte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 1988 die gewünschten Daten. Nach der Lieferung rügte die Klägerin mit Schreiben vom 18. August
  42. 1989 Mängel der Maschinen, unter anderem die Nichteinhaltung der zugesagten Leistungswerte. Im Rahmen eines von der Klägerin beantragten Beweissi-
  43. -3-
  44. cherungsverfahrens erstattete der Sachverständige Dipl. Ing. S.
  45. am
  46. 28. Januar 1994 ein schriftliches Gutachten.
  47. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Minderung des Gesamtkaufpreises,
  48. hilfsweise Schadenersatz, in Höhe von 2.144.277,00 DM (1.096.351,40 €) verlangt. Durch Grundurteil vom 8. März 1995 hat das Landgericht der Klage dem
  49. Grunde nach stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat
  50. das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ein Anspruch der
  51. Klägerin auf Herabsetzung des Kaufpreises bezüglich der Maschine J.
  52. 515-
  53. 1 Nr. 1266 nicht gegeben sei. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten
  54. hat der Senat nicht zur Entscheidung angenommen.
  55. Nach den vom Berufungsgericht im Grundurteil getroffenen Feststellungen wurden die im Schreiben vom 18. Februar 1988 genannten und Vertragsinhalt gewordenen Leistungsdaten von den Maschinen nicht erreicht. Nach der
  56. Einholung weiterer Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W.
  57. im
  58. Betragsverfahren hat das Landgericht der Klage in Höhe von 506.719,40 €
  59. nebst Zinsen - unter Abweisung im übrigen - stattgegeben. Es hat die Höhe der
  60. Minderung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit - nicht erreichter Taktzeiten und Unmöglichkeit, sogenannte Geisterschichten zu fahren - auf der Grundlage von Beobachtungszeiträumen von 4 ¾ bis 7 Stunden für die Maschinen
  61. J.
  62. 515-1 Nr. 1267, Q.
  63. 1001 Nr. 1274, J.
  64. 310 Nr. 1273 und N.
  65. Nr. 1254 auf 668.595,00 DM sowie wegen nutzloser Aufwendungen für Zusatzaggregate zur Durchführung von Geisterschichten auf 322.462,00 DM, insgesamt auf 991.057,00 DM (506.719,40 €) geschätzt; eine weitergehende Minderung wegen eingeschränkter Maschinenverfügbarkeit hat es verneint, weil
  66. der von den Sachverständigen S.
  67. und Prof. Dr. W.
  68. dafür
  69. übereinstimmend für erforderlich gehaltene Beobachtungszeitraum von 500
  70. Stunden nicht eingehalten sei. Bezüglich der Maschine J.
  71. 515-1 Nr. 1175 hat
  72. -4-
  73. es die Zubilligung einer Minderung mit der Begründung abgelehnt, nach den
  74. Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W.
  75. der Sachverständige S.
  76. sei es möglich, daß
  77. die Taktzeiten unrichtig ermittelt habe, weil
  78. ein zu geringer Vorschub gewählt worden sei.
  79. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten in Höhe von insgesamt 876.373,20 €
  80. nebst Zinsen, die Beklagte die Klageabweisung in vollem Umfang erstrebt. Das
  81. Oberlandesgericht hat die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.
  82. Entscheidungsgründe:
  83. I.
  84. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
  85. Der Klägerin stehe kein Recht auf Minderung des Kaufpreises für die
  86. Maschinen zu, weil ihr ein Nachweis der Minderungshöhe nicht gelungen sei.
  87. Die Bindung an das Grundurteil schließe nicht aus, daß die Klage im Betragsverfahren abgewiesen werde, da durch das Grundurteil nicht entschieden worden sei, in welchem Umfang der Wert der gelieferten Maschinen mangelbedingt
  88. gemindert gewesen sei. Eine Schätzung der Minderung - auch eines Mindestbetrages - gemäß §§ 287 Abs. 2, 525 ZPO sei nicht möglich. Das vorliegende
  89. Material reiche nicht aus, um ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Hinsichtlich der Maschinenverfügbarkeit fehle es an einer ausreichenden
  90. Datenbasis für die Ermittlung eines Minderungsbetrages, da für eine Begutachtung nach den Aussagen des Sachverständigen S.
  91. , die von dem
  92. -5-
  93. Sachverständigen Prof. Dr. W.
  94. gebilligt worden seien, eine Maschi-
  95. nenlaufzeit von 500 Stunden erforderlich sei. Die für eine Schätzung nach § 287
  96. Abs. 1 und 2 ZPO vorauszusetzende höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dahin, daß die Maschinen in ihrer Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Ausmaß hinter den an sie zu stellenden Anforderungen zurückblieben, ließe
  97. sich unter diesen Umständen nicht gewinnen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelte entsprechendes. Auch dazu habe der Sachverständige S.
  98. ausgeführt, daß eine Beurteilung erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden erfolgen könne. Nachdem sich das Berufungsgericht dieser Beurteilung des
  99. Sachverständigen im Grundurteil angeschlossen habe, sei es daran gebunden
  100. (§ 318 ZPO). Daran ändere nichts, daß die Annahmen des Sachverständigen
  101. hinsichtlich des Prüfzeitraums von 500 Stunden seit den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W.
  102. zweifelhaft geworden seien. Dieser Sach-
  103. verständige habe allerdings einen Zeitraum von 3 mal 8 Stunden als ausreichend angesehen, der aber auch bei weitem nicht eingehalten sei.
  104. II.
  105. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die
  106. Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Grundlagen für eine
  107. Schätzung des Minderungsbetrages gemäß § 287 Abs. 2, 1 ZPO nicht ausreichend ermittelt und bewertet hat, weil es sich zu Unrecht an Feststellungen des
  108. Grundurteils gebunden hält (§§ 304, 318 ZPO).
  109. 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen,
  110. daß auf den vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Kaufvertrag das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) und der Klägerin - wie bereits im
  111. -6-
  112. Grundurteil festgestellt - dem Grunde nach ein Anspruch auf Minderung des für
  113. die Maschinen gezahlten Kaufpreises zusteht (§§ 459, 462, 472 BGB a.F.).
  114. 2. Rechtsfehlerhaft sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, die zu
  115. der Annahme führen, der Klägerin sei der Nachweis der Höhe der Minderung
  116. nicht gelungen. Zwar geht es zutreffend davon aus, daß die Höhe der Minderung durch das Gericht gemäß § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs.1 ZPO unter
  117. Würdigung aller maßgeblichen Umstände nach freier Überzeugung geschätzt
  118. werden kann, wobei die Schätzung möglichst nahe an die Wirklichkeit heranführen soll (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1996 - X ZR 76/94, NJW-RR 1997, 688
  119. unter II 2 d aa m.w.Nachw.). Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die
  120. Ermittlung des Minderwerts auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende
  121. Tatsachen außer acht gelassen sind (vgl. BGH aaO unter II 2 d aa). Wie die
  122. Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch wegen der von ihm
  123. fälschlich angenommenen Bindungswirkung des Grundurteils die Schätzgrundlagen nicht ausreichend festgestellt und die Möglichkeit einer Schätzung auch
  124. nur eines Mindestbetrages der Minderung von vornherein verfahrensfehlerhaft
  125. abgelehnt. Das Berufungsgericht nimmt hinsichtlich der Minderung wegen verringerter Leistungsfähigkeit der Maschinen zu Unrecht eine Bindung an die
  126. Feststellung im Grundurteil an, eine Beurteilung des Umfangs der Beeinträchtigungen könne erst nach 500 Stunden Maschinenlaufzeit erfolgen; ferner läßt es
  127. wesentliche Beweisergebnisse außer acht.
  128. a) Die Bindungswirkung eines Grundurteils erstreckt sich nur auf die in
  129. ihm bejahte oder verneinte Rechtsfolge (§ 318 ZPO). Es ist daher darauf abzustellen, wie das Gericht in der Urteilsformel, die gegebenenfalls unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen auszulegen ist, entschieden
  130. hat (BGH, Urteil vom 26. September 1996 - VII ZR 142/95, NJW-RR 1997, 188
  131. -7-
  132. unter II 1). Ausführungen über die Höhe einer Forderung oder eines Schadens
  133. nehmen an der Rechtskraft des Grundurteils nicht teil und sind für das weitere
  134. Verfahren nicht bindend (BGHZ 10, 361, 362; BGH, Urteil vom 29. Oktober
  135. 1959 - III ZR 150/58, VersR 1960, 248 unter III; BGH, Urteil vom 12. Juli 1963
  136. - IV ZR 314/62, MDR 1964, 214).
  137. Das Berufungsgericht hat sich in seinem ersten Berufungsurteil, in dem
  138. es die Berufung gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen hat,
  139. ausschließlich mit der Frage befaßt, ob der Sachverständige S.
  140. Mängel der Maschinen festgestellt hat. Soweit es sich den weiteren Ausführungen des Sachverständigen S.
  141. angeschlossen hat, in welchem Um-
  142. fang die von der Beklagten geschuldeten Leistungen nicht erbracht seien, könne erst nach einer Laufzeit von 500 Stunden gesagt werden, betreffen diese die
  143. Höhe der Minderung, auf die sich die innere Rechtskraft des Urteils nach dem
  144. oben Gesagten nicht erstreckt. Dies ist auch sachgerecht. Die der Klägerin
  145. nachteiligen Darlegungen über die Art und Weise der Ermittlung der Minderungshöhe konnte sie nicht angreifen, weil sie durch die Urteilsformel des
  146. Grundurteils nicht beschwert war. Es kann daher nicht richtig sein, daß das Berufungsgericht an diese Feststellungen im späteren Betragsverfahren gebunden
  147. ist (vgl. auch Senatsurteil vom 22. Februar 1967 - VIII ZR 255/64, NJW 1967,
  148. 1231). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht demgemäß gemeint, außer acht
  149. lassen zu müssen, daß der Sachverständige Prof. Dr. W.
  150. geren als den von dem Sachverständigen S.
  151. einen gerin-
  152. angegebenen Prüfzeit-
  153. raum von 500 Stunden als ausreichend angesehen hat.
  154. b) Nicht zu folgen ist daher den Erwägungen des Berufungsgerichts, der
  155. Klägerin könne eine Minderung mangels Nachweises zur Höhe nicht zugebilligt
  156. werden. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die
  157. -8-
  158. Klage trotz Vorliegens eines Grundurteils noch im Betragsverfahren abzuweisen ist, wenn die Höhe des Anspruchs nicht - auch nicht im Wege einer Mindestschätzung - ermittelt werden kann (vgl. BGH, Senatsurteil vom 30. Mai
  159. 2001 - VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542 unter II 3 m.w.Nachw.). Unter
  160. Zugrundelegung der gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen
  161. Prof. Dr. W.
  162. hätte jedoch geprüft werden müssen, in welchem Umfang
  163. der Sachverhalt eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung bietet. Dies
  164. hat das Berufungsgericht aufgrund seiner vermeintlichen Bindung an das
  165. Grundurteil unterlassen.
  166. c) Soweit das Berufungsgericht ferner ohne weitere Begründung ausführt, jedenfalls sei der vom Sachverständigen Prof. Dr. W.
  167. für erfor-
  168. derlich gehaltene Zeitraum für die Beobachtung der Maschinen von 3 mal
  169. 8 Stunden Laufzeit nicht eingehalten, widerspricht diese Aussage den Feststellungen des Landgerichts, wonach auch Beobachtungszeiträume von 5 Stunden
  170. für eine Schätzung ausreichen. Dies ist - sofern es als Hilfsbegründung anzusehen sein sollte - verfahrensfehlerhaft und kann die Ablehnung der Schätzung
  171. nicht tragen (§§ 286, 287 ZPO). Das Berufungsgericht hat dabei offensichtlich
  172. übersehen, daß der Sachverständige, wie in den Entscheidungsgründen des
  173. landgerichtlichen Urteils festgehalten, geäußert hat, jedenfalls sei ein Beobachtungszeitraum von fünf Stunden eine geeignete Grundlage für die Ermittlung
  174. der Leistungsfähigkeit einer Maschine.
  175. -9-
  176. III.
  177. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist
  178. daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Zurückverweisung, bei der der Senat von
  179. der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht, gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sein Schätzermessen unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze und des bisher nicht gewürdigten Berufungsvorbringens
  180. der Parteien auszuüben.
  181. Dr. Deppert
  182. Dr. Beyer
  183. Dr. Leimert
  184. Ball
  185. Dr. Frellesen