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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 160/03
  5. Verkündet am:
  6. 23. März 2004
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. SGB VII § 2 Abs. 2, Satz 1; 105 Abs. 1; 106 Abs. 3, 3. Alt.
  18. Es ist weiterhin in der Regel davon auszugehen, daß derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung
  19. einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann ein Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII aufgrund der Zuordnung der Tätigkeit
  20. zu dem fremden Unternehmen in diesem gegeben sein (Fortführung des Senatsurteils vom 24. März 1998 – VI ZR 337/96 – NJW 1998, 2365 ff.).
  21. BGH, Urteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - OLG Köln
  22. LG Köln
  23. -2-
  24. -3-
  25. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 23. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
  27. Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts Köln vom 30. April 2003 aufgehoben.
  31. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  32. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. -4-
  35. Tatbestand:
  36. Der Kläger verlangt Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten hinsichtlich materieller und immaterieller Schäden aufgrund eines Unfalls.
  37. Am Unfalltag fuhr der Kläger im Auftrag seiner Arbeitgeberin, der U. Bau
  38. GmbH, mit einem LKW auf das Betriebsgelände der G. Baumaschinen Mietservice GbR (im folgenden G. GbR), um einen von der U. Bau GmbH gemieteten
  39. Kompressor abzuholen. Der Beklagte, der Gesellschafter der G. GbR ist, nahm
  40. den etwa 750 kg schweren Kompressor mit einem Gabelstapler auf und begann
  41. damit, diesen auf die Ladefläche des LKW zu heben. Hierbei riß die vom Beklagten angebrachte Befestigung des Kompressors an dem Gabelstapler, der
  42. Kompressor fiel herab und prallte auf die rechte Hand des Klägers, der sich auf
  43. der Ladefläche befand, um den Kompressor entgegenzunehmen. Er zog sich
  44. hierdurch erhebliche Verletzungen zu.
  45. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe den Unfall schuldhaft dadurch herbeigeführt, daß er den Kompressor unsachgemäß nur mit einem Seil
  46. befestigt habe. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Zahlung eines
  47. Schmerzensgelds, einer Schmerzensgeldrente sowie die Feststellung, daß der
  48. Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden
  49. aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
  50. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
  51. die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
  52. -5-
  53. Entscheidungsgründe:
  54. I.
  55. Das Berufungsgericht hat Ansprüche des Klägers auf Ersatz der bei dem
  56. Unfall erlittenen Gesundheitsschäden verneint, weil dem Beklagten ein Haftungsprivileg zugute komme. Es hat offengelassen, ob eine Beschränkung der
  57. Haftung des Beklagten bereits unmittelbar aus § 105 Abs. 1 SGB VII folge, weil
  58. der bei dem Verladevorgang geschädigte Kläger und der diesen schädigende
  59. Beklagte bei der Verladetätigkeit als temporär in denselben Betrieb eingegliederte Versicherte anzusehen seien. Jedenfalls seien die Voraussetzungen des
  60. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII erfüllt. Die Parteien hätten vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet. Sie hätten
  61. bewußt und gewollt bei der Verladung des Baukompressors zusammengewirkt,
  62. um dessen Abtransport zu ermöglichen. Der Umstand, daß der Beklagte als
  63. Gesellschafter der G. GbR Unternehmer sei, stehe der Haftungsprivilegierung
  64. nicht entgegen. Er sei nämlich selbst aktiv am Unfallgeschehen beteiligt gewesen. Der Beklagte sei auch - wie in § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII vorausgesetzt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen. Er habe gemäß § 2
  65. Abs. 2 Satz 1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz gestanden, da er "wie
  66. ein Beschäftigter" tätig geworden sei. Hiervon sei nämlich auch dann auszugehen, wenn der Unternehmer nicht überwiegend im eigenen Interesse für sein
  67. Unternehmen, sondern zugleich wie ein Arbeitnehmer für ein anderes Unternehmen tätig werde. Dies sei vorliegend der Fall. Der Verladeprozeß selbst habe zwar einerseits dem vermietenden Unternehmen des Beklagten gedient, das
  68. die Firma U. Bau GmbH als Mieterin tatsächlich in die Lage zu versetzen gehabt habe, die Mietsache vertragsgemäß zu gebrauchen. Das Aufladen des
  69. Kompressors auf den vom Arbeitgeber des Klägers gestellten LKW habe andererseits aber zugleich dem Interesse des mietenden Unternehmens gedient,
  70. -6-
  71. dem die Abholung des von dem Unternehmen des Beklagten zur Verfügung zu
  72. stellenden Mietobjekts oblegen habe. Denn die Abholung des Baukompressors
  73. sei ohne dessen Verladung auf den LKW nicht zu bewerkstelligen gewesen. Die
  74. Tätigkeit des Beklagten habe sich daher als gleichermaßen eigenen als auch
  75. fremden unternehmerischen Interessen dienende Mitwirkung an dem Abtransport der Baumaschine dargestellt und damit keine überwiegend dem eigenen
  76. Unternehmen dienende, sondern eine in gleichem Maße fremdbezogene Handlungstendenz aufgewiesen. Dies reiche aus, um ihn nach Maßgabe des § 2
  77. Abs. 2 Satz 1 SGB VII in den Kreis der gesetzlich Unfallversicherten einzubeziehen.
  78. II.
  79. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
  80. stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII zugute, erweist sich unter zwei
  81. Gesichtspunkten als rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht ist zum einen auf
  82. der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen,
  83. der Beklagte habe im Zeitpunkt der Schädigung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB
  84. VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, weil er
  85. wie ein Beschäftigter der U. Bau GmbH tätig geworden sei (dazu 1.). Selbst
  86. wenn sich diese Beurteilung jedoch als zutreffend erwiese, ergäbe sich eine
  87. Haftungsprivilegierung des Beklagten nicht aus § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII,
  88. sondern unmittelbar aus § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (dazu 2.).
  89. 1. a) Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß sich der Unfall, aus dem der
  90. Kläger seine Ansprüche herleitet, auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im
  91. -7-
  92. Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ereignet hat (vgl. zum Verständnis dieses Begriffs Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336; vom 24. Juni 2003 - VI ZR
  93. 434/01 - NJW 2003, 2984; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, jeweils m.w.N.).
  94. b) Das Berufungsgericht hat darüber hinaus zutreffend angenommen,
  95. daß die Haftungsfreistellung des Beklagten nicht an seiner Rechtsstellung als
  96. Mitunternehmer des von der G. GbR betriebenen Vermietungsunternehmens
  97. scheitert. Zwar erstreckt sich das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3, 3. Alt.
  98. SGB VII grundsätzlich nicht auf den Unternehmer. Etwas anderes gilt jedoch
  99. dann, wenn er, wie im vorliegenden Fall, selbst eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet und dabei den
  100. Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt (vgl. Senatsurteile BGHZ
  101. 148, 209, 212; 148, 214, 220; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - zur
  102. Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, m.w.N.).
  103. c) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß die Haftungsprivilegierung dem Schädiger nur dann zugute kommt,
  104. wenn er im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; vom 24. Juni 2003
  105. - VI ZR 434/01 - NJW 2003, 2984, 2985; BGH, BGHZ 151, 198, 201 f. jeweils
  106. m.w.N.). Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht im Streitfall jedoch
  107. rechtsfehlerhaft bejaht. Die Revision beanstandet mit Erfolg die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach auch derjenige gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1
  108. SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe, dessen
  109. Tätigkeit im gleichen Maße dem eigenen wie auch dem fremden Unternehmen
  110. zu dienen bestimmt sei.
  111. -8-
  112. aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und
  113. des Bundessozialgerichts zu dem bis zum Inkrafttreten des § 2 Abs. 2 Satz 1
  114. SGB VII insoweit maßgeblichen § 539 Abs. 2 RVO genügte eine gleichermaßen
  115. eigen- wie fremdbezogene Handlungstendenz nicht, um eine Tätigkeit dem
  116. Versicherungsschutz des § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu unterstellen. Da der Handelnde unter den Voraussetzungen des § 539 Abs. 2
  117. RVO an dem für die Angehörigen des fremden Unternehmens geschaffenen
  118. Versicherungsschutz wie ein Arbeitnehmer des fremden Unternehmens teilnahm (vgl. Senatsurteile BGHZ 79, 216, 219 f.; vom 8. April 86 - VI ZR 61/85 VersR 1986, 868, 869), war es vielmehr erforderlich, daß seine Tätigkeit diesem
  119. Unternehmen zuzuordnen war. Sie mußte der Sache nach für dieses Unternehmen und nicht für sein eigenes bzw. seinen Stammbetrieb geleistet worden
  120. sein (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 1986 - VI ZR 181/85 - VersR 1987,
  121. 384, 385; vom 11. Oktober 1988 - VI ZR 67/88 - VersR 1989, 67, 68; vom
  122. 24. März 1998 - VI ZR 337/96 - NJW 1998, 2365, 2366; BSGE 5, 168, 174; 57,
  123. 91, 92 f.; BSG, SozR 2200 § 539 RVO Nr. 25, S. 71; NZA 1986, 410; SozR 32200 § 539 RVO Nr. 25, S. 86 f.; SozR 3-2200 § 539 RVO Nr. 28 S. 105 f.;
  124. VersR 1999, 1517, 1518). Denn nur dann war es nach den allgemeinen Grundgedanken der Sozialversicherung gerechtfertigt, den Versicherungsträger des
  125. fremden Unternehmens mit dem Risiko dieser Tätigkeit zu belasten (vgl. BSGE
  126. 5, 168, 171 f.; 46, 232, 234; OLG Stuttgart, ZfS 2002, 384; Bereiter/Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand September 2003, § 2 Rdn. 34.1,
  127. 34.12). Eine Tätigkeit, die der Betroffene für sein eigenes Unternehmen erbrachte, löste den Versicherungsschutz in dem für ihn fremden Unternehmen
  128. deshalb auch dann nicht aus, wenn sie diesem nützlich war (vgl. Senatsurteile
  129. vom 28. Oktober 1986 - VI ZR 181/85 - aaO; vom 11. Oktober 1988 - VI ZR
  130. 67/88 - aaO; vom 24. März 1998 - VI ZR 337/96 - aaO; BSGE 5, 168, 174; 57,
  131. 91, 92 f.; BSG, SozR 2200 § 539 RVO Nr. 25, S. 71; NZA 1986, 410; SozR
  132. -9-
  133. 3-2200 § 539 RVO Nr. 25, S. 86 f.; SozR 3-2200 § 539 RVO Nr. 28 S. 105 f.;
  134. VersR 1999, 1517, 1518).
  135. Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit kam es
  136. darauf an, ob ihr Aufgaben des fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben hatten. Dies war unter wertender Betrachtung aller
  137. Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen Aufgabenverteilung
  138. (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 234/82 - VersR 1984, 736, 737) zu
  139. beurteilen. Hatte der Tätige Aufgaben wahrgenommen, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen des fremden Unternehmens fielen, so war in der Regel davon auszugehen, daß er allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig geworden war, so daß ein
  140. Versicherungsschutz im fremden Unternehmen nicht herbeigeführt wurde; erst
  141. wenn seine Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden konnte, stellte sich die Frage nach einer Zuordnung
  142. seiner Tätigkeit zum fremden Unternehmen (vgl. Senatsurteile vom 8. April
  143. 1986 - VI ZR 61/85 - VersR 1986, 868, 869; vom 28. Oktober 1986 - VI ZR
  144. 181/85 - aaO; vom 17. April 1990 - VI ZR 244/89 - aaO; vom 9. Juli 1996
  145. - VI ZR 155/95 - VersR 1996, 1412, 1413; vom 24. März 1998 - VI ZR 337/96 aaO; BAG, VersR 1991, 902). Dabei kam dem Schädiger die Haftungsfreistellung des § 637 Abs. 1 RVO nur zugute, wenn er als "Betriebsangehöriger" in
  146. den Unfallbetrieb eingegliedert war, während dies für den Verletzten nicht erforderlich war. Für den im Unfallbetrieb fremden Schädiger setzte dies voraus, daß
  147. er der Weisungs- und Direktionsbefugnis des Unternehmers unterworfen war
  148. und dessen Fürsorge beanspruchen konnte (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 1975
  149. - VI ZR 87/74 - VersR 1975, 1002; vom 6. Dezember 1977 - VI ZR 79/76 VersR 1978, 150; vom 3. Juli 1979 - VI ZR 51/77 - VersR 1979, 934; vom
  150. 22. Juni 1982 - VI ZR 240/79 - VersR 1983, 31; vom 8. April 1986 - VI ZR
  151. - 10 -
  152. 61/85 - aaO; vom 5. Juli 1988 - VI ZR 299/87 - VersR 1988, 1166, 1167 und
  153. vom 30. Juni 1998 - VI ZR 286/97 - VersR 1998, 1173, 1174).
  154. bb) Das Erfordernis der Betriebsangehörigkeit des Schädigers im Unfallbetrieb besteht nach der Neuregelung der Haftungsprivilegierung in § 105
  155. Abs. 1 SGB VII nicht mehr. Hingegen sind im übrigen die Vorschriften über den
  156. Versicherungsschutz in den hier maßgeblichen Punkten der Sache nach nicht
  157. verändert worden (vgl. BSG, HVBG-Info 2000, 2316, 2318; HVBG-Info 2002,
  158. 1175, 1180; OLG Hamm, OLGR 2000, 171; NJW-RR 2002, 1317, 1318; NJWRR 2003, 239, 240 f.; OLG Koblenz, VersR 2002, 574 f.; RIW 2002, 880, 882;
  159. Urteil vom 5. Mai 2003 - 12 U 291/02 - mit die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückweisendem Senatsbeschluß vom 16. Dezember
  160. 2003 - VI ZR 162/03). § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entspricht inhaltlich § 539 Abs. 1
  161. Nr. 1 und 2 RVO; § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erstreckt den Versicherungsschutz
  162. - wie bisher § 539 Abs. 2 RVO - auf Personen, die wie Beschäftigte tätig werden (vgl. BT-Drs. 13/2204, S. 75). Auch die Schaffung eines zusätzlichen Haftungsprivilegs für die Fälle, in denen Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten (§ 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII), gibt keine Veranlassung, von der
  163. bisherigen Rechtsprechung zur Reichweite des § 539 Abs. 2 RVO abzuweichen
  164. und auch solche Tätigkeiten in den Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2
  165. Satz 1 SGB VII einzubeziehen, die von ihrer Zweckbestimmung her nicht
  166. fremdwirtschaftlich geprägt, sondern gleichermaßen dem eigenen wie dem
  167. fremden Unternehmen zu dienen bestimmt sind (vgl. OLG Hamm, NJW-RR
  168. 2003, 239, 240 f.). Der Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats
  169. bestand gerade darin, in Fällen, in denen die unfallbringende Tätigkeit den Interessen mehrerer Unternehmen diente, die notgedrungen auftretenden
  170. Schwierigkeiten einer Zuordnung der Tätigkeit zu einem bestimmten Unternehmen durch einen klaren Grundsatz zu vermeiden (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli
  171. - 11 -
  172. 1996 - VI ZR 155/95 - aaO). Die Notwendigkeit einer solchen Zuordnung besteht auch noch nach Einführung des § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII. Diese Bestimmung setzt einen Versicherungsschutz der Tätigen nämlich voraus
  173. und baut insoweit auf den §§ 2 ff. SGB VII auf. Sie verschafft hingegen keinen
  174. über diese Regelungen hinausgehenden Versicherungsschutz. Eine andere
  175. rechtliche Beurteilung liefe auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung zuwider. Es widerspräche dem Grundsatz der Solidargemeinschaft, wenn der Unternehmer für Tätigkeiten, die seinem eigenen Unternehmen zu dienen bestimmt sind, über § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII beitragsfrei unfallversichert wäre und damit die beitragspflichtige freiwillige Versicherung umgehen könnte (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 16, S. 61; BSG, VersR 1999,
  176. 1517, 1518).
  177. cc) Ob sich nach diesen Beurteilungsgrundsätzen der für die Beschäftigten der U. Bau GmbH bestehende Unfallversicherungsschutz auf den Beklagten
  178. erstreckt hat, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat sich bislang lediglich mit der Frage befaßt, wem die Tätigkeit des Beklagten objektiv nützlich war. Es hat hingegen
  179. keine Feststellungen dazu getroffen, in wessen Aufgabenbereich nach Maßgabe der zwischen den beteiligten Unternehmen bestehenden vertraglichen Vereinbarungen das Aufladen des Kompressors fiel. Die Revision weist in diesem
  180. Zusammenhang darauf hin, daß die Verpflichtung zum Aufladen des Kompressors nur einer der Vertragsparteien, nicht hingegen beiden oblegen haben kann
  181. (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. April 1986 - VI ZR 61/85 - aaO).
  182. 2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts erweisen sich darüber hinaus
  183. aus einem anderen Gesichtspunkt als rechtsfehlerhaft. Wäre der Beklagte, wie
  184. das Berufungsgericht angenommen hat, gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als
  185. Versicherter der U. Bau GmbH anzusehen, so könnte sich eine Haftungsfrei-
  186. - 12 -
  187. stellung nicht aus § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII, sondern unmittelbar aus
  188. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ergeben. Denn da § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII den
  189. Tätigen unfallversicherungsrechtlich dem für ihn fremden Betrieb als einen seiner Beschäftigten zuweist (vgl. BGHZ 79, 216, 219, 221), wären in diesem Fall
  190. nicht - wie in § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII vorausgesetzt - Versicherte
  191. mehrerer Unternehmen, sondern solche eines einzigen Betriebs tätig geworden.
  192. III.
  193. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Insbesondere kommt dem Beklagten eine Haftungsprivilegierung nicht unabhängig
  194. von der Frage zugute, in wessen Aufgabenbereich seine Tätigkeit fiel. Zwar
  195. griffe zu seinen Gunsten die Haftungsfreistellung des § 105 Abs. 1 Satz 1
  196. SGB VII, wenn er beim Verladen des Kompressors eine Aufgabe der U. Bau
  197. GmbH wahrgenommen hätte und die Förderung der Belange dieser Gesellschaft seiner Tätigkeit auch im übrigen das Gepräge gegeben hätte. Seine Haftung wäre demgegenüber nicht notwendigerweise beschränkt, wenn das Verladen des Kompressors als Erfüllung einer Aufgabe der G. GbR zu werten wäre.
  198. In diesem Fall käme ihm ein Haftungsprivileg - und zwar gemäß § 104
  199. SGB VII - nur dann zugute, wenn der Kläger bei der Entgegennahme des Kompressors auf der Ladefläche wie ein Beschäftigter der G. GbR im Sinne des § 2
  200. Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden wäre. Dies würde nach den vorstehend
  201. dargestellten Beurteilungsgrundsätzen voraussetzen, daß die von dieser Gesellschaft zu erfüllenden Pflichten der Hilfeleistung des Klägers das Gepräge
  202. gegeben haben. Hatte sich der Kläger dagegen zur Wahrnehmung von Aufgaben seines Stammbetriebes auf die Ladefläche des LKW begeben, lägen die
  203. - 13 -
  204. Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht vor (vgl. insoweit Senatsurteil vom 8. April 1986 - VI ZR 61/85 - aaO; BAG, VersR 1991, 902; OLG
  205. Karlsruhe, VersR 1989, 110). Für eine abschließende Beurteilung dieser Frage
  206. fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.
  207. IV.
  208. Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu
  209. neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  210. Müller
  211. Greiner
  212. Pauge
  213. Diederichsen
  214. Stöhr