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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZR 30/10
  4. vom
  5. 21. Oktober 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Oktober 2010 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner
  10. beschlossen:
  11. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des
  12. 22.
  13. Zivilsenats
  14. des
  15. Oberlandesgerichts
  16. Hamm
  17. vom
  18. 1. Februar 2010 aufgehoben.
  19. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
  20. auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Der
  22. Gegenstandswert
  23. des
  24. Beschwerdeverfahrens
  25. beträgt
  26. 55.239,80 €.
  27. Gründe:
  28. I.
  29. 1
  30. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz nach einem
  31. Hauskauf und stützen dies auf arglistig verschwiegene Feuchtigkeitsmängel.
  32. 2
  33. Die Beklagten waren Eigentümer eines mit einem Haus bebauten
  34. Grundstücks. Von 2002 bis 2005 bewohnten sie die Erdgeschosswohnung des
  35. -3-
  36. Hauses selbst und vermieteten sie anschließend vom 1. Oktober 2005 bis zum
  37. 30. Juli 2006. Im März 2006 rügten die Mieter über den Mieterschutzverein,
  38. dass sich im Wohnzimmer und im Arbeitszimmer Feuchtigkeit und Schimmel
  39. gebildet hätten. Es folgte eine wechselseitige Korrespondenz mit dem Mieterschutzverein. Der Beklagte zu 2 führte Maßnahmen zur Schadensbehebung
  40. durch.
  41. 3
  42. Mit Vertrag vom 21. Dezember 2006 erwarben die Kläger das Hausgrundstück zum Preis von 187.000 € von den Beklagten unter Ausschluss der
  43. Haftung für offene und verborgene Sachmängel.
  44. 4
  45. Das Landgericht hat die zunächst auf Ersatz geschätzter Sanierungskosten von 12.185 € netto gerichtete Klage nach Vernehmung des beurkundenden
  46. Notars abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben die Kläger die Klage erweitert und verlangen nunmehr Ersatz der Kosten für Wärmedämmung von
  47. 33.000 € netto und für Schimmelsanierung von 13.420 € netto.
  48. 5
  49. Das Oberlandesgericht hat die Berufung nach Anhörung der Parteien zurückgewiesen. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.
  50. II.
  51. 6
  52. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei zwar von einem Sachmangel in Gestalt von Feuchtigkeitsschäden im Wohnzimmer und konstruktiv bedingten Wärmedämmungsmängeln auszugehen. Es fehle jedoch an dem
  53. Nachweis der Kenntnis der Beklagten von diesem Mangel. Im Hinblick auf die
  54. Zeit, in der die Beklagten das Objekt selbst bewohnt hätten, sei ihnen nicht zu
  55. widerlegen, dass sich keine Feuchtigkeit gezeigt habe. Für ihre gegenteilige
  56. Behauptung hätten die Kläger keinen Beweis angetreten, so dass es auf die
  57. -4-
  58. Vernehmung der von den Beklagten benannten Gegenzeugen nicht ankomme.
  59. Dass die Beklagten von einem falschen Lüftungsverhalten ausgegangen seien
  60. und die Ursache durch den Auszug der Mieter und die von dem Beklagten zu 2
  61. durchgeführten Maßnahmen für beseitigt gehalten hätten, sei ihnen auch angesichts der Korrespondenz mit dem Mieterschutzverein nicht zu widerlegen.
  62. III.
  63. 7
  64. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und zur
  65. neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es
  66. einen Beweisantritt der Kläger übersehen hat.
  67. 8
  68. Die Kläger haben in der Berufungsschrift behauptet, es sei ausgeschlossen, dass während der Zeit, in der die Beklagten selbst das Objekt bewohnt
  69. hätten, keine Feuchtigkeitsschäden aufgetreten seien. Zum Beweis dieser Tatsache haben sie sich auf das sachverständige Zeugnis des in dem selbstständigen Beweisverfahren tätigen Gutachters und eines Privatgutachters bezogen
  70. sowie die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt.
  71. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, den Beklagten sei nicht zu widerlegen, dass weder Feuchtigkeit noch Schimmelbildung in ihrer Besitzzeit aufgetreten seien. Es fehle insoweit an einem Beweisantritt der Kläger, so dass es
  72. auf die Vernehmung der von den Beklagten benannten Gegenzeugen nicht ankomme.
  73. -5-
  74. 9
  75. Das Übergehen des Beweisantritts ist rechtsfehlerhaft, weil es die Kläger
  76. in ihrem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Das Gebot des
  77. rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen
  78. Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den
  79. Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich
  80. angesehenen Beweisangebots verstößt dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn
  81. sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, BVerfGE 69, 141; NJW
  82. 2009, 1585 = WM 2009, 672). Davon ist hier auszugehen.
  83. 10
  84. Das Beweisangebot war erheblich. Sofern bereits zu der Zeit, in der die
  85. Beklagten selbst das Objekt bewohnten, Feuchtigkeitsschäden aufgetreten wären, hätten die Beklagten von einem Baumangel ausgehen müssen und hätten
  86. die von den Mietern bemängelte Feuchtigkeit nicht auf falsches Wohnverhalten
  87. zurückführen können.
  88. 11
  89. Der Beweisantritt genügte auch den Anforderungen an die Substantiierung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine
  90. Partei ihren Substantiierungspflichten, wenn die vorgetragenen Tatsachen in
  91. Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht
  92. zu begründen (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 – V ZR 177/08, NJW-RR
  93. 2009, 1236; Beschluss vom 12. Juni 2008 – V ZR 221/07, WM 2008, 2068
  94. mwN). Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie
  95. auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Die
  96. Kläger waren mangels eigener Wahrnehmung auf Schlussfolgerungen angewiesen. Diese waren im Übrigen nicht von der Hand zu weisen, nachdem schon
  97. -6-
  98. kurz nach der Übergabe der Immobilie an die Kläger Schäden auftraten, die
  99. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit den zuvor von den Mietern
  100. gerügten Schäden vergleichbar waren.
  101. 12
  102. Das Übergehen des Beweisantrags stand auch nicht deshalb mit der
  103. Prozessordnung in Einklang, weil die Kläger die unter Beweis gestellte Behauptung erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellt haben. Denn das Berufungsgericht ist in seinem Urteil auf den neuen Sachvortrag inhaltlich eingegangen
  104. und hat ihn nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Ob die Voraussetzungen des § 531 ZPO überhaupt vorlagen – was unter anderem eine vorherige Anhörung der Parteien erfordert hätte –, bedarf keiner Entscheidung, weil
  105. das Revisionsgericht an die Zulassung des Vorbringens gebunden ist (Senat,
  106. Beschluss vom 22. Januar 2004 – V ZR 187/03, NJW 2004, 1458).
  107. -7-
  108. 13
  109. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
  110. Krüger
  111. Lemke
  112. Roth
  113. Schmidt-Räntsch
  114. Brückner
  115. Vorinstanzen:
  116. LG Dortmund, Entscheidung vom 22.07.2009 - 6 O 240/08 OLG Hamm, Entscheidung vom 01.02.2010 - I-22 U 105/09 -