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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 99/12
  4. vom
  5. 15. November 2012
  6. in der Grundbuchsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 883
  14. Eine Vormerkung, die einen Anspruch auf Verschaffung eines Miteigentumsanteils
  15. an einem im Alleineigentum stehenden Grundstück sichern soll, kann nur an dem
  16. Grundstück und nicht an dem erst noch zu schaffenden Miteigentumsanteil bestellt
  17. werden.
  18. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 - V ZB 99/12 - OLG München
  19. AG München
  20. -2-
  21. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2012 durch die
  22. Vorsitzende
  23. Richterin
  24. Dr.
  25. Stresemann,
  26. die
  27. Richter
  28. Dr.
  29. Lemke
  30. und
  31. Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  32. beschlossen:
  33. Auf die Rechtsmittel der Beteiligten werden die Beschlüsse des
  34. 34.
  35. Zivilsenats
  36. des
  37. Oberlandesgerichts
  38. München
  39. vom
  40. 23. April 2012 und der Beschluss des Amtsgerichts München
  41. - Grundbuchamt - vom 1. Februar 2012 aufgehoben.
  42. Das Amtsgericht München - Grundbuchamt - wird angewiesen,
  43. den Vollzug der Urkunde vom 12. Dezember 2011 nicht aus den
  44. in dem Beschluss vom 1. Februar 2012 genannten Gründen zu
  45. verweigern.
  46. Der Gegenstandswert wird auf 120.000 € festgesetzt.
  47. Gründe:
  48. I.
  49. 1
  50. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind zu gleichen Teilen Miteigentümer des im
  51. Rubrum genannten Grundbesitzes. Mit notarieller Urkunde vom 12. Dezember
  52. 2011 überließen sie jeweils 4/10 der Anteile an ihre Tochter, die Beteiligte zu 3,
  53. und erklärten die Auflassung. Dabei behielt sich jeder der Veräußerer den
  54. Nießbrauch an dem von ihm überlassenen Anteil vor. Zudem vereinbarten die
  55. -3-
  56. Beteiligten unter bestimmten Voraussetzungen Rückforderungsrechte der Beteiligten zu 1 und 2, die sich ebenfalls auf die jeweiligen Anteile bezogen und zu
  57. deren Sicherung die Beteiligte zu 3 jeweils die Eintragung von zwei Vormerkungen bewilligte. In den in der Urkunde enthaltenen Grundbuchanträgen wird
  58. die Eintragung der Vormerkungen jeweils "an dem (…) veräußerten Miteigentumsanteil" bewilligt und beantragt.
  59. 2
  60. Den Antrag des Notars auf Vollzug der Urkunde, den er hilfsweise darauf
  61. gerichtet hat, zunächst die Überlassung des dem Beteiligten zu 1 zustehenden
  62. Bruchteils nebst Vormerkungen einzutragen, hat das Grundbuchamt zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Oberlandesgericht den Beschluss aufgehoben, soweit der auf Vollzug der Auflassung des Beteiligten zu 1
  63. an die Beteiligte zu 3 und die Eintragung einer Vormerkung für diesen gerichtete Hilfsantrag zurückgewiesen worden ist, und das Grundbuchamt angewiesen,
  64. die darauf bezogene Eintragung vorzunehmen. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen.
  65. II.
  66. 3
  67. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in RNotZ 2012, 391 ff.
  68. abgedruckt ist, sieht eine Vormerkung zugunsten der Beteiligten zu 2 als nicht
  69. eintragungsfähig an, weil die Belastung eines ideellen Eigentumsanteils mit
  70. einer Vormerkung unzulässig sei. Aus §§ 1095, 1106, 1114 BGB folge der Wille
  71. des Gesetzgebers, die Belastung ideeller Grundstücksanteile nur dann zuzulassen, wenn diese verselbständigt seien, um auf diese Weise größtmögliche
  72. Klarheit und Übersichtlichkeit des Grundbuchs zu erreichen. Nur wenn zu einem belasteten Bruchteil ein weiterer Bruchteil hinzuerworben werde, könne
  73. die bereits vorhandene Belastung bestehen bleiben. Danach habe zwar der auf
  74. die Übertragung des Anteils des Beteiligten zu 1 bezogene Hilfsantrag Erfolg;
  75. insoweit müsse die Vormerkung eingetragen werden. Hinsichtlich des weiteren
  76. -4-
  77. 4/10-Anteils der Beteiligten zu 2 sei die Eintragung der Vormerkung an einem
  78. Bruchteil dagegen ausgeschlossen, weil mit der Eintragung des Eigentums
  79. auch hinsichtlich dieses Anteils bei der Beteiligten zu 3 ein einheitlicher Miteigentumsanteil von 8/10 entstehe. Eine Vormerkung könne infolgedessen nur
  80. an dem gesamten Anteil eingetragen werden.
  81. III.
  82. 4
  83. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht
  84. stand. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht angenommen, die Urkunde könne
  85. nicht - wie in erster Linie beantragt - durch gleichzeitige Eintragung des Eigentumserwerbs, des Nießbrauchs und der (Rück-) Auflassungsvormerkungen
  86. vollzogen werden.
  87. 5
  88. 1. Richtig ist allerdings, dass infolge der Eigentumsübertragungen ein
  89. einheitlicher Eigentumsanteil der Beteiligten zu 3 von 8/10 entsteht; die überlassenen Anteile von jeweils 4/10 existieren als solche nicht mehr. Der Eigentümer kann den Grundbesitz nämlich nur bei gleichzeitiger Teilveräußerung in
  90. ideelle Anteile aufteilen. Eine "Vorratsteilung" in der Hand des Alleineigentümers gibt es nicht (Senat, Urteil vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 46,
  91. 250 ff.).
  92. 6
  93. 2. Richtig ist auch, dass die Beteiligte zu 3 keine Bruchteile ihres neu
  94. entstehenden Eigentumsanteils, sondern nur den Anteil als Ganzen mit einer
  95. Vormerkung belasten kann. Allerdings wird die Frage, an welchem Gegenstand
  96. eine Vormerkung lastet, die einen auf Übertragung eines ideellen Bruchteils
  97. gerichteten Anspruch sichert, unterschiedlich beantwortet.
  98. 7
  99. a) Das Gesetz regelt die Frage nicht ausdrücklich. Es schließt die Bestellung dinglicher Rechte an ideellen Anteilen durch den Alleineigentümer für das
  100. -5-
  101. Vorkaufsrecht (§ 1095 BGB), die Reallast (§ 1106 BGB) und die Hypothek bzw.
  102. Grundschuld (§ 1114, § 1192 Abs. 1 BGB) aus. Als Zweck dieser Vorschriften
  103. wird angesehen, dass die Anteilsbelastung durch den Alleineigentümer verhindert werden solle, weil das praktische Bedürfnis gering sei, und "verwickelte
  104. Rechtsverhältnisse" und "Schwierigkeiten bei der Grundbuchführung" zu vermeiden seien (Mot. z. Entw. eines BGB, 2. Aufl., Bd. III § 953 S. 454,
  105. S. 638 ff.). Weil die Bestimmungen allein auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten
  106. beruhen, sind einige Ausnahmen anerkannt (näher BayObLG NJW-RR 1996,
  107. 1041; MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl., § 1095 Rn. 2; MünchKommBGB/Eickmann, 5. Aufl., § 1114 Rn. 13 ff.; Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl.,
  108. § 1095 Rn. 1, § 1106 Rn. 1, § 1114 Rn. 4). Im Hinblick auf den Nießbrauch
  109. herrscht Einigkeit darüber, dass er auch beschränkt auf den ideellen Bruchteil
  110. eines in einheitlichem Eigentum stehenden Grundstücks bestellt werden kann,
  111. weil es an einer entgegenstehenden Bestimmung fehlt (sog. Bruchteilsnießbrauch, BayObLGZ 85, 6, 9; NK-BGB/Lemke, 3. Aufl., § 1030 Rn. 44; Palandt/
  112. Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 1066 Rn. 4).
  113. 8
  114. b) Nach nahezu einhelliger Ansicht, die der Senat teilt, kann ein Alleineigentümer einen ideellen Bruchteil nicht mit einer Vormerkung belasten
  115. (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 7 Rn. 19; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl.,
  116. § 883 Rn. 41; PWW/Huhn, BGB, 7. Aufl., § 883 Rn. 14; Schöner/Stöber,
  117. Grundbuchrecht, 14. Aufl. Rn. 1502; Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 883
  118. Rn. 97); auch wenn der gesicherte Anspruch nur auf die Übertragung eines
  119. Bruchteils gerichtet ist, kann die Vormerkung nur an dem gesamten Grundstück
  120. lasten.
  121. 9
  122. c) Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob dies auch dann gilt, wenn
  123. ein Miteigentümer einen weiteren Anteil hinzuerwirbt und die Vormerkung einen
  124. Anspruch auf Rückübertragung dieses Anteils sichern soll.
  125. -6-
  126. 10
  127. aa) Nach der Rechtsauffassung, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat, muss die Vormerkung stets an dem gesamten Grundstück bestellt werden. Denn der Alleineigentümer dürfe an einem ideellen Anteil (§ 1095
  128. BGB) kein Vorkaufsrecht bestellen, das sich wie eine Vormerkung auswirke
  129. (§ 1098 Abs. 2 BGB). Folgeprobleme könnten zwar bei der Veräußerung des
  130. ebenfalls belasteten weiteren Bruchteils entstehen; diese ließen sich aber
  131. durch entsprechende obligatorische Vereinbarungen vermeiden (OLG Düsseldorf, MittBayNot 1976, 137 f.).
  132. 11
  133. bb) Nach anderer Ansicht ist die Belastung eines ideellen Anteils mit einer Vormerkung jedenfalls dann zulässig, wenn er zu einem ebenfalls mit einer
  134. Vormerkung belasteten Anteil hinzuerworben wird (BayObLGZ 2004, 285 ff.;
  135. Schöner/Stöber, Grundstücksrecht, 14. Aufl., Rn. 1502; Meikel/Morvilius, GBO,
  136. 10. Aufl., Einl. C Rn. 23). Es sei nicht nachvollziehbar, wenn die erste Vormerkung an dem ideellen Bruchteil bestehen bleibe, die zweite Vormerkung dagegen an dem gesamten Grundstück eingetragen werden müsse, obwohl sie einen inhaltsgleichen Anspruch sichere (BayObLGZ 2004, 285, 287 f.).
  137. 12
  138. cc) Richtigerweise findet der Grundsatz, dass ein nicht existierender
  139. Bruchteil nicht mit einer Vormerkung belastet werden kann, bei dem (Hinzu-)
  140. Erwerb von Bruchteilen ebenfalls Anwendung. Möglich ist nur die Bewilligung
  141. und Eintragung einer auf dem gesamten Anteil lastenden Vormerkung, die einen Anspruch auf Übertragung eines Bruchteils dieses Anteils sichert. Dem
  142. steht nicht entgegen, dass die Vormerkungen - wie es unzweifelhaft zulässig ist
  143. - jeweils nur einen auf Übertragung eines ideellen Bruchteils gerichteten Anspruch sichern. Der Inhalt der Vormerkungen wird nicht dadurch erweitert, dass
  144. sie auf dem gesamten Anteil lasten. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer
  145. Parzellierungsvormerkung, die einen Anspruch auf Übertragung einer bestimmten, künftig abzuschreibenden Teilfläche sichert; auch sie lastet nicht (nur) auf
  146. -7-
  147. der Teilfläche, sondern auf dem gesamten Grundstück (Staudinger/Gursky,
  148. BGB [2008], § 883 Rn. 98).
  149. 13
  150. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt folgt daraus, dass die Vormerkungen zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 nur gleichrangig an dem neu
  151. entstandenen Miteigentumsanteil der Beteiligten zu 3 bestellt werden können.
  152. Dass sie einen Anspruch auf Rückübertragung nur eines Bruchteils dieses Anteils sichern, muss aus der Eintragung oder der dort in Bezug genommenen
  153. Urkunde hervorgehen.
  154. 14
  155. 3. Dem Vollzug der notariellen Urkunde vom 12. Dezember 2011 steht
  156. indes nicht entgegen, dass die Vormerkungen nur zu Lasten des 8/10 Miteigentumsanteils der Beteiligten zu 3 eingetragen werden können. Anders als das
  157. Beschwerdegericht meint, kann den in der Urkunde enthaltenen Eintragungsanträgen entnommen werden, dass die Vormerkungen an dem neu entstehenden
  158. Anteil bestellt werden sollen.
  159. 15
  160. a) Gemäß Ziff. VI.5 und VI. 6.3 der notariellen Urkunde vom 12. Dezember 2011 wird hinsichtlich der auf die jeweils überlassenen Anteile bezogenen
  161. Rückforderungsansprüche die Eintragung von zwei Auflassungsvormerkungen
  162. zugunsten jedes Veräußerers in das Grundbuch bewilligt. Ziff. XII der Urkunde
  163. enthält die Grundbuchanträge; danach wird bezogen auf Ziff. VI. 5 und VI. 6.3
  164. des Vertrags die Eintragung der Vormerkungen jeweils "an dem (…) veräußerten Miteigentumsanteil" bewilligt und beantragt.
  165. 16
  166. b) Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Eintragungsbewilligung und
  167. die Eintragungsanträge selbst auslegen, weil es sich um verfahrensrechtliche
  168. Erklärungen handelt (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 13 Rn. 16, § 19 Rn. 28, § 78
  169. Rn. 41 mwN). Dabei ist auch der Grundsatz zu beachten, dass mit einer Verfahrenshandlung im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der
  170. -8-
  171. Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Senat, Beschluss vom 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388;
  172. Urteil vom 25. Juli 2004 - V ZR 290/09, NJW-RR 2005, 371; Demharter, aaO,
  173. § 13 Rn. 16).
  174. 17
  175. Daran gemessen ist nicht - wie das Beschwerdegericht meint - (lediglich)
  176. die Eintragung der Vormerkung an dem jeweils überlassenen Miteigentumsanteil gewollt. Die Eintragungsbewilligung selbst ist ohne weiteres so zu verstehen, dass die Eintragung der Vormerkungen an dem neu geschaffenen Anteil
  177. von 8/10 erfolgen soll. Missverständlich formuliert sind allerdings die Grundbucherklärungen, weil sie jeweils auf die Eintragung "an dem (…) veräußerten
  178. Miteigentumsanteil" gerichtet sind. Dass die Anträge einen nicht eintragungsfähigen Inhalt haben sollen, ist aber nicht anzunehmen; sie sind deshalb dahingehend auszulegen, dass die Vormerkungen jeweils nicht "an" dem veräußerten Miteigentumsanteil eingetragen, sondern an dem neu geschaffenen Anteil
  179. bestellt werden und den auf Rückübertragung des jeweils überlassenen Anteils
  180. beschränkten Anspruch sichern sollen. Aufgrund der Bezugnahme auf die Urkunde ist auch in der erforderlichen Weise klargestellt, dass die Vormerkung
  181. auf den Anteil der Beteiligten zu 3 (8/10) und nicht auf die restlichen Anteile der
  182. Beteiligten zu 1 und 2 (jeweils 1/10) bezogen ist.
  183. -9-
  184. IV.
  185. 18
  186. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4 i.V.m.
  187. § 30 Abs. 1 Satz 1 KostO.
  188. Stresemann
  189. Lemke
  190. Brückner
  191. Schmidt-Räntsch
  192. Weinland
  193. Vorinstanzen:
  194. AG München - Grundbuchamt - , Entscheidung vom 01.02.2012 - Moosach, Blatt 7039-28 OLG München, Entscheidung vom 23.04.2012 - 34 Wx 53/12 -