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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- V ZB 101/08
- vom
- 22. Januar 2009
- in dem Zwangsversteigerungsverfahren
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. Januar 2009 durch den
- Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
- Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
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- beschlossen:
- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
- des Landgerichts Hanau vom 6. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 371.319,73 €.
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- Gründe:
- I.
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- Auf Antrag der E.
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- AG (im Folgenden: Zedentin) ordnete das Voll-
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- streckungsgericht im Mai 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses
- Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Beteiligten zu 3 (Schuldnerin) aus
- einer in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Grundschuld an. Den Verkehrswert
- setzte das Vollstreckungsgericht auf 544.000 € fest. Die Beteiligte zu 1 erwarb
- im Verlauf des Verfahrens unter anderem diese Grundschuld durch Abtretung
- und betrieb die Zwangsversteigerung weiter.
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- Die Beteiligte zu 2 ist Inhaberin nachrangiger Grundschulden. Sie beantragte im Februar 2007 die Zulassung des Beitritts zum Zwangsversteigerungsverfahren wegen ihrer Ansprüche aus einer in Abt. III Nr. 5 eingetragenen
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- Grundschuld. Das Vollstreckungsgericht, das im Juni 2007 Termin zur Versteigerung auf den 10. Januar 2008 bestimmt hatte, ließ mit Beschluss vom
- 8. Januar 2008 den Beitritt der Beteiligten zu 2 zu dem anhängigen Verfahren
- zu.
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- Das Vollstreckungsgericht stellte in dem Termin fest, dass das Verfahren
- von der Beteiligten zu 1 betrieben werde, und gab den Anwesenden die weiteren Anmeldungen, unter anderem der Beteiligten zu 2, bekannt. Meistbietende
- blieb die Beteiligte zu 4 mit einem Gebot von 329.871 €. Ihr erteilte das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Zuschlag.
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- Die von dem Ehemann der Beteiligten zu 3 in deren Namen erhobene
- Zuschlagsbeschwerde, die auf die verspätete Entscheidung über den Beitrittsantrag der Beteiligten zu 2 gestützt worden ist, hat das Landgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beteiligte
- zu 3 Ihren Antrag weiter, den Zuschlag zu versagen.
- II.
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- Das Beschwerdegericht meint, da eine Zuschlagsbeschwerde gemäß
- § 100 Abs. 2 ZVG nicht auf Gründe gestützt werden könne, die Rechte anderer
- beträfen, könne der Schuldner auch keine mittelbare Beeinträchtigung aus der
- Verletzung von Rechten Dritter für sich in Anspruch nehmen, weil ggf. durch
- Abgabe eines höheren Gebotes ein Überschuss zu seinen Gunsten erzielt worden wäre. Davon sei hier allerdings angesichts der massiven Belastung des
- Versteigerungsgegenstandes auch nicht auszugehen, zumal die Beteiligte zu 3
- dazu nicht einmal ansatzweise etwas vorgetragen habe.
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- Für eine Verletzung eigener Rechte der Beteiligten zu 3 und sich daraus
- ergebender Versagungsgründe nach § 100 Abs. 1 ZVG sei ebenfalls nichts vor-
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- getragen. Das geringste Gebot sei ordnungsgemäß nach §§ 43, 44 ZVG auch
- unter Berücksichtigung der Rechte der Beteiligten zu 2 festgestellt worden, und
- das Meistgebot der Beteiligten zu 4 habe die 7/10 Grenze nach § 74a Abs. 1
- ZVG erreicht.
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- Schließlich lägen auch keine nach § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu
- berücksichtigenden Versagungsgründe vor.
- III.
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- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft.
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- 2. Sie ist auch zulässig. Die Rechtsbeschwerdefrist von einem Monat
- nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist
- gewahrt. Zwar ist die Rechtsbeschwerdeschrift erst am 28. Juli 2008 bei dem
- Bundesgerichtshof eingegangen, während die Beschwerdeentscheidung bereits
- am 24. Juni 2008 der Beteiligten zu 3 zugestellt worden war.
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- Diese Zustellung verstieß jedoch gegen § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten vorgeschrieben ist. Eine Zustellung unter Verstoß gegen diese Bestimmung ist unwirksam und setzt eine Rechtsmittelfrist nicht in Lauf (BGHZ 61,
- 308, 310; BGH, Beschl. v. 28. November 2006, VIII ZB 52/06, NJW-RR 2007,
- 356). Das gilt auch in Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner
- seinen Ehegatten für das Verfahren bevollmächtigt hat (OLG Zweibrücken
- Rpfleger 2001, 558) und das dem Gericht zur Kenntnis gebracht worden ist (vgl.
- dazu BGH, Beschl. v. 28. November 2006, VIII ZB 52/06, aaO). Letzteres ist
- hier durch die Anzeige der Bevollmächtigung ihres Ehemannes durch die Beteiligte zu 3 an das Gericht geschehen.
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- Da eine förmliche Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 gemäß § 166 Abs. 1 ZPO nicht erfolgt ist, kann die Rechtsmittelfrist frühestens nach § 189 ZPO mit dem tatsächlichen Zugang der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde bei dem Ehemann der Schuldnerin zu laufen begonnen haben. Dieser erfolgte nach dessen Erklärung durch Einlegung in
- dessen Postfach am 28. Juni 2008, so dass im Falle einer Heilung des Zustellungsmangels in diesem Zeitpunkt die Rechtsbeschwerdefrist eingehalten ist.
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- 3. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
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- a) Eine Zuschlagsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der Zuschlagsentscheidung hat.
- Daran fehlt es, wenn nur die Rechte eines anderen beeinträchtigt worden sind,
- oder wenn feststeht, dass sich der gerügte Verfahrensverstoß auf das Recht
- des Beschwerdeführers nicht ausgewirkt hat (Senat, Beschl. v. 20. Juli 2006,
- V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143).
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- Eine Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die allein mit der Verletzung
- der Rechte eines Gläubigers begründet wird, ist schon deshalb unzulässig, weil
- dieses Rechtsmittel nach § 100 Abs. 2 ZVG nicht auf einen Grund gestützt werden kann, der nur das Recht eines anderen betrifft. So ist es hier, soweit die
- Beteiligte zu 3 ihre Beschwerde auf eine Verletzung der Rechte der Beteiligten
- zu 2 durch die verspätete Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über deren
- Antrag nach § 27 Abs. 1 ZVG auf Zulassung des Beitritts gestützt hat.
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- aa) Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über den ihm bereits
- lange vorliegenden Beitrittsantrag der Beteiligten zu 2 erst zwei Tage vor dem
- Versteigerungstermin hatte allerdings zur Folge, dass die Beteiligte zu 2 trotz
- des ergangenen Beitrittsbeschlusses in dem Termin nicht gemäß § 27 Abs. 2
- ZVG dieselbe Rechtsstellung erlangt hatte, wie wenn die Versteigerung auch
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- auf ihren Antrag rechtzeitig angeordnet worden wäre (vgl. dazu BGH, Urt. v.
- 31. Mai 1988, IX ZR 103/87, Rpfleger 1988, 543). Die Versteigerung wurde wegen Nichteinhaltung der in § 43 Abs. 2 ZVG bestimmten Zustellungsfrist für den
- Beitrittsbeschluss nicht (auch) für die Beteiligte zu 2, sondern nur für die Beteiligte zu 1 durchgeführt (vgl. dazu Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/
- Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 43 Rdn. 7; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 43
- Rdn. 6.1).
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- bb) Der Schuldner kann allein aus der Verletzung von Rechten eines
- Gläubigers im Verfahren kein eigenes Beschwerderecht herleiten. Die Befugnisse, die das Zwangsversteigerungsgesetz den Beteiligten gewährt, sind Individualrechte. Ihre Verletzung muss von den jeweils Betroffenen gerügt werden
- (Motive zum Entwurf eines ZVG von 1889, S. 251; Jaeckel/Güthe, ZVG,
- 7. Aufl., § 100 Rdn. 6). § 100 Abs. 2 ZVG ergänzt zugleich die Regelung in § 84
- Abs. 1 ZVG, welche die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG genannten Versagungsgründe
- ausdrücklich zur Disposition des davon beeinträchtigten Beteiligten stellt, als
- dieser das fehlerhafte Verfahren genehmigen kann (dazu Denkschrift zum ZVG
- von 1897, S. 57). Der von einer Verletzung seiner Rechte betroffene Beteiligte
- kann das Verfahren auch dadurch billigen, dass er keine Beschwerde gegen
- den Zuschlagsbeschluss einlegt. Er wird dann so gestellt, als habe er sich mit
- der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts einverstanden erklärt (Korintenberg/Wenz, ZVG, 6. Aufl., § 100 Anm. 4).
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- cc) Daran ist auch unter Berücksichtigung des Hinweises der Rechtsbeschwerde festzuhalten, dass die Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes im Hinblick auf das Grundrecht des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG so
- auszulegen sind, dass das Verfahren fair zu führen und der Schuldner vor einer
- Verschleuderung seines Grundbesitzes zu schützen ist (vgl. BVerfGE 46, 325,
- 333; BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 196/03, WM 2004, 901, 902).
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- Die Chance, dass ein Gläubiger nach dem Beitritt seinerseits vermehrt
- Interessenten werben und sich daher in einem neuen Termin wahrscheinlich ein
- besseres Versteigerungsergebnis einstellen wird, vermag ein Recht des
- Schuldners, mit der Zuschlagsbeschwerde auch die Verletzung von Gläubigerrechten geltend zu machen, nicht zu begründen. Der aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutz des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Eigentums
- rechtfertigt keine Durchbrechung der gesetzlichen Anordnung in § 100 ZVG, die
- bei den mit der Zuschlagsbeschwerde geltend zu machenden Gründen ausdrücklich zwischen den auf der Verletzung eigener Rechte beruhenden (Absatz
- 1), den sich aus der Verletzung der Rechte anderer sich ergebenden (Absatz 2)
- und den von Amts wegen zu berücksichtigenden (Absatz 3) Zuschlagsversagungsgründen unterscheidet. Die von der Rechtsbeschwerde propagierte Befugnis des Schuldners, alle - auch die sich aus der Verletzung von Rechten anderer ergebenden - Zuschlagsversagungsgründe mit der Beschwerde geltend
- zu machen, führte zu einer Verzögerung der Verfahren zum Nachteil der anderen Beteiligten (Gläubiger und Ersteher), jedoch nicht zu einem allgemeinen
- Vorteil für den Schuldner durch ein besseres Versteigerungsergebnis, da ein
- neuer Termin nicht zu einem höheren Meistgebot führen muss.
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- b) Ein eigenes Beschwerderecht nach § 100 Abs. 1 ZVG wegen der Verletzung des Rechts eines anderen Beteiligten steht dem Schuldner allerdings
- - aber auch nur dann - zu, wenn diese Verletzung mittelbar auch zu einer Beeinträchtigung seiner rechtlich geschützten und nicht nur wirtschaftlichen Interessen geführt hat (KG Rpfleger 1977, 146; Korintenberg/Wenz, aaO, § 100
- Anm. 4; Reinhard/Müller, ZVG, 3. u. 4. Aufl., § 100 Anm. III.3; Steiner/Storz,
- ZVG, 9. Aufl., § 100 Rdn. 18).
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- aa) Das ist zwar nicht von vornherein auszuschließen. Solche mittelbaren Beeinträchtigungen rechtlich geschützter Interessen des Schuldners infolge
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- der Verletzung von Gläubigerrechten sind denkbar (vgl. Korintenberg/Wenz,
- aaO, § 84 Anm. 2 b; Reinhard/Müller, aaO, § 100 Anm. III.3). Ob eine solche
- mittelbare Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Schuldners
- durch eine verfahrensfehlerhafte Nichtbeachtung von Gläubigerrechten vorliegt,
- kann jedoch nur im Einzelfall festgestellt werden. Dafür müssen konkrete Anhaltpunkte vorliegen, die - soweit sie nicht schon aus dem Akteninhalt ersichtlich sind - von dem Beschwerdeführer vorzutragen sind (OLGR Celle 1997,
- 147, 148).
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- bb) Gemessen daran, ist der angegriffene Beschluss nicht zu beanstanden. Nach den Ausführungen des Beschwerdegerichts über die richtige Berechnung des geringsten Gebots (§§ 43, 44 ZVG) und eines über der 7/10
- Grenze (§ 74a Abs. 1 ZVG) liegenden Versteigerungserlöses ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Verletzung eigener rechtlich geschützter
- Interessen der Beteiligten zu 3 durch die verspätete Zulassung des Beitritts der
- Beteiligten zu 2. Zu einer Verletzung eigener Rechte hat die Beteiligte zu 3
- nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nichts vorgetragen; die
- Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Verfahrensrügen.
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- c) Schließlich liegt eine Verletzung der nach § 100 Abs. 3 ZVG im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Zuschlagsversagungsgründe nach § 83 Nr. 6, 7 ZVG nach den von der Rechtsbeschwerde
- nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ebenfalls nicht vor.
- IV.
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- Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in
- dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde nicht als Parteien im Sinne der
- Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.).
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- Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert
- des Zuschlags zu bestimmen, dessen Aufhebung beantragt ist. Dessen Wert ist
- nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG zu
- bemessen, der sich aus dem Bargebot und dem Wert des bestehen bleibenden
- Rechts ergibt (vgl. Senat, Beschl. v. 5. Oktober 2006, V ZB 168/05, AGS 2007,
- 99, 100).
- Krüger
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- Klein
- Czub
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- Stresemann
- Roth
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- Vorinstanzen:
- AG Hanau, Entscheidung vom 08.02.2008 - 42 K 127/04 LG Hanau, Entscheidung vom 06.06.2008 - 3 T 133/08 -
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