Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

526 lines
24 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. RiZ(R) 8/10
  5. Verkündet am:
  6. 15. Dezember 2011
  7. Brigaldino,
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. vom
  12. 15. Dezember 2011
  13. in dem Prüfungsverfahren
  14. des Staatsanwalts
  15. Antragsteller und Revisionskläger,
  16. - Prozessbevollmächtigter:
  17. gegen
  18. das Land
  19. Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
  20. wegen Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
  21. -2-
  22. Der Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, hat auf die mündliche
  23. Verhandlung vom 15. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter
  24. am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bergmann, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Joeres und Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Safari Chabestari und den Richter am Bundesgerichtshof Pamp
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision des Antragstellers gegen den Beschluss
  27. des Dienstgerichtshofes für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm - 2. Senat - vom 5. August 2010 wird
  28. zurückgewiesen.
  29. Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. 1
  33. Der am
  34. geborene Antragsteller bestand am 27. April
  35. 2000 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" und
  36. am 14. November 2002 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note
  37. "vollbefriedigend".
  38. -3-
  39. 2
  40. Der Generalstaatsanwalt in Köln ernannte ihn am 8. Januar 2003
  41. unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Staatsanwalt und
  42. erteilte ihm einen Dienstleistungsauftrag im staatsanwaltschaftlichen
  43. Dienst bei der Staatsanwaltschaft
  44. . Der Leitende Oberstaatsanwalt
  45. beurteilte seine Fähigkeiten und Leistungen in Personal- und Befähigungsnachweisungen vom 6. August 2003 und 17. August 2004 als
  46. "durchschnittlich".
  47. Nach Umsetzung in eine andere Abteilung am
  48. 2. November 2004 wurde dem Antragsteller vorgeworfen, eine Reihe von
  49. Verfahren nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung bearbeitet sowie
  50. seine Pflicht zur objektiven und unvoreingenommenen Beurteilung verletzt zu haben. In dem daraufhin eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren wurde durch - inzwischen rechtskräftige - Disziplinarverfügung
  51. vom 6. Oktober 2006 ein Verweis gegen den Antragsteller verhängt.
  52. 3
  53. In einer Personal- und Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006
  54. beurteilte der Leitende Oberstaatsanwalt
  55. den Antragsteller wie
  56. folgt:
  57. "I. Sach- und Fachkompetenz:
  58. Der Beamte ist mit fundierten Kenntnissen des materiellen
  59. und des formellen Strafrechts in die Behörde eingetreten. Die
  60. einschlägigen Verwaltungsvorschriften sind ihm zumeist b ekannt. Er ist geistig rege und vielseitig interessiert. Herr H.
  61. besitzt eine gute Auffassungsgabe; er weist auch Denkund Urteilsvermögen auf. Ferner ist er grundsätzlich in der
  62. Lage, die wesentlichen, strafrechtlich relevanten Umstände zu
  63. erkennen.
  64. Der Beamte hat jedoch seine Rechtskenntnisse nicht - wie
  65. erwartet und notwendig - anhand der praktischen Befassung
  66. mit den ihm zugewiesenen Verfahren erweitern und vertiefen
  67. können. Es fehlt ihm ferner vielfach die Fähigkeit, sein theor etisches Wissen praxisgerecht umzusetzen. Emotionalen Fak-
  68. -4-
  69. toren räumt er unangemessen und unvertretbar hohe Bede utung ein. Ein tragfähiges Judiz hat er deshalb nur eingeschränkt entwickeln können. Neben Verfügungen und Abschlussentscheidungen, die inhaltlich und rechtlich vertretbar
  70. sind, war die Bearbeitung einer größeren Anzahl von Verfahren zu beanstanden. Seine Ermittlungsführung zeigte hier
  71. Schwächen. Die Notwendigkeit von Anordnungen zur Sachaufklärung war nicht immer nachzuvollziehen. Teils wurden
  72. von ihm polizeilich angeregte und nach dem Verfahrensstand
  73. auch angezeigte gerichtliche Maßnahmen nicht beantragt,
  74. was zu Gegenvorstellungen der Kriminalbeamten geführt hat.
  75. Die Prüfung seiner Ermittlungstätigkeit hat auch ergeben,
  76. dass er neben den von ihm ohne nennenswerten Verzug geförderten Sachen insbesondere eine erhebliche Anzahl von
  77. Verfahren von größerer Bedeutung und größeren Umfangs
  78. sowie von tatsächlich und rechtlich höherem Schwierigkeitsgrad gar nicht oder nur mit teils monatelanger Verzögerung
  79. bearbeitet oder abgeschlossen hat. Durch diese Arbeitsweise
  80. vermochte er zwar die Zahl der offenen Verfahren seines D ezernats im Rahmen zu halten. Jedoch geriet das Dezernat im
  81. Hinblick auf die nicht bzw. nicht hinreichend bearbeiteten
  82. komplizierteren bzw. umfänglichen Verfahren in Missstand,
  83. welcher schließlich auch wegen der Bedeutung gerade dieser
  84. Verfahren nicht mehr hinnehmbar war. Nach seiner letzten
  85. Umsetzung, die deshalb aus Sicht der Behördenleitung u nvermeidbar geworden war, wurde ihm zunächst aufgegeben,
  86. alle Einstellungen und ab dem 01.03.2006 Einstellungsverfügungen ohne Bescheid und die Ablehnung polizeilich angeregter gerichtlicher Maßnahmen dem Abteilungsleiter zur Bi lligung vorzulegen. Auch danach wurden jedoch wieder mehrere Verfahren von ihm über Monate nicht bearbeitet. Hierbei
  87. handelte es sich unter anderem um eine nicht unerhebliche
  88. Zahl einfach und zügig (in der Regel mit einer kurzen Einste llungsverfügung) abzuschließender Vorgänge. Außerdem wu rde festgestellt, dass er eine Vielzahl ihm schubweise und
  89. über längere Zeit zur Bearbeitung übertragene UJs-Sachen
  90. unerledigt hat liegen lassen.
  91. Sein Amtsverständnis ist nicht frei von unbegründeter Vorei ngenommenheit. Wiederholt hat er sich bei der Beurteilung der
  92. angezeigten Tat von nicht begründeten Vorurteilen gegen
  93. Verfahrensbeteiligte beeinflusst gezeigt.
  94. -5-
  95. Seine Verfügungen und Abschlussentscheidungen
  96. sprachlich verständlich abgefasst; sein Stil ist allerdings
  97. unter unnötig schroff. Von den verfahrenserleichternden
  98. verfahrensbeschleunigenden Bestimmungen macht er
  99. brauch.
  100. sind
  101. mitund
  102. Ge-
  103. Sein Vortrag ist gut vorbereitet. Staatsanwalt (R.a.P.) H .
  104. drückt sich verständlich aus. In der Hauptverhandlung tritt er
  105. angemessen auf. Der Schlussvortrag gibt das Verhandlungsergebnis zutreffend wieder, seine Anträge finden Beachtung.
  106. Die ihm zur Ausbildung zugewiesenen Referendarinnen und
  107. Referendare bezieht er in die tägliche Dezernatsarbeit ein.
  108. II. Persönliche Kompetenz:
  109. Staatsanwalt (R.a.P.) H.
  110. ist vielseitig interessiert. Er tritt
  111. ruhig auf und bewahrt bei auftretenden Belastungen äußerlich
  112. Gleichmut, kann jedoch auch sehr aufgebracht werden. Au seinandersetzungen scheut er nicht. Seine eigenen Schwächen
  113. erkennt er nur bedingt. Die Planung seiner eigenen Arbeit hat
  114. Mängel. Viele der beanstandeten Verfahren hat er entweder
  115. gar nicht oder in nicht mehr vertretbaren Zeiträumen bearbeitet; er hat auf seinem Dienstzimmer wiederholt Akten über
  116. Monate hinweg angesammelt. Erledigungsrückständen wirkt
  117. er nachhaltig nur unter Aufsicht entgegen; mitunter verweigert
  118. er auch die Erledigung aus Gründen der Voreingenommenheit. Größeren Belastungen ist er nur bei unverhältnismäßig
  119. großem Zeitaufwand unter Verwendung von Freizeit und auch
  120. teilweise seines Urlaubs als Arbeitszeit gewachsen. Hierunter
  121. leiden seine Motivation, seine Entschlusskraft und seine Entscheidungsbereitschaft.
  122. Von neuen technischen Arbeitsmitteln macht er Gebrauch.
  123. Hinweise und Ratschläge nimmt er nur schwer an. Oft beharrt
  124. er auch auf seiner Ansicht. Herr H.
  125. hat Weisungen seiner Abteilungsleitung schriftlich - auch wiederholt - widersprochen. Gelegentlich wurden sie von ihm auch ganz ignoriert. Er
  126. hat es auch teilweise abgelehnt, sein dienstliches Verhalten
  127. -6-
  128. überhaupt mit seiner vorgesetzten Abteilungsleiterin zu erö rtern.
  129. III. Soziale Kompetenz:
  130. Staatsanwalt (R.a.P.) H.
  131. besitzt eine charakterlich nicht
  132. zu beanstandende Persönlichkeit; er ist hilfsbereit. Er verhält
  133. sich Behördenangehörigen gegenüber auch kollegial. Herr
  134. H.
  135. drückt sich im Allgemeinen klar aus und gibt seine
  136. Kenntnisse weiter. Er neigt aber zum Widerspruch und will
  137. Recht behalten. Um einen Ausgleich oder einen Kompromiss
  138. ist er dann nicht bemüht.
  139. IV. Führungs- und Leitungskompetenz:
  140. Seine schriftlichen Ersuchen und sonstigen Anweisungen sind
  141. hinreichend deutlich. Allerdings stoßen seine Anordnungen
  142. bei den Ermittlungsbeamten teils auf Unverständnis. Es gelingt ihm ihnen gegenüber dann auch nicht, seinen eigenen
  143. Standpunkt überzeugend zu vermitteln, zumal er bei telefon ischen Rückfragen weniger erläuternd als anweisend auftritt.
  144. Der Beamte kann überhaupt nur unter strenger Dienst- und
  145. Fachaufsicht seinen Aufgaben gerecht werden. Im Hinblick
  146. auf die in seiner Stellung vorausgesetzte selbstverantwortl iche Arbeitsweise bietet er nach persönlicher und fachlicher
  147. Eignung auf Dauer nicht die Gewähr, die an das Amt des
  148. Staatsanwalts gestellten Anforderungen in der erforderlichen
  149. Weise zu erfüllen. Herrn H.
  150. ist seit seinem Amtsantritt
  151. mehrfach durch Abteilungswechsel die Chance gegeben wo rden, seine Fähigkeiten - auch unter Anleitung und Hilfestellung anderer Abteilungsleiter - weiter zu entwickeln. Diese
  152. Möglichkeit hat er letztlich nicht genutzt. Die notwendige En twicklung, aber auch das Abstellen von auftretenden Schwächen konnte nicht festgestellt werden.
  153. Die Fähigkeiten und Leistungen des Dezernenten sind
  154. unterdurchschnittlich."
  155. -7-
  156. 4
  157. Die gegen diese Beurteilung, der der Generalstaatsanwalt in Köln
  158. in einer Zusatzbeurteilung vom 26. Juli 2006 nicht entgegen trat, erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln durch rechtskräftiges Urteil vom 13. Juli 2007 ab.
  159. 5
  160. Der Antragsgegner entließ den Antragsteller durch Verfügung vom
  161. 9. November 2006 nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG mit Ablauf des Monats
  162. Dezember 2006 aus dem Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen.
  163. Zur Begründung führte er aus: "Nach den Inhalten der Beurteilung des
  164. Leitenden Oberstaatsanwalts
  165. vom 06.06.2006 und der Zusatzbe-
  166. urteilung des Generalstaatsanwalts in Köln vom 26.07.2006 haben Sie
  167. sich innerhalb der seit dem 08.01.2003 andauernden Probezeit für das
  168. Amt des Staatsanwalts nicht bewährt. Insbesondere Ihre fachlichen
  169. Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen und dem Berufsbild
  170. des Staatsanwalts. Ich bin daher gehalten, Sie aus dem Justizdienst des
  171. Landes Nordrhein-Westfalen zu entlassen."
  172. 6
  173. Den Widerspruch des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung wies der Antragsgegner am 7. Dezember 2006 zurück. Zugleich
  174. ordnete er die sofortige Vollziehbarkeit der Entlassungsverfügung an.
  175. Auf Antrag des Antragstellers stellte das Dienstgericht die aufschiebende
  176. Wirkung wieder her. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies der Dienstgerichtshof zurück.
  177. 7
  178. Am 2. Januar 2007 hat der Antragsteller beim Dienstgericht den
  179. Antrag gestellt, die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und
  180. den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufzuheben. Zur Begründung hat er ausgeführt, da er am 8. Januar 2003 ernannt worden
  181. -8-
  182. sei, sehe § 22 Abs. 2 DRiG eine Entlassung mit Ablauf des Monats Dezember 2006 nicht vor. Die der Entlassung zugrunde liegende Personalund Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006 sei rechtsfehlerhaft.
  183. Auch die den Gegenstand der Disziplinarverfügung bildenden Vorwürfe,
  184. die lediglich zur Verhängung eines Verweises geführt hätten, rechtfertigten die Entlassung nicht.
  185. 8
  186. Das Dienstgericht hat durch Urteil vom 6. Dezember 2007 die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG setze voraus,
  187. dass ein Richter auf Probe für das Richteramt nicht geeignet sei. Eine
  188. dahingehende Entscheidung habe der Antragsgegner aber nicht getroffen. Er halte den Antragsteller nur als Staatsanwalt für ungeeignet. D arauf komme es angesichts des klaren Wortlauts des § 22 Abs. 2 Nr. 1
  189. DRiG nicht an.
  190. 9
  191. Auf die Berufung des Antragsgegners hat der Dienstgerichtshof
  192. durch Beschluss vom 24. Juli 2008 das Urteil des Dienstgerichts aufgehoben und den Antrag des Antragstellers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entlassung zum 8. Januar 2007 wirksam werde.
  193. 10
  194. Durch Verfügung vom 22. Mai 2009 entließ der Antragsgegner den
  195. Antragsteller ein weiteres Mal, nunmehr gemäß § 22 Abs. 3 DRiG. Diese
  196. Entlassungsverfügung und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid
  197. hob das Dienstgericht durch Urteil vom 29. Juni 2010 auf. Über die hiergegen gerichtete Berufung des Antragsgegners ist noch nicht entschi eden.
  198. -9-
  199. 11
  200. Im vorliegenden Verfahren hat der erkennende Senat die En tscheidung des Dienstgerichtshofes vom 24. Juli 2008 durch Urteil vom
  201. 24. September 2009 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die
  202. Sache an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen.
  203. 12
  204. Dieser hat durch Beschluss vom 5. August 2010 das Urteil des
  205. Dienstgerichts abgeändert und den Antrag des Antragstellers mit der
  206. Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entlassung zum 8. Januar 2007
  207. wirksam werde. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof ausgeführt,
  208. die formellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG seien erfüllt.
  209. Der gesetzlich nicht vorgesehene Entlassungszeitpunkt stehe dem nicht
  210. entgegen, da eine Umdeutung der Entlassung zum nächst möglichen
  211. Zeitpunkt, d.h. zum 8. Januar 2007, zulässig sei. Die Entlassungsverf ügung sei auch materiell rechtmäßig. Der Antragsgegner habe den Begriff
  212. der Eignung nicht verkannt. Die von ihm angeführten Gründe trügen das
  213. Urteil der "Nichteignung" für das Amt des Staatsanwalts und für das
  214. Richteramt. Dafür sei maßgeblich, dass der Antragsteller dem Arbeitsa nfall nicht gewachsen sei, einfachere Verfahren vorziehe und komplizierte
  215. Verfahren längere Zeit unbearbeitet lasse. Hinzu komme, dass er in seiner Arbeitsweise die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Der Antragsgegner habe sich zwar in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid nur zur Nichteignung des Antragstellers für das Amt
  216. des Staatsanwalts und nicht zur Nichteignung für das Richteramt geä ußert. Er habe dies aber in der Berufungsbegründung nachgeholt. Dies sei
  217. rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Entlassungsverfügung nicht in
  218. ihrem Wesen geändert worden sei und auch kein Begründungsmangel im
  219. Sinne des § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW vorliege. Der An-
  220. - 10 -
  221. wendungsbereich dieser Vorschriften sei nicht eröffnet, weil die Entla ssungsverfügung den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 39
  222. VwVfG NRW genüge und lediglich materiell-rechtlich die Rechtsgründe,
  223. die die getroffene Entscheidung sachlich rechtfertigten, verfehle. Dies sei
  224. kein Begründungsmangel im Sinne des § 39 VwVfG NRW, sondern eine
  225. objektiv unrichtige Begründung. Die gegebene Begründung trage aber
  226. auch die Beurteilung der Nichteignung für das Richteramt. Diese in der
  227. Berufungsbegründung zum Ausdruck gebrachte Beurteilung sei auch
  228. keine rechtlich relevante Wesensänderung der Entlassungsverfügung.
  229. Der Antragsgegner sei auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt
  230. ausgegangen, sondern habe seiner Entscheidung die rechtskräftigen
  231. dienstlichen Beurteilungen vom 6. Juni und 26. Juli 2006 zugrunde legen
  232. dürfen. Ein Ermessensfehler liege nicht vor.
  233. 13
  234. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein B egehren weiter. Wegen seines Vorbringens wird auf seine Schriftsätze
  235. vom 18. Oktober und 18. November 2010 verwiesen.
  236. 14
  237. Der Antragsteller beantragt,
  238. den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem
  239. Oberlandesgericht Hamm vom 5. August 2010 aufzuheben
  240. und die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen, hilf sweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an den Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberla ndesgericht Hamm zurückzuverweisen.
  241. 15
  242. Der Antragsgegner beantragt,
  243. die Revision zurückzuweisen.
  244. - 11 -
  245. 16
  246. Wegen
  247. seines
  248. Vorbringens
  249. wird
  250. auf
  251. den
  252. Schriftsatz
  253. vom
  254. 4. November 2010 verwiesen.
  255. Entscheidungsgründe:
  256. 17
  257. Die zulässige (§ 78 Nr. 4, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG) Revision
  258. ist unbegründet.
  259. I.
  260. 18
  261. Die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu bea nstanden.
  262. 19
  263. 1. Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
  264. 20
  265. Die Entlassungsverfügung ist dem Antragsteller unter Beachtung
  266. der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG)
  267. am 13. November 2006 ausgehändigt worden.
  268. 21
  269. Die Entlassung erfolgte zum Ablauf des vierten Jahres nach seiner
  270. Ernennung zum Richter auf Probe. Allerdings konnte der Antragsteller,
  271. der am 8. Januar 2003 zum Richter auf Probe ernannt worden ist, nicht,
  272. wie es in der Entlassungsverfügung heißt, mit Ablauf des Monats D ezember 2006, sondern erst zum 8. Januar 2007 entlassen werden. Insoweit hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei eine Umdeutung v orgenommen. Eine Entlassung zu einem unzulässigen Termin kann als
  273. - 12 -
  274. Entlassung zum nächst zulässigen Termin angesehen werden, wenn ihr
  275. der Wille der Entlassungsbehörde zugrunde liegt, das Richterverhältnis
  276. zum
  277. nächst
  278. zulässigen
  279. Termin
  280. zu
  281. beenden
  282. (BGH,
  283. Urteil
  284. vom
  285. 14. September 1967 - RiZ(R) 2/67, BGHZ 48, 273, 278 f.). Ein solcher
  286. Wille liegt hier vor, weil der Antragsgegner entgegen der Auffassung der
  287. Revision nicht an dem unzulässigen Entlassungsdatum festgehalten,
  288. sondern in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20. April 2007 ausdrücklich erklärt hat, dass die Entlassung des Antragstellers auf jeden
  289. Fall erfolgen sollte und deshalb im Wege der Auslegung oder Umdeutung
  290. von einer Entlassung zum nächst möglichen Termin, also zum 8. Januar
  291. 2007, auszugehen sei.
  292. 22
  293. 2. Die Entlassungsverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu
  294. beanstanden.
  295. 23
  296. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes
  297. stellt die Entscheidung der Frage, ob ein Richter auf Probe für das Ric hteramt geeignet ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG), einen Akt wertender Erkenntnis dar. Dieser gewährt dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der B egriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde g elegt worden ist, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder
  298. sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteile vom
  299. 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f., vom 25. August
  300. 1992 - RiZ(R) 2/92, Umdruck S. 8 und vom 22. September 1998 - RiZ(R)
  301. 2/97, DRiZ 1999, 141, 143; vgl. allgemein zu normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen von Behörden: BVerfGE 88, 40, 56; 103, 142,
  302. 156 f.).
  303. - 13 -
  304. 24
  305. aa) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Antragsgegner
  306. den Begriff der Eignung nicht verkannt. Er setzt sich in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid zwar nicht ausdrücklich mit
  307. der Eignung des Antragstellers für das Richteramt, sondern nur mit der
  308. für das Amt des Staatsanwalts auseinander. In der Rechtsprechung des
  309. Dienstgerichts des Bundes ist aber anerkannt, dass die Ungeeignetheit
  310. eines im staatsanwaltschaftlichen Dienst erprobten Richters auf Probe
  311. allein aufgrund seiner Nichteignung als Staatsanwalt ohne zusätzliche
  312. Erprobung in einem Richterdezernat festgestellt werden kann (B GH, Urteile vom 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91, 92 und vom
  313. 26. August 1991 - RiZ(R) 7/90, Umdruck S. 8).
  314. 25
  315. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei darauf abg estellt, dass die im staatsanwaltschaftlichen Dienst festgestellte se lektive
  316. Arbeitsweise und die mangelnde Objektivität des Antragstellers ungeac htet des unterschiedlichen Statusrechts und der Weisungsgebundenheit
  317. des Staatsanwalts die Ungeeignetheit auch für das Richteramt begrü nden. Eine funktionsfähige Rechtspflege, die der Staat zu gewährleisten
  318. hat, erfordert Richter, die bereit und in der Lage sind, die ihnen übertr agenen Aufgaben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der A rbeitsbelastung zügig zu erledigen (BGH, Urteile vom 1. März 1976
  319. - RiZ(R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318 und vom 22. September 1998
  320. - RiZ(R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143). An das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein sowie an die Einsatzbereitschaft eines Richters sind
  321. angesichts der richterlichen Unabhängigkeit, die die Einflussmöglichke iten des Dienstherrn erheblich einschränkt, hohe Anforderungen zu ste llen. Ein Richter, der vornehmlich einfache Verfahren fördert und Verfa h-
  322. - 14 -
  323. ren mit höherem Schwierigkeitsgrad, größerem Umfang und größerer
  324. Bedeutung nur verzögert bearbeitet und außerdem nicht frei von Voreingenommenheit und Vorurteilen gegenüber Verfahrensbeteiligten ist, wird
  325. diesen Anforderungen nicht gerecht und ist für die Ernennung zum Ric hter auf Lebenszeit nicht geeignet.
  326. 26
  327. Diese Beurteilung hat der Antragsgegner selbst in Wahrnehmung
  328. seines Beurteilungsspielraums vorgenommen. Er hat in der Entlassung sverfügung vom 9. November 2006 durch die Bezugnahme auf die dienstliche Beurteilung vom 6. Juni 2006 und im Widerspruchsbescheid vom
  329. 7. Dezember 2006 zum Ausdruck gebracht, dass die bezeichnet en Eignungsmängel, insbesondere die selektive Arbeitsweise und die mangel nde Objektivität des Antragstellers die entscheidenden Gründe für die von
  330. ihm ausgesprochene Entlassung sind. Diese Begründung genügt, ung eachtet des Umstandes, dass der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid zunächst nicht auf die Eignung für
  331. das Richteramt, sondern auf die Eignung für das Amt des Staatsanwalts
  332. abgestellt hat, den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 39 VwVfG
  333. NRW. Der Antragsgegner hat in der Entlassungsverfügung und dem W iderspruchsbescheid keinen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde g elegt. Vielmehr war bereits im Zeitpunkt dieser Bescheide offenkundig,
  334. dass die fehlende Objektivität und die selektive Arbeitsweise des Antra gstellers die Ungeeignetheit auch für das Richteramt begründen. Die au sdrückliche Erwähnung der Ungeeignetheit für das Richteramt in der B erufungsbegründung stellt deshalb weder eine Wesensänderung noch e inen Neuerlass der Entlassungsverfügung dar, sondern bringt lediglich
  335. die bereits aufgrund der in der Entlassungsverfügung und dem Wide r-
  336. - 15 -
  337. spruchsbescheid bezeichneten Eignungsmängel offen zutage liegende
  338. Ungeeignetheit für das Richteramt erneut zum Ausdruck.
  339. 27
  340. bb) Der Antragsgegner ist auch nicht von einem unrichtigen oder
  341. unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Er durfte der En tlassungsverfügung die dienstliche Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts
  342. vom 6. Juni 2006 und die Zusatzbeurteilung des
  343. Generalstaatsanwalts in Köln vom 26. Juli 2006 zugrunde legen (vgl.
  344. BGH, Urteil vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, DRiZ 2004, 211,
  345. 212). Die gegen diese Beurteilungen erhobene verwaltungsgerichtliche
  346. Klage des Antragstellers ist rechtskräftig abgewiesen worden. Die Rev ision erhebt gegen die Beurteilungen auch keine Einwände mehr.
  347. 28
  348. b) Die Entlassung beruht, wie der Senat bereits in seinem in dieser
  349. Sache ergangenen Urteil vom 24. September 2009 - RiZ(R) 6/08 - zum
  350. Ausdruck gebracht hat, nicht auf einem Ermessensfehler.
  351. 29
  352. 3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Personalrat der Staatsanwälte bei der Generalstaatsanwaltschaft
  353. an der Entlassung des
  354. Antragstellers zu beteiligen war, wie die Revision meint. Seine Beteiligung hat, wie das Berufungsgericht ausdrücklich feststellt, jedenfalls
  355. stattgefunden. Der Antragsgegner hat den Personalrat mit Schreiben
  356. vom 2. November 2006 über die beabsichtigte Entlassung unterrichtet.
  357. Der Personalrat hat durch seine Vorsitzende am 6. November 2006 mitgeteilt, dass er von einer Stellungnahme absehe.
  358. 30
  359. 4. Der Antragsgegner hat entgegen der Auffassung der Revision
  360. die streitgegenständliche Entlassungsverfügung vom 9. November 2006
  361. - 16 -
  362. durch die weitere Entlassungsverfügung vom 22. Mai 2009 nicht konkludent aufgehoben. Für einen Willen des Antragsgegners, die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 aufzuheben, fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Antragsgegner hat vielmehr dadurch, dass er den vorliege nden Rechtsstreit auch nach der weiteren Entlassungsverfügung vom
  363. 22. Mai 2009 weiter betrieben hat, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er an der Entlassungsverfügung vom 9. November 2006
  364. festhält. Die Einwände der Revision gegen die Rechtsprechung des Bu ndesverwaltungsgerichts (Buchholz 232 § 30 BBG Nr. 7 und § 31 BBG
  365. Nr. 18), nach der eine vorsorgliche zweite Entlassung für den Fall, dass
  366. die erste Entlassung unwirksam sein oder aufgehoben werden sollte, z ulässig ist, sind nicht entscheidungserheblich, da sie die Wirksamkeit der
  367. zweiten, nicht aber die der hier streitgegenständlichen ersten Entla ssungsverfügung betreffen.
  368. - 17 -
  369. II.
  370. 31
  371. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG,
  372. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Wert des Streitgegenstandes ist für das Revis ionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52
  373. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 32.779,63 € festgesetzt worden.
  374. Bergmann
  375. Safari Chabestari
  376. Joeres
  377. Fischer
  378. Pamp
  379. Vorinstanzen:
  380. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.12.2007 - DG 1/07 OLG Hamm, Entscheidung vom 05.08.2010 - 2 DGH 1/09 -