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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. KZR 38/02
  5. Verkündet am:
  6. 4. November 2003
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. Strom und Telefon II
  18. GWB § 19 Abs. 1, § 33
  19. Beeinträchtigt ein marktbeherrschendes Unternehmen unter mißbräuchlicher
  20. Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem von ihm nicht beherrschten Drittmarkt,
  21. steht ein Unterlassungsanspruch auch demjenigen Unternehmen zu, das seinerseits den Drittmarkt beherrscht.
  22. BGH, Urt. v. 4. November 2003 – KZR 38/02 – OLG Düsseldorf
  23. LG Dortmund
  24. -2-
  25. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Dr. Meier-Beck
  26. für Recht erkannt:
  27. Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts
  28. Düsseldorf vom 20. Juni 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. Die Klägerin ist die Deutsche Telekom AG. Die Beklagte zu 1 ist die
  32. Stadtwerke S.
  33. GmbH, die die Stadt S.
  34. mit Gas und Wasser so-
  35. wie über eine Tochtergesellschaft mit Strom versorgt; 75,34 % ihrer Geschäftsanteile werden von der Stadt S.
  36. gehalten. Die Beklagte zu 1 ist Mehr-
  37. heitsgesellschafterin der Beklagten zu 2, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringt.
  38. Ende 1999/Anfang 2000 boten die Beklagten unter der Bezeichnung
  39. "R. power" Verträge mit einer Laufzeit von 12 Monaten über "Pakete" an, die
  40. -3-
  41. den Bezug von Strom (sowie gegebenenfalls auch Gas und/oder Wasser) bei
  42. der Beklagten zu 1 und den Bezug von Telekommunikationsdienstleistungen
  43. bei der Beklagten zu 2 umfaßten und für den gleichzeitigen Bezug dieser Leistungen eine jährliche Rückvergütung zwischen 120,- und 300,- DM vorsahen.
  44. Im Internet warb die Beklagte zu 1 hierfür wie folgt:
  45. "R. power XS Strom + Telefonie
  46. Sie beziehen Strom von uns und sind zugleich Kunde der R. Net
  47. (oder möchten Kunde der R. Net werden) – dann bieten wir Ihnen
  48. eine weitere Ersparnis von 10,00 DM im Monat an. Reduzieren Sie
  49. Ihre Rechnung um 120,00 DM im Jahr. Wer kann dazu noch nein
  50. sagen?"
  51. "R. power M Strom + Wasser + Telefonie
  52. Sie beziehen Strom und Wasser von den Stadtwerken und telefonieren bereits günstig über die R. Net – dann haben Sie die Möglichkeit, 15,00 DM im Monat, das heißt 180,00 DM im Jahr, einzusparen."
  53. "R. power XL Strom + Gas + Telefonie
  54. Sie beziehen Strom und Gas von den Stadtwerken und telefonieren
  55. günstig über die R. Net – dann ermöglicht Ihnen R. power XL
  56. 20,00 DM im Monat einzusparen. Im Jahr zahlen Sie somit
  57. 240,00 DM weniger."
  58. "R. power XXL Strom + Gas + Wasser + Telefonie
  59. Sie beziehen Strom, Gas und Wasser von den Stadtwerken und
  60. sind zugleich Kunde der R. Net – dann können Sie die höchste
  61. R. power-Sparrate nutzen. Sie sparen Monat für Monat
  62. 25,00 DM. In einem Jahr summiert sich Ihre Ersparnis auf
  63. 300,00 DM. Unglaublich aber wahr – gibt es hierbei noch einen
  64. Grund zu zögern?"
  65. Die Klägerin sieht in den Angeboten der Beklagten und der Werbung
  66. hierfür den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten zu 1
  67. und ein wettbewerbswidriges Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer grund-
  68. -4-
  69. gesetzwidrigen "Rückverstaatlichung" des Telefonmarktes, einer kommunalrechtlich unzulässigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung an den Beklagten
  70. unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gebietskörperschaften und eines unlauteren Kopplungsangebots.
  71. Die Klage, mit der den Beklagten untersagt werden soll, für den Abschluß von Stromlieferungsverträgen zu werben, bei denen der Bezug von
  72. Strom preisvergünstigt angeboten wird, wenn der Kunde seinen Telefonanschluß bei der Beklagten zu 2 anmeldet oder angemeldet hat, insbesondere
  73. wie vorstehend wiedergegeben mit den Tarifen "R. power XS, M, XL und
  74. XXL" zu werben und/oder so angekündigte Preisvergünstigungen tatsächlich
  75. zu gewähren, ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
  76. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.
  77. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.
  78. Entscheidungsgründe:
  79. A.
  80. Die Revision ist insgesamt zulässig.
  81. Der Umstand, daß das Berufungsgericht die Revisionszulassung mit der
  82. grundsätzlichen Bedeutung begründet hat, die der Rechtssache im Hinblick auf
  83. die im Rahmen der kartellrechtlichen Ansprüche vorzunehmende Abwägung
  84. -5-
  85. zukomme, beschränkt die Nachprüfbarkeit des Berufungsurteils nicht. Denn die
  86. Revisionszulassung kann nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage beschränkt
  87. werden (BGHZ 101, 276, 278); eine entsprechende Auslegung der nach dem
  88. Wortlaut des Tenors unbeschränkten Zulassung kommt daher nicht in Betracht.
  89. Da die Begründung des Klageanspruchs mit dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung jedenfalls im Berufungsverfahren auch nur eine der
  90. gleichwertigen rechtlichen Rechtfertigungen des Klageanspruchs und des einheitlichen Klageantrags darstellt, kann in der Begründung der Zulassungsentscheidung auch nicht die Zulassung der Revision nur hinsichtlich eines Teils
  91. des Streitgegenstands gesehen werden.
  92. B.
  93. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsge-
  94. richt hat die Klage im Ergebnis zutreffend unter allen in Betracht kommenden
  95. rechtlichen Gesichtspunkten als unbegründet angesehen.
  96. I. 1.
  97. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu
  98. 1 aus § 33 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB verneint. Zugunsten der Klägerin könne unterstellt werden, daß das Netzgebiet der Beklagten zu 1 noch
  99. einen abgrenzbaren räumlich relevanten Strommarkt darstelle und die Beklagte
  100. zu 1 dort nach wie vor marktbeherrschend sei. Der Vorwurf, das angegriffene
  101. Angebot stelle eine mißbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden
  102. Stellung der Beklagten zu 1 auf dem Strommarkt dar, weil die Gefahr bestehe,
  103. daß die Beklagte zu 1 ihre fast monopolartige Stellung auf dem regionalen
  104. Strommarkt dauerhaft verfestige, sei jedoch kein Aspekt, aus dem die nicht auf
  105. dem Strommarkt tätige Klägerin Ansprüche herleiten könne. Der kartellrechtliche Schutz, der gegen das mißbräuchliche Verhalten eines Marktbeherrschers
  106. auch auf Drittmärkten bestehen könne, scheitere an der vorzunehmenden In-
  107. -6-
  108. teressenabwägung. Was die Klägerin als drohende "Überführung" von mindestens 96 % der Stromkunden, über die die Beklagte zu 1 aufgrund ihres früheren Monopols verfüge, auf die Beklagte zu 2 bezeichnet, drohe aktuell bei
  109. weitem nicht. Auch wenn unterstellt werde, daß die Beklagte zu 2 die Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1 ausnutze, um Kunden auf sich zu überführen, könne eine dadurch bedingte erhebliche Behinderung der Klägerin auf
  110. dem Telekommunikationsmarkt nicht festgestellt werden. Selbst wenn das Angebot der Beklagten wirklich so günstig wäre, daß es für kleinere und mittlere
  111. Haushalte ganz erheblich zu Buche schlüge und deshalb die Verbraucher dazu
  112. "verführt" würden, es anzunehmen, sei all dies jetzt für den von der Klägerin
  113. beherrschten Markt nicht erheblich und eine solche der Klägerin deutlich
  114. nachteilige Entwicklung nicht greifbar abzusehen.
  115. 2.
  116. Die Revision rügt, der Interessenabwägung des Berufungsge-
  117. richts liege die rechtsirrige Vorstellung zugrunde, die Klägerin sei auf dem
  118. nach Auffassung des Berufungsgerichts von ihr dominierten Drittmarkt wegen
  119. dieser Stellung nicht schutzwürdig. § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB verbiete
  120. die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung schlechthin, ohne nach der Marktstellung der hiervon betroffenen Unternehmen zu unterscheiden. Wenn das Berufungsgericht die Abwerbung von Kunden auf die
  121. monopolähnliche Stellung der Beklagten zu 1 zurückführe und diese mit Blick
  122. auf die aktuellen Verhältnisse auf dem Telekommunikationsmarkt lediglich für
  123. hinnehmbar erkläre, räume das Berufungsgericht ein, daß die Kunden der Klägerin mit leistungsfremden Mitteln abgeworben würden. Die Schlußfolgerung,
  124. die festgestellten bedeutenden finanziellen Vorteile für kleine und mittlere
  125. Haushalte seien für den Telekommunikationsmarkt nicht erheblich, sei unhaltbar, weil gerade wegen dieser Vorteile mit einer erheblichen Kundenabwande-
  126. -7-
  127. rung zu rechnen sei. Das Berufungsgericht lasse zudem außer Acht, daß es
  128. bei dem Kombinationsangebot nicht um die Weitergabe von Kostenvorteilen
  129. gehe, wie sie etwa aufgrund von Synergieeffekten bei auf demselben Markt
  130. tätigen Unternehmen möglich seien. Solche Synergieeffekte lägen zwischen
  131. den beiden Beklagten nicht vor, weil die Beklagte zu 1 auf dem Strommarkt und
  132. die Beklagte zu 2 auf dem Telekommunikationsmarkt tätig sei. Durch das
  133. Kopplungsangebot würden die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Kommunen
  134. im Bereich der Daseinsvorsorge (Stromversorgung) und ihre hierdurch erlangte
  135. Stellung mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit eines Beteiligungsunternehmens (Telefondienstleistungen) verquickt. Diese Verquickung bestehe konkret darin, daß die Angebote der beiden Beklagten mit dem Motiv und der Zielsetzung verknüpft würden, das überkommene, gerade nicht im Wettbewerb
  136. errungene Monopol der Beklagten zu 1 auf dem Strommarkt auf den Telekommunikationsmarkt zu übertragen, zumindest aber als (noch) strukturbedingten
  137. wettbewerbsfremden Vorteil vor anderen Anbietern zu nutzen. Weiterhin setzten die Beklagten die strukturbedingte Abhängigkeit der Stromverbraucher von
  138. der Beklagten zu 1 ein, um mittels eines preisverschleiernden Anlockeffektes
  139. neue Abhängigkeiten auf einem anderen Markt zu schaffen. Denn naturgemäß
  140. gehe von dem Angebot eines kommunalen Unternehmens, das seit jeher als
  141. ein Monopolist im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sei, eine "Sogwirkung" auf
  142. die Verbraucher aus. Diese gründe sich aber nicht auf Leistung, sondern –
  143. mangels bestehender Alternativen in dem Bereich der Daseinsvorsorge – auf
  144. die Gewohnheit der Verbraucher, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden. Andererseits gebe es eine Zwangssituation des Kunden, der nach einem
  145. Wechsel zu dem gekoppelten Angebot hieran auch dann festgehalten werde,
  146. wenn das Telekommunikationsangebot anderer Unternehmen wie auch der
  147. -8-
  148. Klägerin dem Telekommunikationsbestandteil des Kopplungsangebotes überlegen sei.
  149. 3.
  150. Die Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
  151. a)
  152. Der Klägerin stünde ein Unterlassungsanspruch nach § 33 i.V.m.
  153. § 19 Abs. 1 GWB zu, wenn die Beklagte zu 1 auf dem sachlich und räumlich
  154. relevanten Strommarkt marktbeherrschend wäre und unter mißbräuchlicher
  155. Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf dem – von ihr nicht beherrschten – Telekommunikationsmarkt in für den Wettbewerb erheblicher Weise beeinträchtigte.
  156. Denn die Beeinträchtigung muß nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem Drittmarkt eintreten, sofern nur der erforderliche
  157. Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem mißbilligten
  158. Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung gegeben ist
  159. (KG WuW/E OLG 3124, 3129; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 880, 883;
  160. Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 114; Schulz in
  161. Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 GWB Rdn. 133). Das entspricht der
  162. weiten Fassung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB, mit der mißbräuchliches Verhalten auch auf nicht beherrschten Märkten erfaßt werden sollte (vgl.
  163. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des GWB,
  164. BT-Drucks. IV/2564, S. 15) und durch die demgemäß auch die Konkurrenten
  165. des Marktbeherrschers auf dem Drittmarkt geschützt werden (Bornkamm in
  166. Langen/Bunte aaO § 33 GWB Rdn. 23; a.A. aufgrund zu enger Definition des
  167. Schutzzwecks Knöpfle/Leo in Gemeinschaftskommentar, 5. Aufl., § 19 GWB
  168. Rdn. 1645). Ob demgegenüber für die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB daran
  169. -9-
  170. festzuhalten ist, daß das behinderte Unternehmen auch auf dem beherrschten
  171. Markt tätig sein muß, wie dies der Senat zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. angenommen hat (Urt. v. 23.2.1988 – KZR 17/86, WuW/E 2483 – Sonderungsverfahren), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
  172. b)
  173. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, daß
  174. die Beklagte zu 1 auf dem – regional abzugrenzenden – Strommarkt marktbeherrschend ist. Dagegen ist, wie der Senat in seinem gleichzeitig verkündeten
  175. Urteil in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen einen anderen Energieversorger
  176. (KZR 16/02 – Strom und Telefon I, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen)
  177. näher ausgeführt hat, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
  178. c)
  179. Es fehlt jedoch an einem Mißbrauch dieser marktbeherrschenden
  180. Stellung; insbesondere werden die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht in einer für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt
  181. erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt (§ 19
  182. Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB).
  183. Die Erwägungen, die das Berufungsgericht hierzu angestellt hat, könnten allerdings dahin verstanden werden, als halte es nicht die Beeinträchtigung
  184. der Wettbewerbsmöglichkeiten der auf dem Telekommunikationsmarkt tätigen
  185. Unternehmen, sondern speziell der – ihrerseits diesen Markt beherrschenden –
  186. Klägerin für maßgeblich. Ein solches Verständnis wäre nicht zutreffend. Denn
  187. für die Beantwortung der Frage, ob der Wettbewerb im Sinne des § 19 Abs. 4
  188. Nr. 1 GWB beeinträchtigt wird, kommt es nicht auf die individuelle Wettbewerbssituation desjenigen Marktteilnehmers an, der den Anspruch geltend
  189. macht. Sie ist nur insofern von Bedeutung, als sie die allgemeinen Wettbe-
  190. - 10 -
  191. werbsmöglichkeiten auf dem betreffenden Markt beeinflußt. Ist danach eine
  192. sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten
  193. zu bejahen, steht der sich daraus ergebende Unterlassungsanspruch auch
  194. demjenigen Wettbewerber zu, der seinerseits den betreffenden Markt beherrscht.
  195. Dieser – mögliche – Rechtsfehler wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht
  196. aus. Aus den von der Revision nicht beanstandeten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich weder eine Zwangskopplung noch die
  197. Kopplung einer begehrten mit einer weniger begehrten Leistung noch andere
  198. Gesichtspunkte, die das Kombinationsangebot der Beklagten als eine sachlich
  199. nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem
  200. Telekommunikationsmarkt erscheinen lassen könnten.
  201. Die Rüge der Revision, es handele sich um einen leistungsfremden Eingriff in das Marktgeschehen, bei dem Aufgaben der Daseinsvorsorge mit rein
  202. privatwirtschaftlicher Tätigkeit verquickt und die strukturbedingte Abhängigkeit
  203. der Stromverbraucher von der Beklagten zu 1 ausgenutzt werde, ist nicht begründet. Die hierbei zugrundegelegte Charakterisierung einerseits der Stromversorgung als Daseinsvorsorge und andererseits von Telefondienstleistungen
  204. als privatwirtschaftliche Tätigkeit ist unzutreffend. Die Beklagten handeln als
  205. private Anbieter, gleichviel ob sie die Versorgung mit elektrischer Energie oder
  206. die Erbringung von Telefondienstleistungen anbieten. Wenn sie im Rahmen
  207. der Zusammenarbeit mit der Beklagten zu 2 Stromkunden für den Bezug von
  208. Telekommunikationsdienstleistungen gewinnen will, stehen der Beklagten zu 1
  209. daher keine dem Leistungswettbewerb fremden Mittel zur Verfügung, die sich
  210. daraus ergäben, daß sie als Stromversorger Verantwortung für die Daseinsvor-
  211. - 11 -
  212. sorge träfe. Aus dem Umstand, daß die Kunden der Beklagten zu 1 bislang nur
  213. in geringem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, zu einem
  214. anderen Stromanbieter zu wechseln, kann nicht geschlossen werden, die betreffenden Kunden könnten sich deswegen veranlaßt oder gar gedrängt fühlen,
  215. auch Telekommunikationsdienstleistungen von der Beklagten zu 1 bzw. einem
  216. mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen zu beziehen. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedenfalls nicht getroffen. Sie liegen nach
  217. der Lebenserfahrung auch fern, weshalb die (nur) hierauf gestützten Rügen der
  218. Revision ohne Erfolg bleiben müssen. Die Nutzung des Kopplungsangebots
  219. der Beklagten setzt voraus, daß der Stromkunde die Entscheidung trifft, zum
  220. einen wenn nicht den Stromanbieter, so doch den Stromtarif und zum anderen
  221. den Telefondienstanbieter zu wechseln. Sie verlangt insofern, daß sich der
  222. Verbraucher gerade von der vermeintlich selbstverständlichen überkommenen
  223. Vorstellung löst, daß er den Strom zu einem von ihm nicht beeinflußbaren Preis
  224. von seinem örtlichen Versorger und Telefondienstleistungen zu gleichfalls nicht
  225. beeinflußbaren Preisen von der Klägerin bezieht.
  226. Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, daß das
  227. Berufungsgericht nichts für eine "Sogwirkung" festgestellt hat, die örtliche Verbraucher dazu veranlassen könnte, Telekommunikationsdienstleistungen von
  228. der Beklagten zu 1 zu beziehen, weil sie, wie die Revision meint, es gewohnt
  229. wären, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden.
  230. Da sich, wie nachfolgend ausgeführt, das angegriffene Kopplungsangebot auch nicht als unlauterer Wettbewerb darstellt, genügt zu seiner Rechtfertigung, daß die Beklagte zu 1 ihren Kunden damit ein preislich attraktives Angebot für den Fall unterbreiten will, daß sie auf dieser Grundlage sowohl Strom
  231. - 12 -
  232. als auch Telekommunikationsdienstleistungen beziehen. Das ist auch dem
  233. Marktbeherrscher nicht verwehrt. Jedem Unternehmen, auch einem marktbeherrschenden, steht ein unternehmerischer Freiraum zu; es ist grundsätzlich
  234. ihm selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen
  235. und zu entscheiden, mit welchen Waren oder Leistungen es am Markt teilnehmen will, sofern es sich hierbei nicht solcher Mittel bedient, die der auf die
  236. Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderlaufen (BGHZ 107, 273, 279 – Staatslotterie;
  237. 128, 17, 36 – Gasdurchleitung; 129, 53, 64 – Importarzneimittel). Es begründet
  238. deshalb für sich genommen auch keine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung, wenn, wie das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin unterstellt
  239. hat, der ihnen angebotene erhebliche Preisvorteil Verbraucher zur Annahme
  240. des Angebots "verführt". Das ist vielmehr der Sinn des Preiswettbewerbs, dessen sich auch der Marktbeherrscher solange bedienen darf, wie nicht die
  241. Preisbildung selbst zu beanstanden ist (s. etwa BGHZ 152, 361 – Wal*Mart –
  242. zum Verkauf unter Einstandspreis).
  243. Der Einsatz von Mitteln, die der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zuwiderlaufen, setzt zwar in dem hier vorliegenden Fall der Erstreckung der wirtschaftlichen Betätigung eines marktbeherrschenden Unternehmens auf einen Drittmarkt nicht notwendigerweise voraus, daß das wettbewerbliche Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens als solches zu beanstanden ist. Vielmehr kann sich der Widerspruch zur
  244. Zielsetzung des Gesetzes gegebenenfalls auch aus den Auswirkungen des
  245. wettbewerblichen Handelns des Marktbeherrschers ergeben, wenn nämlich
  246. hierdurch auf dem Drittmarkt Marktzutrittsschranken für Wettbewerber errichtet
  247. - 13 -
  248. werden. Hierfür ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nichts hinreichendes.
  249. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, daß die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund in einer für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt
  250. erheblichen Weise beeinträchtigt werden.
  251. II.
  252. Das Berufungsgericht hat zutreffend auch einen Unterlassungs-
  253. anspruch der Klägerin nach § 1 UWG verneint.
  254. 1.
  255. Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Meinung der Klä-
  256. gerin nicht aus einer nach § 107 GO NW unzulässigen erwerbswirtschaftlichen
  257. Betätigung der an den Beklagten beteiligten Körperschaften. Denn nach der
  258. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch aus § 1 UWG nicht
  259. immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei
  260. deren Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müßte. Auch bei der Verletzung von Vorschriften über den Marktzutritt muß anhand einer am Schutzzweck
  261. des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines
  262. wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der Gesetzesverstoß genügt dazu allein nicht, wenn die verletzte Norm nicht zumindest eine sekundäre
  263. wettbewerbsbezogene, d.h. entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG eine
  264. auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (BGHZ 150,
  265. 343, 348 – Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 26.9.2002 – I ZR 293/99, WRP 2003,
  266. 262, 264 – Altautoverwertung). Eine solche Schutzfunktion kommt, wie die Re-
  267. - 14 -
  268. vision auch nicht mehr in Zweifel zieht, der Vorschrift des § 107 GO NW nicht
  269. zu (BGH WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung).
  270. 2.
  271. Entsprechendes gilt für eine Zuwiderhandlung gegen ein "Rück-
  272. verstaatlichungsverbot", das die Klägerin Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG entnehmen
  273. will. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen durch diese Vorschrift des Grundgesetzes materiell privatisiert und der Aufgabenwahrnehmung durch solche Unternehmen entzogen werden sollte, die ausschließlich oder mehrheitlich in staatlicher oder
  274. kommunaler Hand sind (so Elftes Hauptgutachten der Monopolkommission,
  275. BT-Drucks. 13/5309, Tz. 60; Bullinger/Mestmäcker, Multimedia-Dienste, S. 82
  276. f.; Müller, DVBl. 1998, 1256, 1258 ff.; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl., S. 273; wohl auch Stern/Bauer in Stern, Postrecht der
  277. Bundesrepublik Deutschland, Art. 87f GG Rdn. 15; einschränkend Windthorst
  278. in Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 87f Rdn. 28a ["soweit privatwirtschaftliche Entscheidungsautonomie (nicht) gewährleistet ist"]; ablehnend OLG Düsseldorf GRURRR 2002, 285, 287 f.; Badura in Bonner Kommentar, Bearb. 1997, Art. 87f GG
  279. Rdn. 22; Ebsen, DVBl. 1997, 1039, 1042; Ehlers, DVBl. 1998, 497, 502; Gersdorf in v. Mangold/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 87f Abs. 2 Rdn. 74 f.; Lerche
  280. in Maunz/Dürig, GG, Bearb. 1996, Art. 87f Rdn. 58; Pünder, DVBl. 1997, 1353
  281. f.; Trute, VVDStRL 57, 216, 226 f.), könnte ein Verstoß gegen eine derartige
  282. gesetzliche Schranke mangels einer auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aus denselben Gründen keine wettbewerbsrechtlichen
  283. Ansprüche von Wettbewerbern begründen wie ein Verstoß gegen § 107 GO
  284. NW (vgl. zur fehlenden wettbewerbsrechtlichen Bedeutung einer materiellen
  285. Privatisierung des Abfallrechts BGH WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung). Um so mehr hätte dies zu gelten, wenn sich die Bedenken gegen die
  286. - 15 -
  287. Tätigkeit kommunaler Unternehmen auf dem Telekommunikationssektor gar
  288. nicht aus einem verfassungsrechtlichen Gebot zur materiellen Privatisierung
  289. ergeben sollten. So begründet Gersdorf (aaO Art. 87f Abs. 2 Rdn. 81 f.; AfP
  290. 1998, 470, 471 ff.), auf dessen Ausführungen sich die Klägerin in den Tatsacheninstanzen bezogen hat, im Hinblick darauf, daß Art. 87f GG den Bund
  291. nicht verpflichtet, seine Beteiligung an den Nachfolgeunternehmen des Sondervermögens Deutsche Bundespost aufzugeben, seine verfassungsrechtlichen Bedenken statt mit einem Gebot zur materiellen Privatisierung damit, daß
  292. die Beachtung des Prinzips demokratischer Legitimation (Art. 20 Abs. 2 Satz 1,
  293. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) es verbiete, staatliche oder kommunale Eigen- und
  294. Beteiligungsgesellschaften mit der von Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG geforderten
  295. Unternehmensautonomie auszustatten. Eine etwaige Verletzung dieses Prinzips wäre jedoch erst recht ohne wettbewerbsrechtliche Bedeutung.
  296. 3.
  297. Soweit die Revision dem auch im vorliegenden Zusammenhang
  298. entgegenhalten will, sie wende sich lediglich gegen die unlautere Verquickung
  299. der Sonderstellung der Beklagten zu 1 als eines (kommunalen) Unternehmens
  300. der Daseinsvorsorge mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit ihres Beteiligungsunternehmens, bei der die Beklagte zu 1 die besondere Vertrauensstellung ausnutze, die sie als Unternehmen der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet
  301. der Stromversorgung über Jahrzehnte hinweg erlangt habe, findet dies, wie
  302. bereits ausgeführt, in den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen keine Grundlage.
  303. 4.
  304. Auf den rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes der Beklagten
  305. zu 1 gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 TKG, nach dem einer Lizenz bedarf, wer Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze an-
  306. - 16 -
  307. bietet, kommt die Revision zu Recht nicht zurück. Das Berufungsgericht hat
  308. diese Klagebegründung zutreffend mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß die
  309. Beklagte zu 1 kein Telekommunikationsnetz betreibe (ebenso bereits OLG
  310. Düsseldorf GRUR-RR 2002, 285, 287).
  311. 5.
  312. Das Angebot der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstan-
  313. den, weil die Kopplung von Stromversorgung und Telekommunikationsdienstleistungen als solche wettbewerbswidrig wäre.
  314. a)
  315. Die Anforderungen, die das Wettbewerbsrecht an die Zulässigkeit
  316. von Kopplungsangeboten stellt, müssen sich nach der Rechtsprechung des
  317. Bundesgerichtshofs an den Gefahren orientieren, die von derartigen Geschäften für die Verbraucher ausgehen, vornehmlich an der Gefahr, daß diese über
  318. den tatsächlichen Wert eines Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (BGHZ 151, 84, 89 – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v.
  319. 13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 – Kopplungsangebot II). Kopplungsangebote erschweren, sofern sie wie typisch keine Einzelpreise ausweisen, den Preisvergleich durch den Verbraucher und enthalten darüberhinaus
  320. ein gewisses Irreführungs- und Preisverschleierungspotential. Außerdem kann
  321. von Kopplungsangeboten – insbesondere, wenn ein Teil der Leistung "unentgeltlich" sein soll, oder bei an ein Absatzgeschäft gekoppelten Gewinnspielen –
  322. in Einzelfällen eine so starke Anlockwirkung ausgehen, daß auch bei einem
  323. verständigen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung in den
  324. Hintergrund tritt (BGH aaO).
  325. b)
  326. Auch wenn deshalb im Interesse des Verbrauchers eine Transpa-
  327. renz des Angebots zu fordern ist (BGH aaO), so läßt sich hieraus doch nicht
  328. - 17 -
  329. ableiten, daß die Angabe einer gemeinsamen Rückvergütung für die Inanspruchnahme zweier oder mehrerer unterschiedlicher Leistungen, wie sie hier
  330. in Rede steht, als solche zu beanstanden wäre. Sie erschwert zwar den Preisvergleich, weil der Verbraucher, wenn er das Gesamtangebot mit den Einzelpreisen desselben oder anderer Anbieter vergleichen will, diese Einzelpreise
  331. ermitteln und addieren muß, um zu erkennen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Gesamtangebot mit einem Preisvorteil verbunden ist. Ebensowenig wie der Generalklausel des § 1 UWG oder dem Irreführungsverbot
  332. eine Verpflichtung entnommen werden kann, stets den Wert einer Zugabe anzugeben (BGH aaO), kann jedoch verlangt werden, daß für in einem gemeinsamen Preis zusammengefaßte Leistungen Einzelpreise angegeben werden,
  333. die der Anbieter tatsächlich nicht fordert, eben weil er die Leistungen zu dem
  334. gemeinsamen Preis nur gemeinsam abgibt. Insofern hindert das Transparenzgebot grundsätzlich weder die Kopplung selbst noch die Angabe (lediglich) eines – direkt zu entrichtenden oder wie hier aus einer einheitlichen Rückvergütung resultierenden – einheitlichen Preises. Vielmehr ist es Sache des Verbrauchers, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit
  335. - 18 -
  336. eines Angebots zu machen, denn zumindest anhand des maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer möglich (BGH, Urt. v. 27.2.2003 – I ZR
  337. 253/00, GRUR 2003, 538, 539 – Gesamtpreisangebot). Im Streitfall ist die gewisse Mühe, die ein Preisvergleich zwischen dem von den Beklagten angebotenen, sich aus Einzelpreisen abzüglich Rückvergütung ergebenden gemeinsamen Preis und den von den Beklagten und anderen Anbietern verlangten
  338. Einzelpreisen bereitet, um so eher hinzunehmen, als die Entscheidung über
  339. einen Wechsel des Strom- und des Telekommunikationsdienstleisters regelmäßig nicht ohne nähere Prüfung der Angebote erfolgen wird.
  340. Hirsch
  341. Goette
  342. Raum
  343. Bornkamm
  344. Meier-Beck