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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 65/14
  5. Verkündet am:
  6. 12. Mai 2016
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 133 Abs. 1 Satz 2
  19. a) Den Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die
  20. Benachteiligung der Gläubiger kennt, trifft die Darlegungs- und Beweislast, dass
  21. er spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erlangt hat.
  22. b) Der Gläubiger kann nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des
  23. Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist; dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die
  24. Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose.
  25. c) Der Gläubiger, der im Rahmen eines Sanierungsvergleichs quotal auf seine
  26. Forderungen verzichtet in der Annahme, andere Gläubiger verzichteten in ähnlicher Weise, kann von einer Sanierung des Schuldnerunternehmens allein
  27. durch diese Maßnahme nur ausgehen, wenn nach seiner Kenntnis die Krise allein auf Finanzierungsproblemen beruht, etwa dem Ausfall berechtigter Forderungen des Schuldners.
  28. ECLI:DE:BGH:2016:120516UIXZR65.14.0
  29. -2-
  30. d) Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, das Sanierungskonzept des Schuldners
  31. fachmännisch zu prüfen oder prüfen zu lassen; er darf sich auf die Angaben
  32. des Schuldners oder dessen Berater zu den Erfolgsaussichten des Konzeptes
  33. verlassen, solange er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden
  34. soll oder dass der Plan keine Chancen auf dauerhaften Erfolg bietet.
  35. e) Der Sanierungsplan des Schuldners muss nicht den formalen Erfordernissen
  36. entsprechen, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer e.V. in dem IDW Standard
  37. S6 (IDWS6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben.
  38. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 65/14 - OLG Düsseldorf
  39. LG Düsseldorf
  40. -3-
  41. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  42. vom 17. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring
  43. für Recht erkannt:
  44. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats
  45. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2014 aufgehoben.
  46. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  47. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Der Klägerin nimmt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das
  52. Vermögen der E.
  53. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) die Beklagte auf
  54. Rückzahlung einer Vergleichszahlung in Anspruch. Die Beklagte erbrachte für
  55. die Schuldnerin Speditionsleistungen. Im Januar 2007 standen ihr fällige Forderungen von 59.703,20 € zu, von denen 25.416,85 € rechtskräftig tituliert waren.
  56. Aufgrund des Titels erwirkte die Beklagte im Januar 2007 einen Pfändungs- und
  57. Überweisungsbeschluss. Die Volksbank als Drittschuldnerin teilte ihr mit, dass
  58. keine pfändbaren Guthaben vorhanden seien und Vorpfändungen in Höhe von
  59. 16.000 € bestünden.
  60. -4-
  61. 2
  62. Mit Schreiben vom 15. Januar 2007 wandte sich die von der Schuldnerin
  63. beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft R.
  64. an die Beklagte und
  65. teilte mit, dass eine buchmäßige Überschuldung der Schuldnerin in Höhe von
  66. 3,5 Mio. € bestehe. Die Kreditlinien seien eingefroren, es drohe in Kürze Zahlungsunfähigkeit. Zur Vermeidung der Insolvenz sei ein Vergleichsvorschlag
  67. erarbeitet worden, nach dem die Gläubiger auf 65 v.H. der Forderungen verzichten sollten, davon auf 15 v.H. gegen Besserungsschein. Der Vergleichsvorschlag könne dann umgesetzt werden, weil von Dritten Liquidität zur Verfügung
  68. gestellt werde. Voraussetzung sei, dass alle Gläubiger dem Vorschlag bedingungslos zustimmten. Anderenfalls sei ein Insolvenzverfahren unabdingbar, das
  69. keine Befriedigungsquote erwarten lasse. Antwort werde bis 19. Januar 2007
  70. erbeten.
  71. 3
  72. Die Beklagte stimmte am 26. Januar 2007 auf einem Formular der
  73. Schuldnerin zu. Mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Januar 2007 stimmte sie erneut
  74. zu und teilte mit, dass sie sich an die Zustimmung gebunden fühle, wenn bis
  75. 15. Februar 2007 35 v.H., also 20.896,12 €, bezahlt würden. Mit Schreiben vom
  76. 30. Januar 2007 teilte R.
  77. mit, dass bis 22. Februar 2007 der genannte
  78. Betrag von 20.896,12 € bezahlt werde. Mit Schreiben vom 22. Februar 2007
  79. teilte sie mit, aus "abwicklungstechnischen" Gründen verzögerte sich die Auszahlung um ca. 10 Tage. Die Zahlung erfolgte am 29. März 2007.
  80. 4
  81. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf
  82. der Grundlage von Anträgen vom Mai, Oktober und Dezember 2011 am
  83. 20. Januar 2012 eröffnet.
  84. -5-
  85. 5
  86. Der Kläger hat die Zahlung nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten. Die
  87. Schuldnerin habe sich seit vielen Jahren in einer tiefgreifenden Krise befunden.
  88. Die Beklagte habe dies aufgrund des Schreibens von R.
  89. gewusst.
  90. Der Sanierungsversuch sei offensichtlich nicht ernsthaft gewesen. Es seien von
  91. vorneherein allenfalls die Hälfte der Gläubiger an den Vergleichsbemühungen
  92. beteiligt gewesen, nicht aber die Kreditinstitute, das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger. Selbst ohne Berücksichtigung dieser Gläubiger habe der
  93. von den Geschäftsführern der Schuldnerin beschaffte Kredit von 500.000 €
  94. nicht ausgereicht, weil Forderungen von 850.000 € hätten zurückgeführt werden
  95. müssen. Die mangelnde Ernsthaftigkeit des Sanierungsversuchs habe der Beklagten nicht verborgen bleiben können, schon wegen der mehrfach verzögerten Zahlung.
  96. 6
  97. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die
  98. Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
  99. der Kläger seinen Klageanspruch in vollem Umfang weiter.
  100. Entscheidungsgründe:
  101. 7
  102. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  103. und zur Zurückverweisung.
  104. I.
  105. 8
  106. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte habe aufgrund des
  107. Schreibens von R.
  108. vom 15. Januar 2007 gewusst, dass der Schuld-
  109. -6-
  110. nerin die Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte, weil sich aus dem Schreiben
  111. Umstände ergäben, die zwingend auf die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Wisse der Anfechtungsgegner um die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, sei auch anzunehmen, dass er damit rechne, die zu
  112. seinen Gunsten getroffene Verfügung werde zu einer Benachteiligung anderer
  113. Gläubiger führen.
  114. 9
  115. Die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO sei jedoch widerlegt, weil
  116. die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass die Schuldnerin einen ernsthaften Sanierungsversuch unternommen habe.
  117. 10
  118. Soweit es um die Kenntnis des Anfechtungsgegners gehe, genüge zur
  119. Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO hinsichtlich der Voraussetzungen eines ernsthaften Sanierungsversuchs die Darlegung konkreter
  120. Umstände, die es naheliegend erscheinen ließen, dass ihm der (hier unterstellte) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht bekannt gewesen sei. Derartige
  121. Umstände lägen vor. Aus der Sicht der Beklagten habe die Schuldnerin kompetente Fachleute mit der Sanierung betraut. Nach Mitteilung der Schuldnerin sei
  122. mit einigen wesentlichen Gläubigern die Vorgehensweise bereits mündlich abgestimmt gewesen. Die eingeschaltete Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe
  123. die Überschuldung und die (drohende) Zahlungsunfähigkeit offenbart und mitgeteilt, dass bereits Sanierungsverhandlungen mit Kreditinstituten geführt worden seien und die Kreditlinie lediglich eingefroren worden sei. Es sei ein Vergleichsvorschlag erarbeitet worden und es habe Liquidität durch Dritte zugeführt
  124. werden sollen. Zwar seien der Beklagten weder von der Schuldnerin noch von
  125. der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Einzelheiten oder wenigstens die wesentlichen Einzelheiten mitgeteilt worden. Der Schuldner sei hierzu aber auch nicht
  126. -7-
  127. verpflichtet gewesen, ebenso wenig dazu, dem Gläubiger Auskünfte zu erteilen
  128. oder Prüfungen zu ermöglichen.
  129. 11
  130. Entscheidend sei, dass die Beklagte nicht habe erkennen können, dass
  131. das von der Schuldnerin und den von ihr beauftragten Fachleuten verfolgte
  132. Konzept - was unterstellt werde - nicht tragfähig gewesen sei und nicht zur Befriedigung der Gläubiger habe führen können. Dass wesentliche Gläubiger nicht
  133. in den Vergleich einbezogen worden seien, habe die Beklagte nicht gewusst.
  134. Sie habe auf der Grundlage der Erklärungen des Wirtschaftsprüfers davon ausgehen dürfen, dass sich alle Gläubiger durch Teilnahme an dem Vergleich an
  135. der Sanierung beteiligen würden, weil die Zustimmung aller Gläubiger zur
  136. Voraussetzung für die Sanierung erklärt worden sei. Die Beklagte habe auch
  137. nicht gewusst, dass statt benötigter 850.000 € nur 500.000 € Fremdmittel zur
  138. Verfügung gestanden hätten. Dass der Vergleichsbetrag verspätet an sie gezahlt worden sei, habe die Wirtschaftsprüferkanzlei plausibel erklärt.
  139. II.
  140. 12
  141. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht durfte anhand der getroffenen Feststellungen nicht zu dem
  142. Schluss gelangen, dass die Beklagte die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2
  143. InsO widerlegt hat. Die Beklagte konnte nach den ihr vorliegenden Informationen nicht davon ausgehen, dass die Schuldnerin einen ernsthaften Sanierungsversuch unternahm.
  144. 13
  145. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die
  146. der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des
  147. -8-
  148. Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen
  149. hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133
  150. Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt.
  151. 14
  152. 1. Die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann nach
  153. ständiger Rechtsprechung des Senats ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für
  154. den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers
  155. hiervon verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines
  156. ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist (BGH, Urteil vom 12. November 1992 - IX ZR 236/91, WM 1993, 270, 273; vom 5. März
  157. 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 17; vom 21. Februar 2013 - IX ZR
  158. 52/10, WM 2013, 763, Rn. 11; vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, WM 2014,
  159. 1009 Rn. 40 mwN). Denn in diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger tritt in den Hintergrund (BGH, Urteil vom
  160. 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 11 und 18; vom 21. Februar 2013, aaO mwN).
  161. 15
  162. Voraussetzung ist auf Schuldnerseite, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in
  163. die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg
  164. rechtfertigte (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06, WM 2009, 117
  165. Rn. 52; vom 8. Dezember 2011, aaO; vom 21. Februar 2013, aaO jeweils
  166. mwN). Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räumt seinen
  167. -9-
  168. Benachteiligungsvorsatz nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen
  169. über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten
  170. nicht hinausgekommen sind (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011, aaO; vom
  171. 3. April 2014, aaO).
  172. 16
  173. Ein schlüssiges Sanierungskonzept setzt nicht notwendigerweise eine
  174. Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus. Ein Sanierungsversuch kann auch
  175. aussichtsreich sein, wenn sich die beabsichtigten Maßnahmen nur auf einen
  176. Teil der Gläubiger erstrecken, etwa wenn umfangreiche Forderungsverzichte
  177. der Hauptgläubiger dem Schuldner neue Liquidität verschaffen, mittels der er in
  178. die Lage versetzt wird, seine übrigen Gläubiger vollständig zu befriedigen
  179. (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011, aaO Rn. 13). Die Zustimmung aller Gläubiger wird häufig ohnehin nicht erreichbar sein. Die für eine erfolgreiche Sanierung erforderliche Quote hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei
  180. sind für unterschiedliche Gläubiger unterschiedliche Quoten denkbar, weil verkehrswertbestimmende Faktoren bei der Festlegung der Quote berücksichtigt
  181. werden können (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - IX ZR 176/08, GWR
  182. 2011, 144).
  183. 17
  184. Die in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Umstände lassen jedoch kein geschlossenes Konzept zur Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten
  185. der Schuldnerin und zur Sanierung ihres Geschäftsbetriebes erkennen.
  186. 18
  187. Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für
  188. die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97, WM 1998, 248, 250). Erforderlich ist
  189. - 10 -
  190. eine Analyse der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung, eine
  191. Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in der
  192. Zukunft und Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der (drohenden)
  193. Insolvenzreife. Bei einem Sanierungsvergleich muss zumindest festgestellt
  194. werden die Art und Höhe der Verbindlichkeiten, die Art und Zahl der Gläubiger
  195. und die zur Sanierung erforderlichen Quote des Erlasses der Forderungen. Da
  196. eine Zustimmung aller Gläubiger regelmäßig nicht zu erreichen ist, muss eine
  197. Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, gegebenenfalls für
  198. unterschiedliche Arten von Gläubigergruppen, sowie die Behandlung nicht verzichtender Gläubiger. Gegebenenfalls sind Art und Höhe einzuwerbenden frischen Kapitals darzustellen sowie die Chance, dieses tatsächlich zu gewinnen
  199. (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1997, aaO; vom 10. Februar 2011, aaO
  200. Rn. 4 ff).
  201. 19
  202. Ein Sanierungsplan, der zu einer Verneinung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners führt, muss dagegen nicht bestimmten formalen Erfordernissen entsprechen, wie sie etwa das Institut für Wirtschaftsprüfer e.V. in dem IDW Standard S 6 (IDW S 6) oder das Institut für die
  203. Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben. Die Einhaltung der dort
  204. für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen mag für eine erfolgreiche Sanierung in der Regel eine positive Prognose ermöglichen. Sie ist aber nicht zwingend erforderlich und vor allem bei kleinen Unternehmen nicht immer in vollem
  205. Umfang geboten. Auch dort muss jedoch die Prüfung der wirtschaftlichen Lage
  206. des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und müssen
  207. die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst
  208. werden (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997, aaO).
  209. - 11 -
  210. 20
  211. Ob danach aus Sicht der Schuldnerin ein ausreichendes Sanierungskonzept vorlag, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen, und allein auf die
  212. nach seiner Auffassung fehlende Kenntnis der Beklagten vom (unterstellten)
  213. Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin abgestellt.
  214. 21
  215. 2. Richtig ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe
  216. zumindest die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt. Das
  217. wird von der Beklagten in der Revision nicht in Frage gestellt. Die Kenntnis
  218. ergab sich jedenfalls aus dem der Beklagten zugegangenen Schreiben der
  219. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 15. Januar 2007, in dem mitgeteilt wurde,
  220. dass die Schuldnerin mit 3,5 Mio. € überschuldet sei und sich die Überschuldung bei Liquidation noch erhöhe. Es trete in Kürze Zahlungsunfähigkeit ein,
  221. wenn nicht alle Gläubiger auf 65 v.H. ihrer Forderungen verzichteten. Auch in
  222. diesem Fall könne die Insolvenz nur durch die zugesagte Zurverfügungstellung
  223. von Liquidität durch Dritte vermieden werden. Damit war für die Beklagte eindeutig, dass Zahlungsunfähigkeit nicht nur drohte, sondern bereits eingetreten
  224. war. Die Erklärung der Schuldnerin, ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen zu
  225. können, vermittelte ungeachtet der Bitte um Forderungserlass die Kenntnis von
  226. der Zahlungsunfähigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - IX ZR
  227. 61/14, ZIP 2016, 173 Rn. 19 ff mwN). Hinzu kam die Auskunft der Volksbank
  228. als Drittschuldnerin auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, dass kein
  229. pfändbares Guthaben vorhanden sei und Vorpfändungen in erheblichem Umfang vorlägen. Zudem waren die eigenen Forderungen der Beklagten nicht erfüllt worden, selbst soweit sie tituliert waren.
  230. 22
  231. Wusste die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin,
  232. musste sie grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an sie selbst
  233. gläubigerbenachteiligende Wirkung haben, wenn der Schuldner, wie hier, un-
  234. - 12 -
  235. ternehmerisch tätig und deshalb damit zu rechnen war, dass auch andere
  236. Gläubiger existierten. Dann weiß der Gläubiger regelmäßig auch, dass Leistungen aus dem Vermögen des Schuldners an ihn die Befriedigungsmöglichkeiten
  237. anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren oder verzögern. Deshalb ist dann der Anfechtungsgegner regelmäßig auch über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 202/10,
  238. WM 2012, 85 Rn. 15; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044
  239. Rn. 28; vom 7. Mai 2015 - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 17; vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 23).
  240. 23
  241. 3. Greift damit die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ein, bewirkt
  242. dies eine Umkehr der Beweislast. Es obliegt dann dem Anfechtungsgegner,
  243. darzulegen und zu beweisen, dass er nichts von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste (BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09,
  244. WM 2012, 711 Rn. 14; vom 21. Januar 2016 - IX ZR 84/13, WM 2016, 366
  245. Rn. 8). Den Gläubiger, der über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des
  246. Schuldners und die Gläubigerbenachteiligung unterrichtet ist, trifft deshalb auch
  247. die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er spätere Zahlungen auf der
  248. Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt hat (BGH, Urteil vom
  249. 3. April 2014 - IX ZR 201/13, WM 2014, 1009 Rn. 40).
  250. 24
  251. Hinsichtlich der Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen eines
  252. ernsthaften Sanierungsversuchs sind allerdings nicht dieselben Anforderungen
  253. zu stellen, wie sie für den Schuldner oder dessen Geschäftsführer gelten. Der
  254. Anfechtungsgegner muss aber konkrete Umstände darlegen und beweisen, die
  255. es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm im Hinblick auf den Sanierungsversuch der (hier unterstellte) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners unbekannt geblieben war (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06,
  256. - 13 -
  257. ZIP 2007, 1511 Rn. 9; Beschluss vom 10. Februar 2011, aaO). Die dabei zu
  258. stellenden Anforderungen hat das Berufungsgericht nicht zutreffend beurteilt.
  259. 25
  260. a) Der Gläubiger ist hinsichtlich eines ernsthaften Sanierungsversuchs in
  261. der Regel auf die Informationen angewiesen, die ihm der Schuldner zur Verfügung stellt. Auf die Erteilung der erforderlichen Informationen muss der Gläubiger im Vorfeld einer Sanierungsvereinbarung im eigenen Interesse bestehen.
  262. Verzichtet er hierauf, handelt er mit Anfechtungsrisiko.
  263. 26
  264. aa) Der Gläubiger, dem ein Teilverzicht auf seine Forderung abverlangt
  265. wird, hat zum Inhalt des Sanierungsplans allerdings kein Auskunftsrecht gegen
  266. seinen Schuldner, insbesondere auch nicht zu dem wesentlichen Inhalt des
  267. Plans und zu der Frage, welche anderen Gläubiger mit welcher Quote bedient
  268. werden sollen und ob sie diesem Vorgehen zugestimmt haben. Der Schuldner
  269. muss einem Gläubiger auch keine entsprechende Prüfung ermöglichen (BGH,
  270. Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 9). Andererseits ist
  271. ein Gläubiger nicht verpflichtet, auf seine Forderung ganz oder teilweise zu verzichten und sich mit einer Quote zu begnügen (gegebenenfalls teilweise gegen
  272. Besserungsschein). Wird er, wie im vorliegenden Fall, vor die Alternative gestellt, eine Quote von 35 v.H. als Abfindung zu akzeptieren (mit einem Besserungsschein über 15 v.H.) oder in einem sonst unausweichlichen Insolvenzverfahren gar nichts zu erhalten, ist ihm jedenfalls klar, dass der normale Gang der
  273. Dinge die Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre, wo er
  274. keine Quote zu erwarten hätte. Lässt er sich auf einen Vergleich ein, mit dem er
  275. deutlich besser gestellt werden soll, muss er zumindest so viele Informationen
  276. verlangen, dass er die Frage der möglichen Benachteiligung anderer Gläubiger
  277. nach dem Konzept des Schuldners einschätzen kann.
  278. - 14 -
  279. 27
  280. Das Sanierungskonzept des Schuldners muss der Gläubiger allerdings
  281. nicht selbst fachmännisch überprüfen oder durch Sachverständige überprüfen
  282. lassen. Er darf sich grundsätzlich auf schlüssige Angaben des Schuldners verlassen. Der Gläubiger ist selbst dann nicht verpflichtet, beim Schuldner Untersuchungen und Nachforschungen über die Erfolgsaussicht eines Sanierungskonzeptes anzustellen oder durch einen Fachmann anstellen zu lassen, wenn
  283. jener damit einverstanden ist. Er darf vielmehr den Angaben des Schuldners
  284. oder seines beauftragten Sanierungsberaters vertrauen, solange er keine (erheblichen) Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll oder dass
  285. der Sanierungsplan keine Aussicht auf Erfolg hat. Sind die den Gläubigern mitgeteilten Angaben, wie im vorliegenden Fall nach Behauptung des Klägers,
  286. falsch, mag das die Strafbarkeit oder Schadensersatzpflicht des Schuldners
  287. oder seines Bevollmächtigten zur Folge haben. Die Kenntnis des Gläubigers
  288. von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners begründet das
  289. grundsätzlich nicht.
  290. 28
  291. bb) Da der Beklagten mitgeteilt worden war, dass alle Gläubiger mit derselben Quote verzichten müssten, durfte sie zunächst davon ausgehen, dass
  292. andere aktuelle Gläubiger nicht benachteiligt würden. Dass mehrere Großgläubiger entgegen den Angaben des Schuldners und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - nach Behauptung des Klägers - nicht quotal verzichten mussten,
  293. wusste die Beklagte nicht. Selbst wenn sie es gewusst hätte, hätte sich daraus
  294. nicht ergeben, dass durch die Zahlung an sie selbst in Höhe der vereinbarten
  295. Quote andere Gläubiger benachteiligt werden würden, solange davon auszugehen war, dass die übrigen Gläubiger die Quote, mit der sie sich zufrieden gegeben hatten, erhalten würden.
  296. - 15 -
  297. 29
  298. b) Eine Gläubigerbenachteiligung ist jedoch mit einem Sanierungskonzept nur dann nicht verbunden, wenn das Schuldnerunternehmen auf der
  299. Grundlage der gegenwärtigen Erkenntnisse dauerhaft saniert wird. Arbeitet das
  300. Unternehmen ständig mit Verlust, ist eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert wird, von vornherein nicht
  301. tragfähig, weil dann der erneute Anstieg der Schulden unausweichlich und der
  302. erneute Eintritt der Insolvenzreife absehbar ist.
  303. 30
  304. aa) Für die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung. Der Benachteiligungsvorsatz muss sich zwar
  305. gerade auf Gläubiger beziehen. Unerheblich ist aber, ob diese Gläubiger bereits
  306. vorhanden sind. Deshalb ist die Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO auch in
  307. Bezug auf im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch künftige
  308. Gläubiger möglich (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009,
  309. 1943 Rn. 5 mwN; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 133 Rn. 16). Wird durch
  310. einen Sanierungsplan lediglich der gegenwärtige Schuldenstand durch quotalen
  311. Verzicht aller oder einiger Gläubiger reduziert, ist aber absehbar, dass künftige
  312. neue Gläubiger mangels kostendeckender Arbeit des Schuldnerunternehmens
  313. wiederum nicht befriedigt werden können, bleibt es bei der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Das bedeutet nicht, dass ein Sanierungskonzept
  314. ohne jegliches Risiko sein muss. Eine positive Prognose genügt, muss aber
  315. nachvollziehbar und vertretbar erscheinen. Es muss damit gerechnet werden
  316. können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt. Ist dies nicht gewährleistet und müssen
  317. deshalb der Schuldner und die Gläubiger davon ausgehen, dass die Finanzierung des Unternehmens auch künftig nicht stabil ist, sondern dass die bei Unternehmensfortführung zu verdienenden Gelder weiterhin nicht ausreichen werden, um die anfallenden Kosten zu decken, ist der (erneute) Zusammenbruch
  318. - 16 -
  319. des Unternehmens bereits absehbar (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2015
  320. - IX ZR 198/13, WM 2015, 293 Rn. 14).
  321. 31
  322. Beschränkt sich ein Sanierungsversuch allein darauf, dass alle oder ein
  323. Teil der Gläubiger quotal auf ihre Forderungen verzichten, ist dies nur dann erfolgversprechend, wenn der Insolvenzgrund allein auf einem Finanzierungsproblem beruht, etwa dem Ausfall berechtigter Forderungen des Schuldners,
  324. das Schuldnerunternehmen aber grundsätzlich profitabel arbeitet. Kann in diesem Fall durch einen Schuldenschnitt die Zahlungsfähigkeit dauerhaft wiederhergestellt und die Überschuldung beseitigt werden, werden hierdurch andere,
  325. auch künftige Gläubiger nicht benachteiligt.
  326. 32
  327. Ging der Anfechtungsgegner in einem solchen Fall bei Entgegennahme
  328. einer quotalen Teilleistung des Schuldners davon aus, dass bei der Höhe der
  329. an ihn ausgezahlten Quote das Vermögen des Schuldners ausreiche, an alle
  330. anderen gegenwärtigen Gläubiger, die einem solchen Vorgehen zugestimmt
  331. haben, ebenfalls eine Quote zu zahlen, mit der diese einverstanden waren,
  332. dann sollen nach seinen Vorstellungen andere Gläubiger vom Schuldner nicht
  333. benachteiligt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06,
  334. WM 2009, 1943 Rn. 14; vom 21. Januar 2016 - IX ZR 84/13, WM 2016, 366
  335. Rn. 7).
  336. 33
  337. Dass der Sanierungserfolg mit einem reinen Quotenvergleich der Gläubiger herbeigeführt werden kann, ist jedoch ungewöhnlich. Hiervon kann der
  338. Gläubiger eines zahlungsunfähigen Schuldners nur ausgehen, wenn ihm derartige besondere Umstände vom Schuldner oder dessen Beratern schlüssig dargelegt worden sind. Dies war vorliegend nicht der Fall. Aus dem Schreiben der
  339. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergab sich nicht, dass die Zahlungsunfähigkeit
  340. - 17 -
  341. der Schuldnerin allein auf Finanzierungsproblemen beruhte, etwa dem einmaligen nicht absehbaren Ausfall größerer Forderungen. Aus dem Schreiben ergibt
  342. sich vielmehr keinerlei Anhaltspunkt, dass und warum mit dem geforderten
  343. Quotenvergleich eine Sanierung bewerkstelligt werden könnte. Hiervon konnte
  344. die Beklagte folglich nicht ausgehen.
  345. 34
  346. bb) Beruht die Insolvenz des Schuldners nicht lediglich auf dem Ausfall
  347. berechtigter Forderungen, sondern - wie im Regelfall - vor allem auf dem dauerhaft unwirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens, kann ein Gläubiger von
  348. einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept nur ausgehen, wenn vom
  349. Schuldner oder dessen Beratern zumindest die Grundlagen einer weitergehenden Sanierung schlüssig dargelegt wurden.
  350. 35
  351. (1) Erforderlich ist die Darlegung der Ursache der drohenden Insolvenz,
  352. insbesondere ob diese lediglich aus Problemen auf der Finanzierungsseite resultiert, oder ob der Betrieb unwirtschaftlich, insbesondere nicht kostendeckend
  353. oder sonst mit Verlusten arbeitet. Details müssen den Gläubigern nicht mitgeteilt werden. Diese müssen aber zumindest erkennen können, ob zur Sanierung
  354. ein Forderungsverzicht der Gläubiger ausreichend ist, oder ob Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind.
  355. 36
  356. Bei der Notwendigkeit von Umstrukturierungsmaßnahmen müssen diese
  357. nicht im Detail erörtert werden. Zumindest ist aber darzulegen, dass diese in
  358. Angriff genommen werden und dass nach ihrer Durchführung für das Unternehmen wieder Erfolgsaussichten bestehen und die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt werden kann. Die Maßnahmen müssen
  359. eine positive Fortführungsprognose begründen.
  360. - 18 -
  361. 37
  362. Sofern, wie im Regelfall, ein finanzieller Beitrag der Gläubiger verlangt
  363. wird, etwa in Form eines quotalen Verzichts auf Forderungen, ist zumindest Art
  364. und Höhe der bei Sanierungsbeginn bestehenden ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners offenzulegen (Finanzlage), weil dies Ausgangspunkt jeder
  365. Sanierungsüberlegung auf der Finanzierungsseite ist.
  366. 38
  367. Schließlich muss dem Gläubiger bekannt sein, in welcher Weise mit dem
  368. Sanierungsplan der Insolvenzgrund beseitigt werden soll. Das beinhaltet zum
  369. einen die Frage, in welcher Höhe Verbindlichkeiten erledigt werden müssen,
  370. etwa durch Verzicht der Gläubiger, und die Festlegung der mindestens zu erzielenden Vergleichsquote (Forderungsanteil, auf den insgesamt verzichtet werden
  371. muss). Auf der anderen Seite beinhaltet dies gegebenenfalls die Darstellung
  372. der Notwendigkeit der Einwerbung frischen Kapitals, der Erfolgsaussicht dieser
  373. Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf den Insolvenzgrund. Insoweit kommen
  374. vor allem neues Eigenkapital oder Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt in
  375. Betracht. Auch insoweit müssen dem Gläubiger nur die Grundzüge, keine Details bekannt gemacht werden.
  376. 39
  377. (2) Aus den Informationen, die dem Gläubiger danach mitgeteilt worden
  378. sind, muss sich aus seiner Sicht das Sanierungskonzept als schlüssig darstellen und erfolgversprechend erscheinen. Sicher muss der Erfolg nicht sein. Es
  379. genügen gute Chancen für eine Sanierung. Konnte dem Vorhaben dagegen
  380. aus seiner Perspektive von vorneherein eine realistische Realisierungschance
  381. nicht zugebilligt werden, ist die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
  382. nicht ausgeräumt, weil dann mit einem Erfolg des Konzeptes von vorneherein
  383. nicht zu rechnen war.
  384. - 19 -
  385. 40
  386. Von einem erfolgversprechenden Sanierungsplan kann der Gläubiger
  387. nicht ausgehen, wenn er keine Kenntnis von den Ursachen der drohenden Insolvenz sowie den Gründen für eine positive Fortführungsprognose hat. Die
  388. Reduzierung allein der Schulden durch (Teil-)Verzicht der Gläubiger ist für eine
  389. Sanierung in der Regel nicht erfolgversprechend, wenn dadurch die Ursachen
  390. der Krise nicht beseitigt werden und in der Zukunft unverändert fortwirken würden. Ihre Beseitigung ist die Grundlage jeder erfolgversprechenden Sanierung,
  391. sofern die Krise, wie ausgeführt, nicht ausnahmsweise lediglich auf einem Zahlungsausfall beruht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 52/10, WM
  392. 2013, 763 Rn. 13).
  393. 41
  394. cc) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte
  395. keinerlei Kenntnis von den Ursachen der Krise und den geplanten Maßnahmen
  396. zu ihrer Beseitigung. Hatte sie jedoch nicht einmal Kenntnis davon, was nach
  397. Auffassung des Schuldners und seiner Berater für die gebotene Sanierung entscheidend war, konnte und durfte sie nicht von einem erfolgversprechenden
  398. Sanierungskonzept ausgehen.
  399. 42
  400. Das Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 15. Januar 2007
  401. enthielt keinerlei Hinweise auf die Ursachen der Krise und dazu, wie diese Ursachen dauerhaft beseitigt werden könnten. Es befasst sich ausschließlich mit
  402. der aktuellen Liquiditätslage der Schuldnerin und der Frage, wie diese kurzfristig verbessert werden konnte. Das allein war für eine Sanierung offensichtlich
  403. kein brauchbarer Ansatz. Dass es hier ausnahmsweise anders gewesen wäre,
  404. wurde nicht dargelegt.
  405. 43
  406. Auch sonstige Feststellungen, wonach die Beklagte von einer dauerhaften Beseitigung der Krisenursachen ausgehen durfte, hat das Berufungsgericht
  407. - 20 -
  408. nicht getroffen. Die Beklagte hat vielmehr selbst vorgetragen, über Einzelheiten
  409. des Sanierungskonzeptes nicht informiert gewesen zu sein. Auf dieser Grundlage durfte sie nicht davon ausgehen, dass das Konzept Erfolg haben könnte.
  410. III.
  411. 44
  412. Das Berufungsurteil kann damit keinen Bestand haben. Die Sache ist
  413. noch nicht zur Endentscheidung reif, weil die erforderlichen Feststellungen zum
  414. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin fehlen. Das Berufungsurteil
  415. ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird
  416. - 21 -
  417. festzustellen haben, ob aus Sicht der Schuldnerin ein ausreichendes und erfolgversprechendes Sanierungskonzept vorlag.
  418. Kayser
  419. Vill
  420. Pape
  421. Lohmann
  422. Möhring
  423. Vorinstanzen:
  424. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2013 - 7 O 349/12 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.02.2014 - I-12 U 91/13 -