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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZR 253/12
  4. vom
  5. 14. November 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  9. Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape
  10. und die Richterin Möhring
  11. am 14. November 2013
  12. beschlossen:
  13. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. September 2012 zugelassen.
  14. Auf die Revision der Beklagten wird der vorbezeichnete Beschluss
  15. aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
  16. Berufungsgericht zurückverwiesen.
  17. Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 91.990,33 € festgesetzt.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Die Klägerin nimmt die beklagte Anwaltssozietät aus eigenem und aus
  22. abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Schadensersatz in Anspruch, weil
  23. diese dazu geraten hatte, eine Forderung der S.
  24. eG aus
  25. - 3 -
  26. einem Darlehensvertrag, welcher der Finanzierung einer Fondsbeteiligung diente, anzuerkennen; nach Ansicht der Klägerin hätte ihr Ehemann die Widerruflichkeit des Vertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz einwenden können.
  27. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 91.990,33 € nebst Zinsen
  28. Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsanteile sowie zur Zahlung weiterer
  29. 3.215,02 € nebst Zinsen verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil ist durch Beschluss
  30. gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden.
  31. II.
  32. 2
  33. Die Revision ist zuzulassen und begründet. Sie führt zur Aufhebung des
  34. angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1, Abs. 7 ZPO).
  35. 3
  36. 1. Das Berufungsgericht hat den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Ehemann der Klägerin habe die Konditionen des Darlehensvertrages bereits vor dessen Unterzeichnung am 24. April 1996 gekannt, unter Bezugnahme auf § 138 ZPO für unbeachtlich gehalten. Dieses Vorgehen findet im
  37. Prozessrecht keine Stütze (Art. 103 Abs. 1 GG). Eine Partei ist nicht gehindert,
  38. ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern. Eine etwaige Widersprüchlichkeit im Parteivortrag ist allein im Rahmen der Beweiswürdigung zu
  39. berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. April 2013 - I ZR 66/12, zVb, Rn. 41). Zudem war die Beklagte an den Verhandlungen zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Zeugen St.
  40. nicht beteiligt. Schon deshalb kann ihr kein
  41. Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO) vorgeworfen werden. Sie war auch nicht gehalten, zu den Einzelheiten eines Vorgangs vorzu-
  42. - 4 -
  43. tragen, von dem sie keine eigene Kenntnis haben konnte (vgl. BGH, Urteil vom
  44. 25. November 1998 - VIII ZR 345/97, NJW-RR 1999, 360; vom 15. Mai 2001
  45. - VI ZR 55/00, NJW-RR 2001, 1294, 1295).
  46. 4
  47. 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte das vorgenannte
  48. Vorbringen der Beklagten gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  49. ZPO zugelassen werden müssen. Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind
  50. neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen
  51. oder für unerheblich gehalten worden ist. Nach Ansicht des Landgerichts kam
  52. es auf die Umstände des Abschlusses des Darlehensvertrages am 24. April
  53. 1996 nicht an. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2011 wurden die Parteien darauf hingewiesen, es komme darauf an, wann dem Zedenten die Fondsbeteiligung erstmals angeboten worden sei. Der Beweisbeschluss
  54. vom 26. Juli 2011 lautete folgerichtig, es sei Beweis darüber zu erheben, wie es
  55. zu der am 13. März 2006 gezeichneten Beteiligung gekommen sei. Auch das
  56. landgerichtliche Urteil befasst sich ausschließlich mit dem Inhalt der Beratung
  57. am 13. März 1996 sowie der Frage, ob der Darlehensvertrag als verbundenes
  58. Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 3 VerbrKrG angesehen werden kann. Die Beklagte hatte daher keinen Anlass, sich mit dem Vortrag der Klägerin zu den
  59. Umständen des Abschlusses des Darlehensvertrages am 24. April 1996 auseinanderzusetzen.
  60. 5
  61. 3. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Verstöße gegen
  62. Art. 103 Abs. 1 GG auf die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgewirkt haben. Die Klägerin ist beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR
  63. 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 12), dafür also, dass die Empfehlung, die Darle-
  64. - 5 -
  65. hensforderung anzuerkennen, der Sach- und Rechtslage nicht entsprach. Die
  66. dem Mandanten günstigen Beweislastregeln eines etwaigen Ausgangsprozesses sind zwar auch im Rechtsstreit gegen den Anwalt anzuwenden (BGH, Urteil
  67. vom 13. Juni 1996 - IX ZR 233/95, BGHZ 133, 110, 115). Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Haustürsituation und deren Kausalität für
  68. den Abschluss des Vertrages ist jedoch der Verbraucher (BGH, Urteil vom
  69. 16. Januar 1996 - XI ZR 116/95, BGHZ 131, 385, 392; Beschluss vom 22. September 2008 - II ZR 257/07, WM 2009, 76 Rn. 5; Urteil vom 22. Mai 2012 - II ZR
  70. 14/10, WM 2012, 1474 Rn. 19 zu § 312 BGB). Werden die Vertragsverhandlungen in der Privatwohnung des Verbrauchers geführt und kommt es sodann
  71. noch während dieser Zusammenkunft zum Abschluss eines Vertrages, kann in
  72. aller Regel davon ausgegangen werden, dass die Haustürsituation für den Vertragsschluss jedenfalls mitursächlich geworden ist, mit der Folge, dass der Verbraucher die Bestimmung zum Vertragsschluss nicht konkret darlegen und beweisen muss. Die von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den
  73. Verhandlungen und dem Vertragsschluss ausgehende Indizwirkung nimmt aber
  74. mit zunehmendem zeitlichen Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit
  75. ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung
  76. möglicherweise auch anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung
  77. zukommt, ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 9. Mai
  78. 2006 - XI ZR 119/05, WM 2006, 1243 Rn. 14). Die von der Beklagten behauptete, als qualifiziertes Bestreiten der Haustürsituation und deren Kausalität für den
  79. Abschluss des Darlehensvertrages zu wertende und von der Klägerin daher zu
  80. - 6 -
  81. widerlegende Vorkenntnis des Ehemannes der Klägerin ist ein Umstand, der
  82. gegebenenfalls in diese Würdigung einzubeziehen gewesen wäre.
  83. Kayser
  84. Vill
  85. Pape
  86. Lohmann
  87. Möhring
  88. Vorinstanzen:
  89. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.01.2012 - 6 O 500/10 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.09.2012 - I-14 U 34/12 -