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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 109/15
  5. Verkündet am:
  6. 25. Februar 2016
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 133 Abs. 1
  19. Schweigt der Schuldner einer erheblichen Forderung während eines monatelangen
  20. Zeitraums auf Rechnungen und Mahnungen und bietet er nach Einschaltung eines
  21. Inkassounternehmens und Erwirken eines Mahnbescheids in dem auf seinen Widerspruch eingeleiteten gerichtlichen Verfahren die ratenweise Zahlung der Gesamtforderung einschließlich der Zinsen und der angefallenen Kosten an, hat der Gläubiger
  22. die Zahlungseinstellung des Schuldners, dessen Zahlungsverzug nicht mit einer fortdauernden Anspruchsprüfung erklärt werden kann, erkannt.
  23. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - IX ZR 109/15 - LG Aachen
  24. AG Aachen
  25. ECLI:DE:BGH:2016:250216UIXZR109.15.0
  26. -2-
  27. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 25. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
  29. Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter
  30. Dr. Schoppmeyer
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. April 2015 und das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 5. November 2014 aufgehoben.
  33. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.500 € nebst Zinsen in
  34. Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab
  35. dem 25. Februar 2011 zu bezahlen. Wegen der Zinsmehrforderung wird die Klage abgewiesen.
  36. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 7. Dezember 2010
  41. über
  42. das
  43. Vermögen
  44. der
  45. C.
  46. GmbH
  47. (nachfolgend: Schuldnerin) am 24. Februar 2011 eröffneten Insolvenzverfahren.
  48. -3-
  49. 2
  50. Die Schuldnerin beauftragte die Beklagte im Rahmen einer ständigen
  51. Geschäftsbeziehung mit einem Materialtransport von Eschweiler nach Antwerpen. Für diese Leistung stellte die Beklagte der Schuldnerin vereinbarungsgemäß am 30. Juni und 31. August 2009 insgesamt den Betrag von 16.195,70 €
  52. in Rechnung. Ohne Erfolg mahnte die Beklagte am 22. Juli, 29. Juli, 5. August
  53. und 23. September 2009 gegenüber der Schuldnerin die Zahlung an.
  54. 3
  55. Ein von der Beklagten mit dem Forderungseinzug betrautes Inkassounternehmen erwirkte im Anschluss an eine weitere fruchtlose Mahnung vom
  56. 8. Oktober 2009 gegen die Schuldnerin am 19. November 2009 einen Mahnbescheid. In dem auf den Widerspruch der Schuldnerin eingeleiteten streitigen
  57. Verfahren machte die Beklagte geltend, dass die Schuldnerin keine Einwände
  58. gegen die Forderung erhoben habe. Die Schuldnerin zeigte ihre Verteidigungsbereitschaft an und teilte dem Gericht im weiteren Verlauf mit, der Beklagten ein
  59. Vergleichsangebot unterbreitet zu haben. Im Rahmen eines am 21. April 2010
  60. festgestellten gerichtlichen Vergleichs verpflichtete sich die Schuldnerin, in monatlichen Raten von 1.500 €, beginnend ab dem 15. April 2010, an die Beklagte
  61. 16.195,70 € nebst Zinsen und Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Die Schuldnerin entrichtete am 12. April, 14. Mai und 29. Juni 2010 jeweils 1.500 € an die
  62. Beklagte.
  63. 4
  64. Mit vorliegender Klage nimmt der Kläger unter dem Gesichtspunkt der
  65. Vorsatzanfechtung die Beklagte auf Erstattung der empfangenen Zahlungen
  66. über 4.500 € in Anspruch. Die Vordergerichte haben die Klage abgewiesen. Mit
  67. der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
  68. Begehren weiter.
  69. -4-
  70. Entscheidungsgründe:
  71. 5
  72. Die Revision hat Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten.
  73. I.
  74. 6
  75. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es fehle an der von § 133 Abs. 1
  76. InsO vorausgesetzten Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes werde gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Gläubiger gewusst habe,
  77. dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohe und die Handlung die
  78. Gläubiger benachteilige. Die Beklagte habe im Zeitpunkt der Entgegennahme
  79. der Ratenzahlungen nicht zwingend auf eine wenigstens drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen müssen. Für die Nichtzahlung seien andere
  80. Ursachen als eine Zahlungsunfähigkeit in Betracht gekommen. Es habe die
  81. Möglichkeit bestanden, dass die Schuldnerin die Prüfung der Berechtigung der
  82. geltend gemachten Forderung noch nicht abgeschlossen gehabt habe. Hiermit
  83. lasse sich auch das prozessuale Verhalten, die Erhebung des Widerspruchs
  84. und die Mitteilung der Verteidigungsbereitschaft, erklären. Dies gelte umso
  85. mehr, als zwischen der Fälligkeit der Forderungen und den angefochtenen
  86. Rechtshandlungen ein noch überschaubarer Zeitraum gelegen habe.
  87. 7
  88. Aus der getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung habe die Beklagte zwar
  89. schließen können, dass die Schuldnerin interessiert gewesen sei, die Gesamtfälligkeit der Forderung abzuwenden. Auch diese Erkenntnis deute nicht zwingend auf eine wenigstens drohende Zahlungsunfähigkeit hin. Der Abschluss
  90. von Ratenzahlungsvereinbarungen im Vergleichswege sei in der Rechtspraxis
  91. -5-
  92. gängige Übung und biete auch dem Schuldner, dem nicht die Zahlungsunfähigkeit drohe, erhebliche Vorteile.
  93. II.
  94. 8
  95. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist
  96. in der Hauptsache gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO begründet. Die Beklagte
  97. hat im Wissen um die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin deren Benachteiligungsvorsatz erkannt.
  98. 9
  99. 1. Die angefochtenen Ratenzahlungen stellen Rechtshandlungen der
  100. Schuldnerin dar, die selbstbestimmt darüber entschieden hat, ob sie die im
  101. Vergleichswege übernommenen Verpflichtungen durch Banküberweisungen
  102. erfüllt. Infolge des Vermögensabflusses haben die Rechtshandlungen eine
  103. Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) ausgelöst (BGH, Urteil vom
  104. 7. Mai 2015 - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 8 mwN).
  105. 10
  106. 2. Die Schuldnerin hat die Zahlungen mit einem von der Beklagten erkannten Benachteiligungsvorsatz vorgenommen.
  107. 11
  108. a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können
  109. - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen
  110. handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden
  111. (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Ein
  112. Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedi-
  113. -6-
  114. gen. Kennt der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er
  115. auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist
  116. ein solcher Gläubiger zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im
  117. Bilde. Dies gilt insbesondere, wenn der Schuldner gewerblich tätig ist, weil der
  118. Gläubiger in diesem Fall mit weiteren Gläubigern des Schuldners mit ungedeckten Ansprüchen rechnen muss (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR
  119. 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15; vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13, WM 2013,
  120. 2074 Rn. 14; vom 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13, WM 2013, 2231 Rn. 11).
  121. Nach den unbeanstandeten Feststellungen der Vordergerichte war der Schuldnerin, die offene Verbindlichkeiten von mehr als 100.000 € vor sich herschob,
  122. während des gesamten Zahlungszeitraums ihre Zahlungsunfähigkeit bewusst.
  123. Dies gestattet den Schluss auf ihren Benachteiligungsvorsatz.
  124. 12
  125. b) Die Beklagte hat entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts die
  126. aus einer Zahlungseinstellung herrührende Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2
  127. Satz 2 InsO) und damit den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin erkannt.
  128. Zwar beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle der vom Berufungsgericht zur Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes getroffenen Feststellungen
  129. darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem
  130. Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 7. November 2013 - IX
  131. ZR 49/13, WM 2013, 2272 Rn. 8; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, WM 2014,
  132. 1868 Rn. 18; vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 15).
  133. Einer solchen Überprüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch
  134. nicht stand. Das Berufungsgericht hat maßgebliche, aus Sicht der Beklagten
  135. auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin deutende Beweisanzeichen nicht
  136. -7-
  137. beachtet und bei seiner Würdigung, die unterbliebene Zahlung der Schuldnerin
  138. habe aus der Sicht eines Außenstehenden anstelle einer Zahlungsunfähigkeit
  139. auf der noch andauernden Prüfung der Berechtigung der Forderung beruhen
  140. können, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.
  141. 13
  142. aa) Das monatelange völlige Schweigen der Schuldnerin auf die Rechnungen und vielfältigen Mahnungen der Beklagten begründete schon für sich
  143. genommen ein Indiz für eine Zahlungseinstellung (BGH, Beschluss vom
  144. 21. August 2013 - 1 StR 665/12, NJW 2014, 164 Rn. 15; RG JW 1926, 591
  145. Nr. 12; Jaeger/Müller, InsO, 2004, § 17 Rn. 32; MünchKomm-GmbHG/
  146. Wißmann, 2. Aufl., § 84 Rn. 150; Otte in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und
  147. Steuerstrafrecht, 2011, § 15a InsO Rn. 68).
  148. 14
  149. (1) Die Forderungen der Beklagten waren der Schuldnerin am 30. Juni
  150. und 31. August 2009 in Rechnung gestellt worden. Ferner hatte die Beklagte
  151. am 22. Juli, 29. Juli, 5. August und 23. September 2009 Mahnungen an die
  152. Schuldnerin gerichtet. Durch die zeitlich engmaschigen Rechnungs- und Mahnschreiben hatte die Beklagte einen erheblichen Zahlungsdruck gegenüber der
  153. Schuldnerin entfaltet, welcher dieser Anlass gab, die Begründetheit der erhobenen Forderung zur Vermeidung der mit einem Verzug verbundenen Rechtsnachteile schleunigst zu prüfen. Da die Schuldnerin angesichts des intensiven
  154. Zahlungsverlangens mit der alsbaldigen Geltendmachung gerichtlicher Schritte
  155. rechnen musste, deutete ihr monatelanges Schweigen gerade aus der Sicht der
  156. Beklagten nach aller Erfahrung nicht - wie das Berufungsgericht meint - auf eine
  157. andauernde Forderungsprüfung, sondern auf schwerwiegende Liquiditätsprobleme hin. Im Falle fortbestehender Zahlungsfähigkeit hätte es der Interessenlage der Schuldnerin entsprochen, nach alsbaldiger Prüfung entweder begründete Einwendungen gegen die Forderung zu erheben oder diese zur Vermeidung
  158. -8-
  159. einer zu befürchtenden kostenträchtigen gerichtlichen Inanspruchnahme umgehend zu tilgen. Mit einer Prüfung der Forderung, der ein einfacher, leicht feststellbarer Leistungsvorgang zugrunde lag, war das fast fünf Monate währende
  160. Schweigen der Schuldnerin zwischen der ersten Rechnungsstellung und dem
  161. Erwirken des Mahnbescheides am 19. November 2009 zumal vor dem Hintergrund der ständigen, bislang störungsfreien Geschäftsbeziehung der Parteien
  162. nach aller Erfahrung nicht zu erklären. Als im Wirtschaftsverkehr allein realistische Schlussfolgerung begründete der mehrmonatige Zahlungsverzug der
  163. Schuldnerin, die keine Einwendungen gegen die Forderung erhob, die Annahme unüberwindlicher Zahlungsschwierigkeiten. Die in dem ständigen Schieben
  164. der Forderung zum Ausdruck kommende schlechte Zahlungsmoral verdeutlichte, dass die Schuldnerin am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte (MünchKomm-InsO/Eilenberger, 3. Aufl., § 17 Rn. 30).
  165. 15
  166. (2) Entgegen der weiteren Würdigung des Berufungsgerichts ließ sich
  167. auch das prozessuale Verhalten der Schuldnerin, die gegen den Mahnbescheid
  168. Widerspruch erhob und sodann im Vergleichsweg eine uneingeschränkt dem
  169. Verlangen der Beklagten entsprechende Ratenzahlungsvereinbarung anbot,
  170. nicht auf eine Prüfung der Forderung zurückführen. Durch die Einleitung des
  171. Mahnverfahrens und den Übergang in das streitige Verfahren waren erhebliche
  172. zusätzliche Kosten angefallen, die ein zahlungsfähiger Schuldner durch Begleichung der begründeten Forderung vermieden hätte. Vielmehr offenbarte die
  173. monatelange völlige Untätigkeit der Schuldnerin und die Inkaufnahme des von
  174. vornherein aussichtslosen Rechtsstreits, dass sie mangels flüssiger Zahlungsmittel lediglich Zeit zu gewinnen suchte. Mit dem Angebot auf Abschluss einer
  175. Ratenzahlungsvereinbarung kam die Schuldnerin aus der Warte der Beklagten
  176. einer streitigen Verurteilung zur Zahlung des Gesamtbetrages zuvor, den sie im
  177. Falle einer Vollstreckung ersichtlich nicht hätte aufbringen können.
  178. -9-
  179. 16
  180. bb) Ein weiteres Indiz einer Zahlungseinstellung verkörperte sich in dem
  181. für die Beklagte infolge des Zeitablaufs zutage getretenen Unvermögen der
  182. Schuldnerin, die erhebliche Verbindlichkeit der Beklagten zu tilgen.
  183. 17
  184. (1) Ein Gläubiger kennt die Zahlungseinstellung schon dann, wenn er
  185. selbst bei Leistungsempfang seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese
  186. verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage
  187. ist, die Forderungen zu erfüllen (BGH, Urteil vom 30. April 2015 - IX ZR 149/14,
  188. WM 2015, 1339 Rn. 9). Aus Rechtsgründen genügt es, wenn die Zahlungseinstellung auf Grund der Nichtbezahlung nur einer - nicht unwesentlichen - Forderung dem Anfechtungsgegner bekannt wird (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010
  189. - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 39). In dieser Weise verhält es sich im
  190. Streitfall.
  191. 18
  192. (2) Die Beklagte hatte ihre recht hohe Forderung von mehr als 16.000 €
  193. über einen längeren - nicht, wie das Berufungsgericht ausführt, überschaubaren - Zeitraum von mehr als neun Monaten ab der ersten Rechnungsstellung
  194. vergeblich eingefordert. Gleichwohl war die Schuldnerin ersichtlich außerstande, die Verbindlichkeit zu tilgen. Selbst die Einschaltung eines Inkassounternehmens und die Betreibung des Mahnverfahrens sowie die Einleitung des
  195. streitigen gerichtlichen Verfahrens konnten die Schuldnerin, die keine Einwendungen gegen die Berechtigung der Forderung erhob, nicht zur Zahlung bewegen. Angesichts der zeitlichen Gegebenheiten gestattete bereits die schlichte
  196. Nichtbegleichung der offenen Forderung den Schluss auf eine Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZB 264/11, ZInsO 2012, 1418
  197. Rn. 9). Daraus konnte und musste die Beklagte entnehmen, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, ihre Verbindlichkeiten zurückzuführen (BGH, Urteil
  198. - 10 -
  199. vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 35). Da die Beklagte
  200. mit weiteren Gläubigern der gewerblich tätigen Schuldnerin rechnen musste,
  201. war sie über deren Zahlungseinstellung unterrichtet (vgl. BGH, Urteil vom
  202. 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30).
  203. 19
  204. cc) Schließlich offenbarte sich in dem Vorschlag der Schuldnerin auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung gegenüber der Beklagten ein zusätzliches Indiz einer Zahlungseinstellung.
  205. 20
  206. (1) Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit. Die Bitte um eine Ratenzahlungsvereinbarung kann auf den verschiedensten Gründen beruhen, die mit einer Zahlungseinstellung nichts zu tun
  207. haben, etwa der Erzielung von Zinsvorteilen oder der Vermeidung von Kosten
  208. und Mühen im Zusammenhang mit der Aufnahme eines ohne weiteres erlangbaren Darlehens (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 6/14, WM
  209. 2015, 933 Rn. 3).
  210. 21
  211. (2) Eine Bitte um Ratenzahlung ist jedoch ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können (vgl. BGH, aaO
  212. Rn. 4 mwN; Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 17).
  213. In dieser Weise verhält es sich im Streitfall. Die Beklagte hatte gegenüber der
  214. Schuldnerin über viele Monate wiederholt und ohne Erfolg die Zahlung der
  215. rückständigen Rechnungen angemahnt. Danach hatte die Beklagte ein Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug betraut. Mangels Zahlung der
  216. Schuldnerin hatte die Beklagte einen Mahnbescheid erwirkt und auf den Wider-
  217. - 11 -
  218. spruch der Schuldnerin das streitige gerichtliche Verfahren beschritten. Die erst
  219. im Rahmen des Rechtsstreits nach Offenbarwerden der Zahlungsschwierigkeiten geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung entspricht nicht den üblichen
  220. Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs. Kein redlicher Schuldner lässt sich,
  221. ohne die geltend gemachte Forderung sachlich abwehren zu wollen, verklagen,
  222. nur um die Zahlung hinauszuzögern und dem Kläger eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuringen. Dabei fällt ins Gewicht, dass die Schuldnerin zunächst
  223. nur monatliche Raten in Höhe von 1.000 € ab dem 15. Mai 2010 angeboten
  224. hatte und offenbar erst auf Verlangen der Beklagten die Raten verbunden mit
  225. einem Zahlungsbeginn ab dem 15. April 2010 auf 1.500 € erhöht wurden. Vor
  226. diesem Hintergrund ging es der Schuldnerin angesichts des monatelangen Zahlungsrückstands entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts ersichtlich
  227. nicht darum, verfügbare Finanzmittel anderweitig einzusetzen. Vielmehr konnte
  228. die angesichts ihres unabwendbaren prozessualen Unterliegens geäußerte Bitte der Schuldnerin um eine möglichst geringe und zeitlich hinausgeschobene
  229. Ratenzahlung nur dahin verstanden werden, ihre fälligen Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September
  230. 2015 - IX ZR 308/14, WM 2015, 2107 Rn. 3). Einer Erfüllungsverweigerung
  231. oder eines sonstigen Verhaltens der Schuldnerin, das ihre Zahlungsunfähigkeit
  232. dokumentierte, bedurfte es nicht (BGH, Urteil vom 22. November 1990 - IX ZR
  233. 103/90, ZIP 1991, 39, 40).
  234. 22
  235. dd) Bei dieser Sachlage haben sich mehrere Beweisanzeichen verwirklicht, die aus Sicht der Beklagten klar auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin und damit auf einen Benachteiligungsvorsatz hindeuteten (vgl. BGH, Urteil
  236. vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 18). Nach der fruchtlosen monatelangen Beitreibung ihrer erheblichen Forderung und dem Abschluss
  237. der Ratenzahlungsvereinbarung in einem für die Schuldnerin von vornherein
  238. - 12 -
  239. verlorenen Rechtsstreit konnte sich die Beklagte der Tatsache nicht verschließen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war und eine bevorzugte Befriedigung der Beklagten zum Nachteil anderer Gläubiger zumindest billigend in Kauf
  240. nahm.
  241. 23
  242. 3. Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und die Kenntnis der Beklagten wurden nicht durch die zwischen ihnen im Vergleichswege getroffene Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt.
  243. 24
  244. a) Die hier verwirklichte Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO)
  245. konnte nur beseitigt werden, indem die Schuldnerin ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufnahm. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft.
  246. Hat der anfechtende Verwalter - wie hier - für einen bestimmten Zeitpunkt den
  247. ihm obliegenden Beweis der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss
  248. der Anfechtungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung
  249. zwischenzeitlich wieder entfallen ist. Für den nachträglichen Wegfall der subjektiven Anfechtungsvoraussetzung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gilt Entsprechendes. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, hat darzulegen und zu beweisen, warum er später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12,
  250. WM 2013, 174 Rn. 33 mwN).
  251. 25
  252. b) Diesen Beweisanforderungen hat die Beklagte weder in objektiver
  253. noch in subjektiver Hinsicht genügt.
  254. 26
  255. aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden gegen
  256. die Schuldnerin im hier maßgeblichen Zahlungszeitraum durchweg Forderun-
  257. - 13 -
  258. gen in Höhe von mehr als 100.000 €. Angesichts dieser unbeglichenen Verbindlichkeiten wurde die Zahlungseinstellung der Schuldnerin mangels einer allgemeinen Zahlungsaufnahme allein durch die vereinbarungsgemäße Erfüllung der
  259. Ratenzahlungen nicht behoben (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO
  260. Rn. 36).
  261. 27
  262. bb) Ebenso ließ die ratenweise Tilgung ihrer eigenen Forderung die
  263. Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht entfallen.
  264. 28
  265. (1) Die Schlussfolgerung des Anfechtungsgegners, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich behoben ist, muss von einer
  266. ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage
  267. und nicht von einem bloßen "Gesinnungswandel" getragen sein. Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des Anfechtungsgegners begründen,
  268. nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall der Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr ist auf der Grundlage aller von den
  269. Parteien vorgetragenen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestand (BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 10 ff,
  270. 16; vom 19. Mai 2011 - IX ZR 9/10, WM 2011, 1085 Rn. 15; vom 6. Dezember
  271. 2012, aaO Rn. 39; vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 61/14, WM 2016, 172
  272. Rn. 27).
  273. 29
  274. (2) Hier kann schon eine nachträgliche Änderung der Tatsachengrundlage nicht festgestellt werden. Aus Sicht der Beklagten hatten sich keine Umstände verwirklicht, die darauf hindeuteten, dass die Schuldnerin ihre Zahlungsfähigkeit zurückgewonnen und ihre Zahlungen vollständig wieder aufgenommen
  275. - 14 -
  276. hätte. Konkrete Tatsachen, denen zufolge sich die Liquiditätslage der Schuldnerin verbessert hatte, waren der Beklagten nicht bekannt geworden (vgl. BGH,
  277. Urteil vom 27. März 2008, aaO Rn. 19). Auch hatte die Schuldnerin gegenüber
  278. der Beklagten keine Erklärungen abgegeben, die das Vertrauen auf ihre wirtschaftliche Gesundung rechtfertigten (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008, aaO
  279. Rn. 20; vom 20. November 2008 - IX ZR 188/07, WM 2009, 274 Rn. 13 f).
  280. Vielmehr unterstrich die Bitte um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung
  281. die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, die sich zu einem vollen Forderungsausgleich außerstande erklärte. Mithin konnte die Beklagte aufgrund des Vergleichsschlusses nicht von einer Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin ausgehen.
  282. 30
  283. (3) Da die Schuldnerin ein gewerbliches Unternehmen betrieb, war es für
  284. die Beklagte zudem offensichtlich, dass außer ihr weitere Gläubiger vorhanden
  285. waren, deren Forderungen nicht in vergleichbarer Weise bedient wurden wie
  286. ihre eigenen. Die Beklagte konnte sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass
  287. andere Gläubiger davon absahen, in gleicher Weise wie sie durch Mahnungen,
  288. Erwirken eines Mahnbescheids und Einleitung eines streitigen gerichtlichen
  289. Verfahrens erheblichen Druck auf die Schuldnerin zwecks Eintreibung ihrer
  290. Forderungen auszuüben. Vielmehr musste die Beklagte damit rechnen, dass
  291. andere Gläubiger die schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin und damit
  292. die Nichtbegleichung ihrer Forderungen hinnehmen würden. Darum entspricht
  293. es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner - um ihr wirtschaftliches
  294. Überleben zu sichern - unter dem Druck eines besonders auf Zahlung drängenden Gläubigers Zahlungen bevorzugt an diesen leisten, um ihn zum Stillhalten
  295. zu bewegen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich im Regelfall ein Schluss
  296. des Gläubigers dahin, dass - nur weil er selbst Zahlungen erhalten hat - der
  297. - 15 -
  298. Schuldner seine Zahlungen auch im allgemeinen wieder aufgenommen habe
  299. (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 42 mwN).
  300. III.
  301. 31
  302. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die
  303. Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das
  304. festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der
  305. Erstattungsanspruch des Klägers beläuft sich gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1,
  306. § 133 Abs. 1 InsO auf 4.500 €. Zinsen sind dem Kläger gemäß § 143 Abs. 1
  307. Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB
  308. - 16 -
  309. ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zuzuerkennen (BGH, Urteil vom
  310. 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 11 ff).
  311. Kayser
  312. Gehrlein
  313. Möhring
  314. Grupp
  315. Schoppmeyer
  316. Vorinstanzen:
  317. AG Aachen, Entscheidung vom 05.11.2014 - 101 C 363/13 LG Aachen, Entscheidung vom 10.04.2015 - 6 S 119/14 -